L 6 AS 661/22 NZB

Land
Nordrhein-Westfalen
Sozialgericht
LSG Nordrhein-Westfalen
Sachgebiet
Grundsicherung für Arbeitsuchende
Abteilung
6
1. Instanz
SG Köln (NRW)
Aktenzeichen
S 6 AS 1714/21
Datum
-
2. Instanz
LSG Nordrhein-Westfalen
Aktenzeichen
L 6 AS 661/22 NZB
Datum
-
3. Instanz
-
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Beschluss

Die Beschwerde des Klägers gegen die Nichtzulassung der Berufung im Urteil des Sozialgerichts Köln vom 21.03.2022 wird als unzulässig verworfen.

Außergerichtliche Kosten sind auch im Beschwerdeverfahren nicht zu erstatten.

 

Gründe:

I.

Der Kläger begehrt die Zulassung der Berufung gegen ein Urteil des Sozialgerichts (SG) Köln, mit dem das SG seine auf Kostenerstattung i.H.v. 4 € gerichtete Klage abgewiesen hat.

Mit Schreiben vom 09.05.2020 beantragte der Kläger bei dem Beklagten die Erstattung der ihm für die Beantwortung einer seiner Auffassung nach „unnötigen und sinnfreien“ Aufforderung zur Mitwirkung entstanden Kosten i.H.v. 4 €. Der Beklagte lehnte die Kostenerstattung ab (Bescheid vom 10.12.2020, Widerspruchsbescheid vom 13.04.2021).

Am 16.05.2021 hat der Kläger Klage vor dem SG Köln erhoben. Das SG hat die Klage durch Urteil vom 21.03.2022 mit der Begründung abgewiesen, dass eine Anspruchsgrundlage für das Leistungsbegehren des Klägers nicht ersichtlich sei. Das Urteil wurde dem Kläger ausweislich Postzustellungsurkunde am 02.04.2022 zugestellt.

Am 01.05.2022 um 18:31 Uhr ist zum Zwecke der Einlegung einer Nichtzulassungsbeschwerde gegen das o.g. Urteil bei dem Landessozialgericht unter Nutzung eines E-Mail-to-Fax- Dienstes ein auf den 30.04.2022 datierendes Schreiben eingegangen. Als Absender weist das Schreiben den Namen und die Postanschrift des Klägers aus. Das Schreiben enthält keine Begründung. Es enthält auch keine handschriftliche Unterschrift des Klägers, sondern endet mit dessen maschinengeschriebenen Namen sowie dem Zusatz „Maschinell erstellt, ohne Unterschrift gültig“.

Mit Schreiben vom 18.05.2022 hat die (vormalige) Berichterstatterin des Senats den Kläger aufgefordert, die Beschwerde zu begründen sowie eine unterschriebene Fassung der Beschwerdeschrift vorzulegen. Eine Reaktion auf dieses Schreiben ist trotz Erinnerung nicht erfolgt.

Am 11.08.2022 ist unter Bezugnahme auf das Schreiben vom 30.04.2022 – ebenfalls unter Nutzung eines E-Mail-to-Fax-Dienstes – eine den Namen des Klägers tragende Sachstandsanfrage bei Gericht eingegangen.

Ein erneut erteilter schriftlicher Hinweis des Gerichts vom 26.08.2022 auf die nicht formgerechte Einlegung bzw. Verfristung der Beschwerde und Bitte um inhaltliche Begründung blieb unbeantwortet.

Der Beklagte äußert sich im Beschwerdeverfahren nicht.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den Inhalt der Gerichtsakte und den Inhalt der beigezogenen Verwaltungsvorgänge des Beklagten Bezug genommen, der Gegenstand der Entscheidungsfindung gewesen ist.

II.

Die Nichtzulassungsbeschwerde hat keinen Erfolg. Sie ist bereits unzulässig.

Nach § 144 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 des Sozialgerichtsgesetzes (SGG) bedarf die Berufung der Zulassung in dem Urteil des SG oder auf Beschwerde durch Beschluss des Landessozialgerichts, wenn der Wert des Beschwerdegegenstandes bei einer Klage, die eine Geld- oder Sachleistung oder einen hierauf gerichteten Verwaltungsakt betrifft, 750 € nicht übersteigt. Das gilt nicht, wenn die Berufung wiederkehrende oder laufende Leistungen für mehr als ein Jahr betrifft (§ 144 Abs. 1 Satz 2 SGG). Die Nichtzulassung der Berufung durch das SG kann durch Beschwerde angefochten werden (§ 145 Abs. 1 Satz 1 SGG); diese ist bei dem Landessozialgericht innerhalb eines Monats nach Zustellung des vollständigen Urteils schriftlich oder zur Niederschrift des Urkundsbeamten einzulegen (§ 145 Abs. 1 Satz 2 SGG). Das Landessozialgericht entscheidet durch Beschluss (§ 145 Abs. 4 Satz 1 SGG).

Die Nichtzulassungsbeschwerde ist innerhalb der Monatsfrist des § 145 Absatz 1 Satz 2 SGG nicht in der gesetzlich vorgeschriebenen Schriftform oder zur Niederschrift des Urkundsbeamten eingelegt worden.

Dem Schriftformerfordernis wird in der Regel durch die eigenhändige Unterschrift des Beschwerdeführers Rechnung getragen (vgl. Leitherer in Meyer-Ladewig u.a., SGG, 13. Auflage 2020, § 151 Rn. 3a ff.) Diese ist grundsätzlich ein zwingendes Wirksamkeitserfordernis für bestimmende Schriftsätze. Die Schriftform wird ebenfalls durch ein verschriftlichtes Rechtsschutzgesuch gewahrt, das mittels Telefax dem Gericht zugeleitet wird und dort ausgedruckt wird (Bundesverfassungsgericht [BVerfG], Beschluss vom 01.08.1996, 1 BvR 121/95). Mittels sog. Computerfax können bestimmende Schriftsätze ferner formwirksam durch elektronische Übertragung einer Textdatei mit eingescannter Unterschrift auf das Fax-Gerät des Gerichts übermittelt werden, soweit der Zweck der Schriftform auf diese Weise gewährleistet wird (vgl. auch § 130 Nr. 6 Zivilprozessordnung [ZPO]).

Diese Form wahrt die dem Kläger zugeschriebene Beschwerdeschrift indes nicht. Denn sie ist unter Nutzung eines sog. E-Mail-to-Fax-Dienstes eingereicht worden und nicht mit einer eigenhändigen Unterschrift bzw. dem digitalisierten Abbild derselben versehen, sondern lediglich mit dem maschinenschriftlichen Namen des Klägers.

Das Schriftformerfordernis kann zwar auch dann erfüllt sein, wenn es an einer Unterschrift fehlt, sich jedoch aus anderen Anhaltspunkten eine der Unterschrift vergleichbare Gewähr für die Urheberschaft und den Willen, das Schreiben in den Verkehr zu bringen, ergibt (BSG, Urteil vom 21.06.2006, B 13 RJ 5/01R – m.w.N.; Leitherer, a.a.O § 145 Rn. 4 unter Hinweis auf § 151 Rn. 3ff.). Eine an den Umständen des Einzelfalls ausgerichtete Prüfung, ob das Schreiben von dem Antragsteller herrührt und von diesem mit Wissen und Wollen in den Verkehr gebracht worden ist, wie sie von Verfassungs wegen zur effektiven Rechtsschutzgewährung geboten ist (vgl. BVerfG, Beschluss vom 04.07.2002, 2 BvR 2168/00), führt jedoch im vorliegenden Fall zu keinem anderen Ergebnis.

Die Schriftform soll gewährleisten, dass aus dem Schriftstück der Inhalt der Erklärung und die Person, von der sie ausgeht, hinreichend zuverlässig entnommen werden können. Außerdem soll sie sicherstellen, dass es sich bei dem Schriftstück nicht nur um einen Entwurf handelt, sondern dass es mit Wissen und Willen des Berechtigten dem Gericht zugeleitet worden ist.

Eine solche Feststellung lässt sich im vorliegenden Fall unter Berücksichtigung der Umstände des Einzelfalles nicht treffen. Zwar war auf dem Schreiben vom 30.04.2022 der Name des Klägers maschinenschriftlich unter dem Schreiben zu finden. Zudem waren neben seiner vollständigen Adresse, das Aktenzeichen des Ausgangsverfahrens, das Datum der angegriffenen Entscheidung sowie die Nummer der Bedarfsgemeinschaft des Klägers angegeben und somit Daten, die in der Regel allein dem Betroffenen bekannt sind.

Demgegenüber ist jedoch auch zu berücksichtigen, dass der Kläger durch mehrere Schreiben der Berichterstatterin auf die Problematik und das grundsätzliche Erfordernis der eigenhändigen Unterschrift hingewiesen worden ist. Auch hierauf hat er nicht mit einem den Formanforderungen entsprechenden Schreiben, insbesondere nicht mit einer eigenhändigen Unterschrift reagiert. Sämtliche an ihn unter der angegebenen Adresse versandten Schriftstücke sind nicht beantwortet worden.

Schließlich hat sich der Kläger vorliegend nicht eines konventionellen Telefaxgeräts oder eines sog. „Computerfaxes“ bedient, sondern eines E-Mail-to-Fax-Dienstes. Derartige Dienste lassen die ungeprüfte Einrichtung von E-Mail-Accounts einschließlich des Telefax-Versands ohne jede Form der Authentifizierung unter jedem beliebigen Namen zu. Hinzu tritt, dass – anders als bei Telefaxgeräten – nicht mehr eine vergleichsweise sichere Punkt-zu-Punkt -Verbindung über eine (ggf. sogar noch analoge) Telefonleitung genutzt wird und eine dort (analog) übertragene Bild-Datei mit dem entsprechenden Erschwernis einer Fälschung Gegenstand der Übermittlung ist ("Telekopie" im herkömmlichen Sinne). Vielmehr wurde vorliegend schlicht eine elektronische Datei in ein Telefax-Formular des E-Mail-Dienstes hochgeladen und diese von dort aus übertragen. Dem ersten Übertragungsschritt liegt daher eine rein internetbasierte Übertragung zugrunde, die mit der Punkt-zu-Punkt-Verbindung früherer Telefax-Geräte unter dem Gesichtspunkt der IT-Sicherheit und des Datenschutzes nicht mehr vergleichbar ist und die nur sehr schwachen elektronischen Sicherungsmitteln unterliegt. Gerade hinsichtlich der hier so zentralen Authentizität des Absenders gibt es bei diesem Kommunikationsmittel keine Absicherung (vgl. zu dieser Frage auch Hessisches Landessozialgericht, Beschluss vom 13.12.2018, L 6 SF 1/18 DS, juris Rn. 9 ff.; Landessozialgericht Nordrhein-Westfalen, Beschluss vom 08.04.2021, L 12 AS 311/21 B ER, juris Rn. 3 unter Hinweis auf Oberlandesgericht Dresden, Beschluss vom 04.12.2020, 22 WF 872/20, juris Rn. 6 m.w.N.; Beschluss des erkennenden Senats vom 05.01.2023,L 6 AS 1482/22 B ER; Müller in jurisPK-ERV, Stand: 03.02.2023, § 145 SGG Rn. 41 f.; Müller, RDi 2021 S. 413 ff.).

Hier ermöglicht insbesondere die Bezeichnung des genutzten E-Mail–Accounts, der dem Namen nach keinerlei Rückschluss auf den Kläger zulässt, keine ausreichende Herleitung der Authentizität der übermittelten Beschwerdeschrift. Ferner ergeben sich aus der Art und Weise der Übermittlung keine ausreichenden Hinweise, die den Senat in die Lage versetzen würden, die Integrität des übertragenen Dokuments und die Abgrenzung desselben von einem bloßen Entwurf zu überprüfen.

Zwar bestehen keine grundsätzlichen Bedenken hinsichtlich der Nutzung auch moderner Telefaxdienste. Allerdings sind hier bezüglich der Authentizität und Integrität des übermittelten Schriftsatzes höhere Anforderungen zu stellen, als bei der Verwendung konventioneller Telefaxgeräte, um nicht letztlich eine systemwidrige Umgehung der hochgesicherten elektronischen Kommunikationsformen gem. § 65a SGG zu ermöglichen (vgl. Hessisches Landessozialgericht, a.a.O., juris Rn. 11).

Ein Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gemäß § 67 Abs. 1 SGG ist nicht gestellt worden. Auch ist die versäumte Rechtshandlung bis zum Zeitpunkt der Entscheidung des Senats nicht nachgeholt worden, sodass auch eine Wiedereinsetzung von Amts wegen i.S.d. § 67 Abs. 2 S. 3 SGG nicht in Betracht zu ziehen war.

Die Entscheidung über die Kosten des Verfahrens beruht auf der entsprechenden Anwendung des § 193 Abs. 1 SGG.

Mit der vorliegenden Entscheidung über die Nichtzulassungsbeschwerde wird das Urteil des SG rechtskräftig (§ 145 Abs. 4 Satz 4 SGG).

Dieser Beschluss ist nicht mit der Beschwerde anfechtbar (§ 177 SGG).

Rechtskraft
Aus
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