1. Zur Verfassungsmäßigkeit der Regelbedarfsstufe 1 im Zeitraum 1. Januar 2019 bis 30. Juni 2019.
2. § 82 Abs. 4 und 5 SGB XII i. d. F. ab 1. Januar 2018, wonach bei der Hilfe zum Lebensunterhalt und bei der Grundsicherung im Alter und bei Erwerbsminderung bei einem Einkommen aus einer zusätzlichen Altersvorsorge und nicht auch bei einer Rente wegen voller Erwerbsminderung des Leistungsberechtigten ein Freibetrag abzusetzen ist, verstößt nicht gegen Art. 3 Abs. 1 GG.
Die Berufung des Klägers gegen den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Kassel vom 19. Juli 2021 wird zurückgewiesen.
Die Beteiligten haben einander auch für das Berufungsverfahren keine Kosten zu erstatten.
Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand
Die Beteiligten streiten über höhere Leistungen nach dem 4. Kapitel des Sozialgesetzbuchs – Sozialhilfe (SGB XII).
Der 1962 geborene, alleinstehende Kläger ist Fachjournalist für IT-Technik. Er leidet an einer psychischen Störung mit funktionellen Organbeschwerden, Schwerhörigkeit, Stimmstörung, Asthma bronchiale, Bluthochdruck, Reizmagen, Gangstörung bei Übergeeicht mit Stauungserscheinungen beider Beide, Polyneuropathie, Wirbelsäulen- und Gelenkbeschwerden. Nach einer Lungenembolie steht er unter Antikoagulanziendauerbehandlung. Er ist schwerbehindert, jedenfalls ab 29. Juni 2012 waren ein Grad der Behinderung von 50, seit 1. August 2020 ein Grad der Behinderung von 70 und das Merkzeichen „G“ (Bescheid des Hessischen Amtes für Versorgung und Soziales Kassel vom 14. September 2020, Bl. 153 VA) festgestellt. Seit 1. April 2014 bezieht er eine Rente wegen voller Erwerbsminderung sowie. Seit 29. Juli 2019 erhält er weiterhin Leistungen des Pflegegrades 1.
Ebenfalls seit 1. April 2014 bezog der Kläger Leistungen nach dem 4. Kapitel des Sozialgesetzbuches – Sozialhilfe (SGB XII), Grundsicherung im Alter und bei Erwerbsminderung (Bescheide des Beklagten vom 18. September 2014 [Bl. 149 VA] für die Zeit vom 1. August 2014 bis 30. Juni 2015, vom 27. April 2015 [Bl. 247 VA] für die Zeit vom 1. Juli 2015 bis 30. Juni 2016, geändert durch Bescheide vom 13. Juli 2015 [Bl. 276 VA], 23. Juli 2015 [Bl. 302 VA], 30. November 2015 [Bl. 335], 25. April 2016 [Bl. 392 VA], vom 25. April 2016 [Bl. 401 VA] für die Zeit vom 1. Juli 2016 bis 30. Juni 2017, geändert durch Bescheide vom 14. März 2017 [Bl. 420 VA], 3. April 2017 [Bl. 430 VA], vom 9. Mai 2017 [Bl. 443 VA] für die Zeit vom 1. Juli 2017 bis 30. Juni 2018, geändert durch Bescheid vom 2. Januar 2018 [Bl. 461 VA]).
Mit Bescheid vom 25. April 2018 (Bl. 490 VA), geändert durch Bescheid vom 26. April 2018 (Bl. 495 VA) setzte der Beklagte die Leistungen für die Zeit vom 1. Juli 2018 bis 30. Juni 2019 auf 385,06 Euro fest und erkannte den auf den Kläger entfallenden Anteil seiner Kosten der Unterkunft und Heizung als angemessenen an. Er rechnete dabei Einkommen auf den sozialhilferechtlichen Bedarf die Rente wegen voller Erwerbsminderung in Höhe von 327,20 Euro monatlich, gemindert um Beiträge zur Hausrat- und Haftpflichtversicherung in Höhe von 7,67 Euro bzw. 9,88 Euro monatlich, an.
Mit Bescheid vom 8. April 2019 (Bl. 556 ff VA) hob der Beklagten den Bescheid vom 25. April 2018 für die Monate Januar 2019 bis Juni 2019 gemäß § 48 Zehntes Sozialgesetzbuch (SGB X) – Sozialverwaltungsverfahren und Sozialdatenschutz - wegen der Regelbedarfserhöhung sowie der Rentenanpassung ab Januar 2019 auf und berechnete die Leistungen für den Zeitraum vom 1. Januar 2019 bis 30. Juni 2019 in Höhe von 314,72 Euro neu. Die Kosten der Unterkunft und Heizung wurden dabei in tatsächlicher Höhe (abzüglich 67,60 Euro Mietminderung des Klägers gegenüber dem Vermieter) bewilligt. Es ergab sich folgende Berechnung:
Regelbedarf | 424,00 Euro |
Grundmiete | 67,61 Euro |
Heizkosten | 90,00 Euro |
Nebenkosten | 53,50 Euro |
Gesamtbedarf | 635,11 Euro |
Rente wegen voller Erwerbsminderung | - 337,94 Euro |
Abzgl. Hausratversicherung | 7,67 Euro |
Abzgl. Haftpflichtversicherung | 9,88 Euro |
Grundsicherungsleistung | 314,73 Euro |
Hiergegen legte der Kläger am 10. April 2019 Widerspruch (Bl. 568b ff VA) ein. Zugleich stellte er einen Antrag nach § 44 SGB X für die Zeit ab 1. April 2014. Er machte geltend, dass ihm – ebenso wie Beziehern von Betriebs- oder Privatrenten - auf seine gesetzliche Rente wegen voller Erwerbsminderung ein Freibetrag in Höhe von monatlich 212,00 Euro zuzubilligen sei, was für den Zeitraum vom 1. April 2014 bis 30. April 2019 zu einem zu verzinsenden Nachzahlungsanspruch in Höhe von 12.720,00 Euro (richtig: 12.932,00 Euro) führe. Ab Mai 2019 sei der Freibetrag laufend zu gewähren. Auch der Regelbedarf sei verfassungswidrig zu niedrig bemessen.
Mit Schreiben vom 20. Mai 2019 (Bl. 591 ff VA) hörte der Beklagte den Kläger zu der beabsichtigten Zurückweisung des Widerspruchs an.
Am 24. Mai 2019 hat der Kläger Klage vor dem Sozialgericht in Kassel erhoben, mit der er sein Widerspruchsbegehren weiterverfolgt hat. Mit Widerspruchsbescheid vom 3. Juli 2019 (Bl. 36 ff Gerichtsakte) hat der Beklagte den Widerspruch des Klägers zurückgewiesen und zur Begründung ausgeführt, der Kläger habe keinen Anspruch auf höhere Leistungen. Diesem stehe der Regelbedarf der Regelbedarfsstufe 1 in Höhe von 424,00 Euro zu, Mehrbedarfe, einmalige Bedarfe oder Ähnliches habe der Kläger nicht geltend gemacht. Die volle Anrechnung der Erwerbsminderungsrente entspreche den gesetzlichen Regelungen. Ab dem 1. Januar 2018 regele § 82 Abs. 4 SGB XII einen Freibetrag für Einnahmen aus einer zusätzlichen Altersvorsorge i. S. v. § 82 Abs. 5 SGB XII. Der Gesetzgeber habe im Rahmen seines Gestaltungsermessens die Privilegierung für Einkünfte aus einer zusätzlichen freiwilligen Altersvorsorge in den Normenkatalog aufgenommen. Dies verstoße nicht gegen das Grundrecht auf Gleichbehandlung. Er – der Beklagte – habe gemäß dem Grundsatz der Gesetzesbindung der Verwaltung nach Art. 20 Abs. 3 GG jedenfalls die gesetzlichen Vorgaben einzuhalten.
Der Kläger hat die Auffassung vertreten, die vollständige Anrechnung einer Erwerbsminderungsrente auf die Grundsicherungsleistungen verstoße gegen Art. 3 GG; es liege kein verfassungsrechtlich tragfähiger Grund vor, die Bezieher von Betriebs- oder Privatrenten bei der Anrechnung von Einkommen in Bezug auf aufstockende Leistungen nach dem SGB XII zu bevorteilen. Die Regelleistung sei rechtsfehlerhaft bemessen. Nach wie vor erfolge die Regelleistungsbemessung nicht realitätsnah, sondern werde durch allerlei Kürzungen künstlich niedrig gehalten.
Der Beklagte hat vorgetragen, die betreffenden Freibeträge in § 82 Abs. 4 und Abs. 5 SGB XII seien erst mit Wirkung zum 1. Januar 2018 mit dem Betriebsrentengesetz neu eingeführt worden seien. Entgegen der Auffassung des Klägers verstoße die Ausgestaltung des § 82 Abs. 4 und Abs. 5 SGB XII jedoch nicht gegen den allgemeinen Gleichheitssatz des Art. 3 GG. Die Freibetragsbegünstigung für Bezieher einer freiwilligen zusätzlichen Altersvorsorge aufgrund des eigeninitiativen, zusätzlichen Charakters dieser Altersvorsorge zur Reduzierung drohender Versorgungslücken im Alter sei sachlich gerechtfertigt. Die Differenzierung zwischen freibetragsbegünstigten Privat- und Betriebsrenten und nichtbegünstigten gesetzlichen Renten in § 82 Abs. 4 und Abs. 5 SGB XII beruhe auf der einleuchtenden und sachlich vertretbaren Zielsetzung des Gesetzgebers, hiermit auch bei Geringverdienern einen Anreiz zu setzen, eine freiwillige zusätzliche Altersvorsorge zu betreiben, und insgesamt eine höhere Verbreitung der betrieblichen Altersvorsorge bei Geringverdienern zu erreichen. Da § 82 Abs. 4 und Abs. 5 SGB XII keine grundrechtswidrige Ungleichbehandlung erkennen lasse, entbehre die Klage bereits in ihrer Grundannahme, ausweislich derer der Beklagte seine Beratungspflicht nach den §§ 14 ff. Sozialgesetzbuch - Allgemeiner Teil (SGB I) unterlassen haben solle, jeder Grundlage. Im Übrigen dürfte hier dann aber auch der Zivilrechtsweg gegeben sein. Soweit der Kläger überdies die Höhe der Regelleistungsbemessung des Bundesgesetzgebers im SGB XII als nicht realitätsnah bemängele und sinngemäß die Regelbedarfsermittlung bzw. Regelbedarfsstufen und deren Fortschreibung nach den §§ 28, 28 a SGB XII als nicht verfassungskonform erachte, griffen auch diese Bedenken aus den im Widerspruchsbescheid dargelegten Gründen nicht durch. Im Übrigen sei die Bestimmung der ermittelten Regelbedarfe für die Zeit ab dem 1. Januar 2017 auf der Grundlage des Regelbedarfs-Ermittlungsgesetzes (RBEG) auch mit der sozialgerichtlichen Rechtsprechung verfassungsrechtlich nicht zu beanstanden. Konkrete Anhaltspunkte für eine evidente Unterdeckung des Existenzminimums lägen nicht vor.
Mit Gerichtsbescheid vom 19. Juli 2021 hat das Sozialgericht nach Anhörung der Beteiligten die Klage abgewiesen.
Gegen den ihm am 21. Juli 2021 zugestellten Gerichtsbescheid hat der Kläger am 17. August 2021 Berufung beim Hessischen Landessozialgericht eingelegt.
Der Kläger vertritt weiterhin die Auffassung, die Anrechnung seiner Rente wegen voller Erwerbsminderung zu 100% als Einkommen auf die Grundsicherung nach dem SGB XII sei unzulässig. Mindestens Art. 3 GG werde hierdurch zu seinem Nachteil und zum Vorteil gesunder Menschen eklatant verletzt. Er sei unverschuldet erwerbsunfähig schwer erkrankt. Er habe die Beiträge für die Erwerbsminderungsrente ebenso erbracht wie die Gesunden für ihre Alters- und/oder Betriebsrente. Seine Erwerbsminderungsrente unterscheide sich de jure nicht von Altersrenten, die ebenfalls durch Beiträge aus abhängiger Beschäftigung finanziert würden. Die Anrechnung stelle einen Verstoß gegen Art. 3 Abs. 3 Satz 1 GG dar. Hierzu berufe er sich auf die maßgeblichen Passagen (S. 37 bis 60) des als Anlage Nr. 14 vorgelegten Gutachtens von Prof. Dr. B., in dem herausgearbeitete werde, dass die Anrechnung der Erwerbsminderungsrente auf die Grundsicherung im Widerspruch zu Art. 3 Abs. 1 und Art. 2 Abs. 1 GG stehe. Es gebe keine verfassungs- oder auch europarechtskonforme Bestimmung, die er erlauben würde, seine Rente wegen voller Erwerbsminderung bei der Grundsicherung nach dem SGB XII als Einkommen anzurechnen. Für ihn müssten mindestens dieselben Freibeträge bei der Einkommensanrechnung gelten wir für Altersrentner.
Unter Vorlage zahlreicher (elektronischer) Dokumente trägt der Kläger weiter vor, evidenzbasierte Gutachten und Expertisen belegten klar und zweifelsfrei, dass die Regelleistung im SGB XII bewusst mithilfe verschiedener statistischer Tricks des Staates soweit heruntergerechnet würden, dass Mangel in sämtlichen Lebensbereichen entstehe. Er sei hiervon unmittelbar betroffen. Die Bemessung der Regelleistung verstoße in weiten Teilen gegen die Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts. Es könne von ihm nicht verlangt werden, für die Anschaffung sog. „weißer Ware“ oder andere Bedarfe beim Beklagten Darlehen zu beantragen und diese dann ratenweise zurückzuzahlen oder Stromkosten nachzuzahlen, dafür reiche die Regelleistung nicht aus. Energiekrise und galoppierende Inflation verschärften seine finanzielle Notlage, sie hätten entgegen der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts nicht sofort zu einer Neubemessung der Regelleistungen geführt. Die Regelleistungsbemessung sei um mehr als 50% zu niedrig bemessen. Bei korrekter (Alternativ-)Bemessung müsse sie nach Auffassung des Paritätischen Wohlfahrtsverbands im Jahr 2021 bei 664 Euro monatlich liegen, zuzüglich Kosten der Unterkunft, zu denen auch die Kosten des Haushaltsstroms zählen müssten. Der Paritätische Wohlfahrtsverband und der Sachverständige Dipl.-Kfm. H. legten dar, dass der Regelbedarf nicht auf den realen Produktpreisen und den ursächlichen Kosten des täglichen Lebens basiere. Angesichts eines abweichenden Bedarfs komme die Frage auf, welche Vergleichsgröße für die „Abweichungen“ ermittelt werden sollten. Dies sei von zentraler Bedeutung werde jedoch völlig verkannt. Das vorliegende Anspruchs-Zubilligungssystem basiere auf einem statistischen Modell, bei dem aus dem Ausgabeverhalten einer vom Gesetzgeber definierten Referenzgruppe bestimmte Ausgabenpositionen ausgewählt würden, die dann zugewiesen würden. Diese Vorgehensweise sei auch nach den Vorgaben des Bundesverfassungsgerichts insgesamt unzulässig. Die festgesetzte Regelbedarfshöhe im RBEG 2017 basiere auf einer Auswertung von lediglich 13,6% der Ein-Personen-Haushalte, gleiches gelte für das RBEG 2021. In der Datenquelle, die den „Bereinigungswert“ enthalte, werde keine Transparenz geboten, er sei daher nicht nachzuvollziehen. Eine absehbare Kaufkraftminderung müsse abgewendet werden, um ein weiteres Absinken der Regelbedarfe unter das verfassungsrechtlich geforderte Existenzminium zu verhindern. Eine korrekte, gesetzeskonforme und die Entscheidungen des Bundesverfassungsgerichts berücksichtigende Bemessung der Regelleistungen erfolge sei Jahren nicht, erst ab einem Betrag von 730 Euro werde nach einer Studie von Hausstein aus dem Jahr 2011 das soziokulturelle Existenzminimum gedeckt. Auch das derzeitige Bürgergeld sei nicht ausreichend, um materielle und soziale Ernährungsarmut zu verhindern. Die Annahme, dass 100% der gekauften Waren verzehrt würden, sei nicht realistisch. Bereits bei der Einführung der Warenkorbmethode in der Sozialhilfe sei anerkannt, dass ein Teil der Lebensmittel durch Verderb und Schwund verloren gingen. Die Deutsche Gesellschaft für Ernährung gehe von einem Verlust von mindestens 10% aus. Die soziale Teilhabe durch außerhäusige Verpflegung werde als „nicht regelbedarfsrelevant“ betrachtet, was dazu führe, dass Menschen keinerlei gesellschaftliche Teilhabe mehr erlebten. Auch er könne es sich nicht leisten, mit Freunden Essen zu gehen. Die verfügbaren Mittel reichten bei Weitem nicht aus, um eine gesunde Ernährung, die für alle Altersgruppen von großer Bedeutung sei, angemessen zu finanzieren. Er – der Kläger – müsse aufgrund seiner gesundheitlichen Gesamtsituation sehr auf eine einigermaßen gesunde Ernährung achten und gebe daher monatlich im Durchschnitt 350 Euro für Lebensmittel aus, also weit mehr, als im Regelbedarf vorgesehen. Er könne sich dafür andere Dinge, z. B. Bekleidung nicht mehr leisten. Prof. Dr. E. betone, dass eine gesunde Ernährung, wie sie Kinder und auch schwerkranke, schwerbehinderte Menschen wie er – der Kläger – selbst benötigten, mit den verfügbaren Mitteln des SGB XII nicht finanziert werden könne. Weiterhin müssten die Kosten für Haushaltsstrom als Kosten der Unterkunft voll übernommen werden.
Der Kläger beantragt (sinngemäß),
den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Kassel vom 19. Juli 2021 aufzuheben und
1. den Bescheid vom 8. April 2019 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 3. Juli 2019 abzuändern und den Beklagten zu verurteilen, ihm im Zeitraum vom 1. Januar 2019 bis 30. Juni 2019 Leistungen nach dem 4. Kapitel des SGB XII auf der Grundlage eines verfassungsgemäßen höheren allgemeinen monatlichen Regelbedarfs und der zusätzlichen Berücksichtigung eines Rentenfreibetrages von 212,00 Euro monatlich zu gewähren sowie
2. ihm Leistungen nach dem 4. Kapitel des SGB XII für die Zeit vom 1. April 2014 bis 31. Dezember 2018 (= 57 Monate) in Höhe von weiteren 212,00 Euro monatlich und mithin insgesamt 12.084,00 Euro nachzuzahlen.
Der Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Er trägt vor, es stehe im sozialpolitischen Ermessen des Gesetzgebers, die verschiedenen Einkommensarten auch bei der Einkommensanrechnung unterschiedlich zu behandeln, wobei der Freibetrag für Einkommen aus zusätzlicher Altersvorsorge nach der Auffassung des Gesetzgebers die freiwillige Altersvorsorge honorieren und bereits bestehende Anreize zu staatlich geförderter Vorsorge sichern solle.
Wegen des Sach- und Streitstandes wird auf den Inhalt der Gerichts- und der Verwaltungsakten des Beklagten, welche Gegenstand der mündlichen Verhandlung waren, Bezug genommen.
Entscheidungsgründe
Der Senat konnte trotz des Ausbleibens der Beteiligten aufgrund des Termins zur mündlichen Verhandlung vom 18. Oktober 2023 entscheiden, weil sie mit der Terminsmitteilung vom 18. September 2023 ordnungsgemäße Mitteilung vom Termin erhalten haben und darauf hingewiesen worden sind, dass auch im Falle seines Ausbleibens Beweis erhoben, verhandelt und entschieden werden kann (§ 110 SGG). Die Terminmitteilungen sind dem Kläger am 5. Oktober 2023 durch Einlegung in den Briefkasten seiner Wohnung und dem Beklagten am 4. Oktober 2023 jeweils zugestellt worden.
Die zulässige Berufung des Klägers ist nicht begründet.
Gegenstand des Berufungsverfahrens ist die kombinierte Anfechtungs- und Leistungsklage des Klägers, gerichtet auf die Änderung des Bescheids des Beklagten vom 8. April 2019 (Bl. 556 VA) in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 3. Juli 2019 (Bl. 36 ff GA) und die Gewährung höherer Leistungen der Grundsicherung im Alter und bei Erwerbsminderung nach dem 4. Kapitel des Sozialgesetzbuchs Zwölftes Buch (SGB XII) – Sozialhilfe – im Zeitraum 1. Januar 2019 bis 30. Juni 2019 unter Berücksichtigung eines Freibetrags bei der leistungsmindernden Anrechnung seiner Rente wegen voller Erwerbsminderung in Höhe von 212,00 Euro monatlich, sowie seine Leistungsklage, gerichtet auf die Nachzahlung von weiteren Leistungen für die Zeit vom 1. April 2014 bis 31. Dezember 2018 (= 57 Monate) in Höhe von 212,00 Euro monatlich.
Die Klage ist bereits unzulässig, soweit der Kläger, welcher seit 1. August 2014 Leistungen der Grundsicherung im Alter und bei Erwerbsminderung nach dem SGB XII bezieht, für den Zeitraum vom 1. April 2014 bis 31. Dezember 2018 eine Nachzahlung in Höhe von 212,00 Euro monatlich begehrt. Die Klage ist als Leistungsklage gem. § 54 Abs. 5 Sozialgerichtsgesetz (SGG) bereits nicht zulässig. Soweit das Begehren des Klägers als allein statthafte kombinierte Anfechtungs-, Verpflichtungs- und Leistungsklage (§ 54 Abs. 1 Satz 1 i. V. m. Abs. 4, § 56 SGG) auf die gerichtliche Durchsetzung seines Überprüfungsantrags vom 10. April 2019 auszulegen wäre, wäre die Klage jedoch bereits wegen des Fehlens einer Verwaltungsentscheidung unzulässig. Der Beklagte hat über den Überprüfungsantrag des Klägers in dessen Widerspruchsschreiben vom 10. April 2019 noch nicht entschieden. Die Bescheide des Beklagten vom 18. September 2014 (Bl. 149 VA) bezüglich der Leistungsbewilligung für die Zeit vom 1. August 2014 bis 30. Juni 2015, vom 27. April 2015 (Bl. 247 VA) für die Zeit vom 1. Juli 2015 bis 30. Juni 2016, geändert durch Bescheide vom 13. Juli 2015 (Bl. 276 VA), 23. Juli 2015 (Bl. 302 VA), 30. November 2015 (Bl. 335), 25. April 2016 (Bl. 392 VA), vom 25. April 2016 (Bl. 401 VA) für die Zeit vom 1. Juli 2016 bis 30. Juni 2017, geändert durch Bescheide vom 14. März 2017 (Bl. 420 VA), 3. April 2017 (Bl. 430 VA), vom 9. Mai 2017 (Bl. 443 VA) für die Zeit vom 1. Juli 2017 bis 30. Juni 2018, geändert durch Bescheid vom 2. Januar 2018 (Bl. 461 VA), vom 25. April 2018 (Bl. 490 VA) für die Zeit vom 1. Juli 2018 bis 30. Juni 2019, geändert durch Bescheid vom 26. April 2018 (Bl. 495 VA) sind bestandskräftig und stehen der begehrten Nachzahlung daher entgegen.
Soweit der Kläger sich mit seiner Klage gegen den Bescheid vom 8. April 2019, mit welchem der Beklagte die Leistungen für die Zeit vom 1. Januar 2019 bis 30. Juni 2019 unter Änderung des Bescheids vom 25. April 2018 neu berechnet hat, in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 10. April 2019 richtet, ist die Klage zulässig, insbesondere ist das erforderliche Vorverfahren erfolglos abgeschlossen.
Die insoweit zulässige Klage ist unbegründet, denn der Kläger hat keinen Anspruch auf höhere Leistungen für die Zeit vom 1. Januar 2019 bis 30. Juni 2019. Der Bescheid vom 8. April 2019 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 10. April 2019 ist rechtmäßig und verletzt den Kläger nicht in seinen Rechten.
Rechtsgrundlage für die streitgegenständlichen Leistungen der Grundsicherung im Alter und bei Erwerbsminderung sind §§ 41 Abs. 3, 42 Nr. 1 i.V.m. § 27a Abs. 3 Satz 3 und Absatz 4 Satz 1 und 2, § 28 nebst Anlage, § 42 Nr. 4 Buchst. a) Zwölftes Sozialgesetzbuch (SGB XII) – Sozialhilfe –.
Der Kläger ist dauerhaft voll erwerbsgemindert und im streitgegenständlichen Zeitraum daher nach § 41 Abs. 3 SGB XII leistungsberechtigt i. S. v. § 41 Abs. 1 SGB XII
Der vom Beklagten berücksichtigte Regelbedarf zur Sicherung des Lebensunterhalts für eine alleinstehende erwachsene Person - wie den Kläger - nach der Regelbedarfsstufe 1 von 424 Euro entspricht den gesetzlichen Vorschriften (§ 42 Nr. 1, §§ 28 nebst Anlage, 28a SGB XII in der im streitigen Zeitraum maßgeblichen Fassung). Auch von Verfassungs wegen stehen dem Kläger darüber hinausgehende Leistungen nicht zu.
Die Höhe der Leistungen bestimmt der Gesetzgeber gemäß § 28 SGB XII und dem Gesetz zur Ermittlung der Regelbedarfe (RBEG, in der hier maßgeblichen Fassung vom 22. Dezember 2016, BGBl. I S. 3159; [RBEG 2017]) auf der Grundlage der Einkommens- und Verbrauchsstichprobe (EVS) mit Hilfe von Sonderauswertungen. Die Leistungen sind an durchschnittlichen Verbrauchsausgaben verschiedener Haushaltstypen - Einpersonenhaushalte und Familienhaushalte - in den unteren Einkommensgruppen orientiert, die auf den Bedarf zur Sicherung einer menschenwürdigen Existenz verweisen. Die bedarfsrelevanten Ausgaben sind verschiedenen Abteilungen der Einkommens- und Verbrauchsstichprobe zugeordnet. Es handelt sich um pauschalierte „Regelbedarfe“, nicht um einen Warenkorb; die Betroffenen sollen mit dem als Gesamtsumme ausgezahlten Budget eigenständig wirtschaften können und etwaige höhere Bedarfe durch Ansparen über die Zeit ausgleichen (dazu BT-Drucks. 18/9984, S. 27), also mit den Regelbedarfsleistungen eigenverantwortlich umgehen (vgl. § 27a Abs. 3 Satz 2 SGB XII i. d. F. des RBEG 2017). Um jeweils den aktuellen Bedarf sichern zu können, wird die Höhe der Leistungen in den Jahren, in denen keine Neuermittlung erfolgt, nach § 28a Abs. 1 SGB XII (i. d. F. des Gesetzes zur Ermittlung von Regelbedarfen und zur Änderung des Zweiten und Zwölften Buches Sozialgesetzbuch vom 24. März 2011, BGBl. I, 453; a. F.) mit der sich nach § 28a Abs. 2 SGB XII a. F. ergebenden Veränderungsrate durch Verordnung (§ 40 SGB XII) fortgeschrieben. Im Jahr 2019 beruhte die Entscheidung über die Höhe der Leistungen auf der Einkommens- und Verbrauchsstichprobe 2013 (§ 1 Abs. 1, § 5 RBEG 2017; dazu BT-Drucks. 18/9984, S. 84 f.) und richtete sich nach der Regelbedarfsstufen-Fortschreibungsverordnung 2019 (RBSFV 2019 vom 19. Oktober 2018, BGBl I S. 1766). Die Höhe der existenzsichernden Leistungen ist in Stufen pauschaliert. Die Stufen orientieren sich grundsätzlich am Lebensalter, an der Wohnform und am persönlichen Näheverhältnis der zusammen Wohnenden. Die – vorliegend relevante - Regelbedarfsstufe 1 beziffert den Höchstsatz der Leistungen für eine erwachsene Person, die in einer Wohnung lebt (vgl. § 42a Abs. 2 Satz 2 SGB XII i. d. F. des RBEG 2017, § 8 Abs. 1 Satz 2 RBEG 2017) und nicht in Regelbedarfsstufe 2 fällt.
Die Regelbedarfe nach dem SGB XII für den hier streitgegenständlichen Zeitraum vom 1. Januar 2019 bis 30. Juni 2019 stehen zur Überzeugung des Senats mit den Anforderungen aus Art. 1 Abs. 1 i. V. m. Art. 20 Abs. 1 GG in Einklang (vgl. zur Frage der Verfassungsmäßigkeit von Regelbedarfen ausführlich auch: Beschlüsse des Senats vom 9. Oktober 2017, L 4 SO 166/17 B; vom 28. Mai 2019, L 4 SO 205/18 und vom 15. August 2019, L 4 SO 120/19 B; vom 1. Juni 2023 – L 4 SO 41/23 B ER –, Rn. 10, juris). Der Staat hat im Rahmen seines Auftrags zum Schutz der Menschenwürde und in Ausfüllung seines sozialstaatlichen Gestaltungsauftrags dafür Sorge zu tragen, dass die materiellen Voraussetzungen für die Gewährleistung eines menschenwürdigen Daseins erfüllt werden, wenn einem Menschen die hierfür erforderlichen notwendigen materiellen Mittel weder aus seiner Erwerbstätigkeit noch aus seinem Vermögen oder durch Zuwendungen Dritter zur Verfügung stehen. Dem Gesetzgeber steht hinsichtlich der Ausgestaltung des Grundrechts auf Gewährleistung eines menschenwürdigen Existenzminimums jedoch ein Gestaltungsspielraum bei der Bemessung des Existenzminimums zu, der einer zurückhaltenden Kontrolle durch das BVerfG entspricht (BVerfG, Urteil vom 9. Februar 2010 - 1 BvL 1/09 u.a., juris Rn. 133, 134; Urteil vom 5. November 2019 - 1 BvL 7/16, juris Rn. 118, 119). Da das Grundgesetz selbst keine exakte Bezifferung des Anspruchs auf existenzsichernde Leistungen vorgibt, beschränkt sich die materielle Kontrolle der Höhe von Sozialleistungen zur Sicherung einer menschenwürdigen Existenz durch das BVerfG in einer zweistufigen Prüfung darauf, ob die Leistungen erstens evident unzureichend sind (BVerfG, Urteil vom 9. Februar 2010 - 1 BvL 1/09 -, juris Rn. 141; Beschluss vom 27. Juli 2016 - 1 BvR 371/11, juris Rn. 41). Evident unzureichend sind Sozialleistungen nur, wenn offensichtlich ist, dass sie in der Gesamtsumme keinesfalls sicherstellen können, Hilfebedürftigen in Deutschland ein Leben zu ermöglichen, das physisch, sozial und kulturell als menschenwürdig anzusehen ist (ausdrücklich BVerfG, Beschluss vom 23. Juli 2014 - 1 BvL 10/12 u.a. - juris Rn. 81). Jenseits dieser Evidenzkontrolle ist zweitens zu prüfen, ob die Bemessung der Leistungen jeweils aktuell auf der Grundlage verlässlicher Zahlen und schlüssiger Berechnungsverfahren im Ergebnis zu rechtfertigen ist (BVerfG, Beschluss vom 23. Juli 2014 - 1 BvL 10/12 u.a. - juris Rn. 82).
Soweit der Kläger beanstandet, dass die Regelleistung für die Anschaffung sog. „weißer Ware“ nicht ausreiche, ist in der Leistung zur Deckung der Regelbedarfe ein pauschaler, den Durchschnittsbedarf in üblichen Bedarfssituationen widerspiegelnder (vgl. BVerfG vom 9. Februar 2010 - 1 BvL 1/09, 3/09, 4/09 - BVerfGE 125, 175-, juris Rn. 204) Einzelbetrag für Innenausstattung, Haushaltsgeräte und Haushaltsgegenstände enthalten (Abteilung 5 für Erwachsene). Die Ausgaben für Waschmaschinen, Wäschetrockner, Geschirrspül- und Bügelmaschinen (EVS 2013 laufende Nummer 24, Code 0531 200, BT-Drucks 18/9984, S. 39) sind dabei zu 100 Prozent berücksichtigt worden (vgl. Schwabe ZfF 2019, 1, 9). Gegen diese gesetzgeberische Konzeption, wonach Bedürftige Mittel zur Bedarfsdeckung eigenverantwortlich ausgleichen und ansparen müssen, hat auch das Bundesverfassungsgericht aus verfassungsrechtlicher Sicht ausdrücklich keine Einwände formuliert (BVerfG, Beschluss vom 23. Juli 2014 - 1 BvL 10/12, 1 BvL 12/12, 1 BvR 1691/13 - BVerfGE 137, 34 -, juris Rn. 119; vgl. auch BVerfG vom 9. Februar 2010 - 1 BvL 1/09 u. a. - BVerfGE 125, 175 -, juris Rn. 205).
Zwar hat das Bundesverfassungsgericht auch darauf hingewiesen, dass aus der statistischen Berechnung des Regelbedarfs in Orientierung an den auf der Grundlage einer Stichprobe berechneten Verbrauchsausgaben eines Teils der Bevölkerung die Gefahr folgen könne, dass mit der Festsetzung der Gesamtsumme für den Regelbedarf die Kosten für einzelne bedarfsrelevante Güter nicht durchgängig gedeckt seien, und dem entweder der Gesetzgeber durch zusätzliche Ansprüche auf Zuschüsse zur Sicherung des existenznotwendigen Bedarfs oder die Sozialgerichte durch die verfassungskonforme Auslegung anspruchsbegründender Normen begegnen könnten (BVerfG vom 23. Juli 2014 - 1 BvL 10/12, 1 BvL 12/12, 1 BvR 1691/13 - BVerfGE 137, 34 Rn. 115 f, 120; zur Kritik vgl. Borchert, SGb 2015, 657), indessen ist die Darlehensregelung in § 42 Nr. 5 SGB XII i. V. m. § 37 Abs. 1 SGB XII (in der im streitgegenständlichen Zeitraum geltenden Fassung), nach der im Einzelfall, wenn ein von den Regelbedarfen umfasster und nach den Umständen unabweisbar gebotener Bedarf auf keine andere Weise gedeckt werden, auf Antrag hierfür notwendige Leistungen als Darlehen erbracht werden sollen, so ausgestaltet, dass nach der Rechtsprechung des Bundessozialgerichts jedenfalls bei Ausgaben in der hier in Rede stehenden Größenordnung den verfassungsrechtlichen Vorgaben zur Sicherung des Existenzminimums genügt wird. Insbesondere die Regelungen zur Rückzahlung solcher Darlehen (vgl. § 37 Abs. 4 SGB XII a. F.) sind so gestaltet, dass sie im Einzelfall die Möglichkeit eröffnen, finanzielle Härten abzufangen (BSG, Urteil vom 18. Juli 2019 – B 8 SO 4/18 R, BeckRS 2019, 30693 Rn. 19, beck-online). Denn § 37 Abs. 4 Satz 1 SGB XII a. F. sieht im Anschluss an die Darlehensgewährung keine zwingende Aufrechnung vor, sondern stellt die Rückzahlungsmodalitäten unter einen umfassenden Ermessensvorbehalt. Sowohl die Frage, ob das Darlehen überhaupt zurückgezahlt werden muss, steht im pflichtgemäßen Ermessen des Sozialhilfeträgers als auch die Frage, zu welchem Zeitpunkt eine Rückzahlung gegebenenfalls durch Einbehalt von der laufenden Leistung zu beginnen hat, und schließlich auch die Frage, in welcher Höhe Teilbeträge zurückzuzahlen sind. Der Einbehalt kann im Ermessenswege auch niedriger als auf fünf Prozent der Regelbedarfsstufe 1 festgesetzt werden. Der Anspruch auf die Ausübung pflichtgemäßen Ermessens ist gerichtlich voll überprüfbar und umfasst gem. § 39 Erstes Sozialgesetzbuch (SGB I) – Allgemeiner Teil - alle Umstände des Einzelfalles. Damit bestehen die vom Bundesverfassungsgericht geforderten Auslegungsspielräume für Härtefälle (vgl. BVerfG vom 5. November 2019 - 1 BvL 7/16 - BVerfGE 152, 68 -, juris Rn. 190) und es wird auf gesetzlicher Grundlage ein am individuellen Existenzsicherungsbedarf ausgerichtetes und grundrechtliche Belange des Hilfebedürftigen berücksichtigendes Verwaltungshandeln sichergestellt (BSG, Urteil vom 19. Mai 2022 – B 8 SO 1/21 R –, juris Rn. 22).
Im Übrigen ist auch nicht ersichtlich, dass der Beklagte dem Kläger im streitgegenständlichen Leistungen lediglich darlehensweise gewährt hat oder der Kläger ein Darlehen zurückzahlen musste.
Soweit der Kläger beanstandet, der im streitgegenständlichen Zeitraum in der insoweit maßgeblichen Regelbedarfsstufe 1 vorgesehene Anteil für Nahrungsmittel, Getränke und Tabakwaren in Höhe von 147,83 Euro (s. Schwabe, ZfF 2019, 1) sei unzureichend, um hiervon eine gesundheitsfördernde Ernährung zu finanzieren, hat der Senat keine hinreichenden Anhaltpunkte für eine evident unzureichende Bemessung dieses Regelbedarfsanteils. Bereits aus den vom Kläger zur Stützung seines Vorbringens vorgelegten Unterlagen ergibt sich, dass für eine einkommensinduzierte Zugangsbeschränkung zu einer quantitativ und qualitativ bedarfsgerechten Ernährung keine ausreichende Datenlage besteht (Wissenschaftlicher Beirat für Agrarpolitik, Ernährung und gesundheitlichen Verbraucherschutz bei Bundesministerium für Ernährung und Landwirtschaft [WBAE], Ernährungsarmut unter Pandemiebedingungen, S. 8, 113 [Anlage Nr. 12a zum Schriftsatz des Klägers vom 7. Oktober 2023]; vgl. Anlage Nr. 12 zum Schriftsatz des Klägers vom 7. Oktober 2023, S. 105, 108). Eine evidente Unterdeckung des Regelbedarfsanteils für Ernährung lässt sich hieraus daher nicht ableiten.
Dabei verkennt der Senat nicht den Aspekt der sog. sozialen Ernährungsarmut, der sich als eingeschränkte soziale und kulturelle Teilhabe im Bereich der Ernährung darstellt (WBAE, Ernährung unter Pandemiebedingungen, S. 4, 6 [Anlage Nr. 12a zum Schriftsatz des Klägers vom 7. Oktober 2023]). Indessen hat das Bundesverfassungsgericht die Methodik der Regelbedarfsbemessung auch in Bezug auf den Bereich der Ernährung gebilligt (vgl. BVerfG, Urteil vom 9. Februar 2010 – 1 BvL 1/09 –, BVerfGE 125, 175, juris Rn. 152). Folgerichtig verlangt der WBAE auch eine von der bisherigen gesetzlichen Konzeption unterschiedliche Berechnungsmethodik des diesbezüglichen Regelbedarfsanteils (WBAE, Ernährung unter Pandemiebedingungen, S. 109 [Anlage Nr. 12a zum Schriftsatz des Klägers vom 7. Oktober 2023]). Indessen verpflichtet das Grundgesetz den Gesetzgeber nicht, durch Einbeziehung aller denkbaren Faktoren eine optimale Bestimmung des Existenzminimums vorzunehmen; darum zu ringen ist vielmehr Sache der Politik (BVerfG, Beschluss vom 23. Juli 2014 – 1 BvL 10/12 –, BVerfGE 137, 34, juris Rn. 77). Der Senat hat daher hinsichtlich Verfasssungsmäßigkeit der Bemessung des Regelbedarfs für den Bereich der Ernährung im streitgegenständlichen Zeitraum keine durchgreifenden Bedenken, berücksichtigt der Gesetzgeber des RBEG 2017 für Nahrungsmittel und nichtalkoholische Getränke (Abteilung 5) die in der EVS 2013 hierfür ermittelten monatlichen Ausgaben je Haushalt zu jeweils 100% (vgl. Schwabe, ZfF 2019, 1, 4) und schafft durch die Berücksichtigung des Warenwerts von Nahrungsmitteln und Getränken im Bereich Beherbergungs- und Gaststättendienstleistungen (Abteilung 11) mit Anerkennung von 34,1% der Ausgaben für die auswärtige Verpflegung einen Ausgleich für den stattdessen anfallenden häuslichen Verpflegungsbedarf (Schwabe, ZfF 2019, 1, 15).
Vom Kläger zur Begründung der vermeintlichen Verfassungswidrigkeit weiterhin vorgelegten Unterlagen gehen entweder von einem Bedarfsbegriff aus, der nicht mit dem SGB XII deckungsgleich ist (so ausdrücklich Hausstein, Was der Mensch braucht, Anlage Nr. 8 zum Schriftsatz des Klägers vom 7. Oktober 2023) oder betreffen im Kern spätere Zeiträume, die nicht streitgegenständlich sind (so Deutscher Paritätischer Wohlfahrtsverband, Regelbedarfe 2021, Alternative Berechnungen zur Ermittlung der Regelbedarfe in der Grundsicherung [Anlage Nr. 2 zum Schriftsatz des Klägers vom 7. Oktober 2023]; Deutscher Paritätischer Wohlfahrtsverband, Regelbedarfe 2023: Fortschreibung der Paritätischen Regelbedarfsforderung [Anlage Nr. 3 zum Schriftsatz des Klägers vom 7. Oktober 2023]; Lenze, Verfassungsrechtliches Kurzgutachten zur Fortschreibung der Regelbedarfsstufen nach § 28a SGB XII zum 1.1.2022 [Anlage Nr. 4 zum Schriftsatz des Klägers vom 7. Oktober 2023]; Verbraucherzentrale: Steigende Lebensmittelpreise: Fakten, Ursachen, Tipps [Anlage Nr. 5 zum Schriftsatz des Klägers vom 7. Oktober 2023]; Antrag der Abgeordneten Jessica Tatti, Susanne Ferschl, Matthias W. Birkwald, Gökay Akbulut, Ates Gürpinar, Jan Korte, Pascal Meiser, Sören Pellmann, Heidi Reichinnek, Dr. Petra Sitte, Kathrin Vogler und der Fraktion DIE LINKE, Regelsatz ehrlich berechnen – Sonderzahlungen reichen nicht aus, BT- Drucks. 20/1502 [Anlage Nr. 6 zum Schriftsatz des Klägers vom 7. Oktober 2023]. Sell: Zur Höhe der Hartz IV- bzw. „Bürgergeld“-Leistungen: Die einen geben Gas und gleichzeitig wird gebremst, andere machen sich auf den Weg zum Bundesverfassungsgericht; Aktuelle Sozialpolitik, 16. Juli 2022 [Anlage Nr. 7 zum Schriftsatz des Klägers vom 7. Oktober 2023]; Masslau, SGB II / SGB XII: Regelleistung 2021 verfassungswidrig [Anlage Nr. 9 zum Schriftsatz des Klägers vom 7. Oktober 2023]; Masslau, SGB II / SGB XII: Regelleistung 2022 verfassungswidrig [Anlage Nr. 10 zum Schriftsatz des Klägers vom 7. Oktober 2023]; Masslau, Regelleistung 2023 [Anlage Nr. 11 zum Schriftsatz des Klägers vom 7. Oktober 2023]; Kleine Anfrage der Abgeordneten Jessica Tatti, Susanne Ferschl, Gökay Akbulut, Matthias W. Birkwald, Ates Gürpinar, Dr. Gesine Lötzsch, Pascal Meiser, Sören Pellmann,Heidi Reichinnek, Dr. Petra Sitte, Kathrin Vogler und der Fraktion DIE LINKE; BT-Drucks. 20/7227 [Anlage Nr. 15 zum Schriftsatz des Klägers vom 7. Oktober 2023]; Becker, Ermittlung eines angemessenen Inflationsausgleichs 2021 und 2022 für Grundsicherungsbeziehende [Anlage Nr. 16 zum Schriftsatz des Klägers vom 7. Oktober 2023]; Becker, Aktualisierung der Studie Becker 2022, Ermittlung eines angemessenen Inflationsausgleichs 2021 und 2022 für Grundsicherungsbeziehende [Anlage Nr. 17 zum Schriftsatz des Klägers vom 7. Oktober 2023]; Klose, Bürgergeld-Regelsatz: Reichen 725 Euro oder doch eher 806 Euro [Anlage Nr. 18 zum Schriftsatz des Klägers vom 7. Oktober 2023]). Sie sind zur Begründung einer evidenten Bedarfsunterdeckung in der streitgegenständlichen Zeit vom 1. Januar 2019 bis 30. Juni 2019 daher nicht geeignet. Die wesentliche Argumentation ist insoweit, dass Preissteigerungen infolge von Sars-Cov-2-Pandemie, Inflation und Energiekrise zu einer unzureichenden Erhöhung der Regelbedarfe führten. Diese Sachverhalte lagen im streitgegen¬ständlichen Zeitraum indessen (noch) nicht vor.
Soweit der Kläger unter Bezugnahme auf die mit Schriftsatz vom 7. Oktober 2023 ins Verfahren eingeführten Unterlagen (z. B. Deutscher Paritätischer Wohlfahrtsverband, Regelbedarfe 2021, Alternative Berechnungen zur Ermittlung der Regelbedarfe in der Grundsicherung, S. 2 [Anlage Nr. 2 zum Schriftsatz vom 7. Oktober 2023]; Lenze, Verfassungsrechtliches Kurzgutachten zur Fortschreibung der Regelbedarfsstufen nach § 28a SGB XII zum 1.1.2022 [Anlage Nr. 4 zum Schriftsatz vom 7. Oktober 2023]; Antrag der Abgeordneten Jessica Tatti, Susanne Ferschl, Matthias W. Birkwald, Gökay Akbulut, Ates Gürpinar, Jan Korte, Pascal Meiser, Sören Pellmann, Heidi Reichinnek, Dr. Petra Sitte, Kathrin Vogler und der Fraktion DIE LINKE, Regelsatz ehrlich berechnen – Sonderzahlungen reichen nicht aus, BT- Drucks. 20, 1502, S. 4, [Anlage Nr. 6 zum Schriftsatz vom 7. Oktober 2023]) im Wesentlichen beanstandet, der Regelbedarfsermittlung liege eine „unzulässige“ Mischung aus Statistik- und Warenkorbmodell zugrunde, weil sachlich unbegründet und willkürlich die Referenzgruppe zur Berechnung der Regelsätze gewechselt würden, auf die Ausklammerung leistungsberechtigter Personen aus der Referenzgruppe, die ihre Ansprüche nicht geltend machten, verzichtet würde, sowie methodisch unzulässige Streichungen von zahlreichen Ausgabenpositionen in der Referenzgruppe, insbesondere die Streichung oder Kürzung von Ausgaben im Zusammenhang mit der sozialen Teilhabe vorgenommen würden, können damit durchgreifende Zweifel an der Verfassungsmäßigkeit der Regelbedarfsbemessung nicht begründet werden.
Nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts ist es grundsätzlich zulässig, dass der Gesetzgeber die Höhe der Leistungen für den Regelbedarf an dem in der EVS ermittelten Verbrauchsverhalten der unteren Einkommensgruppen orientiert. Er darf davon ausgehen, dass in höheren Einkommensgruppen Ausgaben in wachsendem Umfang über das zur Deckung des Existenzminimums Notwendige hinaus getätigt werden (BVerfG, Beschluss vom 23. Juli 2014 – 1 BvL 10/12 –, BVerfGE 137, 34, juris Rn. 97; vgl. auch BVerfG. Urteil vom 9. Februar 2010 – 1 BvL 1/09, 1 BvL 3/09, 1 BvL 4/09 -, BVerfGE 125, 175, juris Rn. 167ff). Dabei hat das Bundesverfassungsgericht auch nicht beanstandet, dass der Gesetzgeber sich bei der Bestimmung der Höhe der Regelleistungen nur die unteren 15 % der nach ihrem Nettoeinkommen geschichteten Einpersonenhaushalte zu berücksichtigen (vgl. § 4 Nr. 1 RBEG 2017), sondern hat entscheidend darauf abgestellt, dass die Wahl der Referenzgruppe sachlich vertretbar und auch so breit gefasst ist, dass statistisch zuverlässige Daten erhoben werden können. Das Bundesverfassungsgericht hat eine Stichprobe von 1.678 Einpersonenhaushalten im Rahmen der EVS 2008 für hinreichend groß erachtet (BVerfG, Beschluss vom 23. Juli 2014 – 1 BvL 10/12 –, BVerfGE 137, 34, juris Rn. 99). Bei der für das RBEG 2017 relevanten EVS 2013 wurden 2.206 Einpersonenhaushalte ausgewertet, 20,6 % der Referenzhaushalte (BT-Drucks. 18/9984, S. 34). Da sich der Umfang des absoluten oberen Grenzwertes auch für das RBEG 2017 nicht wesentlich verändert hat (BT-Drs. 18/9984, 33 f.), sind die Erwägungen des Gesetzgebers – gemessen an den verfassungsrechtlichen Maßstäben - nach wie vor sachgerecht (Bayerisches LSG, Beschluss vom 17. November 2020 – L 16 AS 16/20 –, juris Rn. 36; Saitzek in: Eicher/Luik/Harich, 5. Aufl. 2021, SGB II § 20 Rn. 48).
Soweit der Kläger unter Bezugnahme auf ein Gutachten von Boeker (Anlage Nr. 1 zum Schriftsatz vom 7. Oktober 2023) den Anteil der ausgewerteten Einpersonenhaushalten beanstandet, der nach der vorgelegten Unterlage lediglich 13,6% der tatsächlich existierenden Einpersonenhaushalten und daher nicht den in § 4 Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 RBEG 2017 vorgeschriebenen Wert von 15% betragen soll (Anlage Nr. 1 zum Schriftsatz vom 7. Oktober 2023), verkennt er, dass in dem vorgelegten Gutachten eine Berechnung durchgeführt wird, die die Bereinigung der der Referenzgruppe im RBEG nicht berücksichtigt, welche aber in einer vom Bundesverfassungsgericht bereits gebilligten Vorgehensweise erfolgt ist (vgl. hierzu BVerfG, Beschluss vom 23. Juli 2014 – 1 BvL 10/12 –, BVerfGE 137, 34, juris Rn. 96 ff).
Der Gesetzgeber ist nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts von Verfassungs wegen nicht gehindert, aus der grundsätzlich zulässigen statistischen Berechnung der Höhe existenzsichernder Leistungen nachträglich in Orientierung am Warenkorbmodell einzelne Positionen herauszunehmen. Der existenzsichernde Regelbedarf muss jedoch entweder insgesamt so bemessen sein, dass Unterdeckungen intern ausgeglichen oder durch Ansparen gedeckt werden können, oder ist durch zusätzliche Leistungsansprüche zu sichern (BVerfG, Beschluss vom 23. Juli 2014 – 1 BvL 10/12 –, BVerfGE 137, 34, juris Rn. 109, 117).
Auch die für 2019 maßgeblichen Bestimmungen über die Fortschreibung der Regelbedarfsstufen genügen verfassungsrechtlichen Anforderungen. Die Regelsätze werden jährlich überprüft und fortgeschrieben. Die Fortschreibung der Regelbedarfe wird anhand eines Mischindex errechnet. Dieser setzt sich zu 70 Prozent aus der Preisentwicklung und zu 30 Prozent aus der Nettolohnentwicklung zusammen (§ 28a Abs. 2 SGB XII a. F.). Das Statistische Bundesamt ermittelt die Preisentwicklung der Güter und Dienstleistungen, die relevant sind, um ein menschenwürdiges Existenzminimum zu sichern. Auch die Entwicklung der Nettolöhne und -gehälter wird vom Statistischen Bundesamt berechnet (§ 28a Abs. 3 SGB XII a. F.). Für die Fortschreibung der Regelbedarfsstufen werden nicht die Entwicklung der Verbraucherpreise insgesamt und damit auch nicht der allgemeine Verbraucherpreisindex zugrunde gelegt. Vielmehr wird vom Statistischen Bundesamt ein spezieller Preisindex gebildet. Dieser berücksichtigt ausschließlich die Preisentwicklung der regelbedarfsrelevanten Güter und Dienstleistungen. Zur Zulässigkeit dieses Vorgehens hat das Bundesverfassungsgericht ausgeführt (BVerfG, Beschluss vom 23. Juli 2014 - 1 BvL 10/12, 1 BvL 12/12, 1 BvR 1691/13-, BVerfGE 137, 34, juris Rn. 137):
„Eine Hochrechnung anhand der Preisentwicklung in den Aus-gabepositionen, aus denen sich der regelbedarfsrelevante Verbrauch zusammensetzt, ist mit dem Grundgesetz ebenso vereinbar wie die Orientierung an einem gemischten Index, der neben der Preisentwicklung auch die Entwicklung der Löhne und Gehälter berücksichtigt. Der Gesetzgeber hat tragfähig begründet, warum sich die Fortschreibung der Regelbedarfsstufen nunmehr nach § 28a Abs. 2 Satz 1 und 3 SGB XII an die bundesdurchschnittliche Entwicklung der Preise für regelbedarfsrelevante Güter und Dienstleistungen sowie die bundesdurchschnittliche Entwicklung der Nettolöhne und -gehälter anlehnt. Eine stärkere Gewichtung der Preisentwicklung nach § 28a Abs. 2 Satz 3 SGB XII ist allerdings erforderlich, weil gerade bei Leistungen zur Deckung des physischen Existenzminimums deren realer Wert zu sichern ist. Die geringere Berücksichtigung der Lohnentwicklung soll Entwicklungsstand und Lebensbedingungen berücksichtigen und in gewissem Maße die Wohlfahrtsentwicklung der Gesellschaft nachzeichnen. Die Lohnentwicklung ist zwar für sich genommen zur Fortschreibung der Höhe der Leistungen zur Sicherung einer menschenwürdigen Existenz nicht tauglich. Entscheidend ist aber auch hier, im Ergebnis eine menschenwürdige Existenz tatsächlich zu sichern.“
Diese Ausführungen gelten auch für die hier maßgebliche Fortschreibung für das Jahr 2019 insbesondere vor dem Hintergrund, dass dem Bundesverfassungsgericht bekannt war, dass gerade die Kosten für Haushaltsenergie möglicherweise einer besonderen Preissteigerung unterliegen (vgl. BVerfG, Beschluss vom 23. Juli 2014 - 1 BvL 10/12, 1 BvL 12/12, 1 BvR 1691/13, BVerfGE 137, 34, juris Rn. 55, 88) und es dennoch die pauschale Fortschreibung der Regelbedarfe für verfassungsrechtlich zulässig gehalten hat (LSG Land Nordrhein-Westfalen, Beschluss vom 22. Juli 2019 – L 7 AS 354/19 –, juris Rn. 29 für den Rechtsbereich des SGB II).
Es ist im Übrigen weder ersichtlich noch vom Kläger substantiiert vorgetragen, dass es bei ihm gerade im streitigen Zeitraum tatsächlich bei bestimmten Bedarfen zu einer relevanten Unterdeckung gekommen wäre. Es ist insbesondere nicht ersichtlich, ob der Kläger gerade im streitigen Zeitraum eine Monatskarte oder eine Brille erworben oder Aufwendungen für Haushaltsgeräte, Medikamente, Medizinprodukte oder sonstigen gesundheitsbezogenen Bedarf bzw. einen ernährungsbedingten Mehrbedarf gehabt hätte. Aus diesem Grunde ist auch nicht ersichtlich, dass der Kläger auf einen Anspruch auf eine erhöhte Bemessung des Regelbedarfs auf der Grundlage von § 27a Abs. 4 Satz 1 Nr. 2 SGB XII hat.
Die Höhe der Bemessung der Bedarfe für Unterkunft und Heizung des Klägers sind im streitgegenständlichen Verwaltungsakten ist nicht zu beanstanden und ist zwischen den Beteiligten auch nicht streitig; sie wurden vom Beklagten in Höhe der tatsächlichen Aufwendungen anerkannt.
Für die Berücksichtigung des von dem Kläger begehrten Freibetrages bei der leistungsmindernden Anrechnung seiner Rente wegen voller Erwerbsminderung in Bezug auf die ihm zustehenden Grundsicherungsleistungen fehlt es – wie der Senat bereits mit Beschluss vom 5. Mai 2020, Az.: L 4 SO 231/19 B, entschieden hat - an einer rechtlichen Grundlage. Zum Einkommen, das auf die Leistungen der Grundsicherung im Alter und bei Erwerbsminderung anzurechnen ist, gehören nach § 82 Abs. 1 SGB XII grundsätzlich alle Einkünfte in Geld oder Geldeswert. Gemäß § 82 Abs. 4 und 5 SGB XII (eingeführt durch das Betriebsrentenstärkungsgesetz, BGBl. I, S. 3214) gilt seit dem 1. Januar 2018 ein besonderer Freibetrag für Einkünfte aus einer zusätzlichen Altersvorsorge. Hierzu gehört die von dem Kläger bezogene Rente wegen voller Erwerbsminderung nicht. Einkommen aus einer zusätzlichen Altersvorsorge in diesem Sinne ist jedes monatlich bis zum Lebensende ausgezahlte Einkommen, auf das der Leistungsberechtigte vor Erreichen der Regelaltersgrenze auf freiwilliger Grundlage Ansprüche erworben hat und das dazu bestimmt und geeignet ist, die Einkommenssituation des Leistungsberechtigten gegenüber möglichen Ansprüchen aus obligatorischen Alterssicherungssystemen (Ansprüchen aus der gesetzlichen Rentenversicherung, aus der Alterssicherung für Landwirte, aus beamtenrechtlicher Versorgung und aus berufsständischen Versorgungswerken) zu verbessern. Solchen Einnahmen gleichgestellt (§ 82 Abs. 5 Satz 2 SGB XII) sind laufende Zahlungen aus einer betrieblichen Altersversorgung i. S. des Betriebsrentengesetzes und den nach §§ 5, 5a des Altersvorsorgeverträge-Zertifizierungsgesetz zertifizierten Altersvorsorgeverträgen („Riester-Renten“) bzw. Basisrentenverträgen.
Die zum 1. Januar 2018 neu eingefügte Regelung, dass bei der Hilfe zum Lebensunterhalt und bei der Grundsicherung im Alter und bei Erwerbsminderung bei einem Einkommen aus einer zusätzlichen Altersvorsorge und nicht auch bei einer Rente wegen voller Erwerbsminderung des Leistungsberechtigten ein Freibetrag abzusetzen ist, ist verfassungsrechtlich nicht zu beanstanden. Art. 3 Abs. 1 GG gebietet, alle Menschen vor dem Gesetz gleich zu behandeln. Dem Gesetzgeber ist damit nicht jede Differenzierung verwehrt. Er verletzt das Grundrecht, wenn er eine Gruppe im Vergleich zu einer anderen Gruppe anders behandelt, obwohl zwischen beiden Gruppen keine Unterschiede von solcher Art und solchem Gewicht bestehen, dass sie die ungleiche Behandlung rechtfertigen können (ständige Rechtsprechung BVerfG, vgl. Beschluss vom 11. Juli 2006, 1 BvR 293/05, Rn. 41 zitiert nach juris). Dementsprechend ist eine vollständige Gleichbehandlung von Einkommen aus einer zusätzlichen Altersvorsorge mit Einkommen aus Renten wegen Erwerbsminderung bei der Einkommensanrechnung verfassungsrechtlich nicht geboten. Vielmehr ist wesentlich, dass die Einkommen aus Renten wegen Erwerbsminderung einerseits und die Einkommen aus einer zusätzlichen Altersvorsorge andererseits unterschiedliche Risikobereiche betreffen bzw. abdecken. So fügt sich der Anspruch auf Rente wegen Erwerbsminderung nach § 43 Sozialgesetzbuch Sechstes Buch – Gesetzliche Rentenversicherung – (SGB VI) in das System sozialer Entgeltersatzleistungen bei Verlust des Leistungsvermögens aus gesundheitlichen Gründen ein, eine zusätzliche Altersvorsorge betrifft die finanzielle Absicherung im Alter. Dementsprechend steht es im sozialpolitischen Ermessen des Gesetzgebers, diese verschiedenen Einkommensarten auch bei der Einkommensanrechnung unterschiedlich zu behandeln. Der Freibetrag für Einkommen aus zusätzlicher Altersvorsorge soll insoweit nach der Auffassung des Gesetzgebers die freiwillige Altersvorsorge honorieren und insbesondere bereits bestehende Anreize zur staatlich geförderten Vorsorge sichern (vgl. insoweit BR-Drs. 780/16, S. 44; BT-Drs. 18/11286, S. 48). Soweit in der Literatur verfassungsrechtliche Bedenken gegen die Regelung des § 82 Abs. 4 SGB XII geäußert werden, beziehen diese sich auf gesetzliche Renten wegen Alters (Ruland, SGb 2022, 389, Ruland, Die Verfassungswidrigkeit der Grundrente, Gutachten im Auftrag der INSM, Berlin, April 2020, S. 42ff, Anlage Nr. 14 zum Schriftsatz des Klägers vom 7. Oktober 2023) oder werden nicht näher begründet (Brosius-Gersdorf, DRV 2020, 45, 76).
Anzurechnendes Vermögen i. S. v. § 90 Abs. 2 SGB XII lag im streitgegenständlichen Zeitraum nicht vor.
Die Kostengrundentscheidung folgt aus § 193 SGG.
Gründe für die Zulassung der Revision nach § 160 Abs. 2 SGG liegen nicht vor.