Auf die Beschwerde der Antragsgegnerin wird der Beschluss des Sozialgerichts Detmold vom 17.01.2021 geändert.
Der Antrag des Antragstellers auf Anordnung der aufschiebenden Wirkung seines Widerspruchs gegen den Bescheid der Antragsgegnerin vom 07.11.2019 wird abgelehnt.
Der Antragsteller trägt die Kosten des einstweiligen Rechtschutzverfahrens in beiden Rechtszügen.
Der Streitwert wird für das Beschwerdeverfahren auf 5.063,50 Euro festgesetzt.
Gründe
Die Beschwerde der Antragsgegnerin ist zulässig und begründet. Der Antrag des Antragstellers auf Anordnung der aufschiebenden Wirkung seines Widerspruchs gegen den Bescheid der Antragsgegnerin vom 07.11.2019 ist nicht begründet.
Gemäß § 86b Abs. 1 S. 1 Nr. 2 des Sozialgerichtsgesetzes (SGG) kann das Gericht der Hauptsache in den Fällen, in denen Widerspruch oder Anfechtungsklage keine aufschiebende Wirkung haben, diese auf Antrag ganz oder teilweise anordnen. Widerspruch und Anfechtungsklage gegen eine – wie hier erfolgte – Entscheidung über Beitragspflichten und die Anforderung von Beiträgen sowie der darauf entfallenden Nebenkosten haben gem. § 86a Abs. 2 Nr. 1 SGG keine aufschiebende Wirkung.
Die Entscheidung, ob eine aufschiebende Wirkung ausnahmsweise gem. § 86b Abs. 1 S. 1 Nr. 2 SGG durch das Gericht angeordnet wird, erfolgt aufgrund einer umfassenden Abwägung des Suspensivinteresses des Antragstellers einerseits und des öffentlichen Interesses an der Vollziehung des Verwaltungsakts andererseits (vgl. z.B. Senatsbeschl. v. 21.10.2020 – L 8 BA 143/19 B ER – juris Rn. 3). Im Rahmen dieser Interessenabwägung ist in Anlehnung an § 86a Abs. 3 S. 2 SGG zu berücksichtigen, in welchem Ausmaß Zweifel an der Rechtmäßigkeit des angegriffenen Verwaltungsaktes bestehen (hierzu unter 1.) oder ob die Vollziehung für den Antragsteller eine unbillige, nicht durch überwiegende öffentliche Interessen gebotene Härte zur Folge hätte (hierzu unter 2.).
1. Da § 86a Abs. 2 Nr. 1 SGG das Vollzugsrisiko bei Beitragsbescheiden grundsätzlich auf den Adressaten verlagert, können nur solche Zweifel an der Rechtmäßigkeit des Bescheides ein überwiegendes Suspensivinteresse begründen, die einen Erfolg des Rechtsbehelfs wahrscheinlich erscheinen lassen. Hierfür reicht es nicht schon aus, dass im Rechtsbehelfsverfahren möglicherweise noch ergänzende Tatsachenfeststellungen zu treffen sind. Maßgebend ist vielmehr, ob nach der Sach- und Rechtslage zum Zeitpunkt der Eilentscheidung mehr für als gegen die Rechtswidrigkeit des angefochtenen Bescheides spricht (st. Rspr. des Senats, vgl. z.B. Beschl. v. 21.10.2020 – L 8 BA 143/19 B ER – juris Rn. 4; Beschl. v. 12.02.2020 – L 8 BA 157/19 B ER – juris Rn. 5 m.w.N.).
Nach diesen Maßstäben ist die aufschiebende Wirkung des Widerspruchs nicht anzuordnen, da dessen Erfolg nicht wahrscheinlich ist. Es spricht nach der im Verfahren des einstweiligen Rechtsschutzes gebotenen summarischen Prüfung derzeit nicht mehr dafür als dagegen, dass sich der von der Antragsgegnerin erlassene Bescheid vom 07.11.2019, mit dem sie für die Zeit vom 01.01.2016 bis 31.01.2016 sowie vom 01.10.2016 bis 31.12.2018 Beiträge zur Kranken- und Pflegeversicherung in Höhe von insgesamt 20.254,01 Euro wegen Beschäftigung der Tochter des Antragstellers, Frau K. (im Folgenden: P), fordert, im Hauptsacheverfahren als rechtswidrig erweisen wird.
Rechtsgrundlage des aufgrund einer Betriebsprüfung ergangenen Bescheides und der darin festgesetzten Beitragsnachforderung ist § 28p Abs. 1 S. 1 und S. 5 des Sozialgesetzbuches Viertes Buch (SGB IV). Danach prüfen die Träger der Rentenversicherung bei den Arbeitgebern, ob diese ihre Meldepflichten und ihre sonstigen Pflichten nach dem SGB IV, die im Zusammenhang mit den Gesamtsozialversicherungsbeiträgen stehen, ordnungsgemäß erfüllen; sie prüfen insbesondere die Richtigkeit der Beitragszahlungen und der Meldungen (§ 28a SGB IV). Im Rahmen der Prüfung werden gegenüber den Arbeitgebern Verwaltungsakte (sog. Prüfbescheide) zur Versicherungspflicht und Beitragshöhe in der Kranken-, Pflege- und Rentenversicherung sowie nach dem Recht der Arbeitsförderung einschließlich der Widerspruchsbescheide erlassen. § 10 Aufwendungsausgleichsgesetz stellt die Umlagen zum Ausgleichsverfahren insoweit den Beiträgen zur gesetzlichen Krankenversicherung gleich (vgl. BSG Urt. v. 10.12.2019 – B 12 R 9/18 R – juris Rn. 12).
a) Der Bescheid vom 07.11.2019 ist formell rechtmäßig ergangen; insbesondere ist der Antragsteller vor dessen Erlass mit Schreiben vom 20.09.2019 gemäß § 24 Abs. 1 des Sozialgesetzbuches Zehntes Buch (SGB X) angehört worden.
b) Auch in materiell-rechtlicher Hinsicht sind Zweifel an der Rechtmäßigkeit des Verwaltungsaktes nach der im Verfahren des vorläufigen Rechtsschutzes gebotenen summarischen Prüfung in einem die Anordnung der aufschiebenden Wirkung rechtfertigenden Umfang nicht gegeben.
Gemäß § 28e Abs. 1 SGB IV hat der Arbeitgeber den Gesamtsozialversicherungsbeitrag für die bei ihm Beschäftigten, d.h. die für diese zu zahlenden Beiträge zur Kranken-, Renten-, Arbeitslosen- und Pflegeversicherung (§ 28d S. 1 und 2 SGB IV), zu entrichten. Der Versicherungspflicht in der Kranken-, Pflege-, Renten- und Arbeitslosenversicherung unterliegen Personen, die gegen Arbeitsentgelt beschäftigt sind (§ 5 Abs. 1 Nr. 1 Sozialgesetzbuch Fünftes Buch [SGB V], § 20 Abs. 1 S. 2 Nr. 1 Sozialgesetzbuch Elftes Buch [SGB XI], § 1 S. 1 Nr. 1 Sozialgesetzbuch Sechstes Buch [SGB VI], § 25 Abs. 1 S. 1 Sozialgesetzbuch Drittes Buch [SGB III]).
Unstreitig ist P beim Antragsteller im Nachforderungszeitraum vom 01.01.2016 bis 31.01.2016 und vom 01.10.2016 bis 31.12.2018 im Sinne des § 7 Abs. 1 SGB IV gegen Arbeitsentgelt (§ 14 SGB IV) beschäftigt gewesen. Der Antragsteller hat für sie auch Beiträge zur Renten- und Arbeitslosenversicherung entrichtet. Nach summarischer Prüfung ist (entgegen der Auffassung des SG) nicht wahrscheinlich, dass sich die von der Antragsgegnerin festgesetzte (Nach-)Forderung von Versicherungsbeiträgen zu den weiteren Zweigen der gesetzlichen Kranken- und Pflegeversicherung wegen Überschreitens der Jahresarbeitsentgeltgrenze (JAEG) durch P als rechtswidrig erweisen wird.
Nach § 6 Abs. 1 Nr. 1 SGB V sind Arbeiter und Angestellte, deren regelmäßiges Jahresarbeitsentgelt die JAEG nach § 6 Abs. 6 oder 7 SGB V übersteigt, versicherungsfrei. Gleiches gilt nach § 20 Abs. 1 S. 1 SGB XI akzessorisch in der sozialen Pflegeversicherung. Die Versicherungspflicht endet gemäß § 6 Abs. 4 S. 1 SGB V mit Ablauf des Kalenderjahres, in dem die JAEG überschritten wird, wenn das Entgelt nicht unter der JAEG des Folgejahres liegt (§ 6 Abs. 4 S. 2 SGB V).
Dass P bereits in 2015 – mit einer für 2016 folgenden Versicherungsfreiheit – die JAEG überschritten hat, ist vom Antragsteller nicht geltend gemacht worden und ergibt sich auch nicht aus den sonstigen aktenkundigen Unterlagen. Auch in den Jahren 2016 (JAEG 56.250 Euro) und 2017 (JAEG 57.600 Euro) ist – entgegen der Auffassung des Antragstellers – nach dem derzeitigen Sachstand nicht davon auszugehen, dass das Arbeitsentgelt der P über den genannten Schwellen lag und sie damit (vorbehaltlich der weiteren Voraussetzung des § 6 Abs. 4 S. 2 SGB V) in den streitigen Jahre 2017 und 2018 in der Kranken- und Pflegeversicherung versicherungsfrei geworden ist.
Aus den vom Antragsteller überreichten Lohnsteuerbescheinigungen für P ergibt sich für das Jahr 2016 ein Bruttoarbeitsentgelt in Höhe von insgesamt 50.778 Euro. Diese Summe setzt sich zusammen aus den Einnahmen für die Tätigkeit beim Antragsteller im Januar mit einem Gehalt von 4.322 Euro, der Tätigkeit für die Y. G. E., deren geschäftsführender Gesellschafter ebenfalls der Antragsteller ist, von Februar bis September mit einem Bruttogehalt von insgesamt 34.576 Euro und erneut einer Tätigkeit beim Antragsteller von Oktober bis Dezember mit einem Bruttogehalt in Höhe von insgesamt 11.880 Euro. Den Lohnsteuerbescheinigungen für P der Jahre 2017 und 2018 sind jeweils Tätigkeiten von Januar bis Dezember und ein Jahresbruttogehalt in Höhe von 47.520 Euro zu entnehmen.
Dass P über diese Meldungen hinaus – wie vom Antragsteller behauptet – einen Anspruch auf weiteres Arbeitsentgelt gehabt haben soll, ist von ihm weder hinreichend substantiiert dargelegt noch erst recht nicht – wie gem. § 86b Abs. 2 S. 4 SGG i.V.m. §§ 920 Abs. 2, 294 Zivilprozessordnung (ZPO) erforderlich – glaubhaft gemacht worden (vgl. zum Erfordernis der Glaubhaftmachung z.B. Senatsbeschl. v. 01.08.2022 – L 8 BA 65/20 B ER – juris Rn. 19).
Die pauschale Behauptung der P in ihrer eidesstattlichen Versicherung vom 01.09.2020, sie habe neben dem monatlichen Festgehalt einen Anspruch auf Urlaubs- und Weihnachtsgeld jeweils in Höhe von 4.050,50 Euro gehabt, vermag schon deshalb nicht zu überzeugen, weil entsprechende Beträge vom Antragsteller bzw. der Y. G. E. in keinem der drei streitigen Jahre bei den zur Renten- und Arbeitslosenversicherung abgeführten Sozialversicherungsbeiträgen zugrunde gelegt worden sind. Ebenso wenig ist eine ordnungsgemäße Versteuerung solcher Sonderzahlungen dargetan worden. Eine nachvollziehbare Erklärung dazu, aus welchem Grund trotz des behaupteten Anspruchs in keiner der Lohnsteuerbescheinigungen bzw. Meldungen zur Sozialversicherung Weihnachts- und/oder Urlaubsgeld ausgewiesen ist, fehlt. Es steht nicht im freien Belieben des Antragstellers, etwaige zusätzliche Gehaltsbestandteile in die Lohnsteuerbescheinigungen bzw. die Meldungen zur Sozialversicherung aufzunehmen oder dies zu unterlassen. Darüber hinaus hat der Antragsteller auch keinen, eine solche Sondervergütung belegenden Vertrag vorzulegen vermocht. Nicht einmal der (einzig eingereichte) noch mit der später insolventen U. abgeschlossene und lediglich bis zum 31.12.2015 geltende Geschäftsführeranstellungsvertrag vom 30.05.2010 für P, die damals zudem auch noch Gesellschafterin war, weist eine Sonderzahlung für Urlaub und Weihnachten aus.
Ebenfalls nicht glaubhaft gemacht ist, dass Mietkosten der P für die Betriebswohnung der (ehemaligen) U. als weiteres an sie geleistetes Arbeitsentgelt zu berücksichtigen sind. Auch derartige Kosten hat der Antragsteller – ebenso wie das behauptete Weihnachts- und Urlaubsgeld – in keiner Lohnsteuerbescheinigung ausgewiesen und/oder zur Grundlage der entrichteten Sozialversicherungsbeiträge in der Renten- und Arbeitslosenversicherung gemacht. Auch sind von ihm keinerlei Dokumente vorgelegt worden, die die Übernahme einer solchen Miete durch ihn als Teil der arbeitsvertraglichen Vergütung der P bestimmen. Der (auch hier allein mit der U. abgeschlossene) Mietvertrag über die Wohnung unter der Anschrift „A.-straße“ in T. sieht vielmehr eine durch P selbst zu entrichtende Miete vor.
Soweit im Beschwerdeverfahren erstmalig (und nur noch?) geltend gemacht wird, dass P als weiteres Arbeitsentgelt eine Einbauküche für 19.233,13 Euro erhalten habe, ist auch dieses Vorbringen nicht glaubhaft. Für die genannte Küche hat der Antragsteller der P mit Datum vom 06.01.2016 eine bei derartigen Aufträgen übliche Rechnung gestellt. Dass der dort ausgewiesene Betrag letztlich nicht zu zahlen sei, sondern vielmehr als Vergütung im Rahmen des Arbeitsverhältnisses gelten solle, ergibt sich aus der im Verfahren überreichten Rechnung nicht. Ob P die Küche im Übrigen als Arbeitsentgelt nach dem Einkommenssteuergesetz versteuert hat, mag der Antragsteller ggf. im Hauptsacheverfahren vortragen und belegen.
2. Eine unbillige, nicht durch überwiegende öffentliche Interessen gebotene Härte durch die sofortige Vollziehung des Beitragsbescheides hat der Antragsteller nicht geltend gemacht und ist auch sonst nicht ersichtlich. Allein die mit der Zahlung auf eine Beitragsforderung für ihn verbundenen wirtschaftlichen Konsequenzen führen nicht zu einer solchen Härte, da sie lediglich Ausfluss der Erfüllung gesetzlich auferlegter Pflichten sind (st. Rspr. des Senats, vgl. z.B. Beschl. v. 07.03.2019 – L 8 BA 75/18 B ER – juris Rn. 17).
Die Kostenentscheidung beruht auf § 197a Abs. 1 S. 1 SGG i. V. m. §§ 161 Abs. 1, 154 Abs. 1 Verwaltungsgerichtsordnung (VwGO).
Die Festsetzung des Streitwerts folgt aus §§ 197a Abs. 1 S. 1 SGG i.V.m. §§ 47 Abs. 1, 53 Abs. 2 Nr. 4, 52 Gerichtskostengesetz und berücksichtigt, dass in Verfahren des vorläufigen Rechtschutzes, die Beitragsangelegenheiten betreffen, regelmäßig nur ein Viertel des Wertes der Hauptsache einschließlich etwaiger Säumniszuschläge als Streitwert anzusetzen ist (vgl. z.B. Senatsbeschl. v. 22.04.2020 – L 8 BA 266/19 B ER – juris Rn. 30 m.w.N.).
Dieser Beschluss kann nicht mit der Beschwerde an das Bundessozialgericht angefochten werden (§ 177 SGG).