Die Berufung des Klägers gegen den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Münster vom 29.03.2022 wird zurückgewiesen.
Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten.
Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand:
Die Beteiligten streiten um die Versagung von Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nachdem Zweiten Buch Sozialgesetzbuch – Grundsicherung für Arbeitssuchende (SGB II) für den Zeitraum vom 01.01.2014 bis 30.06.2014.
Der am 00.00.1966 geborene Kläger ist alleinstehend und bezieht mit kleineren Unterbrechungen seit Januar 2005 laufende Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts von der Beklagten.
Der Kläger ist als Energieberater selbständig tätig und erhält für durchgeführte Energieberatungen Zuschüsse des Bundesamtes für Wirtschaft und Ausfuhrkontrolle (BAFA). Er verfügte im streitigen Zeitraum nicht über seinen Vermögensfreibetrag übersteigendes Vermögen im Sinne des § 12 SGB II.
Er lebt gemeinsam mit seinen Eltern T. und C. D. in deren Eigenheim. Die Eltern sind am Grundstück, auf dem sich das Haus befindet, erbbauberechtigt.
Die Höhe der dem Kläger zustehenden Leistungen nach dem SGB II – insbesondere die Höhe der diesem zustehenden Kosten für Unterkunft und Heizung – war und ist Gegenstand einer Vielzahl von Antrags-, Klage-, Berufungs- und Revisionsverfahren.
Im Rahmen eines Erörterungstermins vor dem Landessozialgericht Nordrhein - Westfalen (LSG NRW) zu den Beschwerdeverfahren L 7 AS 2304/14 B ER und L 7 AS 502/15 B ER am 30.04.2015 gab der Kläger zu Protokoll, etwa 1/3 der anfallenden Hausnebenkosten seien von ihm zu tragen. Einen schriftlichen Mietvertrag habe er mit seinen Eltern nicht geschlossen. Er sei auch weiterhin selbständig tätig, habe seine Tätigkeit jedoch „letztes Jahr“ nicht mehr ausüben können, da die neue Energiesparverordnung in Kraft getreten und ihm die Pflege der erforderlichen Software nicht möglich sei. Im Jahr 2014 habe er daher keine Aufträge akquirieren können und habe dadurch keine Einnahmen gehabt.
Wörtlich heißt es im Protokoll:
„Die Zahlungen, die mir im Jahr 2014 zugegangen sind, waren Aufträge aus dem Jahr 2013.“
Am 16.01.2014 stellte der Kläger bei der Beklagten einen Fortzahlungsantrag für den Zeitraum vom 01.01.2014 bis 30.06.2014.
Mit Schreiben vom 20.01.2014, 24.03.2014 und 25.04.2014 forderte die Beklagte den Kläger erfolglos auf, einzelne näher bezeichnete Unterlagen und Erklärungen einzureichen.
Nachdem der Kläger der Beklagten eine Frist zur Bescheidung seines Antrages gesetzt hatte, versagte die Beklagte mit Bescheid vom 30.05.2014 die Leistungen unter Berufung auf die §§ 60, 66 Erstes Buch Sozialgesetzbuch – Allgemeiner Teil (SGB I) für die Zeit vom 01.01.2014 bis zum 30.06.2014. Den dagegen am 26.06.2014 erhobenen Widerspruch wies die Beklagte mit Widerspruchsbescheid vom 16.07.2014 zurück. Die darauf folgend bei dem Sozialgericht Münster (SG) eingelegte Klage wies dieses mit Urteil vom 12.03.2018 zurück (S 11 AS 529/14). Im sich anschließenden Berufungsverfahren vor dem LSG NRW hob die Beklagte in der mündlichen Verhandlung am 16.04.2021 im Hinblick auf einen gerichtlichen Hinweis aufgrund formeller Fehler den Bescheid vom 30.05.2014 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 16.07.2014 auf (L 21 AS 1013/18).
Mit Schreiben vom 16.06.2021 (abgesandt am 17.06.2021) forderte die Beklagte den Kläger erneut auf, bis zum 14.07.2021 folgende Unterlagen und Erklärungen einzureichen:
- Aktueller Abschlagsplan Energieversorger (Strom/Gas/Wasser) und letzte Jahresabrechnung
- Erklärung der Eltern bezüglich früherer Zahlung und Stunden der Miete
- Nachweise zu dem Einkommen aus seiner selbständigen Tätigkeit („bitte anliegenden Vordruck ausfüllen“);
- abschließende Angaben zum Einkommen aus der selbständigen Tätigkeit inklusive entsprechender Belege für die Zeit 01/13 bis 12/13
- Einverständniserklärung zur Kontaktaufnahme sowie Entbindung von der Schweigepflicht hinsichtlich der Beratungsentgelte der BAFA
Die Beklagte wies den Kläger in dem Schreiben auf die Folgen einer Mitwirkungspflichtverletzung im Sinne der §§ 60, 66 SGB I, insbesondere der Möglichkeit der Versagung der Leistungen und Prüfung der Nachholung der Leistungsgewährung bei Nachholung der Mitwirkung hin.
Der Kläger legte in der Folgezeit ohne Begründung keine Unterlagen etc. vor.
Mit Bescheid vom 03.08.2021 versagte die Beklagte dem Kläger unter Bezugnahme auf die Mitwirkungsaufforderungen vom 20.01.2014, 24.03.2014, 25.04.2014 und 17.06.2021 die Leistungen nach dem SGB II für die Zeit vom 01.01.2014 bis zum 30.06.2014 auf der Grundlage der §§ 60, 66 SGB I. Zwar habe der Kläger auf die Anhörung vom 20.03.2014 mitgeteilt, die Beklagte könne die Unterlagen bei der BAFA selbst einholen, die ihm daraufhin übersandte Einverständniserklärung sowie die Schweigepflichtentbindungserklärung habe er jedoch nicht zurückgesandt. Ohne die Angabe von Nachweisen bzw. Vorlage der EKS sei die Prüfung der Hilfebedürftigkeit nicht möglich. Dem Kläger sei auch in den gerichtlichen Verfahren schon mitgeteilt worden, dass die Verpflichtung zur Vorlage der genannten Unterlagen bestehe. Die Ermittlungspflicht könne nicht auf die Beklagte verlagert werden. Auch im Rahmen der Ermessensausübung seien keine Gründe erkennbar, aus denen die Vorlage der geforderten Unterlagen nicht möglich sein sollte. In Abwägung der widerstreitenden Interessen der Allgemeinheit mit denjenigen des Klägers, seien die Leistungen zu versagen.
Den dagegen am 05.08.2021 mit der Begründung erhobenen Widerspruch, der Leistungsanspruch sei hinreichend sicher und zumindest Teilleistungen seien daher zu bewilligen, hat die Beklagte mit Widerspruchsbescheid vom 18.10.2021 zurückgewiesen. Die Angaben zu dem Einkommen des Klägers seien zwingend erforderlich, eine Berechnung anhand der nach § 3 Arbeitslosengeld –II – Verordnung (Alg-II-VO) sei ohne die geforderten Unterlagen nicht möglich. Insbesondere könne eine Berechnung nicht ausschließlich anhand der vorgelegten Kontoauszüge erfolgen. So könne nicht geprüft werden, ob angegebene Ausgaben notwendig gewesen seien. Die angeforderten Unterlagen seien erforderlich, damit die Beklagte ihren Amtsermittlungspflichten überhaupt nachkommen könne. Hinsichtlich der Kosten der Unterkunft sei nach § 22 Abs.1 SGB II eine pauschale Gewährung ohne weitere Nachweise nicht möglich. Ein Mietvertrag mit den Eltern des Klägers sei nicht eingereicht worden, ebenso wenig eine schriftliche Vereinbarung über die Zahlungsweise der Kosten er Unterkunft. Der Kläger müsse entweder eine Vereinbarung mit seinen Eltern einreichen oder die monatlich tatsächlich anfallenden Kosten belegen.
Am 11.11.2021 hat der Kläger Klage vor dem SG erhoben. Sein „begehrter Leistungsbezug“ sei „hinreichend sicher“. Er habe die „Sachverhaltsaufklärung nicht erheblich erschwert“.
Der Kläger hat schriftsätzlich beantragt,
den Bescheid vom 03.08.2021 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 18.10.2021 aufzuheben.
Die Beklagte hat schriftsätzlich beantragt,
die Klage abzuweisen.
Sie hält den angefochtenen Bescheid vom 03.08.2021 weiterhin für rechtmäßig, insbesondere trage dieser den Bedenken des LSG NRW an dem vorherigen Versagungsbescheid hinreichend Rechnung. Das LSG NRW habe dem Kläger erläutert, dass die geforderten Unterlagen vorzulegen seien.
Nach Anhörung der Beteiligten mit Verfügung vom 07.02.2022, dem Kläger zugestellt am 12.02.2022, hat das SG die Klage mit Gerichtsbescheid vom 29.03.2022 abgewiesen. Der Kläger sei durch den angefochtenen Bescheid vom 03.08.2021 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 18.10.2021 nicht gemäß § 54 Abs. 2 Satz 1 Sozialgerichtsgesetz (SGG) beschwert. Der Bescheid sei nicht rechtswidrig. Die Beklagte habe zu Recht dem Kläger in der Zeit vom 01.01.2014 bis zum 30.06.2017 die Gewährung des Arbeitslosengeldes II auf der Grundlage der §§ 60, 66 SGB I versagt. Zwecks Begründung hat das SG auf die Ausführungen im Widerspruchsbescheid vom 18.10.2021 Bezug genommen (§ 136 Abs. 3 SGG).
Gegen den ihm am 13.04.2022 zugestellten Gerichtsbeschied hat der Kläger am 19.04.2022 Berufung eingelegt. Die Versagung der Leistungen sei offensichtlich rechtswidrig. Er habe die Aufklärung des Sachverhaltes nicht erheblich erschwert. Die Beklagte könne sich die erforderlichen Unterlagen leicht selbst beschaffen. Lückenlose Kontoauszüge für den Zeitraum ab Juli 2013 habe er bereits vorgelegt. Diesen sei zu entnehmen, dass er nicht über Einnahmen verfügt habe. Mangels Einnahmen gäbe es auch keine Rechnungen oder Quittungen, die er vorlegen könne. Die Beklagte weigere sich bei der BAFA selbst nachzufragen, und sich die geforderten Informationen zu beschaffen. Die Nichtübernahme der Unterkunftskosten sei rechtswidrig. Schon das Bundessozialgericht und das Bundesverfassungsgericht hätten festgestellt, dass die Nichtberücksichtigung der Unterkunftskosten bei einem Mitglied der Bedarfsgemeinschaft sich negativ auf alle Mitglieder auswirke.
Der Kläger beantragt,
- den Gerichtsbescheid des SG Münster vom 29.03.2022 zu dem Az. S 11 AS 485/21 aufzuheben und die Beklagte zu verpflichten, den Bescheid vom 03.08.2021 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 18.10.2021 aufzuheben und die Beklagte zu verpflichten, dem Kläger die beantragten SGB II-Leistungen zu zahlen.
- die Beklagte zu verpflichten, die außergerichtlichen Kosten des Klägers zu erstatten.
Die Beklagte konnte an der mündlichen Verhandlung vom 11.01.2023 wegen Erkrankung des sachbearbeitenden Vertreters nicht teilnehmen, hat jedoch mit Schreiben vom 11.01.2023 ihr Einverständnis mit einer Durchführung der Verhandlung in Abwesenheit erklärt.
Die Beklagte beantragt schriftlich,
die Berufung zurückzuweisen.
Sie hält die streitgegenständlichen Bescheide weiterhin für rechtmäßig.
Der Senat hat die Beteiligten mit Verfügung vom 03.08.2022, dem Kläger zugestellt am 09.07.2022 und der Beklagten zugestellt am 13.07.2022, zu seiner Absicht der Übertragung des Verfahrens auf die Berichterstatterin angehört und mit Beschluss vom 05.08.2022, dem Kläger zugestellt am 12.08.2022 und der Beklagten zugestellt am 16.08.2022, die Übertragung auf die Berichterstatterin beschlossen.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes sowie des übrigen Vorbringens der Beteiligten wird auf den Inhalt der Gerichtsakte sowie der beigezogenen Verwaltungsakten der Beklagten sowie auf das Parallelverfahren L 12 AS 747/22 Bezug genommen.
Entscheidungsgründe:
Die Berufung des Klägers ist teilweise unzulässig und im Übrigen unbegründet. Der Kläger ist durch die Versagung der Leistungen für den Zeitraum vom 01.01.2014 bis 30.06.2014 mit dem Bescheid vom 03.08.2021 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 18.10.2021 nicht in seinen Rechten verletzt, denn die Bescheide sind rechtmäßig. (§ 54 Abs.2 SGG).
Soweit der Kläger mit der Berufung (erstmalig) über die reine Anfechtungsklage hinaus die Bewilligung der Leistungen nach dem SGB II für den Zeitraum vom 01.1.2014 bis 30.06.2014 geltend macht, ist dieser Antrag mangels vorausgegangenem erstinstanzlichem Verfahren unzulässig (§ 143 SGG).
Darüber hinaus wäre eine auf Leistungsbewilligung gerichtete Klage unzulässig. Eine Leistungsklage gegen Versagungsbescheide ist nur in besonders gelagerten Ausnahmefällen zulässig, nämlich dann, wenn eine weitere Klärung der Leistungsvoraussetzungen über die Versagung hinaus nicht erforderlich und zwischen den Beteiligten unstreitig ist (BSG Urteil vom 19.09.2008 Az. B 14 AS 45/07 R, 01.07.2009 B 4 AS 78/08 R). Eine Ausnahme von dem Regelfall der allein statthaften Anfechtungsklage liegt hier nicht vor. Die Leistungen sind nach Grund und Höhe zwischen den Beteiligten streitig, so dass eine weitere Klärung der Leistungsberechtigung nach Grund und Höhe über die Versagung hinaus erforderlich wäre.
Zulässiger Streitgegenstand der Berufung ist die Versagung der Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nach dem SGB II wegen fehlender Mitwirkung des Klägers für den Zeitraum vom 01.01.2014 bis 30.06.2014 mit Bescheid vom 03.08.2021 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 18.10.2021.
Der Kläger hat sich gegen die Bescheide zutreffend mit der Anfechtungsklage (§ 54 Abs.1 SGG) gewendet.
Die angefochtene Versagung der Leistungen ist auch rechtmäßig, weil die geforderten Unterlagen im maßgeblichen Zeitpunkt der letzten Behördenentscheidung – hier der Widerspruchsentscheidungen vom 18.10.2021 - nicht vorlagen, die Leistungsvoraussetzungen ohne die von der Beklagten angeforderten Unterlagen nicht prüfbar waren, die von dem Kläger geforderte zulässige Mitwirkungshandlung für diesen nicht unzumutbar war, und die Informationen von dem Beklagten auch nicht auf einfacherem Wege zu beschaffen gewesen sind.
Rechtsgrundlage für die Versagung der Leistungen ist § 66 SGB I. Hiernach kann der Leistungsträger ohne weitere Ermittlungen die Leistungen bis zur Nachholung der Mitwirkung ganz oder teilweise versagen oder entziehen, soweit derjenige, der eine Sozialleistung beantragt oder erhält seinen Mitwirkungspflichten nach den §§ 60-62, 65 SGB I nicht nachkommt und hierdurch die Aufklärung des Sachverhalts erheblich erschwert und soweit hierdurch die Voraussetzungen der Leistungen nicht nachgewiesen sind (§ 66 Abs. 1 SGB I). Sozialleistungen dürfen wegen fehlender Mitwirkung nur versagt oder entzogen werden, nachdem der Leistungsberechtigte auf diese Folge schriftlich hingewiesen worden ist und seiner Mitwirkungspflicht nicht innerhalb einer ihm gesetzten angemessenen Frist nachgekommen ist (§ 66 Abs. 3 SGB I). Nach § 60 Abs. 1 Satz 1 SGB II hat derjenige, der Sozialleistungen beantragt oder erhält alle Tatsachen anzugeben, die zur Prüfung der Leistungsvoraussetzungen erheblich sind (Nr. 1), sowie Beweismittel zu bezeichnen und auf Verlangen des zuständigen Leistungsträgers entsprechende Urkunden vorzulegen (Nr. 3).
Die Voraussetzungen des § 60 Abs. 1 Nr. 1 SGB I liegen vor. Die Beklagte hat den Kläger mit Schreiben vom 20.01.2014, 24.03.2014, 25.04.2014 und 17.06.2021 zur Mitwirkung bezüglich der Klärung der Leistungsvoraussetzungen aufgefordert. Die mit Schreiben vom 17.06.2021 angeforderten Unterlagen, namentlich
- Aktueller Abschlagsplan Energieversorger (Strom/Gas/Wasser) und letzte Jahresabrechnung
- Erklärung der Eltern bezüglich früherer Zahlung und Stunden der Miete
- Nachweise zu dem Einkommen aus seiner selbständigen Tätigkeit („bitte anliegenden Vordruck ausfüllen“);
- abschließende Angaben zum Einkommen aus der selbständigen Tätigkeit inklusive entsprechender Belege für die Zeit 01/13 bis 12/13
- Einverständniserklärung zur Kontaktaufnahme sowie Entbindung von der Schweigepflicht hinsichtlich der Beratungsentgelte der BAFA
hat der Kläger bisher nicht eingereicht und die geforderte Mitwirkung insoweit auch nicht erfüllt.
Die von dem Kläger geforderten Unterlagen waren auch erforderlich, um die Hilfebedürftigkeit des Klägers im streitigen Zeitraum nach Grund und Höhe zu klären. Die Beklagte hat mit der Mitwirkungsaufforderung vom 17.06.2021 auch die Grenzen der Mitwirkungspflicht im Sinne von § 65 SGB I beachtet. Hiernach besteht eine Mitwirkungspflicht nach den §§ 60-64 SGB I nicht, soweit ihre Erfüllung nicht in einem angemessenen Verhältnis zu der in Anspruch genommenen Sozialleistung oder ihrer Erstattung steht (§ 65 Abs. 1 Nr. 1 SGB I) oder ihre Erfüllung dem Betroffenen aus einem wichtigen Grund nicht zugemutet werden kann (§ 65 Abs. 1 Nr. 2 SGB I) oder der Leistungsträger sich durch einen geringeren Aufwand als der Antragsteller die erforderliche Kenntnis selbst beschaffen kann (§ 65 Abs. 1 Nr. 3 SGB I).
Ohne die Vorlage der (abschließenden) Einkommensnachweise des Klägers aus seiner selbständigen Tätigkeit von Januar bis Juni 2014 lässt sich der Umfang der Hilfebedürftigkeit des Klägers nicht ermitteln. Hierfür ist auch die Vorlage der Kontoauszüge für den streitigen Zeitraum nicht ausreichend. Zu Recht weist der Beklagte darauf hin, dass sich aus den Kontoauszügen allenfalls die Geldzuflüsse ersehen lassen, nicht aber, ob und wenn ja welche erforderlichen Aufwendungen hiermit verbunden waren. Soweit der Kläger vorträgt, er habe im streitigen Zeitraum keinerlei Einnahmen gehabt, weswegen er auch keine Rechnungen oder Quittungen vorlegen könne und der Beklagten sei auch bekannt, dass die Zahlungen der BAFA für Beratungsleistungen nur über das Konto abgewickelt würden, so hätte diese Behauptung der Vorlage eines Nachweises – z.B. eines Bestätigungsschreibens der BAFA – bedurft. Dieses konnte sich die Beklagte auch ohne die vom Kläger nicht eingereichte Einwilligungserklärung nicht eigenmächtig bei der BAfA beschaffen. Zwar hat der Kläger im Rahmen der bei dem Beklagten eingereichten Schriftsätze diese sinngemäß aufgefordert, sich bei der BAFA selbst zu erkundigen. Gemäß den vom Kläger in der mündlichen Verhandlung gemachten Ausführungen meinte er damit jedoch lediglich die Einholung einer generalisierten Auskunft ohne Bezug zu seinem konkreten Leistungsfall. Da der Kläger die Rechtmäßigkeit des Verwaltungshandelns der Beklagten in einer Vielzahl von Verfahren in Frage gestellt hat, ist es nachvollziehbar und im Sinne der Rechtsklarheit auch angebracht, dass die Beklagte entsprechende personenbezogene Informationen bei der BAFA nur auf ausdrückliche, unmissverständliche Einverständniserklärung des Klägers hin anfordert. Eine entsprechende Erklärung hat der Kläger nicht zurückgesandt.
Soweit der Kläger sich darauf beruft, die Beklagte könne anhand der Kontoauszüge seine (nicht vorhandenen) Einnahmen ersehen, so wiederspricht dies den Angaben des Klägers im Erörterungstermin vom 30.04.2015 zu dem Verfahren L 12 AS 2374/14 B ER und L 12 AS 502/15 B ER, in dem er angegeben hat, bei den Zahlungen, die ihm im Jahr 2014 zugegangen seien, handele es sich um Zuflüsse aus der Tätigkeit im Jahr 2013. Diese Einlassung des Klägers macht deutlich, dass er im Jahr 2014 offenbar sehr wohl über Einnahmen verfügt hat. Gemäß § 11 SGB II i.V.m § 3 ALg-II-VO ist für die Berechnung des Einkommens der tatsächliche Zuflusszeitpunkt maßgeblich. Zahlungen im Jahr 2014 sind damit Einkommen im Monat des Zuflusses unabhängig davon, wann die Tätigkeit selbst ausgeübt worden ist.
Mangels Kenntnisse zur Höhe etwaiger Einnahmen war damit die Hilfebedürftigkeit des Klägers nach Grund und Höhe ohne die angeforderten Unterlagen nicht zu klären.
Dies gilt auch für Grund und Höhe der vom Kläger mit 100 € monatlich geltend gemachten Kosten für Unterkunft und Heizung. Gemäß § 22 Abs. 1 SGB II sind die Kosten für Unterkunft und Heizung in tatsächlicher Höhe zu übernehmen, soweit sie angemessen sind. Weder die tatsächliche Höhe der Unterkunftskosten noch deren Angemessenheit lässt sich nach Lage der Akten ermitteln.
Einen schriftlichen Mietvertrag hat der Kläger mit seinen Eltern nicht abgeschlossen. Einen Nachweis für die tatsächliche Zahlung von monatlich 100 € in der Vergangenheit hat der Kläger nicht vorgelegt. Auch die Eltern des Klägers haben keine Erklärung dazu abgegeben, ob eine etwaige Zahlung überhaupt erfolgt ist und wenn ja auf welchem Zahlungsweg.
Unklar ist auch, ob der Betrag von 100 € wirtschaftlich und damit angemessen bezogen auf die konkrete Wohnsituation des Klägers ist. Es soll sich bei dem vereinbarten Betrag um eine Vorauszahlung i.H.v. 1/3 der Neben- und Heizkosten handeln. Da der Kläger sich jedoch weigert, die tatsächlich anfallenden Hausnebenkosten (Strom/Wasser/Gas) nachzuweisen, kann die Beklagte nicht feststellen, ob der Betrag von 100 € den tatsächlichen Gegebenheiten entspricht.
Der Beklagte ist auch seinen Hinweispflichten gemäß § 66 Abs. 3 SGB I nachgekommen und hat in den Mitwirkungssaufforderungen zuletzt vom 17.06.2021 auf die Folgen einer unterlassenen Mitwirkung hingewiesen.
Die dem Kläger gesetzte Frist zur Mitwirkung bis zum 14.07.2021 von fast einem Monat war auch angemessen und bot dem Kläger ausreichen Zeit, die angeforderten Unterlagen, deren Vorlagenotwendigkeit ihm bereits seit dem Jahr 2014 bekannt war, einzureichen oder eine Fristverlängerung zu deren Vorlage zu beantragen.
Der Beklagte hat auch in ausreichendem Umfang Ermessenserwägungen angestellt und sowohl sein Entschließungs- als auch sein Auswahlermessen ohne erkennbare Ermessensfehler ausgeübt. Anhaltspunkte für einen Ermessensfehlgebrauch, eine Ermessensüber- oder Unterschreitung oder einen Ermessensausfall sind nicht erkennbar.
Die Kostenentscheidung folgt aus § 193 SGG.
Gründe für eine Zulassung der Revision im Sinne von § 160 SGG sind nicht erkennbar.