L 11 KA 7/22

Land
Nordrhein-Westfalen
Sozialgericht
LSG Nordrhein-Westfalen
Sachgebiet
Vertragsarztangelegenheiten
Abteilung
7
1. Instanz
SG Düsseldorf (NRW)
Aktenzeichen
S 7 KA 1430/16
Datum
2. Instanz
LSG Nordrhein-Westfalen
Aktenzeichen
L 11 KA 7/22
Datum
3. Instanz
-
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil

Die Berufungen der Klägerin gegen die Urteile des Sozialgerichts Düsseldorf vom 21.03.2022 werden zurückgewiesen.

Die Klägerin hat auch die Kosten des Berufungsverfahrens zu tragen.

Die Revision wird nicht zugelassen.

Der Streitwert für das Berufungsverfahren wird auf 18.780,68 € festgesetzt.

 

Tatbestand

Die Klägerin begehrt eine höhere Vergütung für psychotherapeutische Leistungen für die Quartale 4/2012 bis 4/2014.

Die Klägerin ist psychologische Psychotherapeutin in eigener Praxis und zur vertragsärztlichen Versorgung in C. zugelassen. In den streitigen Quartalen 4/2012 bis 4/2014 setzte die Beklagte das Honorar der Klägerin per Bescheid fest:

Quartal

Bescheid vom

4/2012

23. April 2012

1/2013

23. Juli 2013

2/2013

22. Oktober 2013

3/2013

21. Januar 2014

4/2013

22. April 2014

1/2014

22. Juli 2014

2/2014

21. Oktober 2014

3/2014

20. Januar 2015

4/2014

21. April 2015

Ein Widerspruch gegen den Abrechnungsbescheid vom 22. Oktober 2013 für das Quartal 2/2014 wurde bestandskräftig zurückgewiesen (Widerspruchsbescheid vom 2. Dezember 2014).

In einem weiteren Verwaltungs- und Widerspruchsverfahren erstritt die Klägerin für die Quartale 1/2015 und 2/2015 eine Nachvergütung i.H.v. 4.118,30 € (Widerspruchsbescheid vom 14. März 2016, rechtskräftig nach Rücknahme der Klage im Verfahren Sozialgericht ˂SG˃ Düsseldorf, Az. S 14 KA 678/16).

Der Erweiterte Bewertungsausschuss (EBewA) beschloss am 22. September 2015 (Veröffentlichung online am 30. September 2015, Veröffentlichung im Deutschen Ärzteblatt ˂DÄ˃, Heft 42, Jg. 112, 16. Oktober 2015, A 1739), den Einheitlichen Bewertungsmaßstab (EBM) hinsichtlich einer Neubewertung der antragspflichtigen psychotherapeutischen Leistungen des EBM-Abschnitts 35.2 mit Wirkung zum 1. Januar 2012 zu ändern. Der Beschluss regelt u.a.:

1. Aufnahme von Nr. 2 bis Nr. 5 in die Präambel zum Abschnitt 35.2 EBM

2. Voraussetzung für die Berechnung der Gebührenordnungspositionen 35251 und 35252 [ab dem 01.01.2015: 35251, 35252 und 35253] ist eine im Quartalszeitraum abgerechnete Gesamtpunktzahl der Gebührenordnungspositionen 35200 bis 35225 von mindestens 459.563 Punkten [ab 01.10.2013: 162.734 Punkten] je Vertragsarzt bzw. -therapeut (Mindestpunktzahl) nach Nummer 1 der Präambel. Sofern bei einem Vertragsarzt bzw. -therapeuten kein voller Tätigkeitsumfang vorliegt, ist die Mindestpunktzahl mit dem Tätigkeitsumfang laut Zulassungs- bzw. Genehmigungsbescheid anteilig zu reduzieren.

3. Die Gebührenordnungspositionen 35251 und 35252 [ab 01.01.2015: 35251, 35252 und 35253] sind berechnungsfähig, sobald im Abrechnungsquartal die abgerechnete Gesamtpunktzahl der Gebührenordnungspositionen 35200 bis 35225 das Punktzahlvolumen gemäß Nummer 2 überschreitet.

4. Die Regelung gemäß Nummer 3 wird wie folgt umgesetzt: Die Kassenärztliche Vereinigung setzt die Gebührenordnungspositionen 35251 und 35252 [ab 01.01.2015: 35251, 35252 und 35253] im Quartal als Zuschläge zu allen abgerechneten Leistungen nach den Gebührenordnungspositionen 35200 bis 35225 zu. Die Bewertung der zugesetzten Gebührenordnungspositionen ist jeweils mit einer Quote zu multiplizieren, die sich aus der Differenz der abgerechneten Gesamtpunktzahl der Gebührenordnungspositionen 35200 bis 35225 des Vertragsarztes bzw. -therapeuten zur Mindestpunktzahl gemäß Nummer 2 im Verhältnis zur abgerechneten Gesamtpunktzahl der Gebührenordnungspositionen 35200 bis 35225 des Vertragsarztes bzw. -therapeuten ergibt und mindestens den Wert 0 annimmt.

5. Bei der Ermittlung der abgerechneten Gesamtpunktzahl gemäß den Nummern 2 und 3 sowie der Quote gemäß Nummer 4 sind die in einem Selektivvertrag abgerechneten Leistungen inhaltlich entsprechend Kapitel 35.2 auf Nachweis des Vertragsarztes bzw. -therapeuten zu berücksichtigen.“

Die Nrn. 2 bis 5 des Beschlusses sehen eine Änderung der Bewertung sowie die Aufnahme neuer Zuschlagsziffern zu bestehenden Gebührenordnungspositionen vor. In den entscheidungserheblichen Gründen zum Beschluss wird ausgeführt:

1. Rechtsgrundlage

Rechtsgrundlage für den Beschluss des Erweiterten Bewertungsausschusses ist § 87 Abs. 2c Satz 6 SGB V. Danach haben die Bewertungen für psychotherapeutische Leistungen eine angemessene Höhe der Vergütung je Zeiteinheit zu gewährleisten.

2. Regelungshintergründe

Der vorliegende Beschluss des Erweiterten Bewertungsausschusses setzt den Beschluss des Erweiterten Bewertungsausschusses aus seiner 38. Sitzung vom 18. Dezember 2013 um, die Bewertung der antragspflichtigen psychotherapeutischen Leistungen des EBM-Abschnitts 35.2 dahingehend zu überprüfen, ob die seit dem 1. Januar 2009 gültige Bewertung dieser Leistungen die angemessene Höhe der Vergütung psychotherapeutischer Leistungen sicherstellt. Der Beschluss gibt weiter vor, dass bei der Überprüfung die einschlägige Rechtsprechung des Bundessozialgerichts (BSG) berücksichtigt werden soll. In den entscheidungserheblichen Gründen zu dem Beschluss ist festgehalten, dass die Überprüfung auf Basis der Daten des Jahres 2012 erfolgt.

Nach der bis zum 31. Dezember 2008 geltenden Rechtslage hatten die Honorarverteilungsmaßstäbe Regelungen zur Vergütung der psychotherapeutischen Leistungen zu enthalten, die eine angemessene Höhe der Vergütung je Zeiteinheit gewährleisten (§ 85 Abs. 4 Satz 4 SGB V a. F.). Gemäß § 85 Abs. 4a Satz 1 SGB V hatte der Bewertungsausschuss den Inhalt dieser Regelungen zu bestimmen. Diese mit dem GKVRefG 2000 zum 1. Januar 2000 eingeführten Regelungen knüpfen an Entscheidungen des BSG zur Vergütung psychotherapeutischer Leistungen an (vgl. insbesondere Urteile vom 20. Januar 1999 (B 6 KA 46/97 R) und vom 25. August 1999 (B 6 KA 14/98 R)). In diesen Entscheidungen hat das BSG auf den Umstand reagiert, dass die Punktwerte, die sich bei der Verteilung der Gesamtvergütungen an die Ärzte ergeben, wegen der begrenzten Gesamtvergütung und eines kontinuierlichen Anstiegs der Menge der abgerechneten Leistungen gesunken sind. Während dies bei der Mehrzahl der Arztgruppen nicht zu sinkenden Honorarüberschüssen geführt hat, hatte das Absinken des Verteilungspunktwertes bei den Psychotherapeuten durch die weitgehende Festlegung auf zeitgebundene und genehmigungspflichtige Leistungen unmittelbar niedrigere Honorarüberschüsse zur Folge. Dem gesetzlichen Auftrag aus § 85 Abs. 4a Satz 1 SGB V a. F. ist der Bewertungsausschuss mit einem Beschluss „zur angemessenen Höhe der psychotherapeutischen Leistungen mit Wirkung ab dem 01. Januar 2000“ vom 18. Februar 2005 nachgekommen. Mit Urteilen vom 28. Mai 2008 (u. a. Az.: B 6 KA 9/07 R) hat das BSG diesen Beschluss für Zeiträume ab dem Jahr 2002 als rechtmäßig angesehen.

Aufgrund eines Hinweises in dieser Entscheidung hat der Bewertungsausschuss im Jahr 2011 die anzusetzenden Betriebsausgaben für die Jahre 2007 und 2008 überprüft. Mit Beschluss des Erweiterten Bewertungsausschusses in seiner 27. Sitzung vom 31. August 2011 wurden die anzusetzenden Betriebsausgaben für den Zeitraum vom 1. Januar bis 31. Dezember 2008 auf 42.974 Euro erhöht.

Für Zeiträume ab dem 1. Januar 2009 sind die oben dargestellten Regelungen aufgrund der Honorarreform durch das GKV-WSG nicht mehr einschlägig. Die zentrale gesetzliche Vorgabe für die Bewertung der psychotherapeutischen Leistungen auf der Bundesebene findet sich nunmehr in § 87 Abs. 2c Satz 6 SGB V. Danach haben die Bewertungen für diese Leistungen eine angemessene Vergütung je Zeiteinheit zu gewährleisten. Gemäß § 87 Abs. 2d Satz 3 SGB V in der bis zum 31. Dezember 2011 geltenden Fassung war ein Beschluss hierzu erstmals bis zum 31. August 2008 mit Wirkung zum 1. Januar 2009 zu treffen. Dieser Vorgabe ist der Erweiterte Bewertungsausschuss in seiner 7. Sitzung mit Teil D der Beschlüsse vom 27./28. August 2008 nachgekommen, durch den die Leistungsbewertungen unter ausdrücklicher Bezugnahme auf § 87 Abs. 2c Satz 6 SGB V und die Rechtsprechung des BSG zunächst um den Faktor 1,2923 gesteigert wurden. Durch einen weiteren Beschluss des Erweiterten Bewertungsausschusses in seiner 8. Sitzung vom 23. Oktober 2008 wurde der Steigerungsfaktor auf 1,3196 angehoben.

Bereits zuvor hatte der Bewertungsausschuss im Zuge der zum 1. Januar 2008 erfolgten Novellierung des EBM die punktzahlmäßigen Bewertungen psychotherapeutischer Leistungen deutlich angehoben. So wurde z. B. die Bewertung der tiefenpsychologisch fundierten Psychotherapie (GOP 35200) von 1.495 Punkten auf 1.755 Punkte erhöht.

Aufgrund der veränderten Vergütungssystematik ab dem Jahr 2009 ist dem Grunde nach davon auszugehen, dass die Veränderung des ärztlichen Einkommens im Wesentlichen für alle Arztgruppen gleich über die Anpassung des Orientierungswertes erfolgt, so dass größere Verwerfungen im Hinblick auf die Einkommensentwicklung schon auf der Basis des Vergütungssystems ausgeschlossen sind.

Die aufgrund des Beschlusses des Erweiterten Bewertungsausschusses in seiner 38. Sitzung vom 18. Dezember 2013 vorgenommene Überprüfung der angemessenen Bewertung der psychotherapeutischen Leistungen orientiert sich an dem bisherigen – vom Bundessozialgericht bestätigten – Verfahren des Bewertungsausschusses.“

Mit Schreiben vom 15. März 2016 (Eingang bei der Beklagten am 18. März 2016) erhob die Klägerin Widerspruch gegen die Abrechnungsbescheide für die Quartale 1/2012 bis 4/2014 und stellte einen Antrag auf Nachzahlung der erhöhten Vergütung. Hintergrund des Antrags sei die rückwirkende Nachzahlung aufgrund des Beschlusses des EBewA vom 22. September 2015, der zur Erhöhung der Vergütung für psychotherapeutische Leistungen ab 1/2012 geführt habe. Es sei unbeachtlich, dass gegen die Abrechnungsbescheide kein Widerspruch eingelegt worden sei. Die Rechtsbehelfsbelehrungen der Abrechnungsbescheide seien fehlerhaft. Sie seien nur insoweit ordnungsgemäß und richtig, als sie sich bei einer objektiven Auslegung allein auf etwaige Beanstandungen der Abrechnung an sich, also auf Berechnungsfehler, die fehlende Berücksichtigung einzelner Rechnungen, das Fehlen bestimmter Abrechnungspositionen usw. bezögen. Natürlich hätten zahlreiche Psychotherapeuten, darunter auch sie, die keinen solchen Fehler gefunden hätten, gegen diese Abrechnung keinen Widerspruch eingelegt. Hierfür habe seinerzeit auch kein Anlass bestanden. Da sie keine Kenntnis von den auf mehrere Urteile des Bundessozialgerichts (BSG) zurückgehenden laufenden Untersuchungen und Verhandlungen über die Höhe der Vergütung für die abgerechneten Leistungen und die möglicherweise anstehende Änderung des EBM gehabt habe, habe sie keine Veranlassung gehabt, vorsorglich zur Absicherung künftiger Honoraransprüche Widerspruch einzulegen. Sie sei in der jeweiligen Rechtsbehelfsbelehrung am Ende der quartalsweise erteilten Abrechnungsbescheide nicht über diese möglicherweise bevorstehenden Änderungen informiert worden sowie darüber, dass sie gegen diese Bescheide schon deshalb vorsorglich Widerspruch einlegen müsse, um später nicht ihrer Rechte an einer eventuell bevorstehenden Erhöhung der Vergütung verlustig zu gehen. Dies sei nicht rechtens. Die Beklagte könne sich nur dann auf die Bestandskraft der Abrechnungsbescheide berufen, wenn sie in der Rechtsbehelfsbelehrung auch über diesen Umstand aufgeklärt hätte. Da sie dies nicht getan habe, sei die Rechtsbehelfsbelehrung unvollständig und partiell unrichtig. Die Frage der Einlegung eines Widerspruchs stelle sich nur bei einem rechtswidrigen belastenden Verwaltungsakt. Vorliegend gehe es bei den Honorarbescheiden aber zunächst um rechtmäßige begünstigende Verwaltungsakte, gegen die man mangels einer Beschwer auch keinen Widerspruch einlegen könne. Die maßgebliche Beschwer sei erst nachträglich durch den Beschluss des EBewA vom 22. September 2015 entstanden, durch den diese begünstigenden Honorarbescheide rückwirkend rechtswidrig geworden seien. Dies habe unmittelbaren Einfluss auf die Rechtsmittelfrist. Erst mit dem Beschluss des EBewA vom 22. September 2015 seien Honorarbescheide der Vergangenheit rückwirkend bis Anfang 2012 rechtswidrig geworden; erst zu diesem Zeitpunkt sei die Beschwer der psychotherapeutisch tätigen Ärzte durch diese, nun unrichtig gewordenen, Bescheide entstanden. Erst ab dann habe Widerspruch eingelegt werden können. Deshalb seien alle danach - mangels einer Rechtsmittelbelehrung binnen eines Jahres zulässig - eingelegten Widersprüche nicht verfristet, sondern zulässig bzw. als Antrag auf nachträgliche Gewährung der höheren Honorarleistung zu deuten. Diese Widersprüche seien auch begründet. Alle zurückliegenden Abrechnungsbescheide seien in die Vergünstigung durch die ab Anfang 2012 beschlossene höhere Vergütung nachträglich und rückwirkend bis zum 1. Januar 2012 einzubeziehen. Die Zurückweisung des Antrags verstoße gegen den Gleichheitsgrundsatz des Art. 3 Abs. 1 Grundgesetz (GG). Die Beklagte müsse über einen solchen Antrag auf Neubescheidung nach pflichtgemäßem Ermessen entscheiden, das nur dahingehend ausgeübt werden könne, dass alle betroffenen Leistungserbringer die rückwirkende Gewährung der erhöhten Honorarleistung erhielten.

Dieses Schreiben wertete die Beklagte einerseits als Widerspruch gegen die Honorarbescheide der Quartale 1/2012 bis 4/2014, den sie mit Widerspruchsbescheid vom 11. August 2016 als unzulässig zurückwies, da die Widerspruchsfrist von einem Monat nicht eingehalten worden sei. Hiergegen hat die Klägerin unter Wiederholung ihres Vorbringens aus dem Schreiben vom 15. August 2016 Klage erhoben (Az. S 7 KA 1430/16). Sie hat ergänzend vorgetragen, dass die Beklagte in der Vergangenheit wiederholt Nachzahlungen an alle Therapeuten geleistet habe, wenn es zu einer rückwirkenden Erhöhung des Honorars gekommen sei, mit der Folge, dass Psychotherapeuten darauf hätten vertrauen können, dass dies auch zukünftig so sein werde.

Die Klägerin hat im Verfahren Az. S 7 KA 1430/16 beantragt,

die Beklagte unter Aufhebung ihres Widerspruchsbescheids vom 11.8.2016 sowie unter Abänderung der Honorarbescheide für die Quartale 4/2012 bis 4/2014 zu verpflichten, höheres Honorar für die entsprechenden Quartale zu gewähren.“

Die Beklagte hat im Verfahren Az. S 7 KA 1430/16 beantragt,

die Klage abzuweisen.

Die Beklagte hat im Verhandlungstermin ausgeführt, dass es einmalig im Jahr 2005 eine Nachzahlung an alle Therapeuten gegeben habe. In allen anderen Fällen sei eine Nachzahlung nur denjenigen zugutegekommen, die die ihnen erteilten Honorarbescheide nicht haben bestandskräftig werden lassen.

Die Beklagte legte das Schreiben vom 15. März 2016 andererseits (nicht nur als Widerspruch gegen die Honorarbescheide der Quartale 1/2012 bis 4/2014, sondern auch) als Überprüfungsantrag gemäß § 44 Zehntes Buch Sozialgesetzbuch (SGB X) aus (vgl. Schreiben der Beklagten an die Klägerin vom 2. Mai 2016).

Mit Bescheid vom 8. Juni 2016 lehnte die Beklagte den Antrag der Klägerin auf Rücknahme der bestandskräftigen Honorarbescheide für die Quartale 1/2012 bis 4/2014 gemäß § 44 Abs. 2 SGB X ab. Die Honorarbescheide seien ordnungsgemäß erstellt worden, mit der Folge, dass für eine Ermessensentscheidung nach § 44 Abs. 2 Satz 2 SGB X kein Raum bestehe. Selbst wenn man unterstellte, dass von einer Rechtswidrigkeit der Honorarbescheide auszugehen sei, wäre dem Antrag kein Erfolg beschieden. Denn im Rahmen des auszuübenden Ermessens sei als maßgeblich anzusehen, dass die Belastung der Beklagten mit hieraus resultierenden Rückerstattungs- oder Nachzahlungsansprüchen einen sachgerechten Grund für die Ablehnung einer rückwirkenden Aufhebung darstelle. Der Erhalt der finanziellen Stabilität der gesetzlichen Krankenversicherung sei eine Gemeinwohlaufgabe von besonders hohem Rang, hinter welcher das Interesse des Einzelnen an der Korrektur der in Rede stehenden bestandskräftigen Honorarbescheide insoweit zurückstehen müsse. Würde dem Antrag stattgegeben, wäre sie, die Beklagte, in zahlreichen Fällen Anträgen auf rückwirkende Aufhebung von Honorarbescheiden ausgesetzt, denen sie ebenfalls entsprechen müsse. Da Gesamtvergütungsanteile aus zurückliegenden Zeiträumen nicht mehr zur Verfügung stünden, müsste eine entsprechende Rückzahlung aus der laufenden Gesamtvergütung beglichen werden. Dies hätte Auswirkungen auf die aktuelle Honorarzahlung und würde sämtliche KV-Mitglieder belasten, und zwar auch diejenigen, die in dem Zeitraum noch nicht Mitglied gewesen seien.

Hiergegen erhob die Klägerin am 5. Juli 2016 unter Wiederholung ihres bisherigen Vorbringens Widerspruch. Ergänzend führte sie aus, der Umstand, dass kein Geld mehr zur Verfügung stehe, könne kein Grund sein, den Anspruch der Klägerin auf die ihr zustehende Vergütung zurückzuweisen. Die Beklagte wies den Widerspruch mit Widerspruchsbescheid vom 18. Oktober 2016 – unter Bezug auf ihre Ausführungen im Bescheid vom 8. Juni 2016 - als unbegründet zurück.

Hiergegen hat die Klägerin am 21. November 2016 Klage erhoben (Az. S 7 KA 1501/16) und zur Begründung ausgeführt, dass sie einen „vertraglichen Rechtsanspruch“ auf die Honorare habe. Die in Rede stehenden Honorarbescheide, auf deren Bestandskraft sich die Beklagte beruft, hätten den eingereichten Honorarabrechnungen entsprochen. Sie seien ursprünglich rechtmäßig gewesen. Es habe deshalb keine Beschwer vorgelegen, welche die Einlegung eines Widerspruchs ermöglicht hätte. In der Vergangenheit habe die Beklagte wiederholt Nachzahlungen an alle Therapeuten geleistet, wenn es zu einer rückwirkenden Erhöhung des Honorars gekommen sei; mit der Folge, dass Psychotherapeuten darauf hätten vertrauen können, dass dies auch zukünftig so geschehe. Anlass zur Einlegung eines Widerspruchs hätte nur bestanden, wenn die Beklagte in die jeweilige Rechtsbehelfsbelehrung den Hinweis aufgenommen hätte, dass der Bescheidempfänger vorsorglich Widerspruch einlegen müsse, wenn er sich den Anspruch auf Partizipation an einer eventuellen Honorarerhöhung bei einer künftigen Änderung der Berechnungsgrundlagen erhalten wolle. Diesen Hinweis habe die Beklagte arglistig unterlassen. Es sei nicht einzusehen, dass nur diejenigen von der Honorarsteigerung profitieren sollten, die Widerspruch eingelegt haben. Die Entscheidungen des BSG vom 18. März 1998 (Az. B 6 KA 16/97 R) und vom 17. September 2004 (Az. B 6 KA 28/07) seien auf den vorliegenden Sachverhalt nicht übertragbar. Das BSG habe diese Entscheidungen auf der Grundlage des damals noch geltenden Gesamtvergütungsprinzips des § 85 Abs. 4 Satz 1 Sozialgesetzbuch Fünftes Buch (SGB V) getroffen und das Interesse aller von den Kassenärztlichen Vereinigungen (KVen) repräsentierten vertragsärztlichen bzw. vertragspsychotherapeutischen Vertragsärzte hervorgehoben, für ihre in dem betreffenden Zeitraum erbrachten Leistungen die Gesamtvergütung nach dieser Bestimmung ungeschmälert durch Nachzahlungsbeträge der hier in Rede stehenden Art zu erhalten. Diese Honorarregelung sei aber mit der zum 1. Januar 2012 in Kraft getretenen Gesundheitsreform durch das GKV-Versorgungsstrukturgesetz wieder auf den Stand des Jahres 2004 zurückgesetzt, d.h. die Honorarverteilung sei gemäß § 85 SGB V wieder als Satzungsrecht der jeweiligen KV festgelegt worden.

Im Erörterungstermin am 9. Januar 2019 hat die Klägerin ausgeführt, dass die Frage, ob Psychotherapeuten von der Einlegung von Widersprüchen abgeraten worden sei, vorliegend keine Relevanz besitze.

Die Klägerin hat im Verfahren Az. S 7 KA 1501/16 beantragt,

die Beklagte unter Aufhebung des Bescheides vom 8.6.2016 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 18.10.2016 zu verpflichten, über den Antrag nach § 44 Abs. 2 SGB X auf Überprüfung der Honorarbescheide für die Quartale 4/2012 bis 4/2014 unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts neu zu entscheiden.

Die Beklagte hat im Verfahren Az. S 7 KA 1501/16 beantragt,

die Klage abzuweisen.

Die Beklagte hat im Verhandlungstermin ausgeführt, dass es 1998 die erste Nachvergütung aufgrund eines BSG-Urteils gegeben habe. Diese sei nur an Widerspruchsführer ausgekehrt worden. Im Jahr 1999 habe es keine Nachvergütung gegeben. Im Jahr 2005 sei eine Nachvergütung für die Jahre 2000 bis 2004 erfolgt. Diese Nachvergütung sei allen Psychotherapeuten zugutegekommen, also auch denen, die keinen Widerspruch erhoben hätten. Diesem Verfahren sei ein Schiedsamtsverfahren vorangegangen. Im Jahr 2007 habe es eine Nachvergütung gegeben, aber erneut nur für die Widerspruchsführer. Im Jahr 2008 sei keine Nachvergütung ausgekehrt worden. In der Folgezeit seien immer nur noch Nachvergütungen für Widerspruchsführer, nicht für alle Psychotherapeuten, geleistet worden.

Mit Urteilen vom 21. März 2022 hat das SG die Klagen in den Verfahren S 7 KA 1430/16 und S 7 KA 1501/16 abgewiesen. Auf die Entscheidungsgründe wird Bezug genommen.

Gegen die am 20. Mai 2022 (S 7 KA 1501/16, Landessozialgericht Nordrhein-Westfalen ˂LSG NRW˃ L 11 KA 8/22) und am 23. Mai 2022 (S 7 KA 1430/16, L 11 KA 7/22 LSG NRW) zugestellten Urteile hat die Klägerin am 17. Juni 2022 unter Wiederholung ihres bisherigen Vorbringens Berufungen eingelegt.

Im Termin am 26. Oktober 2022 hat der Senat die Streitsachen L 11 KA 7/22 und L 11 KA 8/22 zur gemeinsamen Verhandlung und Entscheidung verbunden und unter dem Aktenzeichen L 11 KA 7/22 fortgeführt.

Die Klägerin beantragt,

die Urteile des Sozialgerichts Düsseldorf vom 21.03.2022 zu ändern und

1. a) die Quartals-/Abrechnungsbescheide der Beklagten vom 23. April 2012, 23. Juli 2013, 22. Oktober 2013, 21. Januar 2014, 22. April 2014, 22. Juli 2014, 21. Oktober 2014, 20. Januar 2015 und 21. April 2015, jeweils in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 11. August 2016, zu ändern,

b) hilfsweise, die Beklagte unter Aufhebung des Überprüfungsbescheides vom 8. Juni 2016 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 18. Oktober 2016 zu verpflichten, die unter a) genannten Bescheide zu ändern und

2. über den Honoraranspruch der Klägerin für die Quartale 4/2012 bis 4/2014 unter Beachtung der Rechtsauffassung des Senates neu zu entscheiden und der Klägerin sich daraus ergebenden Nachzahlungen zu gewähren.

Die Beklagte beantragt,

die Berufungen zurückzuweisen.

Die Beklagte nimmt auf ihr bisheriges Vorbringen Bezug und führt ergänzend aus, dass sie für etwaige Nachvergütungen keine Rückstellungen gebildet habe. Diese seien ggf. aus der gegenwärtigen Gesamtvergütung zu erbringen. Dies hätte erhebliche finanzielle Auswirkungen auf die aktuelle Honorarzahlung und würde sämtliche ihrer Mitglieder betreffen, auch diejenigen, die im Zeitraum der Quartale ab 1/2012 noch nicht Mitglied gewesen seien. Die Mehrbelastung durch Nachvergütung an alle Praxen hätte im Jahr 2016 21,3 Mio. € und im Jahr 2019 9,7 Mio. € betragen.

Die Kassenärztliche Bundesvereinigung habe zudem in den Praxisnachrichten vom 17. September 2015 und 1. Oktober 2015 ausdrücklich darauf hingewiesen, dass ärztliche und psychologische Psychotherapeuten im Zusammenhang mit der neuen Honorierung ab 2012 nur dann Anspruch auf eine rückwirkende Vergütung haben, wenn sie gegen Honorarbescheide ihrer KV Widerspruch eingelegt hätten. Die Beklagte habe sowohl im Rundschreiben des Vorstands vom 13. Januar 2016 als auch in der KVNO aktuell 1 + 2/2016, S. 8,9 stets darauf hingewiesen, dass eine Nachvergütung für Nicht-Widerspruchsführer ausscheide. Nachvergütungen seien der Klägerin auch nicht individuell schriftlich gemäß § 34 SGB X zugesichert worden. Ihre Honorarbescheide hätten zudem keinen Vorläufigkeitshinweis und keinen individuellen Zusatz enthalten, sondern eine allgemeine Rechtsbehelfsbelehrung, die den Anforderungen des § 66 Sozialgerichtsgesetz (SGG) genügt habe. Sofern die Klägerin offensichtlich in Anlehnung an den (einmaligen) Abrechnungsergänzungsbescheid 2005 angenommen habe, sie brauche künftig keine Widersprüche mehr einzulegen, Nachvergütungen würden immer an alle Therapeuten geleistet, begründe diese irrige Annahme keinen Rechtsanspruch auf Nachvergütung. Die Ablehnung der Nachvergütung stelle auch keine verfassungswidrige Ungleichbehandlung dar. Von der Gruppe der Widerspruchsführer, die sich etwa im Hinblick auf vermutete Fehler der normativen Abrechnungsgrundlagen unter Inkaufnahme von Kostenrisiken entschieden hätten, ein Rechtsmittel einzulegen, unterschieden sie sich wesentlich dadurch, dass sie eben keine Widersprüche gegen Abrechnungsbescheide eingelegt hätten. Die unterschiedliche Behandlung sei durch das Bedürfnis nach Rechtssicherheit gerechtfertigt.

Nach vorheriger Anhörung hat der Senat den Beteiligten von Amts wegen gestattet, sich während der mündlichen Verhandlung an einem anderen Ort aufzuhalten und dort Verfahrenshandlungen über den von der Justiz des Landes Nordrhein-Westfalen zur Verfügung gestellten Virtuellen Meetingraum (VMR) vorzunehmen (Beschluss vom 17. Oktober 2022). Davon haben die Beteiligten Gebrauch gemacht.

Für die weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstands wird auf die Gerichtsakte und die Verwaltungsakte der Beklagten sowie die Gerichtsakten zu den Aktenzeichen S 7 KA 1430/16 (SG Düsseldorf) ˂L 11 KA 7/22 (LSG NRW)˃ und S 14 KA 678/16 (SG Düsseldorf) Bezug genommen, die vorgelegen haben und Gegenstand der mündlichen Verhandlung gewesen sind.

Entscheidungsgründe

A. Die Anträge im Berufungsverfahren sind wirksam im Rahmen einer mündlichen Verhandlung gestellt worden. Soweit die Beteiligten nicht persönlich im Gerichtssaal anwesend waren, sondern von ihrem Wohn-, Kanzlei- bzw. Behördensitz aus per Video- und Tonübertragung an der Verhandlung teilgenommen haben, ist dies gemäß § 110a SGG aufgrund des gerichtlichen Beschlusses vom 17. Oktober 2022 zulässig gewesen.

B. Streitgegenstand sind einerseits der von der Klägerin geltend gemachte Anspruch auf Korrektur der Honorarbescheide für die Quartale 4/2012 bis 4/2014 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 11. August 2016 (Antrag zu 1a.) sowie ein – hilfsweise gestellter - Antrag nach § 44 Abs. 2 SGB X auf Überprüfung der Honorarbescheide für die Quartale 4/2012 bis 4/2014 (Antrag zu 1b., Bescheid vom 8. Juni 2016 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 18. Oktober 2016), jeweils verbunden mit dem Begehren für die Quartale 4/2012 bis 4/2014 nachvergütet zu werden (Antrag zu 2.).

C. Die am 17. Juni 2022 bei dem LSG NRW eingelegte Berufung der Klägerin gegen die ihr am 20./23. Mai 2022 zugestellten Urteile des SG Düsseldorf ist zulässig, insbesondere ohne gerichtliche Zulassung statthaft (§§ 143, 144 SGG) sowie form- und fristgerecht eingelegt worden (§§ 151 Abs. 1, 64 Abs. 1, Abs. 2 Satz 1, 63 SGG).

D. Die Berufung der Klägerin ist unbegründet. Die Klage hat sowohl hinsichtlich des Haupt- (Antrag zu 1.a. i.V.m. zu 2.; dazu I.) als auch des Hilfsantrags (Antrag zu 1b. i.V.m. zu 2.; dazu II.) keinen Erfolg.

I. Die Klägerin hat keinen Anspruch auf eine höhere als bereits in den Abrechnungsbescheiden festgestellte Vergütung und damit keinen Anspruch auf Neubescheidung ihrer Honoraransprüche unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts. Der Hauptantrag mit dem Begehren, die Quartalskonto-/Abrechnungsbescheide der Beklagten vom 23. April 2012, 23. Juli 2013, 22. Oktober 2013, 21. Januar 2014, 22. April 2014, 22. Juli 2014, 21. Oktober 2014, 20. Januar 2015 und 21. April 2015, jeweils in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 11. August 2016, zu ändern, hat keinen Erfolg. Die Beklagte hat die Widersprüche zu Recht wegen Verfristung als unzulässig zurückgewiesen. Der Senat kann letztlich dahinstehen lassen, ob in einem solchen Fall die Klage unzulässig (so Bundesverwaltungsgericht ˂BVerwG˃, Urteil vom 8. März 1983 – 1 C 34/80NJW 1983, 1923 f.; Binder, in: Berchthold, SGG, 6. Aufl. 2021, § 78 Rn. 17; Geis, in: Sodan/Ziekow, VwGO, 5. Aufl. 2018, § 68 Rn. 39 ff. m.w.N. zum Streitstand) oder „nur“ unbegründet (so wohl BSG, Urteil vom 24. November 2011 – B 14 AS 151/10 R - SozR 4-4200 § 22 Nr. 54, Rn. 9; LSG NRW, Urteil vom 1. September 2016 – L 6 AS 84/16, Rn. 4; LSG Berlin-Brandenburg, Urteil vom 28. Juli 2015 – L 18 AS 1032/15, Rn. 6, 19; Gall, in: jurisPK-SGG, 2. Aufl. 2022, § 84 Rn. 49; Giesbert, in: jurisPK-SGG, § 78 Rn. 20; jeweils m.w.N. zum Streitstand) ist.

Auch wenn man mit der letztgenannten Auffassung die ordnungsgemäße, insbesondere fristgemäße Einlegung des Widerspruchs nicht für eine Sachurteilsvoraussetzung hält, besteht kein Raum für eine unmittelbare Überprüfung der hier streitigen Honorarbescheide. Denn diese sind bestandskräftig und damit auch für die Gerichte bindend (§ 77 SGG), weil (1.) die Widerspruchsfrist abgelaufen ist und (2.) die Voraussetzungen einer Wiedereinsetzung in den vorigen Stand nicht erfüllt sind. Das Institut des sozialrechtlichen Herstellungsanspruch findet zu Gunsten der Klägerin zudem keine Anwendung (3.).

1. Die Honorarbescheide sind bestandskräftig.

a) Der Widerspruch bezogen auf das Quartal 2/2014 ist schon unstatthaft, da die Klägerin gegen diesen Honorarbescheid zuvor aus anderen Gründen Widerspruch erhoben hatte. Über diesen Widerspruch war sodann entschieden worden (Widerspruchsbescheid vom 2. Dezember 2014). Nach § 77 SGG ist der Verwaltungsakt für die Beteiligten in der Sache bindend, sofern gegen ihn kein Rechtsbehelf eingelegt wurde oder der Rechtsbehelf erfolglos eingelegt wurde (vgl. hierzu auch B. Schmidt, in: Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer/Schmidt, SGG, 13. Aufl. 2020, § 77 Rn. 4). Ein erneutes Vorverfahren sieht das SGG nicht vor.

b) Soweit die Klägerin gegen die übrigen Honorarbescheide bislang keine Widersprüche eingelegt hatte, waren die Widersprüche vom 18. März 2016 wegen Ablaufs der Widerspruchsfrist unzulässig.

aa) Nach § 84 Abs. 1 Satz 1 SGG in der hier noch maßgeblichen, bis zum 31. Dezember 2017 geltenden Fassung war der Widerspruch binnen eines Monats, nachdem der Verwaltungsakt dem Beschwerten bekanntgegeben worden ist, schriftlich oder zur Niederschrift bei der Stelle einzureichen, die den Verwaltungsakt erlassen hat.

Im vorliegenden Fall sind die tatsächlichen Zeitpunkte des Zugangs der Honorarbescheide bei der Klägerin mangels Zustellnachweises unbekannt. Die Vorschrift des § 37 Abs. 2 Satz 1 SGB X, wonach ein schriftlicher Verwaltungsakt, der im Inland durch die Post übermittelt wird, am dritten Tag nach der Aufgabe zur Post als bekannt gegeben gilt, greift nicht unmittelbar ein, weil zwar das Ausfertigungsdatum der Bescheide bekannt ist, nicht aber das Datum der Aufgabe zur Post. Indessen bestehen keinerlei Anhaltspunkte, die gegen die Annahme sprechen, dass die Beklagte die betreffenden Bescheide zeitnah zum Ausfertigungsdatum zur Post gegeben hat und dass sie entsprechend wenige Tage später der Klägerin bekanntgegeben worden sind. Gegenteiliges hat insbesondere auch die Klägerin nicht dargelegt. Selbst für den jüngsten angefochtenen Bescheid für das Quartal 4/2014, der vom 21. April 2015 datiert, ist daher von einer Bekanntgabe noch im April 2015 auszugehen. Ein Widerspruch hätte hiernach jedenfalls bis zum Ablauf des Monats Mai 2015 eingelegt werden müssen. Die Erhebung des Widerspruchs erst am 18. März 2016 ist demnach zweifelsfrei erst nach Ablauf der Monatsfrist erfolgt. Erst recht gilt dies für die früher ergangenen Honorarbescheide, deren Ausfertigungsdaten sich aus der im Tatbestand dargestellten Übersicht ergeben.

bb) Alle Bescheide waren mit einer ordnungsgemäßen Rechtsbehelfsbelehrung versehen, so dass nicht abweichend von der Monatsfrist die Jahresfrist galt (vgl. § 66 Abs. 1, 2 SGG). Nach § 66 Abs. 1 SGG gilt, dass die Frist für ein Rechtsmittel oder einen anderen Rechtsbehelf nur dann zu laufen beginnt, wenn der Beteiligte über den Rechtsbehelf, die Verwaltungsstelle oder das Gericht, bei denen der Rechtsbehelf anzubringen ist, den Sitz und die einzuhaltende Frist schriftlich oder elektronisch belehrt worden ist. Über den Wortlaut des § 66 SGG hinaus ist wegen § 36 Satz 1 SGB X auch eine Belehrung über den wesentlichen Inhalt der bei Einlegung des Rechtsbehelfs zu beachtenden Formvorschriften erforderlich (vgl. BSG, Urteil vom 14. März 2013 – B 13 R 19/12 R – SozR 4-1500 § 66 Nr. 3, Rn. 16).

Nicht ordnungsgemäß ist hiernach eine Belehrung, die bei abstrakter Betrachtungsweise geeignet sein könnte, den Informationswert der richtigen Angaben zu mindern oder den Berechtigten von Erkundigungen über weitere Rechtsschutzmöglichkeiten abzuhalten und dadurch Einfluss auf die verspätete oder formwidrige Einlegung oder Begründung des Rechtsbehelfs gehabt haben könnte. Andererseits darf die Belehrung nicht so abgefasst sein, dass sie durch weitere Informationen inhaltlich überfrachtet wird und statt Klarheit zu schaffen wegen ihres Umfanges und ihrer Kompliziertheit Verwirrung stiftet. Sie soll deshalb so einfach und klar wie möglich gehalten werden, auch für einen juristischen Laien verständlich bleiben und nicht mit komplizierten rechtlichen Hinweisen überfrachtet werden (Überfrachtungsverbot). Die Belehrung muss deshalb nicht allen tatsächlichen und rechtlichen Gegebenheiten und Möglichkeiten Rechnung tragen, sondern den Beteiligten nur in die richtige Richtung lenken (Wegweiserfunktion; vgl. Senger, in: jurisPK-SGG, 2. Aufl., § 66 SGG ˂Stand: 15.06.2022˃, Rn. 17 m.w.N.).

Diesen Anforderungen werden die Rechtsbehelfsbelehrungen mit der nachfolgenden Formulierung gerecht: „Gegen diesen Abrechnungsbescheid können Sie innerhalb eines Monats nach Zugang schriftlich oder zur Niederschrift der Geschäftsstelle Widerspruch einlegen bei der Kassenärztlichen Vereinigung Nordrhein, Bezirksstelle 50668 C., Sedanstr. 10-16“. Soweit die Klägerin meint, sie habe darauf hingewiesen werden müssen, dass infolge von Verhandlungen des EBewA eine Nachvergütung im Raume stehe, die es durch einen fristgerechten Widerspruch zu sichern gelte, wendet sie sich nicht gegen eine fehlerhafte Rechtsbehelfsbelehrung, sondern gegen eine unterbliebene Beratung. Rechtsberatende Auskünfte sind nach dem klaren Wortlaut des § 66 Abs. 1 SGG jedoch nicht Bestandteil einer Rechtsbehelfsbelehrung.

2. Die Voraussetzungen für eine Wiedereinsetzung in den vorigen Stand nach § 67 SGG i.V.m. § 84 Abs. 2 Satz 3 SGG liegen nicht vor.

a) Nach 67 Abs. 1 SGG ist jemandem, der ohne Verschulden verhindert war, eine gesetzliche Verfahrensfrist einzuhalten, auf Antrag Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zu gewähren. Der Antrag ist nach § 67 Abs. 2 Satz 1 SGG binnen eines Monats nach Wegfall des Hindernisses zu stellen. Die Tatsachen zur Begründung des Antrags sollen glaubhaft gemacht werden (§ 67 Abs. 2 Satz 2 SGG). Innerhalb der Antragsfrist ist die versäumte Rechtshandlung nachzuholen (§ 67 Abs. 2 Satz 3 SGG). Ist dies geschehen, so kann die Wiedereinsetzung auch ohne Antrag gewährt werden (§ 67 Abs. 2 Satz 4 SGG). Nach einem Jahr seit dem Ende der versäumten Frist ist der Antrag unzulässig, außer wenn er vor Ablauf der Jahresfrist infolge höherer Gewalt unmöglich war (§ 67 Abs. 3 SGG).

b) Für alle Streitquartale bis einschließlich 3/2014 ist danach der Antrag auf Wiedereinsetzung schon deshalb nicht zulässig, weil die Jahresfrist des § 67 Abs. 3 SGG verstrichen ist. Diese verfolgt den Zweck, eine unangemessene Verzögerung von Prozessen zu verhindern und den Eintritt der Rechtskraft zu gewährleisten.

aa) Ausgehend von einem Ausfertigungsdatum des Honorarbescheides für das Quartal 3/2014 vom 20. Januar 2015 ist nach den oben dargelegten Grundsätzen von einer Bekanntgabe noch im Januar 2015 auszugehen. Am 18. März 2016, dem Datum der Erhebung des Widerspruchs und damit der Nachholung der versäumten Rechtshandlung im Sinne des § 67 Abs. 2 Satz 3 SGG, war die Jahresfrist daher bereits abgelaufen. Erst recht gilt dies für die Vorquartale.

bb) Der Antrag war auch nicht vor Ablauf der Jahresfrist infolge höherer Gewalt unmöglich. Unter höherer Gewalt i.S. des § 67 Abs. 3 SGG wird nicht nur wie im Haftungsrecht ein von außen kommendes nicht beeinflussbares Ereignis (Krieg, Naturkatastrophe, Reaktorunfall, Epidemie etc.), sondern jedes Geschehen verstanden, das auch durch die größtmögliche, von dem Betroffenen unter Berücksichtigung seiner Lage, Bildung und Erfahrung vernünftigerweise zu erwartende und zumutbare Sorgfalt nicht abgewendet werden konnte (BSG, Beschluss vom 6. Oktober 2011 - B 14 AS 63/11 B - SozR 4-1500 § 67 Nr. 9). Damit können sich etwa objektiv falsche oder irreführende Auskünfte einer Behörde nach der Rechtsprechung des BSG als höhere Gewalt i.S. des § 67 Abs. 3 SGG darstellen (vgl. BSG, Urteil vom 6. März 2003 - B 11 AL 69/02 R - BSGE 91, 39 ff., Rn. 12; Keller, in: Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer/Schmidt, SGG, 13. Aufl. 2020, § 67 Rn. 14a). Die Beklagte hat hier aber weder falsche noch irreführende Auskünfte im Hinblick auf die Vergütung gegeben. Dies trägt die Klägerin auch nicht vor. Sie wirft der Beklagten vielmehr vor, einer ihr obliegenden Beratungs- und Informationspflicht nicht nachgekommen zu sein. Selbst wenn dies zutreffen sollte, läge darin keine höhere Gewalt (vgl. Bayerisches LSG, Urteil vom 20. November 2013 – L 12 KA 66/12).

c) Auch für das Quartal 4/2014 ist der Klägerin keine Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zu gewähren, denn sie war nicht ohne Verschulden verhindert, die Widerspruchsfrist einzuhalten. Denn sie hat nicht diejenige Sorgfalt angewendet, die einer gewissenhaft Handelnden nach den gesamten Umständen vernünftigerweise zuzumuten ist (st. Rspr., vgl. z.B. BSG, Urteil vom 31. März 1993 – 13 RJ 9/92 – BSGE 72, 158 ff., Rn. 15), ohne die Anforderungen zu überspannen (vgl. Bundesverfassungsgericht ˂BVerfG˃, Beschluss vom 4. Mai 2004 – 1 BvR 1892/03 BVerfGE 110, 339 ff., Rn. 11 m.w.N.). Danach war es ihr zuzumuten, Widerspruch gegen den Honorarbescheid innerhalb der Monatsfrist einzulegen. Es ist nicht zu erkennen, inwiefern sie dies überfordert haben sollte.

Eine abweichende Sicht ist auch nicht deshalb geboten, weil zum Zeitpunkt des Erlasses der Bescheide angeblich „keine Beschwer“ vorgelegen hat, wie die Klägerin vorträgt. Zwar ist ein Honorarbescheid, soweit er ein Honorar in einer bestimmten Höhe zuerkennt, begünstigend. Er beschwert den Adressaten aber stets insoweit, als er konkludent höheres Honorar versagt.

d) Letztlich kann dies aber dahinstehen. Denn die Klägerin hat die Erhebung des Widerspruchs nicht innerhalb der Monatsfrist des § 67 Abs. 2 Satz 1 SGG nachgeholt (§ 67 Abs. 2 Satz 3 SGG). Der Beschluss des EBewA vom 22. September 2015 ist bereits am 30. September 2015 online und am 16. Oktober 2015 im DÄ veröffentlicht worden ist. Spätestens zu dem letztgenannten Zeitpunkt hätte die Klägerin Kenntnis von der Rechtswidrigkeit der (alten) EBM-Regelungen hätte erlangen können (zum Ausreichen der Möglichkeit der Kenntniserlangung vgl. BSG, Urteil vom 17. September 2008 – B 6 KA 28/07 R - BSGE 101, 235 ff., Rn. 36 m.w.N. auch aus der Rechtsprechung anderer Bundesgerichte). Ein Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand (bzw. die Nachholung der Widerspruchserhebung) hätte daher spätestens bis zum 16. November 2015 erfolgen müssen. Die Widerspruchserhebung am 18. März 2016 war folglich auch insoweit verspätet.

3. Ein Honoraranspruch kann im Bereich des Vertragsarztrechts auch nicht über die Anwendung des Instituts des sozialrechtlichen Herstellungsanspruchs begründet werden.

Der sozialrechtliche Herstellungsanspruch schließt als richterrechtliches Rechtsinstitut eine Regelungslücke im Staatshaftungsrecht für den Bereich der Erbringung von Sozialleistungen und gewährleistet eine möglichst weitgehende Verwirklichung der sozialen Rechte (§ 2 Abs. 2 Sozialgesetzbuch Erstes Buch ˂SGB I˃). Dem Versicherungsträger erwächst aus dem Versicherungsverhältnis eine Nebenpflicht zur Auskunft, Fürsorge und Erhaltung, dessen Verletzung der Herstellungsanspruch ausgleicht (BSG, Urteil vom 18. Dezember 1975 - 12 RJ 88/75 - BSGE 41,126 ff., Rn. 11). Der Herstellungsanspruch hat also zur Voraussetzung, dass der Sozialleistungsträger eine ihm aufgrund des Gesetzes obliegende Pflicht, insbesondere zur Beratung und Auskunft (§§ 14, 15 SGB I), oder eine aufgrund eines Sozialrechtsverhältnisses obliegende Nebenpflicht zur Betreuung verletzt hat und dadurch ein sozialrechtlicher Nachteil entstanden ist (vgl. BSG, Urteil vom 18. Januar 2011 - B 4 AS 99/10 R - SozR 4-4200 § 37 Nr. 5; Urteil vom 4. April 2006, B 1 KR 5/05 R, BSGE 96, 161 ff.).

Diese Betreuungspflicht gilt allerdings nur in so genannten Sozialrechtsverhältnissen, d.h. im Sozialleistungsrecht, nicht jedoch im Vertragsarztrecht (vgl. Bayerisches LSG, Urteil vom 20. November 2013 – L 12 KA 66/12 – Rn. 16 ff.). Eine „allgemeine“ Betreuungspflicht jenseits des Leistungsrechtes ist weder richterrechtlich anerkannt noch gesetzlich vorgesehen. Insbesondere findet § 25 Verwaltungsverfahrensgesetz VwVfG im SGB X keine Entsprechung, weil spezielle Auskunfts- und Beratungspflichten in den §§ 13 bis 15 SGB I geregelt sind. §§ 13 bis 15 SGB I sind jedoch im Vertragsarztrecht nicht anwendbar, da die Beklagte, die Kassenärztliche Vereinigung, kein Leistungsträger im Sinne von § 12 SGB I ist.

Die Beklagte ist auch nicht verpflichtet, die Vertragsärzte über sämtliche laufende Beratungen zur Vergütung auf dem Gebiet des Vertragsarztrechts auf dem Laufenden zu halten. Eine solche Informationspflicht folgt insbesondere nicht aus § 2 Abs. 1 b) der Satzung der Beklagten (in der aktuellen Fassung vom 19. November 2021), wonach sie „die Rechte und Interessen der zur vertragsärztlichen Tätigkeit zugelassenen Ärzte (Vertragsärzte), der zugelassenen Psychotherapeuten, sowie der zugelassenen medizinischen Versorgungszentren“ wahrnimmt. Die individuelle Honoraroptimierung eines Vertragsarztes ist weder gesetzliche noch satzungsmäßige Aufgabe der Beklagten.

II. Der Hilfsantrag, die Beklagte unter Aufhebung des Überprüfungsbescheides vom 8. Juni 2016 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 18. Oktober 2016 zu verpflichten, die Honorarbescheide zu ändern und über den Honoraranspruch der Klägerin für die Quartale 4/2012 bis 4/2014 unter Beachtung der Rechtsauffassung des Senates neu zu entscheiden und der Klägerin daraus ergebende Nachzahlungen zu gewähren, ist zulässig (1.), aber unbegründet (2.).

1. Die Klage ist als kombinierte Anfechtungs-, Bescheidungs- und Leistungsklage nach § 54 Abs. 1 und 4, § 56 SGG statthaft.

2. Die Klage ist jedoch unbegründet. Die Entscheidung der Beklagten, die der Klägerin für die streitbefangenen Quartale erteilten Honorarbescheide nicht zurückzunehmen, ist rechtmäßig und verletzt die Klägerin nicht in ihren Rechten im Sinne des § 54 Abs. 2 Satz 1 SGG.

Für die von der Klägerin begehrte Bescheidkorrektur und Nachvergütung kann als Anspruchsgrundlage von vornherein nur § 44 Abs. 2 SGB X herangezogen werden. Denn Abs. 1 der Vorschrift betrifft nur Sozialleistungen, zu denen die Gewährung vertragsärztlichen Honorars nicht gehört (vgl. m.w.N. BSG, Urteil vom 7. Februar 2007 – B 6 KA 6/06 R - BSGE 98, 89 ff., Rn. 16).

Nach § 44 Abs. 2 Satz 2 SGB X kann ein rechtswidriger nicht begünstigender Verwaltungsakt, auch nachdem er unanfechtbar geworden ist, auch für die Vergangenheit zurückgenommen werden.

a) Die der Klägerin für die Quartale 4/2012 bis 4/2014 erteilten Honorarbescheide sind nicht begünstigend und auch rechtswidrig, soweit sie ihr höheres Honorar versagten (BSG, Urteil vom 22. Juni 2005 – B 6 KA 21/04 RSozR 4-1300 § 44 Nr. 6, Rn. 20 ff.). Bei ihnen handelt es sich, ausgehend von der Beanstandung der Klägerin, die höheres Honorar begehrt, um „nicht begünstigende“ Verwaltungsakte, weil mit der Bewilligung des festgesetzten Honorars zugleich höheres Honorar versagt worden ist.

Anfänglich rechtswidrig ist ein Bescheid, wenn er sich als fehlerhaft „ergibt“ bzw. „erweist“. Hiernach kommt es für die Beurteilung der Fehlerhaftigkeit oder -freiheit eines Verwaltungsakts nicht auf den Stand der Erkenntnis bei Erlass, sondern im Zeitpunkt seiner Überprüfung an. Erforderlich dazu ist eine rückschauende Betrachtungsweise im Lichte einer - evtl. geläuterten - Rechtsauffassung zu der bei Erlass des zu überprüfenden Bescheides geltenden Sach- und Rechtslage (st. Rspr, vgl. BSG, Urteil vom 26.  Januar  1988 - 2 RU 5/87, BSGE 63, 18 ff., Rn. 23; BSG, Urteil vom 26.  Oktober  2017 - B 2 U 6/16 R - SozR 4-2200 § 547 Nr. 1, Rn. 17). Grundlage der Beurteilung ist danach die damalige Sach- und Rechtslage, bewertet aus heutiger Sicht (vgl. BSG, Urteil vom 25.  Oktober 1984 - 11 RAz 3/83, BSGE 57, 209 ff., Rn. 11; Urteil vom 14.  November  2002 - B 13 RJ 47/01 R, BSGE 90, 136 ff., Rn. 19; Schütze/Schütze, SGB X, 9. Aufl. 2020, § 44 Rn. 11). Nach dieser Maßgabe waren die streitigen Abrechnungsbescheide anfänglich rechtswidrig. Die damaligen Honorarfestsetzungen entsprachen nicht den Anforderungen an eine angemessene Vergütung der psychotherapeutischen Leistungen. Die – rückwirkend zum 1. Januar 2012 – angeordneten Neubewertungen gemäß Beschluss des EBewA vom 22. September 2015, die zugunsten der Klägerin eine Nachvergütung i.H.v. 18.780,68 € (vgl. Auskunft der Beklagten im Termin am 26. Oktober 2022) bedingt hätten, konnten bei der Honorarfestsetzung nicht berücksichtigt werden.

b) Nach § 44 Abs. 2 Satz 2 SGB X „kann“ die Rücknahme des Verwaltungsaktes für die Vergangenheit erfolgen. Die Entscheidung über die Rücknahme der bestandskräftigen Honorarbescheide steht danach im Ermessen der Beklagten (vgl. BSG, Urteil vom 22. Juni 2005 – B 6 KA 21/04 R – a.a.O., Rn. 20 ff.). Eine Ermessensreduzierung auf Null bestand nicht ˂aa)˃. Ermessensfehler sind im Übrigen nicht gegeben ˂bb)˃.

aa) Anhaltspunkte für eine Ermessensreduzierung auf Null sind nicht gegeben. Eine Reduzierung des Ermessens der Behörde auf Null bei der Frage erneuter Sachprüfung wird nur in Ausnahmefällen in Betracht gezogen, so etwa dann, wenn die Aufrechterhaltung der bestandskräftigen Entscheidung gegen Treu und Glauben verstieße oder sie anderweitig schlechthin unerträglich wäre (vgl. BSG, Urteil vom 17. September 2008 - B 6 KA 28/07 RBSGE 101, 235 ff., Rn. 44). Solcherlei ist hier nicht gegeben.

(1) Sofern die Klägerin die Schlussfolgerung gezogen habe, Widersprüche von ihr seien – mangels vermeintlich fehlender Beschwer - unzulässig und deshalb habe sie diese gar nicht erst eingelegt, ist dies unerheblich. Die Rechtsfolgen der fehlerhaften Annahme, ein Rechtsbehelf sei nicht gegeben, sind strukturell in § 66 Abs. 2 Satz 1 SGG geregelt. Dort ist für den Fall einer schriftlichen Belehrung, ein Rechtsbehelf sei nicht gegeben, als Rechtsfolge normiert, dass der Rechtsbehelf dann ohne Fristbindung zulässig ist. Wenn also nach dem Gesetz die Fehlannahme, ein Rechtsbehelf sei nicht gegeben, nur zum Wegfall der Rechtsbehelfsfrist führt - und dies auch nur für den Fall dementsprechender schriftlicher Belehrung -, so kann nicht im Wege der Interpretation aus einer anderen Rechtsnorm - hier § 44 Abs. 2 Satz 2 SGB X - hergeleitet werden, dass dem Betroffenen im Falle einer solchen Fehlannahme die von ihm begehrte Leistung zugesprochen werden müsse (vgl. BSG, Urteil vom 17. September 2008 - B 6 KA 28/07 R – a.a.O., Rn. 46).

(2) Eine Ermessensreduzierung folgt auch nicht daraus, dass die Beklagte es unterlassen hat, Rückstellungen zu bilden. Eine derartige Verpflichtung könnte sich allenfalls bezogen auf mit dem Widerspruch angefochtene Honorarbescheide ergeben (vgl. BSG, Urteil vom 18. März 1998 – B 6 KA 16/97 RBSGE 82, 50 ff., Rn. 20).

(3) Entgegen der Ansicht der Klägerin folgt aus Art. 3 Abs. 1 GG keine andere Wertung. Zwar liegt eine Ungleichbehandlung insoweit vor, als diejenigen, die Rechtsbehelfe gegen Honorarbescheide eingelegt haben, auch für vergangene Zeiträume von der Höherbewertung der Leistungen profitieren können. In der Einlegung von Rechtsbehelfen liegt allerdings ein hinreichender sachlicher Grund, um zwischen den beiden Gruppen der Leistungserbringer zu unterscheiden (vgl. BSG, Urteil vom 22. Juni 2005 – B 6 KA 21/04 RSozR 4-1300 § 44 Nr. 6, Rn. 25).

(4) Eine Ermessensreduzierung der Beklagten resultiert auch nicht daraus, dass sie auf die Entscheidung ihrer Mitglieder, Rechtsmittel einzulegen, direkten oder indirekten Einfluss genommen und für ihre entsprechenden Auskünfte ggf. einzustehen hätte. Solcherlei hat vorliegend nicht stattgefunden. Ein direkter Einfluss kann z.B. in gezielten Äußerungen der KV an ihre Mitglieder liegen, insbesondere wenn sie in Rundschreiben mitgeteilt hätte, alle Mitglieder würden unabhängig von einer individuellen Widerspruchseinlegung gleichgestellt, oder wenn sie jedenfalls sinngemäß hätte erkennen lassen, sie wäre froh über nicht zu viele Widerspruchsverfahren und werde die Leistungserbringer, die keine Rechtsbehelfe ergreifen, letztlich gleichstellen (vgl. BSG, Urteil vom 22. Juni 2005 – B 6 KA 21/04 R – a.a.O., Rn. 26). Gleiches gilt, wenn sich die KV in vergleichbarer Weise individuell gegenüber der Klägerin geäußert hätte. Ein indirekter Einfluss könnte z.B. dann angenommen werden, wenn die Beklagte gegenüber Berufsverbänden angekündigt hätte, die Rechtmäßigkeit der Honorierung unabhängig von der individuellen Widerspruchseinlegung zu überprüfen. Für eine derartige Verwaltungspraxis bestehen hier aber keine Anhaltspunkte. Äußerungen der Beklagten - sei es direkt gegenüber der Klägerin oder gegenüber allen ihren Mitgliedern oder gegenüber Berufsverbänden - in dem Sinne, dass eine Widerspruchseinlegung nicht erforderlich sei, sind nicht erfolgt. Das wird auch von der Klägerin nicht in Abrede gestellt, wenn sie im Erörterungstermin am 9. Januar 2019 ausführt, dass „die Frage, ob Psychotherapeuten von der Einlegung von Widersprüchen abgeraten worden seien, […] hier keine Relevanz (besitzt).“

(5) Vertrauensschutzgesichtspunkte (Art. 20 Abs. 3 GG) zwingen zu keiner anderen Wertung, auch wenn die Beklagte im Jahr 2005 allen Psychotherapeuten rückwirkend eine Nachvergütung für die Jahre 2000 bis 2004 gezahlt hat. Seinerzeit erklärte das BSG mit Urteilen vom 28. Januar 2004 die Honorarverteilung ab 1. Januar 2000 im Hinblick auf die Vergütung psychotherapeutischer Leistungen für rechtswidrig (Az. B 6 KA 52/03 R; B 6 KA 53/03). Die streitbefangenen Beschlüsse des Bewertungsausschusses vom 16. Februar 2000, welche die Berechnungsgrundlage der seinerzeitigen Honorierung bildeten, wurden mit diesen Urteilen aufgehoben. Am 29. Oktober 2004 setzte der Bewertungsausschuss einen neuen Beschluss rückwirkend ab 1. Januar 2000 in Kraft (DÄ 2005, A-457). Auf Grundlage dieses Beschlusses wurden die Honorarforderungen der Psychotherapeuten für die erbrachten Leistungen neu berechnet und nachvergütet. Die seinerzeitigen Umstände sind mit den hier maßgeblichen in keiner Weise zu vergleichen und unterscheiden sich derart erheblich, dass sie ungeeignet erscheinen, Vertrauen darauf begründen zu können, Nachvergütungen stets unterschiedslos ausgekehrt zu bekommen. Während seinerzeit das damalige Regelungsregime zur Festlegung der angemessenen Höhe der Vergütung höchstrichterlich aufgehoben und einer Novellierung unterworfen wurde, handelt es sich vorliegend um punktuelle Änderungen im Vergütungsgefüge der Psychotherapeutinnen und Psychotherapeuten, ohne höchstrichterlichen Gestaltungsbefehl.

bb) Von dem ihr demgemäß eingeräumten Ermessen hat die Beklagte sachgerechten Gebrauch gemacht hat. Ihre Entscheidung, ob sie bestandskräftig gewordene Honorarbescheide zurücknimmt und ggf. Nachvergütungen gewährt, ist von den Gerichten nur auf Ermessensnichtgebrauch, -fehlgebrauch und -überschreitung zu prüfen (vgl. BSG, Urteil vom 18. März 1998 - B 6 KA 16/97 R; BSG, Urteil vom 22. Juni 2005, B 6 KA 21/04 R; BSG, Urteil vom 17. September 2008, B 6 KA 28/07 R; jeweils a.a.O.). Nach diesen Maßstäben erweist sich die Entscheidung der Beklagten als ermessensfehlerfrei.

(1) Die Beklagte hat erkannt, dass sie eine Ermessensentscheidung zu treffen hat, und ist sich der ihr insoweit zukommenden Handlungsfreiheit bewusst gewesen. Dass sie dies nur „hilfsweise“ äußerte, begegnet keinen rechtlichen Bedenken (vgl. BVerwG, Urteil vom 23. Oktober 2007 – 1 C 10/07BVerwGE 129, 367 ff., Rn. 27).

(2) Von der ihr zukommenden Entscheidungsfreiheit hat sie zudem im Sinne einer Verweigerung der Rücknahme der bestandskräftigen Bescheide Gebrauch gemacht und dies in erster Linie damit begründet, dass sie die für eine Nachvergütung zugunsten der Klägerin und aller anderen psychotherapeutischen Leistungserbringer aufzuwendenden Beträge mangels vorhandener Rückstellungen nur der Gesamtvergütung für das laufende Quartal entnehmen könnte und dies im Interesse der aktuell an der vertragsärztlichen Versorgung teilnehmenden Ärzte und Psychotherapeuten vermeiden wolle. Diese Begründung trägt die angefochtene Verwaltungsentscheidung und lässt Rechtsfehler nicht erkennen (vgl. BSG, Urteil vom 22. Juni 2005 – B 6 KA 21/04 R – a.a.O., Rn. 20 ff.). Denn bei der Ausübung von Ermessen und bei dessen Überprüfung ist die Struktur der zu treffenden Ermessensentscheidung zu beachten. Dabei ist davon auszugehen, dass eine allgemeine Verpflichtung der Behörden, rechtswidrige belastende Verwaltungsakte unbeschadet des Eintritts der Bestandskraft zu korrigieren, nicht besteht. Dies gilt in besonderem Maße im Vertragsarztrecht. Hier ist zu berücksichtigen, dass die Korrektur früherer Honorarbescheide gemäß § 44 Abs. 2 Satz 2 SGB X - mit der Folge von Nachvergütungen für vergangene Quartale - zur Abweichung von dem aus § 87b Abs. 1 Satz 1 SGB V abzuleitenden Gebot führt, dass die von den Krankenkassen für ein Quartal geleisteten Gesamtvergütungen an diejenigen Ärzte und Psychotherapeuten zu verteilen sind, die in diesem Quartal an der vertragsärztlichen bzw. -psychotherapeutischen Versorgung teilgenommen haben (zum sog. Quartalsprinzip vgl. BSG, Urteil vom 22. Juni 2005 – B 6 KA 19/04 - SozR 4-2500 § 85 Nr. 19 R, Rn. 23 ff.). Ausgehend von dem Ausnahmecharakter der Möglichkeit, gegenwärtige Gesamtvergütungsanteile für vergangene Honoraransprüche zu verwenden, ist die Ausübung des Ermessens des § 44 Abs. 2 Satz 2 SGB X dahingehend, dass eine Bescheidkorrektur - und also auch die Gewährung von Nachvergütungen - abgelehnt wird, nicht zu beanstanden. Dies gilt zumal dann, wenn – wie hier - viele gleichgelagerte Nachvergütungsanträge im Raum stehen, und – worauf die Beklagte hingewiesen hat - keine Rückstellungen zur Begleichung der Nachforderungen gebildet worden sind (vgl. BSG, Urteil vom 17. September 2008 – B 6 KA 28/07 R – a.a.O., Rn. 43).

Diese Grundsätze finden entgegen der Ansicht der Klägerin auch im streitigen Zeitraum Anwendung. Ihre gegenteilige Auffassung, die insbesondere dahin geht, es habe sich zum 1. Januar 2012 eine maßgebliche gesetzliche Änderung ergeben, beruht auf einem grundlegenden Fehlverständnis des Systems der vertragsärztlichen Vergütung. Dieses ist zweistufig angelegt: Auf der ersten Stufe entrichten die Krankenkassen an die KV die mit dieser vereinbarte Gesamtvergütung mit befreiender Wirkung. Dies war für den vertragsärztlichen Bereich bis zum 31. Dezember 2011 in § 85 Abs. 1 SGB V geregelt und ergibt sich seit dem 1. Januar 2012 aus § 87a Abs. 3 Satz 1 SGB V. „Mit befreiender Wirkung“ bedeutet dabei, dass Nachforderungen – vorbehaltlich hier nicht einschlägiger Sonderregelungen – ausgeschlossen sind (BSG, Urteil vom 29. Januar 1997 – 6 RKa 24/96BSGE 80, 48 ff., Rn. 21; Freudenberg, in: jurisPK-SGB V, 4. Aufl. 2020, § 87a Rn. 70 m.w.N.). Ohne dass sich durch die „Verschiebung“ der Bestimmungen über die Gesamtvergütung in der vertragsärztlichen Versorgung von § 85 SGB V a.F. zu § 87a SGB V insoweit eine Änderung ergeben hätte, bedeutet dies, dass sich das der KV zur Verfügung stehende Vergütungsvolumen im Nachhinein nicht durch eine Nachschusspflicht der Krankenkassen erhöhen lässt. Auf der zweiten Stufe wird die Gesamtvergütung im Wege der Honorarverteilung an die an der vertragsärztlichen Versorgung teilnehmenden Leistungserbringer verteilt. Lediglich hier hat sich zum 1. Januar 2012 insoweit eine Änderung ergeben, als bis zum 31. Dezember 2011 (vorübergehend) der Honorarverteilungsmaßstab zwischen der KV und den Landesverbänden der Krankenkassen und den Ersatzkassen zu vereinbaren war (sog. Honorarverteilungsvertrag, § 85 Abs. 4 Satz 2 SGB V a.F.), während er seit dem 1. Januar 2012 (wieder) von der KV festgesetzt wird (freilich im Benehmen mit den Landesverbänden der Krankenkassen und den Ersatzkassen, § 87b Abs. 1 Satz 2 SGB V). An der Höhe der verteilungsrelevanten Gesamtvergütung ändert sich hierdurch nichts.

(3) Die Beklagte war bei ihrer auf generelle Erwägungen abstellenden Ermessensausübung nicht verpflichtet, als maßgeblichen Gesichtspunkt eine mögliche besondere individuelle Betroffenheit der Klägerin zu berücksichtigen. Daher ist es unschädlich, dass sie in ihrem Bescheid insbesondere nicht dazu Stellung genommen hat, in welchem finanziellen Ausmaß die Klägerin betroffen war (vgl. BSG, Urteil vom 22. Juni 2005 – B 6 KA 21/04 R – a.a.O., Rn. 20 ff.; BSG, Urteil vom 17. September 2008 - B 6 KA 28/07 R – a.a.O., Rn. 50).

Gewiss ist es der Beklagten unbenommen, in Fällen, in denen erwartungsgemäß zahlreiche Leistungserbringer Bedenken gegen die Rechtmäßigkeit der normativen Grundlagen der Honorarverteilung geltend machen werden, ausdrücklich zu erklären, dass Rechtsbehelfe nicht erforderlich sind, weil sie dann, wenn sich die Bedenken in nachfolgenden gerichtlichen Verfahren (Musterverfahren) als berechtigt erweisen sollten, alle Leistungserbringer entsprechend den gerichtlichen Vorgaben behandeln werde. Wenn die Beklagte jedoch nicht so verfährt, verbleibt das Risiko, von einer künftigen, für den einzelnen Leistungserbringer günstigen Rechtsprechung zu profitieren, bei diesem (vgl. BSG, Urteil vom 22. Juni 2005 – B 6 KA 21/04 R – a.a.O., Rn. 22).

E. Die Kostenentscheidung beruht auf § 197a Abs. 1 Satz 1 SGG i.V.m. § 154 Abs. 1 und 2 VwGO.

F. Gründe für die Zulassung der Revision bestehen nicht (§ 160 Abs. 2 SGG).

G. Die Festsetzung des Streitwerts beruht auf § 52 Abs. 3 Gerichtskostengesetz und entspricht der Höhe der begehrten Nachvergütung für die hier streitigen Quartale (vgl. Auskunft der Beklagten im Termin am 26. Oktober 2022).

Rechtsmittelbelehrung:

Dieses Urteil kann nur dann mit der Revision angefochten werden, wenn sie nachträglich vom Bundessozialgericht zugelassen wird. Zu diesem Zweck kann die Nichtzulassung der Revision durch das Landessozialgericht mit der Beschwerde angefochten werden.

Die Beschwerde ist von einem bei dem Bundessozialgericht zugelassenen Prozessbevollmächtigten innerhalb eines Monats nach Zustellung des Urteils schriftlich oder in elektronischer Form beim

Bundessozialgericht, Postfach 41 02 20, 34114 KasseloderBundessozialgericht, Graf-Bernadotte-Platz 5, 34119 Kassel

einzulegen.

Die Beschwerdeschrift muss bis zum Ablauf der Monatsfrist bei dem Bundessozialgericht eingegangen sein.

Die elektronische Form wird durch Übermittlung eines elektronischen Dokuments gewahrt, das für die Bearbeitung durch das Gericht geeignet ist und

- von der verantwortenden Person qualifiziert elektronisch signiert ist und über das Elektronische Gerichts- und Verwaltungspostfach (EGVP) eingereicht wird oder

- von der verantwortenden Person signiert und auf einem sicheren Übermittlungsweg gem. § 65a Abs. 4 Sozialgerichtsgesetz (SGG) eingereicht wird.

Weitere Voraussetzungen, insbesondere zu den zugelassenen Dateiformaten und zur qualifizierten elektronischen Signatur, ergeben sich aus der Verordnung über die technischen Rahmenbedingungen des elektronischen Rechtsverkehrs und über das besondere elektronische Behördenpostfach (Elektronischer-Rechtsverkehr-Verordnung -ERVV) in der jeweils gültigen Fassung. Weitergehende Informationen zum elektronischen Rechtsverkehr können über das Internetportal des Bundessozialgerichts (www.bsg.bund.de) abgerufen werden.

Als Prozessbevollmächtigte sind nur zugelassen

-          jeder Rechtsanwalt,

-          Rechtslehrer an einer staatlichen oder staatlich anerkannten Hochschule eines Mitgliedsstaates der Europäischen Union, eines anderen Vertragsstaates des Abkommens über den Europäischen Wirtschaftsraum oder der Schweiz, die die Befähigung zum Richteramt besitzen,

-          selbständige Vereinigungen von Arbeitnehmern mit sozial- oder berufspolitischer Zwecksetzung für ihre Mitglieder,

-          berufsständische Vereinigungen der Landwirtschaft für ihre Mitglieder,

-          Gewerkschaften und Vereinigungen von Arbeitgebern sowie Zusammenschlüsse solcher Verbände für ihre Mitglieder oder für andere Verbände oder Zusammenschlüsse mit vergleichbarer Ausrichtung und deren Mitglieder,

-          Vereinigungen, deren satzungsgemäße Aufgaben die gemeinschaftliche Interessenvertretung, die Beratung und Vertretung der Leistungsempfänger nach dem sozialen Entschädigungsrecht oder der behinderten Menschen wesentlich umfassen und die unter Berücksichtigung von Art und Umfang ihrer Tätigkeit sowie ihres Mitgliederkreises die Gewähr für eine sachkundige Prozessvertretung bieten, für ihre Mitglieder,

-          juristische Personen, deren Anteile sämtlich im wirtschaftlichen Eigentum einer der vorgenannten Organisationen stehen, wenn die juristische Person ausschließlich die Rechtsberatung und Prozessvertretung dieser Organisation und ihrer Mitglieder oder anderer Verbände oder Zusammenschlüsse mit vergleichbarer Ausrichtung und deren Mitglieder entsprechend deren Satzung durchführt, und wenn die Organisation für die Tätigkeit der Bevollmächtigten haftet.

Die vorgenannten Vereinigungen, Gewerkschaften und juristischen Personen müssen durch Personen mit Befähigung zum Richteramt handeln. Behörden und juristische Personen des öffentlichen Rechts einschließlich der von ihnen zur Erfüllung ihrer öffentlichen Aufgaben gebildeten Zusammenschlüsse sowie private Pflegeversicherungsunternehmen können sich durch eigene Beschäftigte mit Befähigung zum Richteramt oder durch Beschäftigte mit Befähigung zum Richteramt anderer Behörden oder juristischer Personen des öffentlichen Rechts einschließlich der von ihnen zur Erfüllung ihrer öffentlichen Aufgaben gebildeten Zusammenschlüsse vertreten lassen.

Ein Beteiligter, der zur Vertretung berechtigt ist, kann sich selbst vertreten. Handelt es sich dabei um eine der vorgenannten Vereinigungen, Gewerkschaften oder juristischen Personen, muss diese durch Personen mit Befähigung zum Richteramt handeln.

Die Beschwerde ist innerhalb von zwei Monaten nach Zustellung des Urteils von einem zugelassenen Bevollmächtigten schriftlich oder in elektronischer Form zu begründen.

In der Begründung muss die grundsätzliche Bedeutung der Rechtssache dargelegt oder die Entscheidung des Bundessozialgerichts, des Gemeinsamen Senats der obersten Gerichtshöfe des Bundes oder des Bundesverfassungsgerichts, von der das Urteil abweicht, oder ein Verfahrensmangel, auf dem die angefochtene Entscheidung beruhen kann, bezeichnet werden. Als Verfahrensmangel kann eine Verletzung der §§ 109 und 128 Abs. 1 Satz 1 Sozialgerichtsgesetz nicht und eine Verletzung des § 103 Sozialgerichtsgesetz nur gerügt werden, soweit das Landessozialgericht einem Beweisantrag ohne hinreichende Begründung nicht gefolgt ist.

Für die Beschwerde gegen die Nichtzulassung der Revision kann ein Beteiligter, der nicht schon durch die oben genannten Vereinigungen, Gewerkschaften oder juristischen Personen vertreten ist, Prozesskostenhilfe zum Zwecke der Beiordnung eines Rechtsanwalts beantragen.

Der Beteiligte kann die Prozesskostenhilfe selbst beantragen. Der Antrag ist beim Bundessozialgericht entweder schriftlich oder in elektronischer Form einzureichen oder mündlich vor dessen Geschäftsstelle zu Protokoll zu erklären.

Dem Antrag sind eine Erklärung des Beteiligten über seine persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse (Familienverhältnisse, Beruf, Vermögen, Einkommen und Lasten) sowie entsprechende Belege beizufügen. Hierzu ist der für die Abgabe der Erklärung vorgeschriebene Vordruck zu benutzen. Der Vordruck kann von allen Gerichten oder durch den Schreibwarenhandel bezogen werden.

Wird Prozesskostenhilfe bereits für die Einlegung der Beschwerde begehrt, so müssen der Antrag und die Erklärung über die persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse - gegebenenfalls nebst entsprechenden Belegen - bis zum Ablauf der Frist für die Einlegung der Beschwerde (ein Monat nach Zustellung des Urteils) beim Bundessozialgericht eingegangen sein.

Mit dem Antrag auf Prozesskostenhilfe kann ein zur Vertretung bereiter Rechtsanwalt benannt werden.

Ist dem Beteiligten Prozesskostenhilfe bewilligt worden und macht er von seinem Recht, einen Anwalt zu wählen, keinen Gebrauch, wird auf seinen Antrag der beizuordnende Rechtsanwalt vom Bundessozialgericht ausgewählt.

Der Beschwerdeschrift und allen folgenden Schriftsätzen sollen Abschriften für die übrigen Beteiligten beigefügt werden.

Das Bundessozialgericht bittet darüber hinaus um je zwei weitere Abschriften.

Schriftlich einzureichende Anträge und Erklärungen, die durch einen Rechtsanwalt, durch eine Behörde oder durch eine juristische Person des öffentlichen Rechts einschließlich der von ihr zu Erfüllung ihrer öffentlichen Aufgaben gebildeten Zusammenschlüsse eingereicht werden, sind als elektronisches Dokument zu übermitteln. Ist dies aus technischen Gründen vorübergehend nicht möglich, bleibt die Übermittlung nach den allgemeinen Vorschriften zulässig. Die vorübergehende Unmöglichkeit ist bei der Ersatzeinreichung oder unverzüglich danach glaubhaft zu machen; auf Anforderung ist ein elektronisches _  Dokument nach

zureichen. Gleiches gilt für die nach dem Sozialgerichtsgesetz vertretungsberechtigten Personen, für die ein sicherer Übermittlungsweg nach § 65a Absatz 4 Nummer 2 SGG zur Verfügung steht (§ 65d SGG).

Rechtskraft
Aus
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