L 3 R 108/14

Land
Nordrhein-Westfalen
Sozialgericht
LSG Nordrhein-Westfalen
Sachgebiet
Rentenversicherung
Abteilung
3
1. Instanz
SG Dortmund (NRW)
Aktenzeichen
S 46 R 173/09
Datum
2. Instanz
LSG Nordrhein-Westfalen
Aktenzeichen
L 3 R 108/14
Datum
-
3. Instanz
-
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil

Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Sozialgerichts Dortmund vom 25.11.2013 wird zurückgewiesen.

Außergerichtliche Kosten sind auch im Berufungsverfahren nicht zu erstatten.

Die Revision wird nicht zugelassen.

 

Tatbestand

Streitig ist ein Anspruch des Klägers auf Gewährung einer Rente wegen Erwerbsminderung.

Der am 00.00.0000 geborene Kläger durchlief von 1964 bis 1967 erfolgreich eine Ausbildung zum Technischen Zeichner – Stahlbau. Sodann besuchte er bis Januar 1969 die Berufsaufbauschule und legte nach dem daran anschließenden Besuch des G.-Kollegs 1971 das Abitur ab. Von Oktober 1970 bis August 1971 war der Kläger aushilfsweise im Zahl-, Aufsicht- und Kontrolldienst beim B. tätig. Vom 01.01.1972 bis zum 30.04.1972 war der Kläger versicherungspflichtig tätig. Er verrichtete Büro- und Lagertätigkeiten und arbeitete als Fahrer. Anschließend studierte er von April 1972 bis September 1973 Betriebswirtschaftslehre in M.. Vom 03.10.1973 bis zum 03.07.1974 war der Kläger am S. College, Q., eingeschrieben und von 1974 bis 1976 sowie von 1979 bis 1980, ebenfalls in Q., an der „Q. V.“ für die Studiengänge Betriebswirtschaftslehre und Volkswirtschaftslehre. Einen Studienabschluss erwarb der Kläger nicht. Nach Auszügen aus dem Gewerberegister der Gemeinde C. hatte der Kläger nach seiner Rückkehr aus T. vom 01.01.1986 bis zum 31.05.2007 ein Gewerbe angemeldet.

Im Versicherungskonto des Klägers sind rentenrechtliche Zeiten wie folgt gespeichert:

01.04.1964 – 31.12.1964

9 Mon

Pfl.-B.

01.01.1965 – 31.12.1965

12 Mon

Pfl.-B.

01.01.1966 – 31.12.1966

12 Mon

Pfl.-B.

01.01.1967 – 10.03.1967

3 Mon

Pfl.-B.

     

13.03.1967 - 24.01.1969

 

AZ Schulausbildung

01.02.1969 – 31.12.1971

 

AZ Schulausbildung

     

01.01.1972 - 31.03.1972

3 Mon

Pfl.-B.

01.04.1972 – 30.04.1972

1 Mon

Pfl.-B.

     

05.05.1972 – 31.12.1976

 

Hochschulausbildung

     

K.

   

06.04.1978 – 05.04.1979

41 Wo

Gleichgestellte Zeit

06.04.1979 – 05.04.1980

6 Wo

Gleichgestellte Zeit

     

22.10.1979 – 13.06.1980

 

Hochschulausbildung

     

K.

   

06.04.1980 – 05.04.1981

7 Wo

Gleichgestellte Zeit

     

01.12.2007 – 31.12.2007

 

AZ Arbeitslosigkeit

01.01.2008 – 31.03.2008

 

AZ Arbeitslosigkeit

(ohne Leistungsbezug)

01.11.2013 -31.12.2015

 

Pflichtbeitragszeit für Pflegetätigkeit

Im Rahmen einer persönlichen Vorsprache in der Auskunfts- und Beratungsstelle der Deutschen Rentenversicherung in H. am 27.12.2007 beantragte der Kläger die Gewährung einer Rente wegen Erwerbsminderung. Ein entsprechender Rentenantrag wurde im Januar 2008 auch formularmäßig gestellt. Der Kläger gab an, seit 1975 erwerbsgemindert zu sein. Seither läge ein hirnorganisches Anfallsleiden vor. Er leide unter epileptischen Anfällen, die nicht nur morgens, sondern meistens nach dem Erwachen oder im Schlaf aufträten, ebenso nach körperlicher Anstrengung. Es träten Petit mal- und Grand mal-Anfälle auf. Am 18.06.1980 habe er einen Verkehrsunfall mit Kopfverletzungen (Schädelanbruch) erlitten. Seither sei sein Erinnerungsvermögen deutlich eingeschränkt. Ferner leide er unter Tinnitus, so laut wie die Laufgeräusche einer elektrischen Kreissäge. 1999 habe er einen Bandscheibenvorfall erlitten. Durch das gekrümmte Stehen am Zeichenbrett im Rahmen seiner Ausbildung habe sich seine Halswirbelsäule verformt, so dass er seinen erlernten Beruf nicht weiter habe ausüben können. Während seiner Lehrzeit habe er an häufigem Nasenbluten gelitten. Der Verdacht, dass dies durch Ammonium, dem er während seiner Lehrzeit beim Anfertigen von Lichtpausen ausgesetzt gewesen sei, verursacht worden sei, habe nicht bestätigt werden können. Während der Unterbrechung seines Studiums in J. von 1976 bis 1979 sei er krank und arbeitslos gewesen.

Der Kläger legte diverse Unterlagen zu seinem beruflichen, schulischen und studentischen Werdegang vor sowie folgende medizinische Unterlagen:

-          ärztliche Mitteilung des Dr. D. vom 24.03.1964

-          Ausmusterungsbescheid vom 24.09.1968

-          Berichte des Facharztes für Nervenkrankheiten Dr. P. vom 16.06.1976, 08.11.1980, und 16.01.1982

-          Bericht des L. aus März 1980 über eine Behandlung nach einem Treppensturz

-          Bescheinigung des R. über eine Behandlung am 19.06.1980

-          Bericht des N. vom 03.06.1981

-          Bericht des Facharztes für HNO-Heilkunde A. vom 26.02.1997

-          Bericht der Röntgen-Gemeinschaftspraxis aus H.

über eine Kernspintomografie der Lendenwirbelsäule vom 08.05.1999,

-          Auszug aus der Karteikarte des Orthopäden Dr. X.

über Behandlungen vom 03.05.1999 bis zum 11.06.1999

-          Bericht des I. H., Klinik für Mund-, Kiefer- und Gesichtschirurgie vom 23.08.2004

-          Bescheinigung des W. vom 17.01.2008

Die Beklagte ließ den Kläger durch den Arzt für Neurologie, Psychiatrie und Psychotherapie Dr. O. untersuchen. Dieser diagnostizierte aufgrund seiner Untersuchung vom 06.06.2008 in seinem Gutachten vom 23.06.2008 ein epileptisches Anfallsleiden, derzeit medikamentös unbehandelt, und ein diffuses leichtes hirnorganisches Psychosyndrom unklarer Äthiologie (DD: blande verlaufende Psychose, paranoid-halluzinatorische Psychose mit Residual-Syndrom, hirnorganisches Psychosyndrom bei Z.n. Schädelhirntrauma). Er hielt den Kläger trotz einer diffusen leichten hirnorganischen Beeinträchtigung für in der Lage, körperlich leichte bis mittelschwere Tätigkeiten arbeitstäglich sechs Stunden und mehr zu verrichten. Dr. O. lag anlässlich seiner Untersuchung auch ein an den damaligen Hausarzt des Klägers Dr. SD. gerichteter Bericht des Chefarztes des WC. PF. Dr. VK. vom 06.04.1967 vor.

Mit Bescheid vom 10.07.2008 lehnte die Beklagte die Gewährung einer Rente wegen Berufs- bzw. Erwerbsunfähigkeit ab. Der Kläger sei noch in der Lage, regelmäßig in einem Umfang von mindestens sechs Stunden täglich im Rahmen einer Fünf-Tage-Woche zu arbeiten. Auch erfülle der Kläger nicht die besonderen versicherungsrechtlichen Voraussetzungen. In dem maßgeblichen Fünfjahreszeitraum vom 30.01.2003 bis zum 29.01.2008 habe der Kläger keine Monate mit Pflichtbeiträgen belegt. Die Minderung der Erwerbsfähigkeit sei auch nicht aufgrund eines Tatbestandes eingetreten, durch den die allgemeine Wartezeit vorzeitig erfüllt sei. Der Kläger habe insgesamt nur 40 Kalendermonate Beitragszeiten.

Zur Akte gelangten noch drei Berichte des PC. vom 10.09.1975, 01.09.1975 und 05.09.1975.

Der Kläger legte am 17.07.2008 Widerspruch ein. Wegen seines Anfallsleidens könne er nicht zu den üblichen Bedingungen des allgemeinen Arbeitsmarktes tätig sein. Dadurch würde sich sein Leiden verschlimmern. Bereits der morgendliche Schulbesuch und der damit verbundene Stress hätten neben dem Grundleiden zahlreichen Anfälle verursacht. Erst durch das ihm ärztlich empfohlene stressfreie Leben sei die Häufigkeit der Anfälle seit 1990 zurückgegangen. Nächtliche Anfälle habe er ca. 15mal im Jahr. Es sei sehr wahrscheinlich, dass er während seiner Lehrzeit durch das stundenlange Stehen am Zeichenbrett unter Hypoxie in Gehirn gelitten habe. Er habe oft geschwollene Waden und Füße und eine blasse Gesichtsfarbe gehabt. Seit seinem Verkehrsunfall 1980 sei sein Gedächtnis (Lang- und Kurzzeitgedächtnis) nicht mehr in Ordnung. Auch sei in den Gutachten der bestehende Muskelschwund an den Oberschenkeln und den Armen nicht festgestellt worden, gleiches gelte für ständige Muskelzuckungen. Ferner leide er seit 1986 unter Speiseröhrenschmerzen, die durch eine Biopsie der Speiseröhre ausgelöst worden seien.

Sein Gewerbe als selbstständiger Berufsbetreuer habe er abmelden müssen, da er damit kein Einkommen erzielt habe. Auch mit dem Unternehmen, welches er von seiner Mutter übernommen habe, habe er kein Einkommen erzielen können.

Der Kläger legte weitere medizinische Unterlagen vor:

-          Bericht über das Untersuchungsergebnis der Musterung vom 24.09.1968

-          Bericht des Facharztes für Nervenkrankheiten Dr. P.

dessen Bescheinigungen vom 21.07.1981, 18.09.1981 und 10.07.1980

-          Bescheinigung des NL. in WJ. (Chefarzt Dr. SF.) vom 31.07.1975

-          Bericht des I. „GX.“, H., vom 13.10.1986

über eine stationäre Behandlung vom 29.09.1986 bis zum 07.10.1986

-          Bericht des Orthopäden Dr. X. vom 29.07.2008

Nach Einholung einer nervenärztlichen Stellungnahme des beratungsärztlichen Dienstes (Facharzt für Nervenheilkunde MT.) vom 02.09.2008 ließ die Beklagte den Kläger von dem Facharzt für Psychiatrie und Psychotherapie Dr. med. Dipl.-Psych. WD. begutachten. Dieser untersuchte den Kläger am 12.12.2008 und diagnostizierte in seinem Gutachten vom 19.12.2008 eine Epilepsie mit häufigen partiellen und seltenen Grand mal-Anfällen, Spannungskopfschmerz, organisch emotionale Störung und leichte kognitive Störung. Er hielt den Kläger nur noch für in der Lage, unter drei Stunden täglich erwerbstätig zu sein.

Der Kläger legte einen Bericht des L. über eine Behandlung vom 19.06.1980 bis zum 24.06.1980 und einen Bericht des Klinikums H. Mitte über eine Behandlung vom 19.11.2004 vor.

Die Beklagte holte erneut eine Stellungnahme des Facharztes für Nervenheilkunde MT. vom 27.03.2009 ein. Dieser kam zu dem Ergebnis, dass der Zeitpunkt des Eintritts des Leistungsfalls hilfsweise mit der Rentenantragstellung anzunehmen sei. Für einen früheren Eintritt des Leistungsfalls fänden sich keine ausreichenden medizinischen Belege.

Mit Widerspruchsbescheid vom 18.05.2009 wies die Beklagte den Widerspruch zurück. Zwar hätten die Ermittlungen ergeben, der Kläger sei seit dem Tag der Rentenantragstellung erwerbsgemindert, jedoch bestehe kein Anspruch auf Rente wegen Erwerbsminderung. Der Kläger habe die allgemeine Wartezeit von 60 Monaten nicht erfüllt. Er verfüge lediglich über 40 Kalendermonate Beitragszeiten. Auch seien in dem maßgeblichen Fünf-Jahres-Zeitraum von Januar 2003 bis zum 29.01.2008 keine Monate mit Pflichtbeiträgen belegt. Die Zeit von Januar 1984 bis Januar 2008 sei nicht durchgehend mit Beiträgen bzw. Anwartschaftserhaltungszeiten belegt. Der letzte Pflichtbeitrag sei im April 1972 entrichtet worden. Auch seien die Voraussetzungen der vorzeitigen Wartezeit nicht erfüllt.

Der Kläger hat am 04.06.2009 Klage erhoben. Er leide seit 1966 an Epilepsie. 1980 habe er einen Schädelbruch mit einer schwerwiegenden Schädelhirnverletzung erlitten. Aufgrund der sich in der Folge gehäuften Anfälle lägen durchaus Anhaltspunkte für einen früheren Eintritt des Leistungsfalls der Erwerbsminderung vor. Bereits seit seiner Lehrzeit im Jahr 1966 verfüge er nicht mehr über ein ausreichendes Leistungsvermögen. Die starken und regelmäßig auftretenden Epilepsieanfälle hätten von vornherein die Aufnahme einer Tätigkeit verhindert. Festgestellt worden sei diese Erkrankung jedoch erst im Jahre 1987. Er leide an einer Aufwachepilepsie, die ab 1966 verstärkt aufgetreten sei und dazu geführt habe, dass er sein in J. begonnenes Studium habe abbrechen müssen. Auf Grund der Einnahme starker Medikamente zur Behandlung der Epilepsie sei sein Leistungsvermögen derart herabgesetzt gewesen, dass er weder habe studieren (Konzentrationsstörungen) noch einer Tätigkeit auf dem damaligen Arbeitsmarkt nachgehen können. Sowohl am Berufskolleg als auch am LH. habe er aus gesundheitlichen Gründen jeweils ein Semester wiederholen müssen. Er vermute, sein Krampfleiden sei unter anderem durch Sauerstoffmangel im Gehirn infolge des Stehens vor dem Zeichenbrett und durch das Einatmen von Ammoniak verursacht worden. Nach dem Verkehrsunfall 1980 sei die zerebrale Krampfbereitschaft besonders hoch gewesen. Die Anfälle seien immer nachts, nach dem Aufwachen und auch in den Abendstunden aufgetreten. Er gehe davon aus, dass er bereits vor dem 31.12.1972 vermindert erwerbsfähig gewesen sei. Er sei bereits seit 1966 schwerbehindert und deswegen für eine Tätigkeit auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt nach dem Ende seiner Lehrzeit nicht vermittelbar gewesen. Schon 1966 habe er nicht mehr unter den üblichen Bedingungen arbeiten können. Er hätte auf allen Wegen sicher begleitet werden müssen.

Den Beruf des technischen Zeichners habe er auch deshalb nicht ausüben können, weil er während seiner Lehre an starken Rückenschmerzen durch das stundenlange Stehen vor dem Zeichenbrett gelitten habe. Durch das Stehen sei ihm oft schwindelig geworden. Auch habe das lange Stehen Beinbeschwerden (u.a. Krampfadern im linken Bein) verursacht. Er habe Probleme mit der rechten Hand. Es bestehe ein Zustand nach Entfernung einer Geschwulst am rechten Handgelenk, die durch das Zeichnen und Schreiben mit einem Tuschfüllhalter entstanden sei. Zudem fehle ein Teil des Ringfingers. Der Stumpf sei immer noch empfindlich und manchmal schmerzhaft.

Er habe am 28.03.1996 ein Beratungsgespräch bei der Beklagten gehabt. Bereits damals hätte man ihn auf eine Rentenantragstellung hinweisen müssen. Er gehe davon aus, dass er damals die allgemeine Wartezeit erfüllt habe. Es komme der sozialrechtliche Herstellungsanspruch in Betracht.

Sein Antrag bei der Berufsgenossenschaft Metall auf Anerkennung einer Berufskrankheit und auf die Gewährung von Leistungen (Az. N01) sei nach Einholung eines Gutachtens abgelehnt worden. Der dortige Sachverständige habe festgestellt, dass er an einer erblichen Epilepsie leide, die nicht durch Giftgas oder durch Sauerstoffmangel verursacht worden sei. Der Kläger hat das für die damalige Berufsgenossenschaft Maschinenbau und Metall erstellte arbeitsmedizinisch – internistische Fachgutachten des Prof. Dr. JH. vom 19.07.2010 überreicht.

In Bezug auf erlittene Grand mal-Anfälle könne er Zeugen benennen: Frau XI. sei bei ihm gewesen, als er 1973 einen Grand mal-Anfall in einem Hotel in CK. erlitten habe. 1974 und 1975 habe er einen Grand mal-Anfall auf dem Gehweg vor dem JQ.-straße in Q. bekommen. Diese Anfälle habe die damalige Bewohnerin Mrs. DA. O. gesehen.

Zur Stützung seines Begehrens hat der Kläger weitere Unterlagen vorgelegt:

-         Bescheinigungen  des PD. vom 22.04.2013 und vom 04.06.2013

-         Bescheinigung des BI. Berufskollegs vom 23.04.2013

-         Bescheinigung der CB. vom 22.04.2013,

-         E-Mail des BI.-Berufskollegs vom 29.04.2013

-         Schreiben des RM. vom 12.09.2013

-         Erklärung des Herrn JG. vom 30.05.2013

-         Erklärung des Herrn PN. vom 12.06.2013

-         Erklärung der Mutter, NG., vom 21.07.2013

Der Kläger hat beantragt,

den Bescheid der Beklagten vom 10.07.2008 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 18.05.2009 aufzuheben und die Beklagte zu verurteilen, ihm Rente wegen voller, hilfsweise teilweiser Erwerbsminderung nach Maßgabe der gesetzlichen Bestimmungen zu bewilligen.

Die Beklagte hat beantragt,

die Klage abzuweisen.

Sie ist der Auffassung gewesen, dass die Voraussetzungen der vorzeitigen Wartezeiterfüllung nach § 53 Abs. 1 Sozialgesetzbuch Sechstes Buch – Gesetzliche Rentenversicherung (SGB VI) nicht erfüllt seien. Es liege weder ein Arbeitsunfall vor noch leide der Kläger an eine Berufskrankheit. Ebenso liege eine Wehr- oder Zivildienstbeschädigung nicht vor. Bei Eintritt der Erwerbsunfähigkeit in der Zeit von Januar 1973 bis Dezember 1992 erfülle der Kläger nicht die Voraussetzungen des §§ 245 Abs. 3 SGB VI. In den zwei Jahren vor Eintritt der Erwerbsunfähigkeit seien nicht mindestens sechs Kalendermonate mit Pflichtbeiträgen für eine versicherte Beschäftigung nachgewiesen.

Das Sozialgericht hat einen Befundbericht des den Kläger behandelnden Orthopäden Dr. X. vom 30.07.2009 eingeholt und sodann den Facharzt für Neurologie und Psychiatrie Dr. KR. mit der Erstellung eines Gutachtens nach Aktenlage beauftragt. Dieser ist in seinem Gutachten vom 01.09.2012 zu dem Ergebnis gekommen, dass bei dem Kläger als Gesundheitsstörungen vorlägen:

-          Epilepsie mit Grand mal-Anfällen

-          Spannungskopfschmerz

-          Verschleißleiden der Wirbelsäule mit in 1999 nachgewiesenem Bandscheibenvorfall in Höhe L5/S1

-          organisches Psychosyndrom mit kognitiven Störungen

differenzialdiagnostisch: psychotische Erkrankung.

Der Kläger könne körperlich leichte bis mittelschwere Arbeiten nur noch weniger als drei Stunden und auch nicht mehr regelmäßig verrichten.

Die jetzt festgestellte Minderung der Leistungsfähigkeit habe noch nicht im Jahr 1966 oder 1973 bestanden. Es könne nicht festgestellt werden, welche Gesundheitsstörungen in welchem Ausmaß vorgelegen hätten. Es fänden sich keine Dokumentationen über eventuelle kognitive Störungen oder andere Einschränkungen, die einer Erwerbstätigkeit entgegengestanden hätten. Das Anfallsleiden an sich habe jedenfalls damals nicht zu einem aufgehobenen Leistungsvermögen geführt. 1980 habe der Kläger ein Schädel-Hirn-Trauma erlitten. Welche Folgen daraus resultierten, sei der Akte ebenfalls nicht zu entnehmen. Es lägen keine verwertbaren Angaben und Befunde für den Zeitraum 1973-1992 vor, aus denen sich die damals bestehenden Einschränkungen des Klägers ableiten ließen. Zwar könne unterstellt werden, dass beim Kläger sowohl aufgrund des Anfallsleidens als auch des Schädel-Hirn-Traumas 1980 gewisse Einschränkungen bestanden hätten. In welchem Ausmaß diese jedoch vorgelegen hätten, könne wegen fehlender Dokumentation nicht beurteilt werden.

In einer ergänzenden Stellungnahme vom 28.03.2013 zu den Ausführungen des Klägers in seinen Schreiben vom 30.11.2013 und 06.02.2013 hat der Sachverständige Dr. KR. erneut darauf hingewiesen, den Akten sei nicht zu entnehmen, welche Gesundheitsstörungen wann und in welchem Ausmaß vorgelegen hätten. Es fänden sich keine Dokumentationen über eventuelle kognitive Störungen oder andere relevante Einschränkungen, welche der Verrichtung einer Erwerbstätigkeit entgegengestanden hätten.

Ein Ablehnungsgesuch des Klägers gegen den Sachverständigen Dr. KR. hat das Sozialgericht abgelehnt. Die gegen diesen Beschluss gerichtete Beschwerde hat der Senat als unzulässig abgewiesen.

Durch Urteil vom 25.11.2013 hat das Sozialgericht die Klage abgewiesen und zur Begründung ausgeführt:

„Der Kläger ist zwar unstreitig im Zeitpunkt der Rentenantragstellung am 30.01.2008 bereits voll erwerbsgemindert gewesen.

Das Leistungsvermögen des Klägers für Tätigkeiten unter den üblichen Bedingungen des allgemeinen Arbeitsmarktes ist unter drei Stunden gesunken.

Der Kläger leidet im Wesentlichen an den folgenden Gesundheitsstörungen:

  • 1. Epilepsie mit Grand mal-Anfällen;
  • 2. Spannungskopfschmerz;
  • 3. Verschleißleiden der Wirbelsäule mit in 1999 nachgewiesenem Bandscheibenvorfall in Höhe LWK5/SWK1;
  • 4. Organisches Psychosyndrom mit kognitiven Störungen;

Der Kläger kann täglich nur noch weniger als drei Stunden und auch nicht mehr regelmäßig arbeiten.

Diese Diagnosen und die Leistungsbeurteilung ergeben sich aus dem Gesamtergebnis der medizinischen Ermittlungen im Verwaltungs- und Gerichtsverfahren, insbesondere aus den Feststellungen des gerichtlich zum Sachverständigen bestellten Dr. KR.. Dem Gutachten dieses Sachverständigen liegen ein vollständiges Aktenstudium, eine sorgfältige Anamneseerhebung und eingehende Auseinandersetzungen mit den medizinischen Vorbefunden zu Grunde. Die erhobenen Befunde sind schlüssig und widerspruchsfrei wie die daraus gefertigten Leistungsbeurteilungen und bestätigen das Ergebnis des im Verwaltungsverfahren eingeholten Gutachtens des Dr. WD..

Gleichwohl hat der Kläger keinen Anspruch auf Gewährung einer Renten wegen voller Erwerbsminderung, da er unter Berücksichtigung seiner (Pflicht-) Beitragszeiten bereits die allgemeine Wartezeit von fünf Jahren (60 Monate) gemäß § 43 Abs. 2 Nr. 3 SGB VI nicht erfüllt. Es liegen lediglich 40 Kalendermonate Beitragszeiten vor. Zur weiteren Begründung wird insoweit zur Vermeidung von Wiederholungen vollumfänglich gem. § 136 Abs. 3 SGG auf die zutreffenden Ausführungen der Beklagten im Widerspruchsbescheid vom 18.05.2009 verwiesen, denen sich die Kammer insgesamt anschließt.

Die Regelungen über die vorzeitige Wartezeiterfüllung gemäß §§ 43 Abs. 6, 50 Abs. 2, 245 Abs. 1 SGB VI greifen zugunsten des Klägers nicht ein, denn auch die Wartezeit von 20 Jahren ist nicht erfüllt. Nach § 53 Abs. 2 SGB VI ist die allgemeine Wartezeit darüber hinaus vorzeitig erfüllt, wenn Versicherte vor Ablauf von sechs Jahren nach Beendigung einer Ausbildung erwerbsunfähig geworden oder gestorben sind und in den letzten zwei Jahren vorher mindestens ein Jahr Pflichtbeiträge für eine versicherte Beschäftigung oder Tätigkeit haben. Dies trifft ebenfalls nicht zu. Der Kläger hat seine Lehre zum technischen Zeichner – auch dies ist unstreitig - am 31.03.1967 beendet. Weder zu diesem Zeitpunkt noch vor Ablauf von sechs Jahren nach Beendigung seiner Ausbildung am 31.03.1973 war der Kläger zur Überzeugung der Kammer bereits voll erwerbsgemindert. Vielmehr geht die Kammer davon aus, dass der Kläger zu diesem Zeitraum noch über ein Leistungsvermögen verfügte, einer körperlich zumindest leichten Tätigkeit unter den Bedingungen des allgemeinen Arbeitsmarktes vollschichtig, d.h. 6 Stunden und mehr an fünf Tagen die Woche, zu verrichten. Dabei stützt sich die Kammer maßgeblich auf die schlüssigen und plausiblen Ausführungen von Dr. KR. in seinem gemäß § 106 SGG eingeholten Gutachten. Insbesondere schloss der Kläger 1971 das Abitur ab und ging anschließend nach Q. und war vom 03.10.1973 bis 03.07.1974 dort als Student eingeschrieben. Hätten zum damaligen Zeitpunkt bereits erhebliche kognitive Störung oder andere erhebliche Einschränkung bestanden, so wäre es unverständlich und mit der Lebenswirklichkeit schwerlich in Einklang zu bringen, warum der Kläger dennoch nach Q. geht und sich dann zum Studium einschreibt. Aussagekräftige medizinische Unterlagen, die dem entgegenstehen könnten, hat der Kläger weder vorgelegt, noch sind sie für das Gericht ersichtlich. Vor diesem Hintergrund ist davon auszugehen, dass zwar im Zeitpunkt der Rentenantragstellung das Leistungsvermögen des Klägers aufgehoben gewesen ist, jedoch nicht bereits im März 1973.

Da der Kläger im März 1973 in quantitativer Hinsicht in seinem Leistungsvermögen nicht eingeschränkt war, hat der Kläger auch keinen Anspruch auf Gewährung einer Rente wegen teilweiser Erwerbsminderung gemäß § 43 Abs. 1 S. 1 SGB VI. Auch insoweit erfüllt er die allgemeine Wartezeit nicht.“

Gegen das ihm am 09.01.2014 zugestellte Urteil hat der Kläger am 07.02.2014 Berufung eingelegt.

Zur Begründung trägt er vor, der Leistungsfall sei im Jahr 1966 eingetreten. Seitdem sei er berufsunfähig, denn er leide von diesem Zeitpunkt an unter kognitiven Störungen und Einschränkungen, die von epileptischen Anfällen verursacht worden seien und auch durch die Medikamente, die er habe einnehmen müssen. Seinen Beruf als technischen Zeichner habe er aus gesundheitlichen Gründen nicht mehr ausüben dürfen.

Der Leistungsfall sei im Frühjahr 1973 eingetreten. Das seit 1966 vorliegende Epilepsieleiden habe sich stetig verschlechtert und im Frühjahr 1973 zu einer Erwerbsunfähigkeit geführt. Von diesem Zeitpunkt an sei es ihm nicht mehr möglich gewesen, unter den üblichen Bedingungen des allgemeinen Arbeitsmarktes mindestens drei Stunden täglich erwerbstätig zu sein. Wegen der Häufigkeit der Anfälle und der Nebenwirkungen der Medikamente sei die Aufnahme einer Tätigkeit unmöglich geworden. Er habe auch nicht mehr studieren können. Bis 1977 sei die Anfallshäufigkeit hoch geblieben. Sein Studium habe er erst im Oktober 1979 fortsetzen können. Bis zu diesem Zeitpunkt habe er gelegentlich als Übersetzer gearbeitet und sei zeitweise arbeitslos und arbeitssuchend gewesen.

Zu den Anfang der 70er Jahre aufgetreten epileptischen Anfälle könne Frau VT. aus Q. gehört werden. Einen Anfall habe er vor deren Wohnhaus in der ZJ.-straße erlitten.

Zu Nebenwirkungen der Medikamente, die er habe einnehmen müssen, könne Dr. SF. gehört werden. Dieser könne bestätigen, dass er auf Medikamente eingestellt gewesen sei, die heute wegen der erheblichen Nebenwirkungen nicht mehr verschrieben würden. Dies - und auch, wie die Medikamente seine Lernfähigkeit eingeschränkt hätten - könne auch Professor RO. von der Universität H. belegen. Hierzu legt der Kläger eine Bescheinigung des Dr. SF. vom 31.07.1975 vor. Ergänzend legt der Kläger ein Schreiben der Firma RP. GmbH, Frau TI., hinsichtlich einer Anfrage zu den Auswirkungen von Tegretal auf den Triglyceridenspiegel vor. Auch Frau TI. könne als Zeugin gehört werden.

Darüber hinaus sei der Leistungsfall 1980 eingetreten, weil er seine Ausbildung zeitgleich mit dem Schädelhirntrauma-Ereignis vom 19.06.1980 habe abbrechen müssen und er seitdem erwerbsunfähig sei. Sein Langzeitgedächtnis sei durch den 1980 erlittenen Schädelbruch geschädigt worden. Auf Grund der Einnahme von Medikamenten habe er nicht mehr lernen können. Vom 15.06.1980 bis 1981 habe er wegen der Nachwirkungen des Schädelbruchs und der antikonvulsiven Therapie nicht studieren können. 1981 habe er in einem Sprachlabor vergeblich versucht, seine Englischkenntnisse, die durch den Schädelbruch verloren gegangen seien, wiederzuerlangen. Von 1982 bis 1984 habe er sich als nicht eingeschriebener Student auf die Abschlussprüfung an der HN. vorbereitet. Da er sich nichts mehr lange habe merken können, habe er die Abschlussprüfung nicht ablegen können. Von 1982 bis 1995 habe er gelegentlich als Übersetzer gearbeitet und verschiedene Gelegenheitsjobs angenommen. Außerdem habe er mit seiner Mutter und einer Japanerin in einer Handelsagentur gearbeitet. Gewinne habe er keine gemacht. 1995 habe er sich in HE. arbeitslos gemeldet. Es sei ihm keine Arbeit angeboten worden, die er mit seinen gesundheitlichen Einschränkungen hätte annehmen können. Dass der Arbeitsmarkt für Epileptiker verschlossen sei, könne Frau Dr. SW. bezeugen, die ebenfalls an Epilepsie leide.

Mehrere seiner Leiden seien bislang nicht berücksichtigt worden. Seit Januar 2003 leide er unter einer posttraumatischen Belastungsstörungen, die durch einen bewaffneten Raubüberfall verursacht worden sei, als er geschlafen habe. Einige Monate später habe er sich mit einer Tischkreissäge das erste Glied seines rechten Ringfingers abgesägt. Er führe dies auf die posttraumatische Belastungsstörung zurück. Unberücksichtigt geblieben seien bisher auch Beschwerden, die durch einen Flüssigkeitsverlust als Folge einer Lumbalpunktion verursacht worden seien. Gleiches gelte für den Umstand, dass er von 1964 bis 1967 mehr als sechs Monate unter Infekten gelitten habe. Diesbezüglich möge ein Facharzt für Immunologie und ein Facharzt für Chronobiologie gehört werden. Diese könnten bestätigen, dass durch Schlafmangel und Stress sein Immunsystem geschädigt und dadurch sein Nervenleiden verursacht worden sei. Dies sei auch die Auffassung des Neurologen Dr. HV. (H.-TP.) gewesen.

Die Voraussetzungen der vorzeitigen Wartezeiterfüllung seien erfüllt.

Er sei an Epilepsie erkrankt, weil er während seiner Ausbildung zum Bauzeichner stets in einem fensterlosen Raum Ammoniakdämpfen ausgesetzt gewesen sei (§ 245 Abs. 2 SGB VI). Ferner habe ein Unfall 1980 zum Eintritt der vollen Erwerbsminderung geführt (§ 245 Abs. 3 SGB VI). Dr. P. habe im November 1980 ausgeführt, dass psychische Leistungseinbußen Folge des Unfalls sei. Die Ehefrau des Leiters der Polizeistation EY. könne bestätigen, dass ein Schädelbruch zu Gedächtnisstörungen führen könne. Sie habe auch einen Schädelbruch erlitten und leide seitdem unter denselben Gedächtnisstörungen wie er.

Zur Stützung seines Begehrens hat der Kläger weitere Unterlagen vorgelegt:

-         Aufnahmebefund des L. vom 19.06.1980

-         „Aussage“ von Frau BK. vom 14.05.2016

-         ein Schreiben der Bundesagentur für Arbeit – Zentrale – vom 04.03.2015.

-         einen Vermerk über ein Gespräch mit der Agentur für Arbeit TF. vom 21.04.2017

-         eine Erklärung von Frau RW. vom 04.10.2014,

-         Gewerbeummeldungen vom 21.11.1995 und 03.07.2001.

-         Bescheinigung der Q. V. vom 23.051977

-         Bericht des ZEODI (Zentrum für moderne Diagnostik) vom 11.03.2020 über ein MRT des Kopfes, der Wirbelsäule und des Beckens

-         Bescheid des niedersächsischen Landesamtes für Soziales, Jugend und Familie vom 18.11.2015 über die Feststellung eines Grades der Behinderung von 80 ab dem 23.04.2013 und die Ablehnung der Feststellung der Merkzeichen „G“ und „B“

Der Kläger beantragt schriftsätzlich sinngemäß,

das Urteil des Sozialgerichts Dortmund vom 25.11.2013 abzuändern und die Beklagte unter Aufhebung des Bescheides vom 10.07.2008 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 18.05.2009 zu verurteilen, ihm eine Rente wegen voller, hilfsweise teilweiser Erwerbsminderung nach Maßgabe der gesetzlichen Bestimmungen zu bewilligen.

Die Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Sie hält die angefochtene Entscheidung für zutreffend. Der Kläger habe die allgemeine Wartezeit für die Gewährung einer Rente wegen Erwerbsminderung nicht erfüllt. Darüber hinaus seien die Voraussetzungen für eine vorzeitige Wartezeiterfüllung nicht erfüllt.

Der Senat hat eine Auskunft aus dem Gewerberegister der Gemeinde EY. beigezogen.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den Inhalt der Prozessakte und der den Kläger betreffende Verwaltungsakte der Beklagten (Az: N02) Bezug genommen.

Entscheidungsgründe:

Der Senat kann gemäß §§ 153 Abs. 1, 110 Abs. 1 S. 2 Sozialgerichtsgesetz (SGG) in Abwesenheit des Klägers verhandeln und entscheiden, weil er in der Terminsmitteilung, die ihm am 11.05.2022 zugestellt worden ist, auf diese Möglichkeit hingewiesen worden ist.

Die zulässige Berufung des Klägers ist unbegründet.

Das Sozialgericht hat die Klage zu Recht abgewiesen. Der Bescheid der Beklagten vom 10.07.2008 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 18.05.2009 ist rechtmäßig und verletzt den Kläger nicht in seinen Rechten (§ 54 Abs. 2 Satz 1 SGG). Denn der Kläger hat keinen Anspruch auf die Gewährung einer Rente wegen Erwerbsminderung.

Ein Rentenanspruch des Klägers richtet sich nach den aktuell gelten rechtlichen Bestimmungen. Nach § 300 Abs. 1 SGB VI sind die Vorschriften dieses Gesetzbuches von dem Zeitpunkt ihres In-Kraft-Tretens an auf einen Sachverhalt oder Anspruch auch dann anzuwenden, wenn bereits vor diesem Zeitpunkt der Sachverhalt oder Anspruch bestanden hat.

Einen Antrag auf Gewährung einer Rente wegen verminderter Erwerbsfähigkeit noch nach „altem Recht“ hat der Kläger nicht gestellt. Er kann auch nicht im Wege es sozialrechtlichen Herstellungsanspruchs so gestellt werden als wenn er einen Antrag auf Rente wegen verminderter Erwerbsfähigkeit vor dem 01.01.2001 gestellt hätte.

Der von der Rechtsprechung entwickelte sozialrechtliche Herstellungsanspruch ist auf die Vornahme einer Amtshandlung zur Herstellung des Zustandes gerichtet, der bestehen würde, wenn der Leistungsträger die ihm aufgrund eines Gesetzes oder des konkreten Sozialrechtsverhältnisses gegenüber dem Berechtigten obliegenden Haupt- oder Nebenpflichten, insbesondere zur Auskunft und Beratung (§§ 14, 15 Sozialgesetzbuch Erstes Buch – Allgemeiner Teil -SGB I-), ordnungsgemäß wahrgenommen hätte. Er setzt demnach eine dem Sozialleistungsträger zurechenbare behördliche Pflichtverletzung voraus, die (als wesentliche Bedingung) kausal zu einem sozialrechtlichen Nachteil des Berechtigten geworden ist. Außerdem ist erforderlich, dass durch Vornahme einer zulässigen Amtshandlung der Zustand hergestellt werden kann, der bestehen würde, wenn die Behörde ihre Verpflichtungen gegenüber dem Berechtigten nicht verletzt hätte (BSG, Urteil vom 16.03.2016 – B 9 V 6/15 R).

Der Senat kann offen lassen, ob der Kläger, wie von ihm vorgetragen, anlässlich seiner Vorsprachen bei der Beklagten vor dem 01.01.2001 nicht auf eine Rentenantragstellung hingewiesen worden ist. Ein Beratungsfehler ist nicht ersichtlich. Damals bestand keine Veranlassung, den Kläger auf eine Rentenantragstellung hinzuweisen, denn der Kläger war nicht erwerbsunfähig.

Nach § 44 Abs. 2 S. 2 SGB VI in der bis zum 31.12.2000 geltenden Fassung war nicht erwerbsunfähig, wer eine selbständige Tätigkeit ausübte.

Das war bei dem Kläger der Fall. Seit 1986 hatte er ein Gewerbe angemeldet. Allein der Umstand, dass eine selbständige Tätigkeit ausgeübt wird, führte dazu, dass Erwerbsunfähigkeit nicht vorlag. Unerheblich war, ob der Kläger diese Tätigkeit nur wenige Stunden wöchentlich oder auf Kosten der Gesundheit ausübte, denn es kam weder auf den Umfang der selbständigen Tätigkeit noch auf die körperliche Leistungsfähigkeit des Klägers an (vgl. u.a. BSG, Urteil vom 30.04.1981 - Az: 4 RJ 137/79; Urteil vom 18.08.1983 – 11 RLw 5/82). Ebenso war unerheblich, welchen Gewinn er aus dieser Tätigkeit erzielte (BSG, Urteil vom 15.12.1977 – 11 RA 6/77)

Der Kläger war auch zum Zeitpunkt der behaupteten Vorsprachen nicht berufsunfähig, denn es steht ihm kein Berufsschutz zur Seite. Der Kläger ist auf den allgemeinen Arbeitsmarkt verweisbar. Die von dem Kläger verrichteten versicherungspflichtigen Tätigkeiten scheiden alle – unabhängig von ihrer Wertigkeit – für die Begründung eines Berufsschutzes aus, da sie vor Erfüllung der Wartezeit verrichtet wurden. Dies gilt auch dann, wenn sie aus gesundheitlichen Gründen aufgegeben wurden (BSG, Urteil vom 12.12.1968 – 12 RJ 64/67; LSG Hessen, Urteil vom 20.02.2001 – L 2 RJ 508/99).

Nach § 43 Abs.1 S. 2 Sechstes Buch Sozialgesetzbuch – Gesetzliche Rentenversicherung (SGB VI) haben Versicherte bis zum Erreichen der Regelaltersgrenze Anspruch auf Rente wegen Erwerbsminderung, wenn sie 1. teilweise oder voll erwerbsgemindert sind, 2. in den letzten fünf Jahren vor Eintritt der Erwerbsminderung drei Jahre Pflichtbeiträge für eine versicherte Beschäftigung oder Tätigkeit haben und 3. vor Eintritt der Erwerbsminderung die allgemeine Wartezeit erfüllt haben.

Gemäß § 43 Abs. 2 S. 2 SGB VI sind Versicherte voll erwerbsgemindert, die wegen Krankheit oder Behinderung auf nicht absehbare Zeit außerstande sind, unter den üblichen Bedingungen des Arbeitsmarktes mindestens drei Stunden täglich erwerbstätig zu sein. Über die (gesetzliche) Definition des Versicherungsfalles der vollen Erwerbsminderung hinaus sind auch die Versicherten voll erwerbsgemindert, die noch einer Erwerbstätigkeit von drei bis unter sechs Stunden täglich nachgehen können - und damit den Tatbestand der teilweisen Erwerbsminderung nach § 43 Abs. 1 S. 2 SGB VI erfüllen -, denen der Teilzeitarbeitsmarkt jedoch verschlossen ist. Nicht erwerbsgemindert sind gemäß § 43 Abs. 3 SGB VI hingegen Versicherte, die unter den üblichen Bedingungen des allgemeinen Arbeitsmarktes mindestens sechs Stunden täglich erwerbstätig sein können.

Der Kläger ist voll erwerbsgemindert, denn er ist nicht mehr in der Lage, auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt einer Erwerbstätigkeit in einem Umfang von drei Stunden und mehr regelmäßig nachzugehen. Der Senat folgt insoweit den schlüssigen und überzeugenden Ausführungen der Sachverständigen Dr. KR.. Der Sachverständige ist als Facharzt auf neurologisch-psychiatrischem Fachgebiet in der Lage, die bei dem Kläger bestehenden Gesundheitsstörungen und die daraus resultierenden Auswirkungen auf das Leistungsvermögen festzustellen. Der Sachverständigen ist nach Auswertung aller vorliegenden medizinischen Unterlagen zu seiner Beurteilung gelangt. Seine Einschätzung des Restleistungsvermögens des Klägers ist vor dem Hintergrund aller vorliegenden Befunde schlüssig, in sich widerspruchsfrei und überzeugend.

Hiernach leidet der Kläger an einer Epilepsie mit Grand mal-Anfällen, einem Spannungskopfschmerz, einem Verschleißleiden der Wirbelsäule mit in 1999 nachgewiesenen Bandscheibenvorfall in Höhe L5/S1 sowie an einem organischen Psychosyndrom mit kognitiven Störungen (differenzialdiagnostisch: psychotische Erkrankung).

Ausgehend von diesen Gesundheitsstörungen ist der Kläger nicht mehr in der Lage regelmäßig unter den üblichen Bedingungen des allgemeinen Arbeitsmarktes drei Stunden und mehr erwerbstätig zu sein.

Zum Zeitpunkt der Durchführung des Rentenverfahrens hat der Kläger jedoch nicht die allgemeine Wartezeit von 60 Monaten für eine Rente wegen Erwerbsminderung (§ 50 Abs. 1 Zif. 3 SGB VI) erfüllt.

Nach § 51 Abs. 1 Nr. 1 SGB VI werden auf die allgemeine Wartezeit Kalendermonate mit Beitragszeiten angerechnet. Auf die Wartezeiten werden auch Kalendermonate mit Ersatzzeiten angerechnet (§ 51 Abs. 4 SGB VI).

Bis zu seiner Rentenantragstellung hat der Kläger Beitragszeiten in einem Umfang von 40 Monaten zurückgelegt, nämlich 36 Monate von April 1964 bis März 1967 und vier Monate von Januar 1972 bis April 1972. Ersatzzeiten hat der Kläger nicht zurückgelegt. Der Senat hat nicht geprüft, ob die von dem Kläger in T. zurückgelegten Zeiten auf die Wartezeit anrechenbar sind. Denn selbst unter Einbeziehung dieser Zeiten in einem Umfang von 54 Wochen entsprechend 13 Monate (54 Wo x 3:13 = 12,46) hätte der Kläger nur 53 Monate belegt.

Der Kläger hat nicht nachgewiesen, dass die Voraussetzungen einer vorzeitigen Erfüllung der Wartezeit erfüllt sind. Insbesondere hat er nicht nachgewiesen, dass er wegen einer Berufskrankheit erwerbsgemindert geworden ist oder, dass die Erwerbsminderung - wie von ihm vorgetragen - spätestens im Juni 1980 eingetreten ist.

Nach § 53 Abs. 1 SGB VI ist die allgemeine Wartezeit vorzeitig erfüllt, wenn Versicherte

1.              wegen eines Arbeitsunfalls oder einer Berufskrankheit,

2.              wegen einer Wehrdienstbeschädigung nach dem Soldatenversorgungsgesetz als Wehrdienstleistende oder Soldaten auf Zeit,

3.              wegen einer Zivildienstbeschädigung nach dem Zivildienstgesetz als Zivildienstleistende oder

4.              wegen eines Gewahrsams (§ 1 Häftlingshilfegesetz)

vermindert erwerbsfähig geworden oder gestorben sind.

Diese Vorschrift findet nur Anwendung, wenn Versicherte nach dem 31.12.1972 vermindert erwerbsfähig geworden oder gestorben sind (§ 245 Abs. 1 SGB VI).

Die Voraussetzungen der hier allein in Betracht kommenden Nr. 1 sind nicht erfüllt. Der Kläger hat nicht nachgewiesen, dass er wegen einer Berufskrankheit vermindert erwerbsfähig geworden ist. Das Epilepsieleiden ist nicht auf die Inhalation von Ammoniakdämpfen während der Ausbildung zum technischen Zeichner zurückzuführen.

Der Senat schließt sich insoweit den überzeugenden Ausführungen des Sachverständigen Prof. Dr. JH. in seinem für die damalige Berufsgenossenschaft Maschinenbau und Metall erstellten Gutachten vom 19.07.2010 an. Der Sachverständige ist nach Untersuchung des Klägers und unter Auswertung aller ihm vorliegender medizinischer Unterlagen zu dem Ergebnis gekommen, dass der Kläger an einer idiopathischen Epilepsie leidet, die nicht als Unfallfolge anzusehen ist. Die Inhalation von Ammoniakdämpfen und -aerosolen ist nicht neurotoxisch und induziert weder Krampfanfälle noch Myopathien oder Polyneuropathien. Lediglich die ehemalige Symptomatik an den Schleimhäuten ist ursächlich auf die berufliche Einwirkung durch Ammoniak zurückzuführen.

Nach § 53 Abs. 2 SGB VI ist die allgemeine Wartezeit auch vorzeitig erfüllt, wenn Versicherte vor Ablauf von sechs Jahren nach Beendigung einer Ausbildung voll erwerbsgemindert geworden oder gestorben sind und in den letzten zwei Jahren vorher mindestens ein Jahr Pflichtbeiträge für eine versicherte Beschäftigung oder Tätigkeit haben. Der Zeitraum von zwei Jahren vor Eintritt der vollen Erwerbsminderung oder des Todes verlängert sich um Zeiten einer schulischen Ausbildung nach Vollendung des 17. Lebensjahres um bis zu sieben Jahren.

Hiervon ausgehend muss der Leistungsfall spätestens bis Juni 1986 eingetreten sein, denn der Kläger befand sich bis zum 13.06.1980 in einer Ausbildung (Studium).

Es lässt sich nicht mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit feststellen, dass der Leistungsfall der Erwerbsminderung bis zu diesem Zeitpunkt eingetreten ist. Der Senat folgt insoweit den überzeugenden und schlüssigen Ausführungen des Dr. KR. in seinem Gutachten vom 01.09.2012.

Das Anfallsleiden an sich hat nicht zu einem aufgehobenen Leistungsvermögen geführt. Es ist ab Mitte 1966 ableitbar und dokumentiert. Trotz des Vorliegens dieses Leidens hat der Kläger erfolgreich seine Ausbildung abgeschlossen, die Berufsaufbauschule und das Berufskolleg besucht und das Abitur bestanden. Anschließend hat der Kläger ein Studium an der Technischen Hochschule M. begonnen. Dies beweist, dass der Kläger über ein relevantes Leistungsvermögen, insbesondere auch über ein relevantes kognitives Leistungsvermögen, verfügte. Soweit der Kläger geltend macht, dass er auf Grund der zunehmenden Anfallshäufigkeit und der Nebenwirkungen der Medikamente (kognitive Störungen) im Frühjahr 1973 erwerbsunfähig geworden sei und er auch nicht mehr in der Lage gewesen sei zu studieren, überzeugt dies nicht. In diesem Fall ist es unverständlich, dass er dennoch ab Herbst 1973 ein Studium in Q. aufgenommen hat. Ein Studium in einer fremden Sprache erfordert eine hohe kognitive Leistungsfähigkeit. Der Kläger befand sich ausweislich des Versicherungsverlaufs bis Dezember 1976 in einer Hochschulausbildung in Q.. Eine das Leistungsvermögen aufhebende hohe Anfallshäufigkeit ist für die Zeit Anfang der 70er Jahre – wie vom Kläger behauptet – nicht belegt. Diesbezügliche medizinische Befundunterlagen liegen nicht vor. Die Angaben der vom Kläger benannten Zeuginnen XI., DA. O. und VT. belegen keine hohe Anfallshäufigkeit, die es dem Kläger unmöglich gemacht hätten, erwerbstätig zu sein. Die Zeugin XI. kann nach den Angaben des Klägers bestätigen, dass er 1973 in einem Hotel einen epileptischen Anfall gehabt hat. Die Zeugin Frau DA. O. kann bezeugen, dass der Kläger 1974 und 1975 einen epileptischen Anfall vor dem Haus gehabt habe. Und die Zeugin VT. kann nach den Angaben des Klägers einen Anfall in den Jahren 1973-1975 bestätigen. Damit können die Zeuginnen vier Anfälle des Klägers innerhalb von drei Jahren bestätigen. Eine hohe Anfallshäufigkeit ist dadurch nicht belegt.

Zwar ergibt sich aus der Akte, dass der Kläger von 1976 bis 1979 in J. krank und arbeitslos war und es zu einer Unterbrechung des Studiums gekommen ist. Allerdings ergeben sich aus der Akte keine Hinweise darauf, welche Gesundheitsstörungen in welchem Ausmaß vorgelegen haben. In den Berichten über Behandlungen in J. wird zwar über die Diagnose „Epilepsie“ berichtet bzw. über stattgehabte Anfälle. Jedoch finden sich keine Dokumentationen über eventuell kognitive Störungen oder andere Einschränkungen, die einer Erwerbstätigkeit entgegengestanden hätten.

1980 hat der Kläger ein Schädel-Hirn-Trauma erlitten. Welche Folgen daraus resultierten, ist nicht ersichtlich. Dass der Kläger danach nicht mehr gearbeitet hat, bzw. nicht mehr studiert hat, bedeutet nicht, dass er aus medizinischen Gründen dazu auch tatsächlich nicht in der Lage gewesen ist. Der Senat hat dabei in seine Überlegungen einbezogen, dass der Kläger nach dem Unfall nur für eine kurze Zeit, nämlich vom 19.06.1980 bis zum 24.06.1980, stationär behandelt und mit der Empfehlung entlassen wurde, sich für eine Zeit zu schonen. Dies spricht gegen eine schwerwiegende dauerhafte Minderung der Leistungsfähigkeit des Klägers. Es kann zwar unterstellt werden, dass beim Kläger sowohl aufgrund des Anfallsleidens als auch des Schädel-Hirn-Traumas 1980 gewisse Einschränkungen bestanden. In welchem Ausmaß diese jedoch vorgelegen haben, kann wegen fehlender Dokumentation nicht beurteilt werden. Dies geht zu Lasten des Klägers.

Die Anhörung der vom Kläger benannten Zeugen ist nicht erforderlich. Ein Immunologe und ein Chronobiologe sind nicht zu hören, weil diese keine Angaben dazu machen können, inwieweit der Kläger konkret in den 70er Jahren in seiner Leistungsfähigkeit auf Grund der Einnahme von Antiepileptika eingeschränkt war. Gleiches gilt für Frau TI. von der RP..

Eine Anhörung des Prof. Dr. RO., der bezeugen soll, dass der Kläger mit Medikamenten behandelt worden sei, die heute nicht mehr verordnet würden, ist nicht erforderlich. Der Umstand, dass der Kläger mit solchen Medikamenten behandelt wurde, lässt keine Schlussfolgerungen zur Einschränkungen des Klägers auf dem Arbeitsmarkt zu.

Die Ehefrau des Leiters der Polizeistation EY. braucht der Senat nicht als Zeugin zu hören. Dass sie nach einem Schädelbruch unter Gedächtnisstörungen leidet, besagt nichts zu Gedächtnisstörungen (Art und Ausmaß) des Klägers in der Vergangenheit.

Ergänzend weist der Senat darauf hin, dass bei Eintritt der Erwerbsminderung am 19.06.1980 die Voraussetzungen der vorzeitigen Erfüllung der Wartezeit nicht erfüllt sind. Zu diesem Zeitpunkt ist zwar die Voraussetzung erfüllt, dass der Leistungsfall innerhalb von sechs Jahren nach einer Ausbildung eingetreten ist, denn der Kläger befand sich ausweislich des Versicherungsverlaufs bis zum 13.06.1980 in Hochschulausbildung. Jedoch kann der Kläger nicht innerhalb der letzten zwei Jahre zuvor die erforderliche Anzahl von Pflichtbeiträgen nachweisen. Der Zwei-Jahreszeitraum (19.06.1978 bis zum 18.06.1980) verlängert sich um Ausbildungszeiten in einem Umfang von insgesamt bis zu sieben Jahren auf neun Jahre. Bei höchstmöglicher Verlängerung des Zwei-Jahreszeitraumes auf neun Jahre müsste der Kläger die erforderlichen Pflichtbeiträge in der Zeit vom 19.06.1971 bis zum 18.06.1980 nachweisen. In diesem Zeitraum hat der Kläger jedoch nur vier Monate (Januar 1972 bis April 1972) mit Pflichtbeiträgen belegt. Damit hat er die erforderliche Mindestzahl von zwölf (§ 53 Abs. 2 SGB VI) bzw. von sechs Monaten (§ 245 Abs. 3 SGB VI) nicht zurückgelegt.

Es ist auch nicht erkennbar, dass der Kläger damals nicht in der Lage war, einen Arbeitsplatz zu erreichen. Nach den Ausführungen des Dr. KR., denen sich der Senat anschließt, ist der Kläger in der Lage, die erforderlichen Wegstrecken von 4 × 500 m zu Fuß zurückzulegen und öffentliche Verkehrsmittel zur Hauptverkehrszeit zu benutzen. Es liegen keine Anhaltspunkte dafür vor, dass der Kläger Wege nur in Begleitung hätte zurücklegen dürfen. So hat auch das TR. Landesamtes für Soziales, Jugend und Familie die Zuerkennung der Merkzeichen „G“ und „B“ abgelehnt.

Für die Feststellung des Merkzeichens G kommt es insoweit im Wesentlichen auf die Anfallshäufigkeit und Verteilung der Anfälle an. Nach Teil D Nr. 1 e VMG ist bei hirnorganischen Anfällen die Beurteilung, ob durch sie eine erhebliche Beeinträchtigung der Bewegungsfähigkeit gegeben ist, von der Art und Häufigkeit der Anfälle sowie von der Tageszeit des Auftretens abhängig. Im Allgemeinen ist auf eine erhebliche Beeinträchtigung der Bewegungsfähigkeit erst ab einer mittleren Anfallshäufigkeit mit einem diesbezüglich festgestellten GdB von wenigstens 70 zu schließen, wenn zudem die Anfälle überwiegend am Tage auftreten (hierzu etwa LSG Hamburg, Urteil vom 10.10.2017 – L 3 SB 21/15 ), bzw. eine hohe Anfallsfrequenz muss die konkrete Gefahr von Anfällen im Freien bewirken (LSG Nordrhein-G., Urteil vom 31.05.1994 – L 6 Vs 111/93; Bayerisches LSG, Urteil vom 28.07.2014 – L 3 SB 195/13). Die bloß theoretische Möglichkeit des jederzeitigen Eintritts eines Anfalls reicht nicht aus (LSG Niedersachsen-H. Urteil vom 11.11.2020 – L 13 SB 25/20 m.w.N.).

Eine hohe Anfallshäufigkeit ist nicht belegt. In der Zeit von 1973 bis 1985 können Zeugen von insgesamt sieben Anfällen berichten. In der Zeit von 1973 bis 1977 haben Zeugen vier Anfälle miterlebt (s.o.). und von einem Anfall gehört. Der – verstorbene – Zeuge XK. hat erklärt, seine Mutter habe berichtet, der Kläger habe 1976/1976 einen Anfall erlitten, als er die Großeltern auf ihrer Heimreise von T. nach OQ. begleitet habe. Darüber hinaus soll die vom Kläger benannte Zeugin BK. von zwei Anfällen berichten können, die sie miterlebt hat, nämlich 1983 oder 1984 in Q. und 1984 oder 1985 in PF.. Der Senat brauchte diese Zeuginnen nicht zu hören, da er diese Angaben als wahr unterstellt.

Soweit möglicherweise in den 60er Jahren eine höhere Anfallsfrequenz vorgelegen haben und der Kläger nicht in der Lage gewesen sein sollte, einen Arbeitsplatz zu erreichen, braucht der Senat dem nicht nachzugehen, denn die Regeln für eine vorzeitige Wartezeiterfüllung finden erst für Leistungsfälle ab dem 01.01.1973 Anwendung.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 Abs. 1 Satz 1 SGG.

Die Voraussetzungen für die Zulassung der Revision liegen nicht vor (§ 160 Abs. 2 Nrn. 1 oder 2 SGG).

Rechtsmittelbelehrung:

Dieses Urteil kann nur dann mit der Revision angefochten werden, wenn sie nachträglich vom Bundessozialgericht zugelassen wird. Zu diesem Zweck kann die Nichtzulassung der Revision durch das Landessozialgericht mit der Beschwerde angefochten werden.

Die Beschwerde ist von einem bei dem Bundessozialgericht zugelassenen Prozessbevollmächtigten innerhalb eines Monats nach Zustellung des Urteils schriftlich oder in elektronischer Form beim

Bundessozialgericht, Postfach 41 02 20, 34114 KasseloderBundessozialgericht, Graf-Bernadotte-Platz 5, 34119 Kassel

einzulegen.

Die Beschwerdeschrift muss bis zum Ablauf der Monatsfrist bei dem Bundessozialgericht eingegangen sein.

Die elektronische Form wird durch Übermittlung eines elektronischen Dokuments gewahrt, das für die Bearbeitung durch das Gericht geeignet ist und

- von der verantwortenden Person qualifiziert elektronisch signiert ist und über das Elektronische Gerichts- und Verwaltungspostfach (EGVP) eingereicht wird oder

- von der verantwortenden Person signiert und auf einem sicheren Übermittlungsweg gem. § 65a Abs. 4 Sozialgerichtsgesetz (SGG) eingereicht wird.

Weitere Voraussetzungen, insbesondere zu den zugelassenen Dateiformaten und zur qualifizierten elektronischen Signatur, ergeben sich aus der Verordnung über die technischen Rahmenbedingungen des elektronischen Rechtsverkehrs und über das besondere elektronische Behördenpostfach (Elektronischer-Rechtsverkehr-Verordnung -ERVV) in der jeweils gültigen Fassung. Weitergehende Informationen zum elektronischen Rechtsverkehr können über das Internetportal des Bundessozialgerichts (www.bsg.bund.de) abgerufen werden.

Als Prozessbevollmächtigte sind nur zugelassen

-          jeder Rechtsanwalt,

-          Rechtslehrer an einer staatlichen oder staatlich anerkannten Hochschule eines Mitgliedsstaates der Europäischen Union, eines anderen Vertragsstaates des Abkommens über den Europäischen Wirtschaftsraum oder der Schweiz, die die Befähigung zum Richteramt besitzen,

-          selbständige Vereinigungen von Arbeitnehmern mit sozial- oder berufspolitischer Zwecksetzung für ihre Mitglieder,

-          berufsständische Vereinigungen der Landwirtschaft für ihre Mitglieder,

-          Gewerkschaften und Vereinigungen von Arbeitgebern sowie Zusammenschlüsse solcher Verbände für ihre Mitglieder oder für andere Verbände oder Zusammenschlüsse mit vergleichbarer Ausrichtung und deren Mitglieder,

-          Vereinigungen, deren satzungsgemäße Aufgaben die gemeinschaftliche Interessenvertretung, die Beratung und Vertretung der Leistungsempfänger nach dem sozialen Entschädigungsrecht oder der behinderten Menschen wesentlich umfassen und die unter Berücksichtigung von Art und Umfang ihrer Tätigkeit sowie ihres Mitgliederkreises die Gewähr für eine sachkundige Prozessvertretung bieten, für ihre Mitglieder,

-          juristische Personen, deren Anteile sämtlich im wirtschaftlichen Eigentum einer der vorgenannten Organisationen stehen, wenn die juristische Person ausschließlich die Rechtsberatung und Prozessvertretung dieser Organisation und ihrer Mitglieder oder anderer Verbände oder Zusammenschlüsse mit vergleichbarer Ausrichtung und deren Mitglieder entsprechend deren Satzung durchführt, und wenn die Organisation für die Tätigkeit der Bevollmächtigten haftet.

Die vorgenannten Vereinigungen, Gewerkschaften und juristischen Personen müssen durch Personen mit Befähigung zum Richteramt handeln. Behörden und juristische Personen des öffentlichen Rechts einschließlich der von ihnen zur Erfüllung ihrer öffentlichen Aufgaben gebildeten Zusammenschlüsse sowie private Pflegeversicherungsunternehmen können sich durch eigene Beschäftigte mit Befähigung zum Richteramt oder durch Beschäftigte mit Befähigung zum Richteramt anderer Behörden oder juristischer Personen des öffentlichen Rechts einschließlich der von ihnen zur Erfüllung ihrer öffentlichen Aufgaben gebildeten Zusammenschlüsse vertreten lassen.

Ein Beteiligter, der zur Vertretung berechtigt ist, kann sich selbst vertreten. Handelt es sich dabei um eine der vorgenannten Vereinigungen, Gewerkschaften oder juristischen Personen, muss diese durch Personen mit Befähigung zum Richteramt handeln.

Die Beschwerde ist innerhalb von zwei Monaten nach Zustellung des Urteils von einem zugelassenen Bevollmächtigten schriftlich oder in elektronischer Form zu begründen.

In der Begründung muss die grundsätzliche Bedeutung der Rechtssache dargelegt oder die Entscheidung des Bundessozialgerichts, des Gemeinsamen Senats der obersten Gerichtshöfe des Bundes oder des Bundesverfassungsgerichts, von der das Urteil abweicht, oder ein Verfahrensmangel, auf dem die angefochtene Entscheidung beruhen kann, bezeichnet werden. Als Verfahrensmangel kann eine Verletzung der §§ 109 und 128 Abs. 1 Satz 1 Sozialgerichtsgesetz nicht und eine Verletzung des § 103 Sozialgerichtsgesetz nur gerügt werden, soweit das Landessozialgericht einem Beweisantrag ohne hinreichende Begründung nicht gefolgt ist.

Für die Beschwerde gegen die Nichtzulassung der Revision kann ein Beteiligter, der nicht schon durch die oben genannten Vereinigungen, Gewerkschaften oder juristischen Personen vertreten ist, Prozesskostenhilfe zum Zwecke der Beiordnung eines Rechtsanwalts beantragen.

Der Beteiligte kann die Prozesskostenhilfe selbst beantragen. Der Antrag ist beim Bundessozialgericht entweder schriftlich oder in elektronischer Form einzureichen oder mündlich vor dessen Geschäftsstelle zu Protokoll zu erklären.

Dem Antrag sind eine Erklärung des Beteiligten über seine persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse (Familienverhältnisse, Beruf, Vermögen, Einkommen und Lasten) sowie entsprechende Belege beizufügen. Hierzu ist der für die Abgabe der Erklärung vorgeschriebene Vordruck zu benutzen. Der Vordruck kann von allen Gerichten oder durch den Schreibwarenhandel bezogen werden.

Wird Prozesskostenhilfe bereits für die Einlegung der Beschwerde begehrt, so müssen der Antrag und die Erklärung über die persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse - gegebenenfalls nebst entsprechenden Belegen - bis zum Ablauf der Frist für die Einlegung der Beschwerde (ein Monat nach Zustellung des Urteils) beim Bundessozialgericht eingegangen sein.

Mit dem Antrag auf Prozesskostenhilfe kann ein zur Vertretung bereiter Rechtsanwalt benannt werden.

Ist dem Beteiligten Prozesskostenhilfe bewilligt worden und macht er von seinem Recht, einen Anwalt zu wählen, keinen Gebrauch, wird auf seinen Antrag der beizuordnende Rechtsanwalt vom Bundessozialgericht ausgewählt.

Der Beschwerdeschrift und allen folgenden Schriftsätzen sollen Abschriften für die übrigen Beteiligten beigefügt werden.

Das Bundessozialgericht bittet darüber hinaus um je zwei weitere Abschriften.

Schriftlich einzureichende Anträge und Erklärungen, die durch einen Rechtsanwalt, durch eine Behörde oder durch eine juristische Person des öffentlichen Rechts einschließlich der von ihr zu Erfüllung ihrer öffentlichen Aufgaben gebildeten Zusammenschlüsse eingereicht werden, sind als elektronisches Dokument zu übermitteln. Ist dies aus technischen Gründen vorübergehend nicht möglich, bleibt die Übermittlung nach den allgemeinen Vorschriften zulässig. Die vorübergehende Unmöglichkeit ist bei der Ersatzeinreichung oder unverzüglich danach glaubhaft zu machen; auf Anforderung ist ein elektronisches _  Dokument nachzureichen. Gleiches gilt für die nach dem Sozialgerichtsgesetz vertretungsberechtigten Personen, für die ein sicherer Übermittlungsweg nach § 65a Absatz 4 Nummer 2 SGG zur Verfügung steht (§ 65d SGG).

Rechtskraft
Aus
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