L 21 SB 111/22

Land
Nordrhein-Westfalen
Sozialgericht
LSG Nordrhein-Westfalen
Sachgebiet
Schwerbehindertenrecht
Abteilung
21
1. Instanz
SG Düsseldorf (NRW)
Aktenzeichen
S 15 SB 2436/12
Datum
2. Instanz
LSG Nordrhein-Westfalen
Aktenzeichen
L 21 SB 111/22
Datum
3. Instanz
-
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil

Die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des Sozialgerichts Düsseldorf vom 16.2.2016 wird zurückgewiesen.

Außergerichtliche Kosten der Klägerin sind auch im Berufungsverfahren nicht zu erstatten.

Die Revision wird nicht zugelassen.

 

Die Beteiligten streiten um die Feststellung eines GdB von mindestens 50.

Die am 00.0.0000 in J. geborene Klägerin lebt seit 1979 in Deutschland. Sie ist verheiratet und arbeitete als Verwaltungsangestellte bei der Deutschen Rentenversicherung. Nach Altersteilzeit ging sie 2019 in Rente.

Auf einen ersten Antrag stellte das damals noch zuständige Versorgungsamt G. bei ihr mit Bescheid vom 16.9.2005 maßgeblich wegen Wirbelsäulenbeschwerden einen GdB von 20 fest.

Den hier zugrunde liegenden Änderungsantrag stellte die Klägerin bei der zwischenzeitlich im Rahmen der Kommunalisierung der Versorgungsverwaltung zuständig gewordenen Beklagten am 29.9.2011 und begehrte dabei auch die Feststellung der gesundheitlichen Voraussetzungen des Merkzeichens „G“. Die Beklagte zog Befundberichte des Facharztes für Orthopädie X., des Praktischen Arztes P. und des Facharztes für Nervenheilkunde Dr. Q. bei. Nach Einholung einer gutachterlichen Stellungnahme lehnte sie den Antrag mit Bescheid vom 9.2.2012 ab. Die Klägerin legte hingegen am 1.3.2012 Widerspruch ein. Im Auftrag der Beklagten wurde die Klägerin am 8.10.2012 von Dr. F. untersucht, der neben weiteren mit Einzel-GdB von jeweils 10 bewerteten Leiden ein Wirbelsäulenleiden, Schulter-Arm-Beschwerden, eine venöse Blut-Umlauf-Störung, ein psychisches Leiden sowie eine Darmerkrankung mit Einzel-GdB von jeweils 20 und den Gesamt-GdB mit 40 bewertete. Die Beklagte stellte daraufhin mit Abhilfebescheid vom 25.10.2012 unter Aufhebung ihres Bescheides vom 9.2.2012 ab dem 29.11.2011 einen GdB von 40 fest und wies den Widerspruch im Übrigen mit Widerspruchsbescheid vom 30.11.2012 zurück.

Die Klägerin hat am 7.12.2012 Klage beim Sozialgericht Düsseldorf erhoben und einen GdB von mindestens 50 begehrt. Im Laufe des Verfahrens hat sie unter Vorlage von Befundunterlagen eine Verschlimmerung ihrer Leiden und u.a. das Hinzutreten einer COPD geltend gemacht. Nachdem die psychiatrischen Sachverständigen für das Funktionssystem Psyche einen Einzel-GdB von 30 und der nach § 109 SGG gehörte Sachverständige Prof. Dr. W. für das Wirbelsäulenleiden ebenfalls einen Einzel-GdB von 30 angesetzt habe, sei wegen gegenseitiger Verstärkung der betreffenden Leiden ein Gesamt-GdB von 50 anzunehmen.

Die Klägerin hat beantragt,

die Beklagte unter Abänderung des Bescheides vom 25.10.2012 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 30.11.2012 zu verurteilen, bei ihr ab dem 29.9.2011 einen Gesamt-GdB von mindestens 50 festzustellen.

Die Beklagte hat beantragt,

              die Berufung zurückzuweisen.

Für die Beklagte hat mehrfach die Ärztin für Allgemeinmedizin und Sozialmedizin Dr. N. Stellung genommen und ausgeführt, der von Prof. Dr. W. erhobene Befund rechtfertige keinen Einzel-GdB von 30 für das Wirbelsäulenleiden. Das Wirbelsäulenleiden könne auch nicht wegen einer verstärkten Schmerzwahrnehmung im Zusammenhang mit dem psychischen Leiden höher bewertet werden, da diese verstärkte Schmerzwahrnehmung bereits bei der Bewertung des psychischen Leidens mitberücksichtigt worden sei.

Das Sozialgericht hat von Amts wegen Sachverständigengutachten aufgrund ambulanter Untersuchung am 24.4.2013 durch den Arzt für Orthopädie Dr. H., am 12.4.2013 durch den Facharzt für Innere Medizin, Facharzt für Allgemeinmedizin Dr. M. und am 28.5.2013 durch den Arzt für Neurologie und Psychiatrie Dr. E. eingeholt.

Es hat außerdem auf Antrag der Klägerin nach § 109 SGG Sachverständigengutachten aufgrund ambulanter Untersuchung am 10.1.2014 durch den Facharzt für Orthopädie und Unfallchirurgie Prof. Dr. W., am 6.6.2014 durch den Arzt für Neurologie und Psychiatrie Dr. T. und am 10.9.2015 durch den Facharzt für Innere Medizin Dr. K. eingeholt.

Dr. H. hat ausgeführt, im Bereich der HWS und der LWS hätten leichtgradige Bewegungseinschränkungen vorgelegen, die allein einen Einzel-GdB von 10 rechtfertigten. Aufgrund muskulärer Verspannungszustände könne ein Einzel-GdB von 20 für das Wirbelsäulenleiden angesetzt werden. Die Gelenkfunktion der oberen und unteren Extremitäten sei ungestört gewesen und bedinge keine höheren Einzel-GdB als 10. Dr. M. hat ausgeführt, im Vordergrund stehe das Wirbelsäulenleiden. Internistische Erkrankungen seien mit Einzel-GdB von nicht mehr als 10 zu bewerten. Dr. E. hat neben einem mit einem Einzel-GdB von 10 zu bewertenden Carpaltunnelsyndrom eine Dysthymia/chronisch-neurotische Depression diagnostiziert, die sich aus einer Anpassungsstörung im Zusammenhang mit einem Arbeitsplatzkonflikt entwickelt habe. Außerdem bestehe eine chronische Schmerzstörung mit somatischen und psychischen Faktoren. Auch unter Berücksichtigung der Behandlungsnotwendigkeit liege eine stärker behindernde Störung vor, die mit einem Einzel-GdB von 30 zu bewerten sei. Dr. H. hat auf dieser Grundlage den Gesamt-GdB mit 40 bewertet.

Prof. Dr. W. hat ausschließlich Erkrankungen der Wirbelsäule diagnostiziert. U.a. aufgrund radiologischer Veränderungen lägen mittelgradige funktionelle Auswirkungen in zwei Wirbelsäulenabschnitten vor, weswegen der Einzel-GdB für das Wirbelsäulenleiden 30 betrage. Dr. T. hat eine chronifizierte neurotisch-depressive, dysthyme Störung mit vegetativen Beeinträchtigungen und Schmerzstörungen mit einem Einzel-GdB von 30 und ein Carpaltunnelsyndrom mit einem Einzel-GdB von 10 bewertet. Prof. Dr. W. hat wegen negativer Verstärkung der orthopädischen und psychischen Leiden einen Gesamt-GdB von 50 angenommen.

Dr. H. hat in einer ergänzenden Stellungnahme ausgeführt, der von Prof. Dr. W. erhobene Befund zeige nur leicht - bis mittelgradige Beeinträchtigungen. Prof. Dr. W. betone radiologische Veränderungen, die jedoch nicht zwingend mit funktionellen Beeinträchtigungen korrelierten. Da Dr. T. in seine Bewertung eine Schmerzstörung einbeziehe, liege eher eine Überlagerung bzw. Doppelbewertung vor. Eine relevante Befundverschlechterung zeige sich nicht.

Dr. K. hat die Beeinträchtigungen im Bereich der Wirbelsäule als leichtgradig beschrieben. Es seien weder intensivere orthopädische Behandlungen noch diesbezügliche Arbeitsunfähigkeitszeiten dokumentiert. Das Wirbelsäulenleiden sei nur mit einem Einzel-GdB von 20 zu bewerten, internistische Leiden einschließlich einer chronischen Bronchitis und selten auftretender Ödeme mit Einzel-GdB von 10. Unter Einbeziehung des mit einem Einzel-GdB von 30 zu bewertenden psychischen Leidens betrage der Gesamt-GdB 40.

Das Sozialgericht hat die Klage mit Urteil aufgrund mündlicher Verhandlung vom 16.2.2016 abgewiesen. Der Gesamt-GdB betrage 40. Im Vordergrund stehe die mit einem Einzel-GdB von 30 zu bewertende psychische Erkrankung. Dieser führende Einzel-GdB sei wegen des mit einem Einzel-GdB von 20 zu bewertenden Wirbelsäulenleidens auf 40 zu erhöhen, weil unterschiedliche Funktionssysteme betroffen seien. Die Bewertung des Wirbelsäulenleidens durch Prof. Dr. W. überzeuge angesichts der maßgeblichen klinischen Befunde entsprechend der Kritik von Dr. H. nicht. Dies sehe auch Dr. K. so. Im Übrigen lägen ausschließlich mit Einzel-GdB von 10 zu bewertende Leiden vor, die den Gesamt-GdB nicht erhöhten. Insofern bestehe unter den Sachverständigen Einigkeit.

Das Sozialgericht hat außerdem mit Beschlüssen vom 9.3.2016 die Kosten des Gutachtens von Dr. K. auf die Landeskasse übernommen und die Übernahme der Kosten der Gutachten von Dr. T. und Prof. Dr. W. abgelehnt. Die Klägerin hat Beschwerde gegen die ablehnenden Beschlüsse eingelegt. Die Beschwerde betreffend das Gutachten von Dr. T. hat sie später wieder zurückgenommen. Auf die Beschwerde betreffend das Gutachten von Prof. Dr. W. hat der erkennende Senat mit Beschluss vom 23.5.2018 den zugrunde liegenden Beschluss des Sozialgerichts geändert und die Kosten dieses Gutachtens auf die Landeskasse übernommen.

Die Klägerin hat gegen das ihrem Bevollmächtigten am 15.3.2016 zugestellte Urteil am 13.4.2016 beim Landessozialgericht Berufung eingelegt.

Sie trägt unter Vorlage ärztlicher Verordnungen und Behandlungsunterlagen ergänzend vor, die von Prof. Dr. W. gestellten Diagnosen belegten mittelgradige bis schwere funktionelle Einschränkungen. Sie benötige Reha-Sport und Schmerztherapie. Die bei ihr bestehenden erheblichen Schmerzzustände seien nach den Versorgungsmedizinischen Grundsätzen VMG erhöhend zu berücksichtigen. Die Lungenerkrankung habe sich verschlechtert. Zwischen orthopädischen und psychischen Leiden bestehe keine Überlagerung. Anders als der vom Landessozialgericht gehörte Sachverständige Dr. V. behaupte, habe sie diesem gegenüber nicht angegeben, dass sich ihre psychische Befindlichkeit gebessert habe. Dass sie in den letzten drei Jahren keine psychiatrische Behandlung in Anspruch genommen habe, liege daran, dass ihr langjähriger Psychiater 2019 verstorben sei und sie zunächst keinen neuen Psychiater gefunden habe. Dann sei die Corona-Pandemie dazwischengekommen. Aktuell habe sie eine Überweisung an eine psychiatrische Institutsambulanz erhalten. Psychopharmaka habe sie wegen erheblicher Medikamentenunverträglichkeiten nicht eingenommen. Dr. V. könne als Allgemeinmediziner psychische Erkrankungen nicht beurteilen. Die Bewertungen von Dr. V., etwa bezogen auf die Lunge und das Herz-Kreislauf-System, seien auch sonst nicht überzeugend.

Die Klägerin beantragt,

das Urteil des Sozialgerichts G. vom 16.2.2016 zu ändern und die Beklagte unter Änderung des Bescheides vom 25.10.2012 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 30.11.2012 zu verurteilen, bei ihr ab dem 29.11.2011 einen GdB von mindestens 50 festzustellen.

Die Beklagte beantragt schriftsätzlich sinngemäß,

              die Berufung zurückzuweisen.

Die Beklagte trägt unter Vorlage beratungsärztlicher Stellungnahmen von Dr. N. vor, Verordnungen von Reha-Sport und Befunde einer Szintigraphie ließen keine Rückschlüsse auf den GdB zu. Aus aktuellen Befundunterlagen hervorgehende Erkrankungen im Bereich der Atemorgane, der Haut und der Knie bedingten jeweils höchstens Einzel-GdB von 10. Es zeige sich kein Anhaltspunkt für eine relevante Verschlimmerung.

Der Senat hat Befundberichte des Facharztes für Orthopädie X., des HNO-Arztes C., der Fachärztin für Hautkrankheiten O., des Facharztes für Innere Medizin, Pneumologie, Dr. L., des Internisten und Pneumologen Z., der Fachärztin für Orthopädie und Unfallchirurgie Dr. Y. sowie des Anästhesisten U., ergänzende Stellungnahmen nach Aktenlage von Dr. H. sowie Dr. M. und – nach zwischenzeitlichem Ruhen des Verfahrens vor dem Hintergrund der Corona-Pandemie – ein Sachverständigengutachten aufgrund ambulanter Untersuchung am 29.9.2022 vom Facharzt für Allgemeinmedizin Dr. V. eingeholt.

Dr. H. und Dr. M. haben auf ihrem Fachgebiet eine relevante Verschlimmerung ausgeschlossen.

Dr. V. hat nach seiner Untersuchung beim Senat angefragt, ob eine psychiatrische Zusatzbegutachtung durchgeführt werden solle, da er Anzeichen für eine Besserung des psychischen Leidens sehe. Der Berichterstatter hat Dr. V. mitgeteilt, dass dies entbehrlich sei, soweit er selbst bei Beibehaltung des bisherigen Einzel-GdB von 30 für das psychische Leiden keinen höheren Gesamt-GdB als 40 befürworte. Daraufhin hat Dr. V. sein Gutachten vorgelegt.

Laut Dr. V. hat die Klägerin angegeben, dass es ihr psychisch seit Renteneintritt besser gehe. Seit drei Jahren erfolge keine psychiatrische Behandlung mehr. Auch Psychopharmaka nehme sie seit Jahren nicht mehr ein. Dr. V. hat das psychische Leiden angesichts der von der Klägerin selbst angegebenen Besserung und der fehlenden Behandlung, die Dr. E. noch für die Begründung eines Einzel-GdB von 30 herangezogen habe, mit einem Einzel-GdB von 20 bewertet. Das Wirbelsäulenleiden sei ebenfalls nur mit einem Einzel-GdB von 20 zu bewerten. Schon Prof. Dr. W. habe keine mittelgradigen funktionellen Defizite festgestellt. Aktuell sei die Beweglichkeit der HWS uneingeschränkt, die der BWS/LWS nur leichtgradig. Allerdings bestehe weiterhin eine ubiquitäre Klopfschmerzhaftigkeit, besonders im Bereich der LWS. Sämtliche weiteren Leiden rechtfertigten entsprechend der Einschätzung aller anderen Gerichtsgutachter keine höheren Einzel-GdB als 10. Dr. F. habe seinerzeit u.a. das Funktionssystem Arme zu hoch bewertet. Die Schulterbeweglichkeit sei frei gewesen. Taubheitsgefühle seien von den neurologisch/psychiatrischen Gutachtern zutreffend dem Carpaltunnelsystem zugeordnet und nur mit einem Einzel-GdB von 10 bewertet worden. Auch die Bewertung der Venen- und der Darmerkrankung durch Dr. F. sei zu hoch gewesen. Die aktuelle Beeinträchtigung im Bereich des rechten oberen Sprunggelenkes werde von der Klägerin mit einem lange zurückliegenden Ereignis begründet, habe von den Vorgutachtern aber nicht festgestellt werden können. Es handele sich um ein Behandlungsleiden. Rein funktionell liege nur ein geringes Defizit vor. Eine höhergradige Beeinträchtigung im Bereich der Atmung liege nicht vor. Aus einem aktuellen lungenärztlichen Bericht ergebe sich kein pathologischer Befund. Was die dermatologische Erkrankung angehe, so zeigten sich aktuell nur äußerst geringe Hautveränderungen im Gesicht. Die von der Klägerin mit Fotos dokumentierte deutlichere Beeinträchtigung sei einer vorübergehenden allergischen Reaktion geschuldet gewesen. Der Gesamt-GdB betrage 30. Wenn das psychische Leiden weiter mit einem Einzel-GdB von 30 anzusetzen wäre, ergäbe sich jedenfalls kein höherer Gesamt-GdB als 40.

Der Berichterstatter hat die Klägerin in einem Erörterungstermin am 9.12.2022 angehört.

Kurz vor der mündlichen Verhandlung am 24.2.2023 hat die Klägerin Atteste von Herrn Z., der Klinik A., Herrn C., Herrn U. und einen radiologischen Befund des Radiologikums D. vorgelegt.

Dr. V. hat als Sachverständiger in einer ergänzenden Stellungnahme zu dem Attest von Herrn Z. ausgeführt, dass die vorliegenden Lungenfunktionsbefunde lediglich eine grenzwertige Erniedrigung des FEV1-Wertes zeigten und für die Annahme einer klinisch relevanten dauerhaften Einschränkung der Lungenfunktion nicht ausreichend seien. Soweit eine Sinusitis vorliege, fehle es am Nachweis einer GdB-relevanten Ausprägung. Wenn ein Einzel-GdB von 20 für das Funktionssystem Atmung erreicht würde, dann allenfalls ein schwacher, der für den Gesamt-GdB nicht relevant wäre.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die Gerichtsakten und die beigezogene Verwaltungsakte der Beklagten Bezug genommen, deren jeweiliger wesentlicher Inhalt Gegenstand der mündlichen Verhandlung gewesen ist.

Entscheidungsgründe:

Die zulässige, insbesondere gemäß §§ 143, 144 SGG statthafte und gemäß § 151 Abs. 1 SGG fristgerechte Berufung ist unbegründet.

Das Sozialgericht hat die als kombinierte Anfechtungs- und Verpflichtungsklage statthafte Klage (vgl. BSG vom 17.4.2013 – B 9 SB 3/12 R, Rn. 24) zu Recht abgewiesen, da diese zwar zulässig, aber unbegründet ist. Die Klägerin ist durch die angefochtenen Bescheide nicht im Sinne von § 54 Abs. 2 Satz 1 SGG beschwert, da diese rechtmäßig sind. Sie hat keinen Anspruch auf Feststellung eines Gesamt-GdB von mindestens 50.

Die Feststellung der gesundheitlichen Voraussetzungen des Merkzeichens „G“, bei der es sich um einen eigenen prozessualen Anspruch handelt (BSG vom 16.02.2012 – B 9 SB 48/11 B, Rn. 12), hat die Klägerin bereits im erstinstanzlichen Klageverfahren nicht mehr verfolgt.

Rechtsgrundlage des angefochtenen Bescheides ist § 48 SGB X. Gemäß § 48 Abs. 1 Satz 1 SGB X ist, soweit in den tatsächlichen oder rechtlichen Verhältnissen, die beim Erlass eines Verwaltungsaktes mit Dauerwirkung vorgelegen haben, eine wesentliche Änderung eintritt, der Verwaltungsakt mit Wirkung für die Zukunft aufzuheben. Gemäß § 48 Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 SGB X soll der Verwaltungsakt mit Wirkung vom Zeitpunkt der Änderung der Verhältnisse aufgehoben werden, soweit die Änderung zugunsten des Betroffenen erfolgt. Eine wesentliche Änderung liegt im Schwerbehindertenrecht vor, wenn geänderte gesundheitliche Verhältnisse einen um 10 höheren oder niedrigeren GdB begründen (vgl. Teil A Nr. 7a Satz 1 VMG und etwa BSG vom 17.4.2013 – B 9 SB 3/12 R, Rn. 26). Vergleichsmaßstab sind die Verhältnisse zum Zeitpunkt des Bescheides vom 16.9.2005. Im Vergleich der Verhältnisse am 16.9.2005 und denen im Zeitraum vom 29.11.2011 bis zum Zeitpunkt der Entscheidung des Senats am 24.2.2023 ist eine wesentliche Änderung in diesem Sinne lediglich insofern eingetreten, als der GdB im letztgenannten Zeitraum entsprechend der Feststellung der Beklagten im Abhilfebescheid vom 25.10.2012 (höchstens) 40 beträgt. Ein höherer GdB als 40 liegt dagegen nicht vor.

Nach § 2 Abs. 1 Satz 1 SGB IX in der ab dem 1.1.2018 gültigen Fassung sind Menschen mit Behinderungen Menschen, die körperliche, seelische, geistige oder Sinnesbeeinträchtigungen haben, die sie in Wechselwirkung mit einstellungs- und umweltbedingten Barrieren an der gleichberechtigten Teilhabe an der Gesellschaft mit hoher Wahrscheinlichkeit länger als sechs Monate hindern können. Die Auswirkungen auf die Teilhabe am Leben in der Gesellschaft werden als GdB nach Zehnergraden abgestuft festgestellt, § 152 Abs. 1 Satz 5 SGB IX in der ab dem 1.1.2018 gültigen Fassung (zuvor § 69 Abs. 1 Satz 5 SGB IX). Nach § 241 Abs. 5 SGB IX in der ab dem 1.1.2018 gültigen Fassung (zuvor § 159 Abs. 7 SGB IX) gelten – in Ermangelung einer Verordnung nach § 153 Abs. 2 SGB IX – die Maßstäbe des § 30 Abs. 1 des BVG und der auf Grund des § 30 Abs. 16 des BVG erlassenen Rechtsverordnungen – insbesondere Anlage 2 zur Versorgungsmedizinverordnung (Versorgungsmedizinische Grundsätze - VMG) – entsprechend.

Die Bemessung des (Gesamt-)GdB ist in drei Schritten vorzunehmen und grundsätzlich tatrichterliche Aufgabe. In einem ersten Schritt sind unter Heranziehung ärztlichen Fachwissens die einzelnen, nicht nur vorübergehenden Gesundheitsstörungen im Sinne von regelwidrigen, von der Norm abweichenden Zuständen gemäß § 2 Abs. 1 SGB IX und die sich daraus ableitenden Teilhabebeeinträchtigungen festzustellen. In einem zweiten Schritt sind diese den in den VMG genannten Funktionssystemen zuzuordnen und mit einem Einzel-GdB zu bewerten. In einem dritten Schritt ist dann, in der Regel ausgehend von der Beeinträchtigung mit dem höchsten Einzel-GdB, in einer Gesamtschau unter Berücksichtigung der wechselseitigen Beziehungen der einzelnen Beeinträchtigungen der maßgebliche (Gesamt-)GdB zu bilden. Außerdem sind nach Teil A Nr. 3b VMG bei der Gesamtwürdigung die Auswirkungen mit denjenigen zu vergleichen, für die in der Tabelle der VMG feste GdB-Werte angegeben sind (vgl. zuletzt BSG vom 27.10.2022 – B 9 SB 4/21 R, Rn. 20 m.w.N.).

Im Vordergrund Funktionssystem Psyche stand und steht eine psychische Erkrankung.

Nach Teil B Nr. 3.7 VMG bedingen leichte psychische Störungen einen GdB von 0-20, stärker behindernde Störungen mit wesentlicher Einschränkung der Erlebnis- und Gestaltungsfähigkeit dagegen einen GdB von 30-40 und erst schwere psychische Störungen einen GdB von 50 und mehr.

Nach den übereinstimmenden Ausführungen der beiden psychiatrischen Sachverständigen Dr. E. und Dr. T. lagen zum Zeitpunkt ihrer Begutachtungen eine chronisch depressive Erkrankung im Sinne einer Dysthymie und eine Schmerzerkrankung vor. Diese Erkrankungen konnten zusammenfassend höchstens mit dem am unteren Rand des für stärker behindernde Störungen eröffneten Bewertungsrahmens liegenden Einzel-GdB von 30 bewertet werden. Dr. E. beschrieb die Klägerin im psychopathologischen Befund als missmutig, angespannt und vorwurfsvoll. Die Stimmung sei zum depressiven Pol verschoben gewesen bei reduzierter Schwingungsfähigkeit und vermindertem Antrieb. Im Übrigen stellte sich der psychopathologische Befund jedoch unauffällig dar. Dr. T. beschrieb die Klägerin lediglich als subdepressiv. Bei der diagnostizierten Dysthymie handelt es sich laut ICD-10-GM-2023 (F34.1) um eine depressive Verstimmung, die weder schwer noch hinsichtlich einzelner Episoden anhaltend genug ist, um die Kriterien einer schweren, mittelgradigen oder leichten rezidivierenden depressiven Störung zu erfüllen. Als Regelbeispiele stärker behindernder Störungen nennt Teil B Nr. 3.7 VMG dagegen „ausgeprägtere“ depressive Störungen.

Entsprechend den Ausführungen von Dr. V. bestehen erhebliche Anhaltspunkte dafür, dass ein Einzel-GdB von 30 aktuell nicht mehr erreicht wird. Die Klägerin selbst hat laut Dr. V. angegeben, dass es ihr psychisch besser gehe, seit sie in Rente sei (2019, zuvor Altersteilzeit). Dies ist ohne Weiteres insofern nachvollziehbar, als Behandler (so etwa schon Dr. Q. in seinem Befundbericht für die Beklagte vom 25.1.2012) und sämtliche Sachverständigen seinerzeit die psychische Störung in Zusammenhang mit beruflichen Problemen (laut Klägerin „Mobbing“) sahen, die mit der Berentung nicht mehr vorliegen.

Wenn die Klägerin in Reaktion auf das Gutachten von Dr. V. behauptet, diese Aussage nicht getroffen zu haben, so ist dies nicht glaubhaft. Anders als Dr. V. hat die Klägerin ein erhebliches Eigeninteresse. Es ist auch nicht das erste Mal, dass die Klägerin im Nachhinein behauptet, gegenüber Ärzten dokumentierte Angaben nicht gemacht zu haben. Auch im Nachgang zum Gutachten von Dr. H. bestritt sie im Schriftsatz vom 12.8.2013, eine von diesem wiedergegebene und bewusst in Anführungszeichen gesetzte Äußerung.

Dabei ist für den Senat durchaus nachvollziehbar, dass weiterhin eine psychische Störung besteht, insbesondere in Gestalt einer zumindest auch psychisch bedingten chronischen Schmerzstörung. Diese wird sowohl von Dr. V. als auch vom aktuell behandelnden Schmerzmediziner U. angenommen und zeigt sich in einer – auch für den Senat im Termin zur mündlichen Verhandlung erkennbaren – erheblichen Klagsamkeit bei gleichzeitigem Fehlen ausgeprägter organpathologischer Befunde. Eine relevante Einschränkung der Erlebnis- und Gestaltungsfähigkeit konnte Dr. V. deswegen aber nicht (mehr) erkennen.

Diese Beurteilung durch Dr. V. wird nicht dadurch entkräftet, dass er Allgemeinmediziner und kein Neurologe/Psychiater ist. Denn „nicht für jedes betroffene Gebiet kann mit vertretbarem Aufwand ein spezieller Facharzt als Sachverständiger bemüht werden. Gerade das Zusammenspiel der Gesundheitsstörungen auf verschiedenen Gebieten zu beurteilen, wird zudem oftmals in der besonderen Kompetenz des Allgemein- und insbesondere des Sozialmediziners als medizinischem Generalisten liegen“ (BSG vom 7.6.2018 – B 9 SB 74/17 B, Rn. 9). Dr. V. führt zudem überzeugend aus, dass schon für Dr. E. seinerzeit die Notwendigkeit einer psychiatrischen Betreuung für die Vergabe des Einzel-GdB von 30 mitentscheidend war.

Tatsächlich spricht die fehlende Behandlungsnachfrage von 2019 bis zuletzt als Indiz dagegen, dass weiterhin eine stärker behindernde Störung vorliegt (vgl. zur fehlenden Behandlungsnachfrage als ein Indiz für fehlenden Leidensdruck im Sinne einer stärker behindernden Störung LSG Baden-Württemberg vom 17.12.2010 - L 8 SB 1549/10, Rn. 31, juris; LSG Baden-Württemberg vom 24.10.2013 - L 6 SB 5267/11, Rn. 30, juris). Die Erklärungen der fehlenden Behandlungsnachfrage durch die Klägerin mit Schwierigkeiten bei der Suche nach einem neuen Psychiater nach Versterben ihres früheren Psychiaters sowie mit der Corona-Pandemie sind zwar grundsätzlich geeignet, Behandlungsunterbrechungen zu erklären, nicht aber das völlige Fehlen einer Behandlung über einen derart langen Zeitraum. Dies gilt umso mehr, als die Klägerin unmittelbar nach Kenntnis des Hinweises von Dr. V. offensichtlich in der Lage war, auch kurzfristig einen Termin bei einem Neurologen zu erhalten. Dessen Überweisung an eine Institutsambulanz erfolgte ausweislich des Überweisungsscheins ohne Angabe einer Diagnose und allein wegen des neurologischen Schwerpunkts seiner Praxis. Aus der zuletzt vorgelegten Bestätigung, dass die Klägerin sich nunmehr seit dem 27.1.2023 in ambulanter Behandlung des Psychiatrischen Instituts Klinik A. befindet, ergeben sich ebenfalls keine Diagnosen und ist ein Rückschluss auf die tatsächliche Behandlungsbedürftigkeit und Schwere der Erkrankung kaum möglich, zumal es angesichts des zeitlichen Ablaufs der Ereignisse naheliegt, dass die neuerliche Behandlungsnachfrage maßgeblich dazu dienen sollte, dem Klagebegehren Nachdruck zu verleihen. Laut der aktuellen Auskunft des Schmerzmediziners U. gab die Klägerin in der psychiatrisch/psychotherapeutischen Behandlungsanamnese an, sie habe sich „länger nicht gekümmert“. Dies spricht nicht für einen höhergradigen Leidensdruck.

Entscheidend kommt es auf die Frage, ob der Einzel-GdB für das Funktionssystem Psyche nun nur noch 20 beträgt, allerdings nicht an. Denn Selbst bei Annahme eines Einzel-GdB von 30 ergibt sich keinesfalls ein höherer Gesamt-GdB als 40 (dazu sogleich).

Im Funktionssystem Rumpf leidet die Klägerin an einer Wirbelsäulenerkrankung.

Gemäß Teil B Nr. 18.9 Abs. 1 VMG ergibt sich der GdB „bei… Wirbelsäulenschäden... primär aus dem Ausmaß der Bewegungseinschränkung, der Wirbelsäulenverformung und -instabilität sowie aus der Anzahl der betroffenen Wirbelsäulenabschnitte“. Gemäß den weiteren Vorgaben von Teil B Nr. 18.9 VMG bedingen Wirbelsäulenschäden mit geringen funktionellen Auswirkungen (Verformung, rezidivierende oder anhaltende Bewegungseinschränkung oder Instabilität geringen Grades, seltene und kurz dauernd auftretende leichte Wirbelsäulensyndrome) einen GdB von 10, mit mittelgradigen funktionellen Auswirkungen in einem Wirbelsäulenabschnitt (Verformung, häufig rezidivierende oder anhaltende Bewegungseinschränkung oder Instabilität mittleren Grades, häufig rezidivierende und über Tage andauernde Wirbelsäulensyndrome) einen GdB von 20, mit schweren funktionellen Auswirkungen in einem Wirbelsäulenabschnitt (Verformung, häufig rezidivierende oder anhaltende Bewegungseinschränkung oder Instabilität schweren Grades, häufig rezidivierende und Wochen andauernde ausgeprägte Wirbelsäulensyndrome) einen GdB von 30 und mit mittelgradigen bis schweren funktionellen Auswirkungen in zwei Wirbelsäulenabschnitten einen GdB von 30-40.

Mittelgradige funktionelle Auswirkungen in auch nur einem Wirbelsäulenabschnitt sind bei der Klägerin zu keinem Zeitpunkt nachgewiesen worden. Schon Dr. H. beschrieb nur leichte Bewegungseinschränkungen im Bereich von HWS und LWS. Ein identischer Befund ergab sich bei Dr. K.. Dr. V. konnte aktuell sogar eine freie Beweglichkeit der HWS feststellen. Die von Prof. Dr. W. erhobenen Bewegungsausmaße weichen nur geringfügig von den von Dr. H. erhobenen Befunden ab. Entsprechend haben Dr. H., Dr. N. und Dr. V. überzeugend darauf hingewiesen, dass der von Prof. Dr. W. erhobene Befund die Annahme mittelgradiger funktioneller Auswirkungen in zwei Wirbelsäulenabschnitten gerade nicht rechtfertigt. Wie diese Ärzte zutreffend kritisieren, hat Prof. Dr. W. maßgeblich mit radiologischen Befunden argumentiert. Mit Bild gebenden Verfahren festgestellte Veränderungen rechtfertigen gemäß Teil B Nr. 18.1 Abs. 5 VMG aber für sich allein gerade nicht die Vergabe eines GdB. Dies mag den Irrtum der Klägerin erklären, die aus dem Hinweis von Prof. Dr. W. auf eine mittel- bis hochgradige Stenose im Bereich der HWS eine mittelgradige funktionelle Beeinträchtigung ableitet. Wie Dr. H. in seiner ergänzenden Stellungnahm anschaulich darstellt, ist dieser radiologische Befund aber eben allein nicht aussagekräftig, zudem findet sich – auch im Befund von Prof. Dr. W. – kein klinisches Korrelat.

Dass die Gutachter – mit Ausnahme von Prof. Dr. W. – dann trotz fehlender mittelgradiger Bewegungseinschränkungen in der Gesamtschau unter bewusstem Einschluss von Verspannungszuständen und Klopfschmerzhaftigkeit immerhin einen Einzel-GdB von 20 annehmen, ist nachvollziehbar, stellt gleichzeitig aber auch die höchstmögliche Bewertung dar.

Sämtliche weiteren Erkrankungen der Klägerin haben im gesamten streitgegenständlichen Zeitraum jeweils keine höheren Einzel-GdB als 10 gerechtfertigt. Darin sind sich alle im Gerichtsverfahren gehörten Sachverständigen einig. Ergibt sich dies im erstinstanzlichen Verfahren aufgrund von gleich sechs Sachverständigengutachten aufgrund ambulanter Untersuchung, so gilt dies für die Zeit ab Berufungseinlegung aufgrund zahlreicher eingeholter Befundberichte und deren überzeugender Auswertung durch Dr. N. in ihren beratungsärztlichen Stellungnahmen nach Aktenlage, durch Dr. M. sowie Dr. H. in ihren ergänzenden Stellungnahmen nach Aktenlage und schließlich durch Dr. V. in seinem aktuellen Gutachten aufgrund ambulanter Untersuchung sowie seiner ergänzenden Stellungnahme nach Aktenlage. Dr. V. war dabei aufgrund seiner allgemeinärztlichen Perspektive in besonderem Maße in der Lage, die Erkrankungen sowohl in ihrer Verschiedenartigkeit als auch in ihrem Zusammenspiel zu beurteilen.

Soweit allein Dr. F. Leiden im Bereich der Arme (Schulterbeschwerden), des Herz-Kreislauf-Systems (venöse Insuffizienz) und des Darms (Teilentfernung mit Divertikulitis) mit Einzel-GdB von 20 bewertet hat, war dies nach den überzeugenden Ausführungen von Dr. H., Dr. M., Dr. K. und schließlich von Dr. V. unzutreffend. Im Hinblick auf das Schulterleiden spricht auch der von Prof. Dr. W. erhobene Befund gegen die Bewertung von Dr. F..

Die von Dr. F. angenommenen Einzel-GdB können auch nicht in Bestandskraft erwachsen (vgl. BSG vom 24.04.2008 - B 9/9a SB 6/06 R, Rn. 20; BSG vom 17.04.2013 - B 9 SB 69/12 B, Rn. 10; BSG vom 01.06.2015 - B 9 SB 10/15 B, Rn. 8). Bei der Neufestsetzung nach § 48 SGB X wegen einer Änderung der Verhältnisse erfolgt keine reine Hochrechnung des im alten Bescheid festgestellten Gesamt-GdB. Dieser ist vielmehr unter Berücksichtigung der gegenseitigen Beeinflussung der verschiedenen Leiden neu zu ermitteln (vgl. BSG vom 19.09.2000 - B 9 SB 3/00 R, Rn. 14).

Das Asthma bronchiale, zuvor teilweise noch als chronische Bronchitis bezeichnet, ist gemäß Teil B Nr. 8.5 VMG nach übereinstimmender Bewertung von Dr. M., Dr. K., Dr. N. und Dr. V. mangels Nachweis häufiger und/oder schwerer Anfälle nur mit einem Einzel-GdB von 10 zu bewerten. Anhaltspunkte für eine relevante Verschlechterung konnten Dr. M., Dr. N. und Dr. V. unter ausdrücklicher Einbeziehung aktueller pulmologischer Befunde nicht feststellen. Es liegt insbesondere keine dauerhafte und klinisch relevante Einschränkung der Lungenfunktion vor. Dr. V. beschreibt den von Herrn Z. gemessenen aktuellen FEV1-Wert (Einsekundenkapazität) als allenfalls grenzwertig erniedrigt. Dass die Erkrankung, wie zuletzt von Herrn Z. behauptet, „deutlich klinisch progredient“ sei, ist demnach nicht überzeugend. Dagegen spricht auch, dass der zuvor behandelnde Pulmologe Dr. L. 2017 ähnliche FEV1-Werte und für die Dauer seiner Behandlung Befundkonstanz angab. 2019 gab Herr Z. bei ebenfalls ähnlichem FEV1-Wert zwar eine klinische Progredienz an. Funktionell habe aber „keine wesentliche Veränderung dargestellt werden“ können. Neben dem Asthma bronchiale sieht Dr. V. auch eine chronische Sinusitis als nachgewiesen an, jedoch keine schwere Form, die nach Teil B Nr. 6.2 VMG erst einen GdB von 20 oder mehr rechtfertigt. Ob in der Gesamtschau aller das Funktionssystem Atmung betreffenden Erkrankungen knapp ein Einzel-GdB von 20 erreicht werden könnte, wie Dr. V. ihn erwägt, letztlich aber nicht befürwortet, kann dahinstehen, weil ein höherer Gesamt-GdB als 40 sich auch dann nicht ergeben kann (dazu sogleich).

Die Rosacea ist laut Dr. V. nur gering ausgeprägt, was nach Teil B Nr. 17.4 VMG einen GdB von 0-10 bedingt. Gleiches gilt für die selten auftretenden Quincke-Ödeme gemäß Teil B Nr. 17.2 VMG. Die von der Klägerin vorgelegten Bilder mit deutlich ausgeprägteren Beeinträchtigungen im Gesicht zeigen laut Angabe der Klägerin allergische Reaktionen auf die Einnahme bestimmter Medikamente. Es handelt sich um singuläre Ereignisse und keinen Dauerzustand. Gemäß Teil A Nr. 2.f. Satz 1 VMG setzt ein GdB aber eine nicht nur vorübergehende und damit eine über einen Zeitraum von mehr als sechs Monaten sich erstreckende Gesundheitsstörung voraus (vgl. auch § 2 Abs. 1 Satz 1 SGB IX: „… mit hoher Wahrscheinlichkeit länger als sechs Monate…“).

Im Hinblick auf die unteren Extremitäten fiel bei Dr. V. zuletzt eine Schwellung des rechten oberen Sprunggelenkes auf, die die Klägerin auf einen lange zurückliegenden Unfall zurückführte. Demgegenüber sind die Befunde im Bereich der Sprunggelenke bei Dr. H. und Prof. Dr. W. weitgehend unauffällig gewesen. Es liegt insofern nach den überzeugenden Ausführungen von Dr. V. ein Behandlungsleiden vor, ein dauerhafter Zustand im zuvor beschriebenen Sinne dagegen nicht. Der von der Klägerin am Terminstag vorgelegte radiologische Bericht über ein MRT am 7.11.2022, der nur wenige Wochen nach der Untersuchung bei Dr. V. erstellt wurde und eine Bandruptur sowie ein Knochenmarködem im rechten Sprunggelenk beschreibt, dürfte diese Einschätzung stützen. Jedenfalls konnte Dr. V. trotz der akuten Beschwerden klinisch-funktionell nur ein geringes Bewegungsdefizit feststellen. Das Anheben des rechten Fußes war um 10 Grad möglich (Normwert 20-30 Grad), das Senken um 40 Grad (Normwert 40-50 Grad). Nach Teil B Nr. 18.14 VMG wird eine mittelgradige und mit einem Einzel-GdB von 10 zu bewertende Bewegungseinschränkung erst bei aufgehobener Hebe- und auf 30 Grad geminderter Senkfähigeit angenommen.

Ergänzend wird auf die ausführliche und überzeugende Bewertung der mit Einzel-GdB von 10 zu bewertenden Leiden durch das Sozialgericht im angefochtenen Urteil gemäß § 153 Abs. 2 SGG Bezug genommen.

Die Klägerin hat keinen Anspruch auf Feststellung eines höheren Gesamt-GdB als 40.

Das führende psychische Leiden war jedenfalls zu Beginn des Verfahrens mit einem Einzel-GdB von 30 zu bewerten.

Aus Sicht des Senats ist - entgegen den meisten gehörten Sachverständigen - durchaus fraglich, ob dieser führende Einzel-GdB wegen des Einzel-GdB von 20 für das Wirbelsäulenleiden überhaupt zu erhöhen war und ist. Entsprechend den obigen Ausführungen sind in die Bewertung des Wirbelsäulenleidens bereits Schmerzzustände eingeflossen. Erst durch diese wurde überhaupt eine Vergleichbarkeit mit mittelgradigen Beschwerden in einem Wirbelsäulenabschnitt erreicht. Es liegt dann näher, von einer Überlappung mit der im Funktionssystem Psyche verorteten Schmerzstörung im Sinne von Teil A Nr. 3.d.cc. VMG auszugehen, wie es bereits Dr. H. in seiner ergänzenden Stellungnahme für das Sozialgericht tat. Und anders als das Sozialgericht meinte, führt ein Einzel-GdB von 20 in einem anderen Funktionsbereich nicht zwangsläufig zu einer Erhöhung des führenden Einzel-GdB (vgl. hierzu ausführlich LSG NRW vom 29.6.2012 – L 13 SB 127/11, Rn. 44 ff., juris; a.A. wohl LSG Berlin-Brandenburg vom 09.03.2017 – L 13 SB 119/15, Rn. 32, juris).

Letztlich kann diese Frage ebenso dahinstehen wie die, ob auch heute noch ein Einzel-GdB von 30 für das Funktionssystem Psyche anzunehmen und ein Einzel-GdB von 20 nicht zutreffend ist. Denn eine Erhöhung des Gesamt-GdB auf mehr als 40 kommt in keinem Fall in Betracht. Die mit Einzel-GdB von 10 bewerteten Leiden rechtfertigen gemäß Teil A Nr. 3.d.ee. Satz 1 VMG grundsätzlich keine weitere Erhöhung (vgl. BSG vom 16.12.2021 – B 9 SB 6/19 R, Rn. 40). Anhaltspunkte für einen Ausnahmefall sind nicht ersichtlich. Selbst wenn das Funktionssystem Atmung knapp einen Einzel-GdB von 20 erreichen würde, führte dies nach den überzeugenden Ausführungen von Dr. V. ebenfalls nicht zur Anhebung des Gesamt-GdB (vgl. zur fehlenden Relevanz eines nur knapp erreichten Einzel-GdB von 20 BSG vom 16.12.2021 – B 9 SB 7/19 R, Rn. 41).

Die Gesamtheit der behinderungsbedingten Teilhabebeeinträchtigungen der Klägerin, die zusammengefasst maßgeblich unter leicht- bis allenfalls mittelgradigen Wirbelsäulenbeschwerden, einer leicht- bis allenfalls mittelgradigen psychischen Störung mit depressiven und somatoformen Komponenten sowie leichtgradigen Atembeschwerden leidet, ist keinesfalls vergleichbar mit den Teilhabebeeinträchtigungen von Menschen, bei denen nach den VMG schon wegen eines einzelnen Leidens ein GdB von 50 anzunehmen ist, etwa schwer psychisch Kranken (vgl. Teil B Nr. 3.7 VMG), an der Wirbelsäule Erkrankten mit besonders schweren Auswirkungen wie einer Versteifung großer Teile der Wirbelsäule, anhaltender Ruhigstellung durch Rumpforthese, die drei Wirbelsäulenabschnitte umfasst oder schwerer Skoliose (vgl. Teil B Nr. 18.9 VMG) oder bei Krankheiten der Atmungsorgane mit dauernder Einschränkung der Lungenfunktion mittleren Grades wie etwa bei respiratorischer Partialinsuffizienz (vgl. Teil B Nr. 8.3 VMG).

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.

Anlass, die Revision nach § 160 Abs. 2 SGG zuzulassen, besteht nicht.

Rechtsmittelbelehrung:

Dieses Urteil kann nur dann mit der Revision angefochten werden, wenn sie nachträglich vom Bundessozialgericht zugelassen wird. Zu diesem Zweck kann die Nichtzulassung der Revision durch das Landessozialgericht mit der Beschwerde angefochten werden.

Die Beschwerde ist von einem bei dem Bundessozialgericht zugelassenen Prozessbevollmächtigten innerhalb eines Monats nach Zustellung des Urteils schriftlich oder in elektronischer Form beim

Bundessozialgericht, Postfach 41 02 20, 34114 KasseloderBundessozialgericht, Graf-Bernadotte-Platz 5, 34119 Kassel

einzulegen.

Die Beschwerdeschrift muss bis zum Ablauf der Monatsfrist bei dem Bundessozialgericht eingegangen sein.

Die elektronische Form wird durch Übermittlung eines elektronischen Dokuments gewahrt, das für die Bearbeitung durch das Gericht geeignet ist und

- von der verantwortenden Person qualifiziert elektronisch signiert ist und über das Elektronische Gerichts- und Verwaltungspostfach (EGVP) eingereicht wird oder

- von der verantwortenden Person signiert und auf einem sicheren Übermittlungsweg gem. § 65a Abs. 4 Sozialgerichtsgesetz (SGG) eingereicht wird.

Weitere Voraussetzungen, insbesondere zu den zugelassenen Dateiformaten und zur qualifizierten elektronischen Signatur, ergeben sich aus der Verordnung über die technischen Rahmenbedingungen des elektronischen Rechtsverkehrs und über das besondere elektronische Behördenpostfach (Elektronischer-Rechtsverkehr-Verordnung -ERVV) in der jeweils gültigen Fassung. Weitergehende Informationen zum elektronischen Rechtsverkehr können über das Internetportal des Bundessozialgerichts (www.bsg.bund.de) abgerufen werden.

Als Prozessbevollmächtigte sind nur zugelassen

-          jeder Rechtsanwalt,

-          Rechtslehrer an einer staatlichen oder staatlich anerkannten Hochschule eines Mitgliedsstaates der Europäischen Union, eines anderen Vertragsstaates des Abkommens über den Europäischen Wirtschaftsraum oder der Schweiz, die die Befähigung zum Richteramt besitzen,

-          selbständige Vereinigungen von Arbeitnehmern mit sozial- oder berufspolitischer Zwecksetzung für ihre Mitglieder,

-          berufsständische Vereinigungen der Landwirtschaft für ihre Mitglieder,

-          Gewerkschaften und Vereinigungen von Arbeitgebern sowie Zusammenschlüsse solcher Verbände für ihre Mitglieder oder für andere Verbände oder Zusammenschlüsse mit vergleichbarer Ausrichtung und deren Mitglieder,

-          Vereinigungen, deren satzungsgemäße Aufgaben die gemeinschaftliche Interessenvertretung, die Beratung und Vertretung der Leistungsempfänger nach dem sozialen Entschädigungsrecht oder der behinderten Menschen wesentlich umfassen und die unter Berücksichtigung von Art und Umfang ihrer Tätigkeit sowie ihres Mitgliederkreises die Gewähr für eine sachkundige Prozessvertretung bieten, für ihre Mitglieder,

-          juristische Personen, deren Anteile sämtlich im wirtschaftlichen Eigentum einer der vorgenannten Organisationen stehen, wenn die juristische Person ausschließlich die Rechtsberatung und Prozessvertretung dieser Organisation und ihrer Mitglieder oder anderer Verbände oder Zusammenschlüsse mit vergleichbarer Ausrichtung und deren Mitglieder entsprechend deren Satzung durchführt, und wenn die Organisation für die Tätigkeit der Bevollmächtigten haftet.

Die vorgenannten Vereinigungen, Gewerkschaften und juristischen Personen müssen durch Personen mit Befähigung zum Richteramt handeln. Behörden und juristische Personen des öffentlichen Rechts einschließlich der von ihnen zur Erfüllung ihrer öffentlichen Aufgaben gebildeten Zusammenschlüsse sowie private Pflegeversicherungsunternehmen können sich durch eigene Beschäftigte mit Befähigung zum Richteramt oder durch Beschäftigte mit Befähigung zum Richteramt anderer Behörden oder juristischer Personen des öffentlichen Rechts einschließlich der von ihnen zur Erfüllung ihrer öffentlichen Aufgaben gebildeten Zusammenschlüsse vertreten lassen.

Ein Beteiligter, der zur Vertretung berechtigt ist, kann sich selbst vertreten. Handelt es sich dabei um eine der vorgenannten Vereinigungen, Gewerkschaften oder juristischen Personen, muss diese durch Personen mit Befähigung zum Richteramt handeln.

Die Beschwerde ist innerhalb von zwei Monaten nach Zustellung des Urteils von einem zugelassenen Bevollmächtigten schriftlich oder in elektronischer Form zu begründen.

In der Begründung muss die grundsätzliche Bedeutung der Rechtssache dargelegt oder die Entscheidung des Bundessozialgerichts, des Gemeinsamen Senats der obersten Gerichtshöfe des Bundes oder des Bundesverfassungsgerichts, von der das Urteil abweicht, oder ein Verfahrensmangel, auf dem die angefochtene Entscheidung beruhen kann, bezeichnet werden. Als Verfahrensmangel kann eine Verletzung der §§ 109 und 128 Abs. 1 Satz 1 Sozialgerichtsgesetz nicht und eine Verletzung des § 103 Sozialgerichtsgesetz nur gerügt werden, soweit das Landessozialgericht einem Beweisantrag ohne hinreichende Begründung nicht gefolgt ist.

Für die Beschwerde gegen die Nichtzulassung der Revision kann ein Beteiligter, der nicht schon durch die oben genannten Vereinigungen, Gewerkschaften oder juristischen Personen vertreten ist, Prozesskostenhilfe zum Zwecke der Beiordnung eines Rechtsanwalts beantragen.

Der Beteiligte kann die Prozesskostenhilfe selbst beantragen. Der Antrag ist beim Bundessozialgericht entweder schriftlich oder in elektronischer Form einzureichen oder mündlich vor dessen Geschäftsstelle zu Protokoll zu erklären.

Dem Antrag sind eine Erklärung des Beteiligten über seine persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse (Familienverhältnisse, Beruf, Vermögen, Einkommen und Lasten) sowie entsprechende Belege beizufügen. Hierzu ist der für die Abgabe der Erklärung vorgeschriebene Vordruck zu benutzen. Der Vordruck kann von allen Gerichten oder durch den Schreibwarenhandel bezogen werden.

Wird Prozesskostenhilfe bereits für die Einlegung der Beschwerde begehrt, so müssen der Antrag und die Erklärung über die persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse - gegebenenfalls nebst entsprechenden Belegen - bis zum Ablauf der Frist für die Einlegung der Beschwerde (ein Monat nach Zustellung des Urteils) beim Bundessozialgericht eingegangen sein.

Mit dem Antrag auf Prozesskostenhilfe kann ein zur Vertretung bereiter Rechtsanwalt benannt werden.

Ist dem Beteiligten Prozesskostenhilfe bewilligt worden und macht er von seinem Recht, einen Anwalt zu wählen, keinen Gebrauch, wird auf seinen Antrag der beizuordnende Rechtsanwalt vom Bundessozialgericht ausgewählt.

Der Beschwerdeschrift und allen folgenden Schriftsätzen sollen Abschriften für die übrigen Beteiligten beigefügt werden.

Das Bundessozialgericht bittet darüber hinaus um je zwei weitere Abschriften.

Schriftlich einzureichende Anträge und Erklärungen, die durch einen Rechtsanwalt, durch eine Behörde oder durch eine juristische Person des öffentlichen Rechts einschließlich der von ihr zur Erfüllung ihrer öffentlichen Aufgaben gebildeten Zusammenschlüsse eingereicht werden, sind als elektronisches Dokument zu übermitteln. Ist dies aus technischen Gründen vorübergehend nicht möglich, bleibt die Übermittlung nach den allgemeinen Vorschriften zulässig. Die vorübergehende Unmöglichkeit ist bei der Ersatzeinreichung oder unverzüglich danach glaubhaft zu machen; auf Anforderung ist ein elektronisches _  Dokument nachzureichen. Gleiches gilt für die nach dem Sozialgerichtsgesetz vertretungsberechtigten Personen, für die ein sicherer Übermittlungsweg nach § 65a Abs. 4 Nr. 2 SGG zur Verfügung steht (§ 65d SGG).

Rechtskraft
Aus
Saved