Auf die Beschwerden des Antragstellers wird festgestellt, dass das Verfahren S 20 AS 39/23 ER beim Sozialgericht Köln nicht durch Beschluss vom 02.02.2023 erledigt worden ist und über die Anträge auf Gewährung einstweiligen Rechtsschutzes und Prozesskostenhilfe noch keine instanzbeendende Entscheidung vorliegt.
Im Übrigen wird die Beschwerde des Antragstellers zurückgewiesen.
Die Entscheidung über die zu erstattenden Kosten auch für das Beschwerdeverfahren bleibt dem Sozialgericht vorbehalten.
Dem Antragsteller wird für das Beschwerdeverfahren gegen die Ablehnung des Antrages auf Erlass einer einstweiligen Anordnung Prozesskostenhilfe unter Beiordnung von Rechtsanwalt J. aus B. bewilligt.
Gründe:
I.
Der Antragsteller begehrt im Wege der einstweiligen Anordnung die vorläufige Verpflichtung des Antragsgegners, ihm Leistungen nach dem Zweiten Buch Sozialgesetzbuch – Bürgergeld, Grundsicherung für Arbeitsuchende – (SGB II) zu gewähren.
Er übt eine selbständige Tätigkeit aus und stand in der Vergangenheit im laufenden Bezug aufstockender Leistungen nach dem SGB II bei dem Antragsgegner. Am 06.01.2023 hat er beim Sozialgericht (SG) Köln beantragt, den Antragsgegner im Wege der einstweiligen Anordnung zu verpflichten, ihm vorläufig Leistungen nach dem SGB II zu gewähren, weil dies für Dezember 2022 und Januar 2023 nicht erfolgt sei. Gleichzeitig hat er unter Vorlage des entsprechenden Formulars und entsprechender Belege im laufenden Verfahren beantragt, ihm Prozesskostenhilfe unter Beiordnung seines Bevollmächtigten zu bewilligen.
Auf Blatt 46 der Gerichtsakte befindet sich eine Verfügung des Kammervorsitzenden vom 02.02.2023, die unter Ziffer 1) mit dem Wort „Beschluss“ beginnt ohne Rubrum bzw. ohne Angabe der Beteiligten. Die sich unmittelbar anschließende Entscheidungsformel enthält die Ablehnung des Antrags auf Erlass einer einstweiligen Anordnung, eine Kostenentscheidung und die Ablehnung des Antrags auf Gewährung von Prozesskostenhilfe. Nach den Ausführungen zu den Gründen wird über die Unanfechtbarkeit der Entscheidung belehrt. Anschließend enthält die Verfügung unter Ziffer 2) die Anweisung, den Beschluss in Reinschrift an Beteiligte zuzustellen und unter Ziffer 3) die Anweisung an die Serviceeinheit zur weiteren Veranlassung. Darunter befindet sich eine Paraphe, keine Unterschrift. Eine nachgeheftete Leseabschrift des Beschlusses ist um die fehlenden Angaben (Rubrum, Tag der Entscheidung, Name des Kammervorsitzenden) ergänzt worden; in dieser Form ist den Beteiligten eine Ausfertigung des Beschlusses, der weder paraphiert noch unterschrieben wurde, zugestellt worden.
Auf die am 03.02.2023 erfolgte Zustellung der Ausfertigung hat der Antragsteller am 09.02.2023 (weiterhin anwaltlich vertreten) Beschwerde erhoben, mit der er sein Begehren weiterverfolgt. Gleichzeitig stellt er einen Antrag auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe unter Beiordnung seines Bevollmächtigten auch für das Beschwerdeverfahren.
Der Antragsgegner beantragt, die Beschwerde zurückzuweisen.
Auf telefonische Nachfrage hat die Geschäftsstelle des SG mitgeteilt, dass es sich bei Blatt 46 der Gerichtsakte um den vom Kammervorsitzenden unterzeichneten Beschluss handelt.
Hinsichtlich der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird ergänzend auf den übrigen Inhalt der Gerichtsakte und der Verwaltungsakte des Antragsgegners Bezug genommen, der Gegenstand der Entscheidungsfindung gewesen ist.
II.
1. Die Beschwerden des Antragstellers sind in dem aus dem Tenor ersichtlichen Umfang zulässig und begründet.
Die gegen einen unwirksamen bzw. nicht existenten Beschluss gerichtete Beschwerde ist zur Beseitigung des Scheins einer Entscheidung, die hier durch die erteilte Ausfertigung gesetzt und unterhalten wird, zulässig (vgl. Bundesverfassungsgericht [BVerfG], Beschluss vom 17.01.1985, 2 BvR 498/84; Landessozialgericht [LSG] Nordrhein-Westfalen, Beschluss vom 08.06.2016, L 6 AS 842/16 B ER; Bundessozialgericht [BSG], Beschluss vom 17.12.2015, B 2 U 150/15; Keller in Meyer-Ladewig u.a., Sozialgerichtsgesetz [SGG], 13. Auflage 2020, § 143 Rn. 2a; Schütz in jurisPK-SGG, Stand15.06.2022, § 133 Rn. 18).
Das den Beteiligten als Ausfertigung zugestellte und vom Antragsgegner mit der Beschwerde angefochtene Schriftstück („Beschluss vom 02.02.2023“) erweckt nur den Anschein einer instanzbeendenden Entscheidung des SG. Ein wirksamer Beschluss liegt jedoch nicht vor, weil in der Gerichtsakte (und auch sonst beim SG) kein Beschluss in Gestalt einer von dem Kammervorsitzenden unterzeichneten Urschrift vorhanden ist.
Gemäß §§ 142 Abs. 1, 134 Abs. 1 SGG ist ein Beschluss vom Vorsitzenden zu unterschreiben. Die Unterschrift erfolgt mit Nachnamen des Richters; ein Handzeichen genügt nicht (Keller in Meyer-Ladewig u.a., SGG, 13. Auflage 2020, § 143 Rn. 2a). Bei der hier vorliegenden Paraphe handelt es sich nicht um eine Unterschrift i. S. d. § 134 Abs. 1 SGG.
In den Fällen, in denen das Gericht – wie hier – ohne mündliche Verhandlung entscheidet, gewährleistet das Unterschriftserfordernis des § 134 Abs. 1 SGG in der aus Gründen der Rechtssicherheit gebotenen Klarheit und Eindeutigkeit, dass der Beschluss den Beteiligten nicht ohne den erforderlichen Verlautbarungswillen des entscheidenden Richters bekanntgegeben wird (vgl. Bundesverwaltungsgericht [BVerwG], Urteil vom 03.12.1992, 5 C 9/89). Mit der Unterschrift bekundet der Richter nicht nur das inhaltliche Ergebnis des Verfahrens einschließlich dessen Begründung, sondern gibt gleichzeitig auch zu erkennen, dass die Willensbildung des Gerichts zum Abschluss gebracht worden ist und die Entscheidung nunmehr zur ordnungsgemäßen Bekanntgabe durch Zustellung an die Beteiligten freigegeben wird (LSG Nordrhein-Westfalen, Beschluss vom 30.08.2021, L 8 BA 79/21 B ER m. w. N.). Im Verfahren ohne mündliche Verhandlung verlässt ein Beschluss daher erst mit der nach § 134 Abs. 1 SGG erforderlichen Unterschrift das Entwurfsstadium und erlangt die Endgültigkeit, die ihn – bei entsprechender Verfügung – ausfertigungs-, zustellungs- und damit verlautbarungsreif macht (LSG Nordrhein-Westfalen, Beschluss vom 30.08.2021, L 8 BA 79/21 B ER). Hieran fehlte es vorliegend.
Der nur mit dem Namenskürzel versehenen Verfügung ist nicht zuletzt auch wegen der Verstöße gegen § 136 Abs. 1 Nr. 1 und Nr. 2 SGG nicht hinreichend deutlich zu entnehmen, dass es sich bei dem Schriftstück nicht nur um einen Entwurf handelt.
Die Nachholung der Unterschrift ist nicht möglich, da das in § 142 Abs. 1 i. V. m. § 134 Abs. 1 SGG enthaltene Erfordernis der Unterzeichnung zu den Voraussetzungen gehört, damit ein ohne mündliche Verhandlung ergangener Beschluss überhaupt durch Zustellung an die Beteiligten wirksam werden kann (§ 133 SGG) (so auch LSG Berlin Brandenburg, Beschluss vom 11.11.2010, L 25 AS 1969/10 B mit Verweis auf BVerwG, Urteil vom 03.12.1992, 5 C 9/89).
Ist das erstinstanzliche Verfahren (noch) nicht abgeschlossen, versetzt die Entscheidung über die entsprechende Feststellung die Beteiligten – in einer auch für das SG verbindlichen Weise – in den Stand des erstinstanzlichen Verfahrens zurück (vgl. Senatsbeschluss vom 08.06.2016, L 6 AS 842/16 B ER; LSG Nordrhein-Westfalen, Beschluss vom 30.08.2021, L 8 BA 79/21 B ER; LSG Berlin Brandenburg, Beschluss vom 11.11.2010, L 25 AS 1969/10 B). Dort ist es zu Ende führen.
Das weitergehende Beschwerdebegehren des Antragstellers in der Sache ist mangels Vorliegens einer anfechtbaren instanzbeendenden Entscheidung des SG nicht statthaft und damit unzulässig (so auch LSG NRW, Beschluss vom 30.08.2021, L 8 BA 79/21 B ER).
2. Der Antragsteller hat nach § 73a SGG i. V. m. § 114 Zivilprozessordnung (ZPO) für das Beschwerdeverfahren einen Anspruch auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe unter Beiordnung seines Bevollmächtigten. Ausgehend von den vorstehenden Ausführungen unter 1. sind hinreichende Erfolgsaussichten anzunehmen. Der Antragsteller ist nach seinen dargelegten persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnissen auch nicht in der Lage, die Kosten der Prozessführung aufzubringen.
3. Die Kostenentscheidung gemäß § 193 Abs. 1 SGG obliegt dem SG.