Die Berufung des Klägers gegen den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Freiburg vom 6. Mai 2022 wird zurückgewiesen.
Außergerichtliche Kosten sind auch im Berufungsverfahren nicht zu erstatten.
Tatbestand
Der Kläger begehrt im Überprüfungsverfahren nach § 44 Zehntes Buch Sozialgesetzbuch (SGB X) die Anerkennung und Entschädigung einer Lendenwirbelsäulenerkrankung wie eine Berufskrankheit (Wie-BK) nach § 551 Abs. 2 Reichsversicherungsordnung (RVO) bzw. § 9 Abs. 2 Siebtes Buch Sozialgesetzbuch (SGB VII).
Der 1949 geborene Kläger war von September 1969 bis Februar 1981 als Fahrer und Beifahrer im Brennstoffhandel bei der Firma R Brennstoffe in S beschäftigt. Ab Oktober 1987 machte er eine Umschulung zum Güteprüfer.
Mit Schreiben vom 29.06.2000 beantragte der Kläger bei der Großhandels- und Lagerei-Berufsgenossenschaft, deren Rechtsnachfolgerin die Beklagte ist (im Folgenden einheitlich: die Beklagte) die Anerkennung und Entschädigung seiner Wirbelsäulenbeschwerden als Berufskrankheit (BK). Zur Begründung gab er an, er habe während der Beschäftigung bei R. schwer gehoben und getragen, hierdurch seit 1977 oft schwere Rückenbeschwerden gehabt und seine Tätigkeit deshalb 1981 aufgegeben. Auf Kosten des Rentenversicherungsträgers habe er von 1987 bis 1991 eine Umschulung zum Güteprüfer absolviert. Bis 1975 sei er überwiegend damit beschäftigt gewesen, vor allem Kohle und Brikett auszuliefern. Er habe Kohle in Säcke mit einem Gewicht von 50 kg abgepackt, diese auf den Lkw geladen, sie zu den Kunden gefahren, dort abgeladen und an die dortigen Lagerorte (Keller, Dachboden oder Schuppen) getragen. Ab 1976 habe er noch den Transport von Heizöl und Diesel übernommen. Weitere wirbelsäulenbelastende oder gefährdende berufliche Tätigkeiten nach 1981 gab der Kläger nicht an.
Den Antrag lehnte die Beklagte mit Bescheid vom 24.07.2001 ab und führte aus, ein Entschädigungsanspruch aus Anlass seiner Erkrankung sei nicht gegeben, weil weder eine BK vorliege noch die konkrete Gefahr des Entstehens einer BK bestehe bzw. bestanden habe. Der Kläger leide unter Wirbelsäulenbeschwerden, welche er auf seine berufliche Tätigkeit bei R. zurückführe. Doch selbst unterstellt, die bis Februar 1981 ausgeübte Tätigkeit sei für seine Wirbelsäule gefährdend gewesen, komme eine Anerkennung der Wirbelsäulenerkrankung als BK Nr. 2108 bis 2010 der Anlage 1 zur Berufskrankheitenverordnung (BKV) nicht in Betracht. Nach der Rückwirkungsregelung des § 6 Abs. 2 BKV (alter Fassung, nach aktueller Fassung Abs. 6) müsse der Versicherungsfall frühestens am 01.04.1988 eingetreten sein. Der Tag des Versicherungsfalls ergebe sich aus dem Ende der die Wirbelsäule gefährdenden Tätigkeit. Sollte die angeschuldigte Tätigkeit bis Februar 1981 gefährdend gewesen sein, läge der Tag des Versicherungsfalls vor dem 01.04.1988. Den ohne Begründung eingelegten Widerspruch des Klägers hiergegen wies die Beklagte mit Widerspruchsbescheid vom 28.01.2002 zurück. Die Bescheide wurden bestandskräftig.
Mit Schreiben vom 08.02.2016 beantragte der Kläger die Überprüfung des Bescheides vom 24.07.2001 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 28.01.2002. Hierzu nahm er Einsicht in den Ausdruck der papierlos geführten Akte der Beklagten, welche ihm mitteilte, dass nur noch eine Restakte vorhanden sei, da nach Ablauf der Aufbewahrungsfristen ein Teil der Unterlagen bereits vernichtet sei. Der Kläger legte ein Bestätigungsschreiben der R. und medizinische Unterlagen aus den Jahren 1983 bis 2000 vor.
Die Beklagte lehnte den Überprüfungsantrag mit Bescheid vom 07.06.2016 in der Gestalt des Widerspruchbescheids vom 19.10.2016 ab. Seine hiergegen zum Sozialgericht Freiburg (SG) erhobene Klage (S 9 U 4591/16), gerichtet auf die Anerkennung und Entschädigung seiner Lendenwirbelsäulenerkrankung als Listen-BK, hilfsweise als Wie-BK wies das SG mit Gerichtsbescheid vom 15.03.2018 ab. Soweit die Klage auf „Entschädigung“ und die Anerkennung der Lendenwirbelsäulenerkrankung als Wie-BK gerichtet sei, sei die Klage bereits unzulässig, da die klagebefangenen Bescheide insoweit keine Entscheidung getroffen hätten, im Übrigen sei die Klage unbegründet. Die begehrte Anerkennung als BK sei aufgrund der einschlägigen Stichtagsregelung des § 6 Abs. 2 BKV a. F. ausgeschlossen. Die Beklagte habe nachvollziehbar dargelegt, dass sie aufgrund der bereits 1981 erfolgten Aufgabe der unstreitig allein als gefährdende Tätigkeit in Betracht kommenden Beschäftigung im Brennstoffhandel davon ausgehe, dass der Versicherungsfall – bei unterstelltem Vorliegen der übrigen Anerkennungsvoraussetzungen – jedenfalls deutlich vor dem 31.03.1988 eingetreten sein müsse. Diese Annahme werde durch die im Verwaltungsverfahren vorgelegten medizinischen Befundberichte bestätigt. Danach seien die Rückenbeschwerden seit 1977 aufgetreten und erhebliche degenerative Veränderungen sowie Bandscheibenvorfälle und –protrusionen im Bereich der Lendenwirbelsäule seit 1983 durch bildgebende Verfahren nachgewiesen. Objektive Umstände, nach denen sich ein Eintritt des Versicherungsfalls erst nach dem 31.03.1988 begründen lassen könne, habe weder der Kläger vorgetragen noch seien sie sonst ersichtlich. Damit könne dahinstehen, ob die sonstigen Anspruchsvoraussetzungen einer der BKen Nr. 2108, 2109 oder 2110 erfüllt seien. Die Berufung hiergegen, mit der der Kläger das Vorliegen einer BK Nr. 2108 geltend machte, wies das Landessozialgericht (LSG) Baden-Württemberg mit Urteil vom 22.02.2019 (L 12 U 1248/18) zurück.
Den erneuten Überprüfungsantrag des Klägers mit Schreiben vom 20.01.2021 bzw. 01.04.2021 bezüglich der Anerkennung und Entschädigung seines Wirbelsäulenleidens als BK Nr. 2108 lehnte die Beklagte mit Bescheid vom 11.05.2021 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 01.07.2021 ab, die Klage zum SG hiergegen blieb erfolglos (Gerichtsbescheid vom 06.05.2022, S 17 U 2450/22). Hiergegen ist ein Berufungsverfahren beim Senat unter dem Aktenzeichen L 9 U 1451/22 anhängig.
Aufgrund des hilfsweisen Vorbringens im Widerspruchs- und Klageverfahren gegen den Bescheid vom 07.06.2016 lehnte die Beklagte mit Bescheid vom 11.07.2017 die Anerkennung der Lendenwirbelsäulenerkrankung des Klägers als Wie-BK nach § 551 Abs. 2 RVO bzw. § 9 Abs. 2 SGB VII ab. Zur Begründung führte sie aus, Sinn dieser Regelungen könne nur sein, durch berufliche Tätigkeiten verursachte Erkrankungen wie eine BK zu entschädigen, die zum Zeitpunkt des Feststellungsverfahrens noch nicht in der BK-Liste erfasst seien, weil ausreichende Erkenntnisse der medizinischen Wissenschaft über die besondere Gefährdung bestimmter Personengruppen in ihrer Arbeit bei der letzten Fassung der BK-Liste noch nicht vorhanden oder dem Verordnungsgeber nicht bekannt gewesen seien oder trotz Nachprüfung nicht ausgereicht hätten. Der Kläger habe erstmals 2000 eine Erkrankung seiner Lendenwirbelsäule geltend gemacht. Zu diesem Zeitpunkt sei die BK Nr. 2108 bereits durch die 2. Verordnung zur Änderung der BKV vom 18.12.1992 in die BK-Liste aufgenommen gewesen. Daher habe die Prüfung der Erkrankung nach § 9 Abs. 1 SGB VII zu erfolgen und hierbei seien die in der BKV definierten Voraussetzungen zu beachten, auch die Rückwirkungsvorschrift des § 6 BKV. Für eine Beurteilung nach § 551 Abs. 2 RVO bzw. § 9 Abs. 2 SGB VII gebe es insofern keinen rechtlichen Raum mehr. Den Widerspruch hiergegen wies die Beklagte mit Widerspruchsbescheid vom 04.10.2017 zurück. Zur Begründung verwies sie auf die Entscheidung des BSG vom 30.06.1993 (2 RU 16/92), wonach die Regelung des § 551 Abs. 2 RVO nicht dazu dienen könne, in den Fällen eine Entschädigung zu gewähren, die infolge einer nur begrenzten Rückwirkung der BKV nicht in den Versicherungsschutz einbezogen seien.
Hiergegen erhob der Kläger am 06.11.2017 ebenfalls Klage zum SG (S 17 U 4102/17). Zur Begründung machte er geltend, wenn für die Listen-BK der Stichtag gelte, müsse die Anerkennung als Wie-BK folgen. Insoweit könne aus der BKV keine Begrenzung der Rückwirkung abgeleitet werden.
Das SG wies die Klage mit Gerichtsbescheid vom 15.04.2020 ab. Es gehe um die Anerkennung und Entschädigung einer vor 1981 aufgetretenen bandscheibenbedingten Erkrankung der LWS, die sich der Kläger nach seinen Angaben bei der Arbeit als Arbeiter im Brennstoffhandel in den Jahren 1969 bis zur Aufgabe der Beschäftigung 1981 durch schweres Heben und Tragen zugezogen habe. Voraussetzung für die Anerkennung gemäß § 551 Abs. 2 RVO sei, dass auf Grund „neuer Erkenntnisse“ eine BK-Reife vorliege. Zeitlicher Bezugspunkt für die Frage, ob es sich um „neue“ Erkenntnisse in diesem Sinne handle, sei die Entscheidung des Unfallversicherungsträgers, frühestens die Antragstellung. Vorliegend habe der Kläger erstmals im Jahr 2000 die Anerkennung einer BK beantragt. In diesem Zeitpunkt sei die BK 2108 aber bereits in die BKV aufgenommen und mit einer entsprechenden Rückwirkung bis 01.04.1988 versehen gewesen. Demnach könne von neuen Erkenntnissen im Falle des Klägers nicht die Rede sein.
Die Berufung hiergegen wies das LSG Baden-Württemberg mit Urteil vom 18.12.2020 (L 8 U 1456/20) zurück. Der Bescheid vom 11.07.2017 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids sei rechtmäßig und verletze den Kläger nicht in seinen Rechten. Er habe weder einen Anspruch auf Verurteilung der Beklagten zur Anerkennung seines WS-Leidens als Wie-BK gemäß § 551 Abs. 2 RVO oder § 9 Abs. 2 SGB VII noch zur Gewährung von Entschädigungsleistungen. Anwendbar sei aufgrund der Übergangsregelung des § 212 SGB VII, weil im Fall des Klägers ein Versicherungsfall jedenfalls nur vor Inkrafttreten des SGB VII in Betracht komme, § 551 Abs. 2 RVO. Danach sei aber zwingende Voraussetzung, dass der Versicherungsfall erst nach dem 31.03.1988 eingetreten ist. Die Stichtagsregelung des § 6 Abs. 6 BKV a. F. finde auch auf Ansprüche nach § 551 Abs. 2 RVO Anwendung. Dies sei auch mit höherrangigem Recht vereinbar, wie das BSG wiederholt entschieden und worauf bereits der 12. Senat in seinem Urteil vom 22.02.2019 zutreffend hingewiesen habe (BSG, Urteil vom 13.06.2006 B 8 KN 3/05 R). Selbst wenn die medizinischen und arbeitstechnischen Voraussetzungen für die Feststellung einer BK vorlägen, wäre der Versicherungsfall unstreitig lange vor dem Stichtag eingetreten. Denn wirbelsäulenbelastend sei allein die berufliche Tätigkeit im Brennstoffhandel gewesen, die der Kläger am 13.02.1981 aufgegeben habe. Er habe selbst gegenüber der Beklagten angegeben, die ganz erheblichen Wirbelsäulenbeschwerden, an denen er seit 1977 gelitten habe, seien Grund für die Aufgabe der Tätigkeit im Februar 1981 gewesen. Dies decke sich mit sämtlichen aktenkundigen medizinischen Befunden, wie der 12. Senat im angegebenen Urteil bereits im Einzelnen ausgeführt habe. Gerade wegen dieser Angaben des Klägers selbst stehe fest, dass ein Versicherungsfall – die übrigen Anerkennungsvoraussetzungen unterstellt – deutlich vor dem 01.04.1988 eingetreten sein müsse. Die Anerkennung einer Wie-BK sei damit nach der Stichtagsregelung des § 6 Abs. 6 BKV a. F. ausgeschlossen. Daher sei auch zur Frage des Vorliegens einer BK nach neuer Erkenntnis im Einzelfall kein arbeitsmedizinisches Sachverständigengutachten einzuholen, weder nach § 103 SGG noch auf Antrag des Klägers nach § 109 SGG. Damit sei auch kein Raum für die Gewährung von Entschädigungsleistungen, weder in Form einer Verletztenrente noch von Übergangsleistungen. Die Beschwerde des Klägers zum BSG gegen die Nichtzulassung der Revision im Urteil des LSG Baden-Württemberg vom 18.12.2020 wurde mit Beschluss vom 16.03.2021 (B 2 U 11/21 B) als unzulässig verworfen.
Mit Schreiben vom 20.01.2021 und vom 01.04.2021 stellte der Kläger über seine Bevollmächtigten einen Überprüfungsantrag auch in Bezug auf die Anerkennung seiner Lendenwirbelsäulenerkrankung als Wie-BK.
Mit Bescheid vom 27.04.2021 lehnte die Beklagte die Rücknahme des Bescheids vom 11.07.2017 in der Fassung des Widerspruchsbescheids vom 04.10.2017 ab. Es gebe keine Hinweise darauf und es seien keine Gründe vorgetragen, dass bei Erlass der genannten Bescheide von einem falschen Sachverhalt ausgegangen oder das Recht falsch angewandt worden sei. Insoweit verweise sie auch auf das Urteil des LSG Baden-Württemberg vom 18.12.2020. Den Widerspruch des Klägers hiergegen wies die Beklagte mit Widerspruchsbescheid vom 01.07.2021 zurück.
Hiergegen hat der Kläger über seine früheren Bevollmächtigten am 09.08.2021 die vorliegend streitbefangene Klage zum SG erhoben mit dem Begehren, die Beklagte zu verurteilen, im Zugunstenwege eine Wie-BK der Lendenwirbelsäule gemäß § 551 Abs. 2 RVO anzuerkennen und zu entschädigen. Zur Begründung hat er vorgetragen, der Vortrag, auf den er sich stütze, müsse nicht neu sein. Es gehe um die materielle Richtigkeit. Die Beklagte ist der Klage entgegengetreten. Sie hat auf die Entscheidungen des SG im Verfahren S 17 U 4102/17 und des LSG Baden-Württemberg im Verfahren L 8 U 1456/20 sowie des BSG im Verfahren B 2 U 11/21 B verwiesen und darauf, dass der Kläger keine weiteren die Klage stützenden Aspekte vorgetragen habe.
Nach vorheriger Ankündigung hat das SG die Klage mit Gerichtsbescheid vom 06.05.2022 abgewiesen. Die nach Auslegung zulässige Klage sei unbegründet. Der Kläger habe keinen Anspruch auf Zurücknahme der ergangenen Bescheide und Anerkennung sowie Entschädigung der geltend gemachten „Wie-BK“, da die gesetzlichen Voraussetzungen § 44 SGB X nicht erfüllt seien. Hierzu hat das SG auf die Ausführungen im Urteil des LSG Baden-Württemberg vom 18.12.2020 verwiesen, denen nichts hinzuzufügen sei.
Gegen den den Klägerbevollmächtigten am 06.05.2022 zugestellten Gerichtsbescheid richtet sich die am 07.06.2022 zum LSG Baden-Württemberg eingelegte Berufung des Klägers. Zur Begründung trägt er vor, die Beklagte sowie das SG spekulierten über den Zeitpunkt des Versicherungsfalls, der angeblich vor dem Stichtag zu liegen käme. Es sei bereits unklar, ob er nach 1981 noch schwer gehoben und getragen habe. Denn auch ein Güteprüfer könne entsprechend schwer heben und tragen und in Rumpfbeugehaltung arbeiten, was die Voraussetzungen der BK 2108 respektive der Wie-BK erfüllen würde. Auch sei unklar, ab wann bandscheibenbedingte Beschwerden der LWS bei ihm dokumentiert worden seien. Dies sei entscheidend für die Frage, wann der Versicherungsfall eingetreten sein könne. Denn irgendwelche WS-Beschwerden seien sicherlich nicht geeignet, den Tatbestand einer BK 2108 oder einer Wie-BK zu erfüllen. Da all diese Umstände bislang nicht ermittelt worden seien, gelte es, dies nachzuholen. Nach Beendigung des Mandats der Bevollmächtigten hat der Kläger persönlich ergänzend vorgetragen, die Verwaltungsakte der Beklagten verstoße gegen deren Pflicht, die Akte vollständig und wahrheitsgetreu zu führen. Indem das SG die Akte nicht beanstandet habe, habe es ebenfalls gegen die gesetzlichen Pflichten verstoßen. Da die Beklagte nach § 138 ZPO zur Wahrheit verpflichtet sei, Schriftstücke vorenthalten, Verwahrungsbruch begangen habe, müssten seine Beanstandungen nach § 444 ZPO als bewiesen gelten und die Beklagte dementsprechend verurteilt werden. Weiter rügt der Kläger, dass im vorliegenden und den weiteren bislang von ihm gegen die Beklagte geführten Verfahren weder Gutachten von Amts wegen eingeholt wurden noch R als ehemaliger Chef zu seinen Belastungen an seinem Arbeitsplatz bei R. angehört wurde. Insoweit sehe er ein gravierendes, systematisches Ermittlungsdefizit.
Der Kläger beantragt:
„Unter Abänderung des Gerichtsbescheids vom 06.05.2022 des Sozialgerichts Freiburg – S 17 U 2451/21 – vom 06.05.2022 wird die Beklagte verurteilt, den Bescheid vom 27.04.2021 in Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 01.07.2021 aufzuheben und den Bescheid vom 11.07.2017 zurückzunehmen und die Erkrankung des Berufungsführers der Lendenwirbelsäule als WieBK gem. § 551 Abs. 2 RVO bzw. § 9 Abs. 2 SGB VII anzuerkennen und zu entschädigen.
Hilfsweise: Die Revision wird zugelassen.
Hilfsweise wird an den gestellten und etwa künftig noch gestellten Beweisanträgen ausdrücklich als solchen festgehalten, sowohl für den Fall der mündlichen Verhandlung, für den Fall nach § 124 Absatz 2 SGG, für den Fall des § 153 Absatz 4 SGG sowie für sonstige Fallgestaltungen.“
Die Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Ihres Erachtens ist der Gerichtsbescheid weder in tatsächlicher noch in rechtlicher Hinsicht zu beanstanden. Sie verweist auch auf das Parallelverfahren L 9 U 1451/22.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts sowie des Vorbringens der Beteiligten wird auf die Gerichtsakten beider Instanzen, die beigezogenen Gerichtsakten der. vorhergehenden bzw. parallel geführten Verfahren beim SG, LSG Baden-Württemberg und BSG (SG S 17 U 4102/17, L 8 U 1456/20, B 2 U 11/21 B einerseits sowie S 9 U 4591/16, L 12 U 1248/18 bzw. S 17 U 2450/21, L 9 U 1451/22) und die von der Beklagten vorgelegte Verwaltungsakte in Form eines Ausdrucks der elektronisch geführten Akte Bezug genommen.
Entscheidungsgründe
Der Senat konnte verhandeln und über die Berufung entscheiden, obwohl der Kläger im Termin zur mündlichen Verhandlung nicht erschienen ist, da der Kläger mit der ordnungsgemäßen, ausweislich des Empfangsbekenntnisses am 31.08.2022 zugestellten Ladung auf diese Möglichkeit hingewiesen wurde (§ 110 Abs. 1 Satz 2 SGG) und er mit Schreiben vom 19.09.2022 sein Nichterscheinen zum Termin angekündigt hat, ohne einen Antrag auf Terminverlegung oder –aufhebung zu stellen.
Die gemäß § 151 Abs. 1 Sozialgerichtsgesetz (SGG) form- und fristgerecht eingelegte Berufung des Klägers ist zulässig. Berufungsausschließungsgründe liegen nicht vor. Die Berufung ist jedoch unbegründet. Das SG hat die Klage zu Recht abgewiesen.
Der Kläger hat keinen Anspruch auf Aufhebung des Bescheids der Beklagten vom 27.04.2021 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 01.07.2021. Der Bescheid ist rechtmäßig und verletzt den Kläger nicht in seinen Rechten. Die Beklagte hat es zu Recht abgelehnt, den Bescheid vom 11.07.2017 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 04.10.2017 zurückzunehmen und die Lendenwirbelsäulenerkrankung des Klägers als Versicherungsfall wie eine BK nach § 551 Abs. 2 RVO anzuerkennen.
Soweit der Kläger neben der Verurteilung der Beklagten zur Anerkennung seines Leidens als Wie-BK auch deren Entschädigung begehrt, ist die Klage bereits unzulässig wie vom SG zutreffend ausgeführt und die Berufung daher unbegründet. Weder ist der Antrag auf Entschädigung auf eine konkrete Leistung gerichtet, noch hat die Beklagten in ihrem Bescheid vom 11.07.2017 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 04.10.2017 über die Gewährung einer konkreten Leistung entschieden.
Im Übrigen ist die Klage zulässig, aber unbegründet.
Als Rechtsgrundlage für den geltend gemachten Anspruch auf Rücknahme des Bescheids vom 11.07.2017 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 04.10.2017 kommt nur § 44 Abs. 1 Satz SGB X in Betracht. Danach ist ein Verwaltungsakt, soweit sich im Einzelfall ergibt, dass bei seinem Erlass das Recht unrichtig angewandt oder von einem Sachverhalt ausgegangen worden ist, der sich als unrichtig erweist, und soweit deshalb Sozialleistungen zu Unrecht nicht erbracht oder Beiträge zu Unrecht erhoben worden sind, auch nachdem er unanfechtbar geworden ist, mit Wirkung für die Vergangenheit zurückzunehmen.
Diese Voraussetzungen liegen aber nicht vor. Bei Erlass des Bescheids vom 11.07.2017 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 04.10.2017 wurde weder das Recht unrichtig angewandt noch von einem Sachverhalt ausgegangen, der sich als unrichtig erweist. Es wurden keine Sozialleistungen zu Unrecht nicht erbracht. Die Voraussetzungen für die begehrte Anerkennung und Entschädigung der Lendenwirbelsäule als Wie-BK lagen nicht vor.
Maßgebliche Rechtsgrundlage für die geltend gemachte Anerkennung einer sog. Wie-BK ist die Regelung des § 551 Abs. 2 RVO, die zwar mit Wirkung vom 01.01.1997 durch § 9 Abs. 1 SGB VII ersetzt wurde, jedoch nach der Übergangsregelung des § 212 SGB VII weiterhin einschlägig ist, weil im Fall des Klägers ein Versicherungsfall nur vor Inkrafttreten des SGB VII am 01.01.1997 in Betracht kommt.
Nach § 551 Abs. 2 RVO sollen die Träger der Unfallversicherung im Einzelfall eine Krankheit, auch wenn sie nicht in der BKV bezeichnet ist oder die dort bestimmten Voraussetzungen nicht vorliegen, wie eine BK entschädigen, sofern nach neuen Erkenntnissen die Voraussetzungen des § 551 Abs. 1 RVO vorliegen.
Wie bereits vom 12. Senat im Urteil vom 22.02.2019 (L 12 U 1248/18 m. w. N.) ausgeführt, kann dahingestellt bleiben, ob die (weiteren Voraussetzungen) für die Feststellung des Lendenwirbelsäulenleidens des Klägers als BK 2108 vorliegen. Denn der begehrten Feststellung einer BK 2108 steht die Stichtagsregelung des § 6 Abs. 2 BKV alter Fassung; aktuelle Fassung: Abs. 6) entgegen, wonach dann, wenn ein Versicherter am 01.01.1993 an einer Krankheit gelitten hat, die erst auf Grund der 2. Verordnung zur Änderung der BKV vom 18.12.1992 als BK anerkannt werden kann, die Krankheit auf Antrag als BK anzuerkennen ist, wenn der Versicherungsfall nach dem 31.03.1988 eingetreten ist.
Die Feststellung des Vorliegens einer Wie-BK nach § 551 Abs. 2 RVO ist aber genauso wie die Feststellung einer BK nach § 551 Abs. 1 RVO bzw. nach § 9 Abs. 1 Satz 2 SGB VII nur im Rahmen der geltenden Rückwirkungsregelungen möglich, hier der Regelung in § 6 Abs. 2 BKV a. F. bzw. in § 6 Abs. 6 BKV aktueller Fassung, die wortlautgleich lediglich eine andere Bezeichnung des Absatzes enthält. Insoweit schließt sich der Senat der Entscheidung des 8. Senats vom 18.12.2020 in dem zwischen den Beteiligten geführten Verfahren L 8 U 1456/20 (Juris m. w. N.) vollumfänglich an. Es ist nicht Sinn des § 551 Abs. 2 RVO, in den Fällen eine Entschädigung zu gewähren, die infolge einer nur begrenzten Rückwirkung der BKV nicht in den Versicherungsschutz einbezogen sind (vgl. BSG, Urteil vom 30.06.1993 - RU 16/02 -, Juris). Für die Anerkennung der Lendenwirbelsäulenerkrankung des Klägers als Wie-BK wäre damit zwingende Voraussetzung, dass der mögliche Versicherungsfall nach dem 31.03.1988 eingetreten ist, was vorliegend nicht festgestellt werden kann. Hierzu sind auch keine weiteren Ermittlungen von Amts wegen mehr erforderlich. Hierzu verweist der Senat insgesamt auf sein Urteil im Verfahren vom heutigen Tag im parallel anhängigen L 9 U 1451/22. Damit ist auch nicht dem Antrag bzw. der Anregung des Klägers im Schreiben vom 19.09.2022 nachzukommen, zur Belastungsdosis während seiner Beschäftigung bei R. oder zu seinem gesundheitlichen Zustand weitere Ermittlungen durchzuführen.
Soweit der Kläger eine Unwirksamkeit des angefochtenen Gerichtsbescheids sowie der früheren gerichtlichen Entscheidungen zwischen den Beteiligten geltend macht im Hinblick auf die von der Beklagten nur noch vorgelegte Restakte und insoweit eine Beweislastumkehr zu seinen Gunsten annimmt, führt auch dies zu keinem anderen Ergebnis. Wie das SG bereits im Gerichtsbescheid vom 06.05.2022 im Verfahren S 17 U 4250/21 zutreffend ausgeführt hat, ist weder konkret vorgetragen noch ersichtlich, welche Unterlagen mit welchem dem Klageziel förderlichen Inhalt die Beklagte vernichtet hat und insbesondere auch nicht, dass sie dies in der Absicht, diese dem Kläger zu entziehen getan hätte.
Es kommt auch, wie das SG bereits im genannten Gerichtsbescheid ausgeführt hat, keine Beweislastumkehr zugunsten des Klägers in Betracht. Nachdem der Kläger nicht einmal konkret behauptet, dass seine als BK 2108 geltend gemachte Lendenwirbelsäulenerkrankung erst zu einem Zeitpunkt nach dem 31.01.1988 aufgetreten bzw. durch spätere berufliche Einwirkungen verursacht oder verschlimmert worden wäre, eine solche Behauptung auch im deutlichen Widerspruch zu den durchgehend seit dem Jahr 2000 gemachten Angaben des Klägers und zu den vorliegenden medizinischen Unterlagen aus der Zeit von 1983 bis 1987 stünde, ist bereits kein Beweisnotstand des Klägers ersichtlich, der bei seiner Auflösung zu der von ihm begehrten Anerkennung einer BK 2108 führen könnte.
Es bestehen keine Anhaltspunkte dafür, dass die Beklagte im Rahmen der Bearbeitung der ersten Antragstellung des Klägers in Bezug auf seine Lendenwirbelsäulenerkrankung im Jahr 2000 keine vollständige und wahrheitsgetreue Aktenführung vorgenommen hätte. Die Beklagte hat lediglich mitgeteilt, dass im Zeitraum zwischen dem Abschluss des damaligen Verwaltungs- und Widerspruchsverfahrens im Jahr 2002 und der Einleitung eines neuen Verwaltungsverfahrens bzw. Überprüfungsverfahren durch den Kläger im Jahr 2016 eine Vernichtung von Aktenteilen nach Ablauf der für sie geltenden Aufbewahrungsfristen erfolgt sei.
Nach der im gesamten Zeitraum von 2000 bis 2016 geltenden Regelung des § 84 Abs. 2 Satz 2 SGB X in der bis 24.05.2018 geltenden Fassung waren Sozialdaten zu löschen, wenn ihre Kenntnis für die verantwortliche Stelle zur rechtmäßigen Erfüllung der in ihrer Zuständigkeit liegenden Aufgaben nicht mehr erforderlich war und kein Grund zu der Annahme bestand, dass durch die Löschung schutzwürdiger Interessen des Betroffenen beeinträchtigt wurden. Angesichts der damaligen Ablehnung des Antrags durch den Bescheid vom 24.07.2001 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 28.01.2002, dessen Erwachsen in Bestandskraft und des langen Zeitablaufs bis zum erstmaligen Überprüfungsbegehren des Klägers im Jahr 2016 ist weder ersichtlich, dass Gründe vorlagen, die einer Vernichtung von Aktenbestandteilen entgegengestanden hätten, noch dass eine Missachtung der für sie geltenden Aufbewahrungsfristen durch die Beklagte erfolgt wäre.
Vor diesem Hintergrund geht auch der Verweis des Klägers auf die Entscheidungen des Bundesverwaltungsgerichts (BVerwG) vom 16.03.1983 (1 B 153/87), des Bundesverfassungsgerichts (BVerfG) vom 06.06.1983 (2 BvR 244 und 310/83) sowie des SG Gießen vom 05.11.2021 (S 20 AL 70/21) fehl. Verstöße gegen § 31 Bundesverfassungsgerichtsgesetz (BVerfGG), Art. 20 Abs. 3 Grundgesetz (GG), Art. 97 Abs. 1 GG, Art. 6 Abs. 1 der Europäischen Menschenrechtskonvention (EMRK) oder § 103 SGG sind für den Senat nicht ersichtlich.
Damit ist die Berufung zurückzuweisen.
Die Kostenentscheidung folgt aus § 193 SGG.
Gründe für die Zulassung der Revision sind nicht ersichtlich.
Land
Baden-Württemberg
Sozialgericht
LSG Baden-Württemberg
Sachgebiet
Unfallversicherung
Abteilung
9
1. Instanz
SG Freiburg (BWB)
Aktenzeichen
S 17 U 2451/21
Datum
2. Instanz
LSG Baden-Württemberg
Aktenzeichen
L 9 U 1657/22
Datum
3. Instanz
-
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Rechtskraft
Aus
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