L 11 KR 1085/21

Land
Nordrhein-Westfalen
Sozialgericht
LSG Nordrhein-Westfalen
Sachgebiet
Krankenversicherung
Abteilung
11
1. Instanz
SG Köln (NRW)
Aktenzeichen
S 12 KR 292/21
Datum
2. Instanz
LSG Nordrhein-Westfalen
Aktenzeichen
L 11 KR 1085/21
Datum
3. Instanz
-
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil

Die Berufung der Klägerin gegen den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Köln vom 06. Dezember 2021 wird zurückgewiesen.

Außergerichtliche Kosten haben die Beteiligten einander auch im Berufungsrechtszug nicht zu erstatten.

Die Revision wird nicht zugelassen.

 

Tatbestand

Streitig ist die Versicherungspflicht der Klägerin.

Die am 00.00.0000 geborene Klägerin reiste am 1. Januar 2019 in die Bundesrepublik Deutschland aufgrund eines Besuchsvisum für den Schengen-Raum (gültig bis 5. Februar 2019) ein. Bei Einreise verfügte sie über eine „S. für Gäste aus dem Ausland“ (Versicherungsdauer 3 Monate). Gegenüber dem T. (Beigeladener zu 3.) erklärte der Sohn der Klägerin (Beigeladener zu 1.), „vom Tag der voraussichtlichen Einreise am 22. Dezember 2018 bis zur Beendigung des Aufenthalts des o.g. Ausländers/in oder bis zur Erteilung eines Aufenthaltstitels zu einem anderen Aufenthaltszweck nach § 68 des Aufenthaltsgesetzes die Kosten für den Lebensunterhalt und nach §§ 66 und 67 des Aufenthaltsgesetzes die Kosten für die Ausreise o.g. Ausländers/in zu tragen. Die Verpflichtung umfasst die Erstattung sämtlicher öffentlicher Mittel, die für Lebensunterhalt einschließlich … der Versorgung im Krankheitsfall ...“.

Am 1. Februar 2019 zeigte die Klägerin unter Bezug auf ein ärztliches Attest an, dass sie nicht flugfähig sei. Ihr Besuchsvisum wurde deswegen zunächst um 54 Tage verlängert (bis zum 31. März 2019). Nach erneuter ärztlich bestätigter Reiseunfähigkeit (Folgen einer Lungenentzündung) wurde der Aufenthaltstitel bis zum 2. Mai 2019 verlängert. Mit ärztlichem Attest vom 2. April 2019 wurde bei der Klägerin der Verdacht einer Demenz geäußert. Der Aufenthaltstitel wurde bis zum 7. Juni 2019, bis zum 1. August 2019 und sodann bis zum 31. Oktober 2019 verlängert. Am 5. August 2019 wurde der Klägerin ein Aufenthaltstitel nach § 36 Abs. 2 Aufenthaltsgesetz (AufenthG) für den Zeitraum 6. August 2019 bis 5. August 2020 gewährt. Dieser Aufenthaltstitel wurde am 25. Juni 2020 zunächst bis zum 24. September 2020, dann bis zum 16. Dezember 2020 und sodann bis zum 21. September 2022 verlängert. Gegenüber dem Beigeladenen zu 3. teilte die Klägerin anwaltlich vertreten mit, dass sie als Soldatenwitwe ein Leben lang weltweit durch einen O. Versicherungsträger krankenversichert sei.

Am 8. Januar 2020 bestätigte der Beigeladene zu 3. gegenüber der Beklagten, dass für den Aufenthaltstitel der Klägerin die Sicherung des Lebensunterhalts einschließlich ausreichenden Krankenversicherungsschutzes erforderlich sei.

Die Klägerin reichte bei der Beklagten die „Anzeige zur Pflichtversicherung nach § 5 Abs. 1 Nr. 13 SGB V“ vom 19. Februar 2020 zum Beginn einer sofortigen Mitgliedschaft ein. Sie gab darin unter anderem an, dass sie seit dem 1. Januar 2019 ihren ständigen Wohnsitz aus N. nach Deutschland verlegt habe. Zuletzt habe eine Krankenversicherung bei „S.“ bestanden. Mit Schreiben vom 10. Juni 2020 forderte die Beklagte von der Klägerin weitere Informationen über das Vorliegen einer Versicherung eines O. Versicherungsinstitutes an.

Die Klägerin übersandte hierauf eine Bescheinigung vom 8. Juli 2019. Darin bestätigte das beitragsabhängige Gesundheitssystem der O. Regierung die Mitgliedschaft der Klägerin. Dieses System berechtige und versichere sie ein Leben lang weltweit („in der ganzen Welt EU, USA, UK, Kanada“) im Rahmen einer vollständigen Krankenversicherung einschließlich Krankenhausaufenthalt und Behandlung sowie aller Medikamente und medizinischer Leistungen zuzüglich einer langfristigen Pflegeversicherung. Der Prozessbevollmächtigte der Klägerin teilte ferner mit Schreiben vom 30. Juni 2020 mit, dass die Versicherung weiterhin bestehe und sie bereit sei, die Beiträge zu übernehmen, wenn die Klägerin bei der Beklagten versichert werde. Dies würde die Abwicklung erheblich erleichtern und einen effektiven Versicherungsschutz ermöglichen.

Mit Bescheid vom 8. Juli 2020 lehnte die Beklagte die Feststellung einer Pflichtversicherung nach § 5 Abs. 1 Nr. 13 SGB V ab. Zur Begründung führte sie unter anderem aus, dass die Klägerin über einen hinreichenden Versicherungsschutz für den Fall der Krankheit bei einem ausländischen Träger verfüge. Die gewünschte Mitgliedschaft könne daher nicht durchgeführt werden.

Mit Schreiben vom 15. Juli 2020 legte die Klägerin gegen den Bescheid Widerspruch ein, mit dem sie insbesondere ausführte, dass ihr Aufenthaltstitel gemäß der Fiktionsbescheinigung vom 25. Juni 2020 als fortbestehend bis zum 24. September 2020 gelte.

Mit Schreiben vom 5. November 2020 führte die Beklagte aus, es sei für das Vorliegen einer anderweitigen Absicherung im Krankheitsfall im Sinne des § 5 Abs. 1 Nr. 13 SGB V nicht entscheidend, dass diese Versicherung von Vertragsärzten im Inland nicht anerkannt werde. Der Begriff der anderweitigen Absicherung erstrecke sich auch auf ausländische Versicherungen, die ins Inland wirkten. Aus der Einbeziehung des Aufenthaltsstatus bei der Fallbewertung ergebe sich ein Ausschlusstatbestand gemäß § 5 Abs. 11 Satz 1 SGB V.

Mit Schreiben vom 19. November 2020 führte die Klägerin aus, dass die indische Versicherung nicht im Inland wirke. Hierzu legte sie eine weitere Bescheinigung vom 13. Oktober 2020 des beitragsabhängigen Gesundheitssystems der O. Regierung vor, in dem sich folgender Passus fand: „Abrechnung ist nur möglich wo eine Abrechnung Vereinbarung Vertrag besteht. Mit Deutschland besteht keine Abrechnung Vereinbarung. Das wegen wird auch von Kliniken und Ärzten nicht akzeptiert.“.

Mit Bescheid vom 15. Dezember 2020, mit welchem der Bescheid vom 8. Juli 2020 nach § 44 Zehntes Buch Sozialgesetzbuch (SGB X) aufgehoben und in der Sache neu entschieden wurde, bekräftigte die Beklagte ihre Entscheidung aus dem Bescheid vom 8. Juli 2020. Die Auffangpflichtversicherung nach § 5 Abs. 1 Nr. 13 SGB V bestehe nicht, da die Klägerin nicht dem versicherungspflichtigen Personenkreis zuzurechnen sei, denn sie verfüge über eine anderweitige Absicherung im Krankheitsfalle in Form der O. Krankenversicherung. Ferner stehe der Auffangpflichtversicherung der Ausschlusstatbestand des § 5 Abs. 11 Satz 1 SGB V entgegen. Auf die Einzelheiten der Begründung wird Bezug genommen. Gegen den Bescheid vom 15. Dezember 2020 legte die Klägerin mit Schreiben vom 5. Januar 2021 unter Bezug auf ihr bisheriges Vorbringen Widerspruch ein.

Mit Widerspruchsbescheid vom 17. Februar 2021 wies die Beklagte den Widerspruch der Klägerin gegen den Bescheid vom 15. Dezember 2020 zurück. Zur Begründung führte sie aus, dass der Inlandsaufenthalt der Klägerin laut schriftlicher Bestätigung der Ausländerbehörde an eine Lebensunterhaltssicherungsverpflichtung geknüpft sei. Sie sei damit von der Auffangversicherung ausgeschlossen. Zudem verfüge die Klägerin über einen umfassenden und weltweit gültigen zeitlich unbegrenzten privaten Krankenversicherungsschutz aus dem Herkunftsland. Auf die weitere Begründung wird Bezug genommen.

Die Klägerin hat unter Wiederholung ihres bisherigen Vorbringens am 23. Februar 2021 Klage erhoben und beantragt,

die Beklagte unter Aufhebung des Bescheids vom 08.07.2020 in der Fassung des weiteren Bescheids vom 15.12.2020 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 17.02.2020 zu verurteilen, die Klägerin gemäß § 5 Abs. 1 Nr. 13 SGB V im Rahmen einer Auffangversicherungspflicht zu versichern.

Die Beklagte hat beantragt,

die Klage abzuweisen.

Die Beklagte hat im Wesentlichen ihre Ausführungen aus dem angefochtenen Bescheid vertieft und darauf hingewiesen, dass nach Auskunft der Ausländerbehörde vom 8. Januar 2020 ein Aufenthaltsrecht nach den Vorschriften des Aufenthaltsgesetzes bestehe. Demnach sei die Sicherung des Lebensunterhalts einschließlich ausreichendem Krankenversicherungsschutz für die Erteilung des Aufenthaltstitels erforderlich. Da zwischen N. und Deutschland kein bilaterales Sozialversicherungsabkommen in der Krankenversicherung bestehe, könne eine direkte Abwicklung zwischen der gesetzlichen Krankenversicherung in Deutschland und dem O. Versicherungsträger nicht erfolgen. Ferner greife der Ausschlusstatbestand nach § 5 Abs. 11 Satz 1 letzter Teilsatz SGB V.

Auf Nachfrage des Sozialgerichts (SG) hat die zuständige Ausländerbehörde mitgeteilt, dass gemäß § 5 Abs. 1 Nr. 1 AufenthG eine Verpflichtung zur eigenständigen Sicherung des Lebensunterhalts bestehe. Der Krankenversicherungsschutz sei über einen Versicherungsschein einer O. Krankenversicherung nachgewiesen worden (Schreiben des Beigeladenen zu 3. vom 20. April 2021).

Das SG hat die Beteiligten zu einer Entscheidung durch Gerichtsbescheid angehört und mitt Gerichtsbescheid vom 6. Dezember 2021 die Klage abgewiesen. Auf die Entscheidungsgründe wird Bezug genommen.

Gegen den ihr am 9. Dezember 2021 zugestellten Gerichtsbescheid hat die Klägerin am 21. Dezember 2021 Berufung eingelegt. Sie nimmt auf ihr bisheriges Vorbringen Bezug und führt ergänzend aus, dass die Klägerin in Begleitung ihres Sohnes 2021 persönlich nach N. gereist sei, um eine Kostenerstattung mit der O. Krankenversicherung zu regeln. Eine Erstattung deutscher Arztrechnungen sei „mündlich vor Ort“ zurückgewiesen worden. Nach Mitteilung des O. Versicherungsträgers gebe es keine gesetzliche Bestimmung, die eine Kostenübernahme rechtfertige. Die O. Krankenversicherung übernehme nur Rechnungen, die von Behandlern stammen, mit denen der O. Krankenversicherungsträger einen Vertrag abgeschlossen habe. Sie, die Klägerin, habe gutgläubig darauf vertraut, über die indische Krankenversicherung in Deutschland versichert zu sein. Der Senat habe bei der Prüfung der Rechtslage auch die ökonomischen Folgen für sie in den Blick zu nehmen.

Die Klägerin beantragt,

den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Köln vom 6. Dezember 2021 zu ändern, den Bescheid der Beklagten vom 15. Dezember 2020 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 17. Februar 2021 aufzuheben und festzustellen, dass die Klägerin ab dem 1. Januar 2019 pflichtversichertes Mitglied der Beklagten ist.

Die Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Sie nimmt auf die erstinstanzlichen Entscheidungsgründe Bezug.

Am 6. Juli 2022 haben die Beteiligten die Sach- und Rechtslage erörtert.

Der Sohn der Klägerin (Beigeladener zu 1.) und die Pflegekasse der K. (Beigeladene zu 2.) sind mit Beschluss des Senats vom 17. August 2022 beigeladen worden. Mit Beschluss vom 14. September 2022 hat der Senat zudem den T. beigeladen (Beigeladener zu 3.). Die Beigeladenen haben keine Anträge gestellt.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den Inhalt der Streitakte sowie der beigezogenen Verwaltungsakten der Beklagten und des Beigeladenen zu 3. Bezug genommen, die Gegenstand der mündlichen Verhandlung gewesen sind.

Entscheidungsgründe

A. Die zulässige Berufung ist unbegründet. Das SG hat die Klage zu Recht abgewiesen.

1. Gegenstand des Klageverfahrens ist die Frage, ob es die Beklagte zu Recht abgelehnt hat, eine versicherungspflichtige Mitgliedschaft der Klägerin in der gesetzlichen Krankenversicherung durchzuführen. In Betracht kommt hier nur eine Pflichtversicherung nach § 5 Abs. 1 Nr. 13 SGB V. Diese beginnt mit dem ersten Tag ohne anderweitigen Anspruch auf Absicherung im Krankheitsfall im Inland. Hiernach steht der Zeitraum ab dem 1. Januar 2019 (Einreise der Klägerin in die Bundesrepublik) in Streit.

Streitgegenständlich ist der Bescheid vom 15. Dezember 2020 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 17. Februar 2021. Der Bescheid vom 8. Juli 2020 ist nicht Gegenstand des Widerspruchsverfahrens geworden, da dieser den angefochtenen Bescheid vom 15. Dezember 2020 nicht abändert im Sinne von § 86 Sozialgerichtsgesetz (SGG). Der Senat nimmt insoweit gemäß § 153 Abs. 2 SGG nach eigener Überprüfung zur Vermeidung unnötiger Wiederholungen auf die überzeugenden Ausführungen im angefochtenen Urteil des SG vollumfänglich Bezug und macht sie sich zu Eigen.

2. Die Klage ist zulässig, insbesondere form- und fristgerecht erhoben, §§ 87, 90 SGG. Die Klage ist als kombinierte Anfechtungs- und Feststellungsklage (§ 54 Abs. 1 Satz 1 i.V.m. § 55 Abs. 1 Nr. 1 SGG) statthaft.

3. Die Klage ist unbegründet. Der angefochtene Bescheid ist rechtmäßig und die Klägerin dadurch nicht im Sinne von § 54 Abs. 2 Satz 1 SGG in ihren Rechten verletzt. Es ist nicht festzustellen, dass die Klägerin bei der Beklagten nach dem hier allein in Betracht zu ziehenden Tatbestand des § 5 Abs. 1 Nr. 13 SGB V pflichtversichert in der gesetzlichen Krankenversicherung ist.

Gemäß § 5 Abs. 1 Nr. 13 SGB V sind versicherungspflichtig, Personen, die keinen anderweitigen Anspruch auf Absicherung im Krankheitsfall haben und

a) zuletzt gesetzlich krankenversichert waren oder

b) bisher nicht gesetzlich oder privat krankenversichert waren, es sei denn, dass sie zu den in Absatz 5 oder den in § 6 Abs. 1 oder 2 genannten Personen gehören oder bei Ausübung ihrer beruflichen Tätigkeit im Inland gehört hätten.

Es kann dahingestellt bleiben, ob die Klägerin die Voraussetzungen dieser Vorschrift erfüllt, insbesondere keinen anderweitigen Anspruch auf Absicherung im Krankheitsfall hat. Denn eine Versicherung nach § 5 Abs. 1 Nr. 13 SGB V scheitert am Ausschlusstatbestand des § 5 Abs. 11 Satz 1 SGB V. Hiernach gilt: Ausländer, die nicht Angehörige eines Mitgliedstaates der Europäischen Union, Angehörige eines Vertragsstaates des Abkommens über den Europäischen Wirtschaftsraum oder Staatsangehörige der Schweiz sind, werden (nur dann) von der Versicherungspflicht nach Absatz 1 Nr. 13 erfasst, wenn sie eine Niederlassungserlaubnis oder eine Aufenthaltserlaubnis mit einer Befristung auf mehr als zwölf Monate nach dem AufenthG besitzen, zugleich aber für die Erteilung dieser Aufenthaltstitel keine Verpflichtung zur Sicherung des Lebensunterhalts nach § 5 Abs. 1 Nr. 1 des AufenthaltsG besteht.

Nach dieser Maßgabe scheidet eine Versicherungspflicht der Klägerin aus. Zwar ist sie Ausländerin im Sinne von § 5 Abs. 11 Satz 1 SGB V, da sie nicht Angehörige eines Mitgliedstaates der Europäischen Union, eines Vertragsstaates des Abkommens über den Europäischen Wirtschaftsraum oder Staatsangehörige der Schweiz ist. Auch verfügt sie über eine Aufenthaltserlaubnis gemäß § 7 Abs. 1 Satz 1, 2 AufenthG in Gestalt eines Aufenthaltstitels gem. § 36 Abs. 2 AufenthG, der auf mehr als zwölf Monate befristet ist. Der Aufenthaltstitel vom 25. Juni 2020 ist zunächst bis zum 24. September 2020 befristet worden, dann bis zum 16. Dezember 2020 und sodann bis zum 21. September 2022 verlängert worden.

Anspruchsausschließend wirkt es jedoch, dass für die Erteilung des Aufenthaltstitels nach § 36 Abs. 2 AufenthG eine Verpflichtung zur Sicherung des Lebensunterhalts nach § 5 Abs. 1 Nr. 1 AufenthG besteht (§ 5 Abs. 11 Satz 1 a.E. SGB V). Maßgebend ist insoweit, dass die Verpflichtung zur Sicherung des Lebensunterhaltes für den betreffenden Aufenthaltstitel abstrakt besteht. Andernfalls würde das gesetzgeberische Anliegen konterkariert, den gesetzlichen Krankenkassen mit § 5 Abs. 11 Satz 1 SGB V eine möglichst leicht handhabbare Feststellung der Voraussetzung der Versicherungspflicht zu ermöglichen (BT-Drs. 16/3100 S. 95; vgl. BVerwG, Urteil vom 18. April 2013 – 10 C 10/12BVerwGE 146, 198 ff., Rn. 15).

Beim Aufenthaltstitel nach § 36 Abs. 2 Satz 1 AufenthG besteht eine solche Verpflichtung, wie sich nicht zuletzt im Umkehrschluss aus § 36 Abs. 1 AufenthG ergibt (BeckOK AuslR/Tewocht, 34. Ed. 1. Oktober 2021, § 36 AufenthG Rn. 18; Oberländer in Hofmann, Ausländerrecht, 2. Aufl. 2016, § 36 AufenthG Rn. 36). Zur Sicherung des Lebensunterhaltes gehört nach § 2 Abs. 3 Satz 1 AufenthG auch ein ausreichender Krankenversicherungsschutz.

Da es für § 5 Abs. 11 Satz 1 SGB V allein auf die abstrakte Verpflichtung zur Sicherung des Lebensunterhaltes einschließlich des ausreichenden Krankenversicherungsschutzes ankommt, ist unerheblich, wie die Ausländerbehörde die entsprechende Verpflichtung umgesetzt hat (vgl. BSG, Urteil vom 3. Juli 2013 – B 12 KR 2/11 R - SozR 4-2500 § 5 Nr. 20 – Rn. 20). Ob die Klägerin den Nachweis zur Sicherung des Lebensunterhalts durch die seitens des Beigeladenen zu 1. erklärte Verpflichtungserklärung (§ 68 AufenthG) geführt hat, spielt daher keine Rolle. Nicht maßgeblich ist weiter, ob die Klägerin in der Lage ist, ihren Lebensunterhalt tatsächlich abzusichern (vgl. LSG Baden-Württemberg, Urteil vom 10. Dezember 2019 – L 11 KR 1934/19 - juris; die dagegen erhobene Nichtzulassungsbeschwerde ist als unzulässig verworfen worden: BSG, Beschluss vom 15. Juli 2020 – B 12 KR 3/20 B - juris). Dementsprechend kann es auch nicht darauf ankommen, ob sie gutgläubig gemeint hat, über einen ausreichenden Krankenversicherungsschutz seitens des Heimatlandes zu verfügen. Hinzu kommt, dass § 5 Abs. 1 Nr. 13 SGB V eine subsidiäre Versicherung gewährt. Dieser Zweck würde umgangen, wenn der Ausländer im Falle des Scheiterns seiner Bemühungen, eine anderweitige Absicherung zu erlangen, in den Genuss dieser Pflichtversicherung käme.

Nicht streitentscheidend ist hiernach, ob der Beigeladene zu 1. aus der ursprünglichen Verpflichtungserklärung nach § 68 AufenthG aktuell noch in Anspruch genommen werden kann. Lediglich ergänzend weist der Senat darauf hin, dass diesbezüglich Zweifel bestehen dürften, weil die Verpflichtungserklärung des Beigeladenen zu 1. ausdrücklich beschränkt worden ist auf den Aufenthaltszweck „Besuch“, was durch die Anmerkung „90 Tage“ unterstrichen wird. Sie ist zudem befristet bis zur Erteilung eines Aufenthaltstitels zu einem anderen Aufenthaltszweck. Ein solcher Aufenthaltstitel zu einem anderen Aufenthaltszweck dürfte hier spätestens mit der Erteilung der Aufenthaltserlaubnis nach § 36 Abs. 2 AufenthG erteilt worden sein.

Eine der in § 5 Abs. 3 AufenthG geregelten Ausnahmen von der Verpflichtung zur Sicherung des Lebensunterhalts greift hier offensichtlich nicht ein. Die Klägerin verfügt über keinen der dort genannten Aufenthaltstitel.

B. Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 Abs. 1 Satz 1, Abs. 4 SGG.

C. Gründe, die Revision zuzulassen, bestehen nicht, § 160 SGG.

Rechtsmittelbelehrung:

Dieses Urteil kann nur dann mit der Revision angefochten werden, wenn sie nachträglich vom Bundessozialgericht zugelassen wird. Zu diesem Zweck kann die Nichtzulassung der Revision durch das Landessozialgericht mit der Beschwerde angefochten werden.

Die Beschwerde ist von einem bei dem Bundessozialgericht zugelassenen Prozessbevollmächtigten innerhalb eines Monats nach Zustellung des Urteils schriftlich oder in elektronischer Form beim

Bundessozialgericht, Postfach 41 02 20, 34114 KasseloderBundessozialgericht, Graf-Bernadotte-Platz 5, 34119 Kassel

einzulegen.

Die Beschwerdeschrift muss bis zum Ablauf der Monatsfrist bei dem Bundessozialgericht eingegangen sein.

Die elektronische Form wird durch Übermittlung eines elektronischen Dokuments gewahrt, das für die Bearbeitung durch das Gericht geeignet ist und

- von der verantwortenden Person qualifiziert elektronisch signiert ist und über das Elektronische Gerichts- und Verwaltungspostfach (EGVP) eingereicht wird oder

- von der verantwortenden Person signiert und auf einem sicheren Übermittlungsweg gem. § 65a Abs. 4 Sozialgerichtsgesetz (SGG) eingereicht wird.

Weitere Voraussetzungen, insbesondere zu den zugelassenen Dateiformaten und zur qualifizierten elektronischen Signatur, ergeben sich aus der Verordnung über die technischen Rahmenbedingungen des elektronischen Rechtsverkehrs und über das besondere elektronische Behördenpostfach (Elektronischer-Rechtsverkehr-Verordnung -ERVV) in der jeweils gültigen Fassung. Weitergehende Informationen zum elektronischen Rechtsverkehr können über das Internetportal des Bundessozialgerichts (www.bsg.bund.de) abgerufen werden.

Als Prozessbevollmächtigte sind nur zugelassen

-          jeder Rechtsanwalt,

-          Rechtslehrer an einer staatlichen oder staatlich anerkannten Hochschule eines Mitgliedsstaates der Europäischen Union, eines anderen Vertragsstaates des Abkommens über den Europäischen Wirtschaftsraum oder der Schweiz, die die Befähigung zum Richteramt besitzen,

-          selbständige Vereinigungen von Arbeitnehmern mit sozial- oder berufspolitischer Zwecksetzung für ihre Mitglieder,

-          berufsständische Vereinigungen der Landwirtschaft für ihre Mitglieder,

-          Gewerkschaften und Vereinigungen von Arbeitgebern sowie Zusammenschlüsse solcher Verbände für ihre Mitglieder oder für andere Verbände oder Zusammenschlüsse mit vergleichbarer Ausrichtung und deren Mitglieder,

-          Vereinigungen, deren satzungsgemäße Aufgaben die gemeinschaftliche Interessenvertretung, die Beratung und Vertretung der Leistungsempfänger nach dem sozialen Entschädigungsrecht oder der behinderten Menschen wesentlich umfassen und die unter Berücksichtigung von Art und Umfang ihrer Tätigkeit sowie ihres Mitgliederkreises die Gewähr für eine sachkundige Prozessvertretung bieten, für ihre Mitglieder,

-          juristische Personen, deren Anteile sämtlich im wirtschaftlichen Eigentum einer der vorgenannten Organisationen stehen, wenn die juristische Person ausschließlich die Rechtsberatung und Prozessvertretung dieser Organisation und ihrer Mitglieder oder anderer Verbände oder Zusammenschlüsse mit vergleichbarer Ausrichtung und deren Mitglieder entsprechend deren Satzung durchführt, und wenn die Organisation für die Tätigkeit der Bevollmächtigten haftet.

Die vorgenannten Vereinigungen, Gewerkschaften und juristischen Personen müssen durch Personen mit Befähigung zum Richteramt handeln. Behörden und juristische Personen des öffentlichen Rechts einschließlich der von ihnen zur Erfüllung ihrer öffentlichen Aufgaben gebildeten Zusammenschlüsse sowie private Pflegeversicherungsunternehmen können sich durch eigene Beschäftigte mit Befähigung zum Richteramt oder durch Beschäftigte mit Befähigung zum Richteramt anderer Behörden oder juristischer Personen des öffentlichen Rechts einschließlich der von ihnen zur Erfüllung ihrer öffentlichen Aufgaben gebildeten Zusammenschlüsse vertreten lassen.

Ein Beteiligter, der zur Vertretung berechtigt ist, kann sich selbst vertreten. Handelt es sich dabei um eine der vorgenannten Vereinigungen, Gewerkschaften oder juristischen Personen, muss diese durch Personen mit Befähigung zum Richteramt handeln.

Die Beschwerde ist innerhalb von zwei Monaten nach Zustellung des Urteils von einem zugelassenen Bevollmächtigten schriftlich oder in elektronischer Form zu begründen.

In der Begründung muss die grundsätzliche Bedeutung der Rechtssache dargelegt oder die Entscheidung des Bundessozialgerichts, des Gemeinsamen Senats der obersten Gerichtshöfe des Bundes oder des Bundesverfassungsgerichts, von der das Urteil abweicht, oder ein Verfahrensmangel, auf dem die angefochtene Entscheidung beruhen kann, bezeichnet werden. Als Verfahrensmangel kann eine Verletzung der §§ 109 und 128 Abs. 1 Satz 1 Sozialgerichtsgesetz nicht und eine Verletzung des § 103 Sozialgerichtsgesetz nur gerügt werden, soweit das Landessozialgericht einem Beweisantrag ohne hinreichende Begründung nicht gefolgt ist.

Für die Beschwerde gegen die Nichtzulassung der Revision kann ein Beteiligter, der nicht schon durch die oben genannten Vereinigungen, Gewerkschaften oder juristischen Personen vertreten ist, Prozesskostenhilfe zum Zwecke der Beiordnung eines Rechtsanwalts beantragen.

Der Beteiligte kann die Prozesskostenhilfe selbst beantragen. Der Antrag ist beim Bundessozialgericht entweder schriftlich oder in elektronischer Form einzureichen oder mündlich vor dessen Geschäftsstelle zu Protokoll zu erklären.

Dem Antrag sind eine Erklärung des Beteiligten über seine persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse (Familienverhältnisse, Beruf, Vermögen, Einkommen und Lasten) sowie entsprechende Belege beizufügen. Hierzu ist der für die Abgabe der Erklärung vorgeschriebene Vordruck zu benutzen. Der Vordruck kann von allen Gerichten oder durch den Schreibwarenhandel bezogen werden.

Wird Prozesskostenhilfe bereits für die Einlegung der Beschwerde begehrt, so müssen der Antrag und die Erklärung über die persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse - gegebenenfalls nebst entsprechenden Belegen - bis zum Ablauf der Frist für die Einlegung der Beschwerde (ein Monat nach Zustellung des Urteils) beim Bundessozialgericht eingegangen sein.

Mit dem Antrag auf Prozesskostenhilfe kann ein zur Vertretung bereiter Rechtsanwalt benannt werden.

Ist dem Beteiligten Prozesskostenhilfe bewilligt worden und macht er von seinem Recht, einen Anwalt zu wählen, keinen Gebrauch, wird auf seinen Antrag der beizuordnende Rechtsanwalt vom Bundessozialgericht ausgewählt.

Der Beschwerdeschrift und allen folgenden Schriftsätzen sollen Abschriften für die übrigen Beteiligten beigefügt werden.

Das Bundessozialgericht bittet darüber hinaus um je zwei weitere Abschriften.

Schriftlich einzureichende Anträge und Erklärungen, die durch einen Rechtsanwalt, durch eine Behörde oder durch eine juristische Person des öffentlichen Rechts einschließlich der von ihr zu Erfüllung ihrer öffentlichen Aufgaben gebildeten Zusammenschlüsse eingereicht werden, sind als elektronisches Dokument zu übermitteln. Ist dies aus technischen Gründen vorübergehend nicht möglich, bleibt die Übermittlung nach den allgemeinen Vorschriften zulässig. Die vorübergehende Unmöglichkeit ist bei der Ersatzeinreichung oder unverzüglich danach glaubhaft zu machen; auf Anforderung ist ein elektronisches Dokument nach

zureichen. Gleiches gilt für die nach dem Sozialgerichtsgesetz vertretungsberechtigten Personen, für die ein sicherer Übermittlungsweg nach § 65a Absatz 4 Nummer 2 SGG zur Verfügung steht (§ 65d SGG).

Rechtskraft
Aus
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