L 11 KR 539/21

Land
Nordrhein-Westfalen
Sozialgericht
LSG Nordrhein-Westfalen
Sachgebiet
Krankenversicherung
Abteilung
11
1. Instanz
SG Detmold (NRW)
Aktenzeichen
S 31 KR 1219/19
Datum
2. Instanz
LSG Nordrhein-Westfalen
Aktenzeichen
L 11 KR 539/21
Datum
3. Instanz
-
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil

Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Sozialgerichts Detmold vom 10. Mai 2021 wird zurückgewiesen.

Außergerichtliche Kosten sind auch im Berufungsrechtszug nicht zu erstatten.

Die Revision wird nicht zugelassen.

 

Tatbestand:

Die Beteiligten streiten über die Gewährung von Krankengeld (Krg).

Der am 00.00.0000 geborene Kläger ist bei der Beklagten krankenversichert. Er war vom 16. Februar 2017 und (letztlich) bis zum 31. Dezember 2017 bei der Firma B. in E. als Energieanlagenelektroniker beschäftigt. Seit November 2017 litt der Kläger unter einer Alkoholerkrankung. Das Arbeitsverhältnis endete durch Kündigung der Arbeitgeberin vom 29. November 2017 mit Wirkung zum 31. Dezember 2017. Im Rahmen der sich anschließenden Kündigungsschutzklage vor dem Arbeitsgericht (ArbG) Kassel fand zunächst am 30. Januar 2018 ein Gütetermin statt. Am 28. Mai 2018 zeigte der Kläger die daraufhin unternommenen Einigungsversuche als gescheitert an. Die beklagte Arbeitgeberin erklärte im Anschluss mit Schreiben vom 29. Mai 2018, dass sie „auf die Rechte aus der Kündigung vom 29. November 2017 verzichtet.“ Zugleich bot sie an, dass der Kläger ab dem 1. Juni 2018 wieder seine Beschäftigung antrete. Der Kläger erweiterte am 7. Juni 2018 zunächst seinen Antrag im Rahmen der Kündigungsschutzklage auf Fortbeschäftigung im Homeoffice bzw. im N. in G. und stellte mit Schriftsatz vom 10. August 2018 einen Auflösungsantrag nach § 9 Kündigungsschutzgesetz (KSchG). Der „Rücknahme der Kündigung“ widersprach er. Letztlich einigten sich der Kläger und seine ehemalige Arbeitgeberin vor dem ArbG durch Vergleich vom 27. August 2018 u.a. dahingehend, dass das Arbeitsverhältnis durch die Kündigung der Arbeitgeberin vom 29. November 2017 aus betriebsbedingten Gründen unter Einhaltung der vertraglichen Kündigungsfristen zum Ablauf des 31. Dezember 2017 sein Ende gefunden habe. Auf den weiteren Inhalt wird Bezug genommen.

Wegen psychischer und Verhaltensstörungen durch Alkohol (schädlicher Gebrauch und Abhängigkeitssyndrom) war der Kläger bereits ab dem 5. Dezember 2017 arbeitsunfähig erkrankt, was er seiner Arbeitgeberin gegenüber anzeigte. Aufgrund der Arbeitsunfähigkeit leistete diese Entgeltfortzahlung im Krankheitsfalle bis zum 31. Dezember 2017. Ab dem 1. Januar 2018 gewährte die Beklagte dem Kläger Krg in Höhe von kalendertäglich 87,44 EUR brutto und 76,89 EUR netto.

Der Kläger führte in der Zeit vom 5. Januar 2018 bis zum 17. Januar 2018 im F. Hospital Q. eine Entgiftungstherapie durch. Im Anschluss daran befand er sich vom 17. Januar 2018 bis zum 25. April 2018 in der M. in S. zur stationären Langzeitentwöhnungstherapie. In diesem Zeitraum bezog der Kläger Übergangsgeld durch die Deutsche Rentenversicherung (DRV) Westfalen. Die Entlassung aus der M. erfolgte arbeitsfähig. Im Entlassungsbericht vom 25. Mai 2018 heißt es unter anderem, dass ein positives Leistungsvermögen für die Tätigkeit als Energieanlagenelektroniker wie auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt für körperlich leichte bis mittelschwere Arbeiten in wechselnden Körperhaltungen, in Tag-, Früh- und Spätschicht über sechs Stunden täglich bestehe. Tätigkeiten mit direktem Zugang zu Alkohol und anderen stoffgebundenen Suchtmitteln seien wegen der bestehenden Rückfallgefährdung nicht zumutbar. Für die weitere Zukunft plane der Kläger als Energieanlageelektroniker tätig zu werden. Aus ärztlich-therapeutischer Sicht bestünden keine Probleme bei den geplanten Maßnahmen.

Am 26. April 2018 stellte die hausärztliche Gemeinschaftspraxis der T. und L. wegen der Diagnosen „psychische und Verhaltensstörungen durch Alkohol: schädlicher Gebrauch und Abhängigkeitssyndrom“ (ICD-10: F10.1 und F10.2) sowie „sonstige Amnesie“ (ICD-10: R41.3) die weitere Arbeitsunfähigkeit des Klägers bis zum 30. Mai 2018 fest (Eingang bei Beklagter am 26. April 2018). Es folgte eine weitere Arbeitsunfähigkeitsfeststellung dieser Gemeinschaftspraxis am 30. Mai 2018 für die Zeit bis zum 27. Juni 2018 (Eingang bei Beklagter am 12. Juni 2018). Auf Nachfrage der Beklagten erläuterte U. unter dem 1. Juni 2018, dass es dem Kläger aufgrund des Kündigungsschutzprozesses als trockenem Alkoholiker nicht zumutbar sei, die Arbeit wiederaufzunehmen. Es sei vorhersehbar, dass es in der streitigen Situation am Arbeitsplatz sofort zu Stress und Konflikten kommen würde, was eine Wiederaufnahme des Alkoholkonsums mit hoher Wahrscheinlichkeit nach sich ziehen würde. Deswegen sei die Arbeitsunfähigkeit bis zum 30. Juni 2018 begründet.

Nachdem die Beklagte dem Kläger nach der Entlassung aus der Rehabilitationsklinik am 26. April 2018 eine Krankengeldbezugsbescheinigung zur Vorlage bei der Agentur für Arbeit X. zwecks Beantragung von Arbeitslosengeld ausgestellt hatte, beantragte der Kläger dort am 30. April 2018 die Bewilligung von Arbeitslosengeld zum 1. Juni 2018. Ausgezahlt wurde das Arbeitslosengeld für die Zeit vom 1. Juni 2018 bis 30. Juni 2018. Ab dem 1. Juli 2018 nahm der Kläger eine anderweitige abhängige Beschäftigung auf.

In einem von der Beklagten angeforderten, nach Aktenlage erstellten Gutachten vom 29. Juni 2018 führte der Medizinische Dienst der Krankenversicherung Z. (MDK) durch den Gutachter P. aus, dass die Beendigung der Arbeitsunfähigkeit zum 25. April 2018 möglich erscheine. Ab dem 26. April 2018 bestehe ein positives Leistungsbild für den allgemeinen Arbeitsmarkt. Der Hausarzt U. habe am 1. Juni 2018 bestätigt, dass seit der Entlassung aus der Rehabilitationsmaßnahme eine Alkoholabstinenz vorliege. Deswegen und wegen der Langzeitentwöhnungstherapie sei nicht von einer Belastungseinschränkung auszugehen, die so erheblich sei, dass sie einer Tätigkeit als Energieanlagenelektroniker ab dem 26. April 2018 entgegenstehen würde.

Die Beklagte teilte dem Kläger mit Bescheid vom 10. Juli 2018 mit, dass ein Anspruch auf Krg ab dem 26. April 2018 nicht bestehe und verwies zur Begründung auf die Ausführungen des MDK.

Dagegen legte der Kläger am 24. Juli 2018 Widerspruch ein. Zur Beurteilung der rechtswidrigen Kündigung des Arbeitsverhältnisses sei das mobbingähnliche Verhalten der ehemaligen Arbeitgeberin zu berücksichtigen. Dieser Sachverhalt habe von der Rehabilitationsklinik in S. nicht berücksichtigt werden können, weil sich das Mobbing erst nach der Entlassung aus dieser Klinik gezeigt habe.

Nachdem der MDK in einer zweiten Stellungnahme vom 1. August 2018 erklärt hatte, dass sich aus dem Widerspruchsschreiben keine neuen medizinischen Erkenntnisse ergäben, wies die Beklagte den Widerspruch durch Widerspruchsbescheid vom 10. April 2019 zurück. Der Kläger sei nach den schlüssigen und nachvollziehbaren Angaben des MDK in der Lage gewesen, seine letzte Tätigkeit als Energieanalgenelektroniker ab dem 26. April 2018 auszuüben.

Dagegen hat sich der Kläger mit seiner am 10. Mai 2019 erhobenen Klage zum Sozialgericht (SG) Detmold gewandt. Durch den psychischen Druck seitens der ehemaligen Arbeitgeberin sei die Wiederaufnahme der Arbeit zum 26. April 2018 nicht möglich gewesen. Da er zu diesem Zeitpunkt noch nicht stabilisiert gewesen sei, habe ein Rückfall in den Alkoholkonsum gedroht, was nicht zumutbar gewesen sei. Die Rückkehr an seinen alten Arbeitsplatz sei auch deshalb unzumutbar gewesen, weil er zu der streitgegenständlichen Zeit für die Steuerung der Fertigungsroboter verantwortlich gewesen sei, was angesichts seiner psychischen und Alkoholerkrankung sowie der gleichzeitig von seinem Hausarzt festgestellten Persönlichkeitsveränderung und Gedächtnisstörungen nicht zumutbar gewesen sei. Maßstab für die Bewertung der Arbeitsunfähigkeit sei die zuletzt ausgeübte Tätigkeit, weil die Kündigung ganz offensichtlich rechtsunwirksam gewesen sei. Deswegen habe das Arbeitsverhältnis latent weiterbestanden. Das ArbG habe in dem Gütetermin vom 30. Januar 2018 signalisiert, dass die Kündigung rechtswidrig gewesen sein könnte, weil ihm nicht die Möglichkeit der Rehabilitation eingeräumt worden sei und die Alkoholkrankheit an sich dann keinen hinreichenden Kündigungsgrund darstelle (Verweis auf BAG, Urteil vom 17. Juni 1999 – 2 AZR 639/98). Der Arbeitgeber habe daraufhin gedroht, ihn nicht mehr in G. (N.) sondern an dem Unternehmensstandort in D. – mit einer täglich nicht mehr angemessenen Fahrstrecke (ca. 300 km) – einzusetzen. Zudem habe der Arbeitgeber bei ihm angerufen (Anruf vom 14. Mai 2018), mit seiner Ehefrau gesprochen und gefragt, ob der Kläger sich eine Rückkehr „antun“ wolle. Aufgrund dessen und weiterer „Drohungen“ habe er sich zum Abschluss des Vergleichs entschlossen. Es sei insofern unzulässig, bei der Beurteilung der Arbeitsunfähigkeit nicht auf seinen konkreten Arbeitsplatz, sondern lediglich auf eine gleichartige Tätigkeit als Energieanlagenelektroniker abzustellen.

Der Kläger hat schriftsätzlich beantragt,

die Beklagte unter Aufhebung des Bescheides vom 10. Juli 2018 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 10. April 2019 zu verurteilen, dem Kläger Krankengeld für den Zeitraum vom 26. April 2018 bis 31. Mai 2018 nach Maßgabe der gesetzlichen Bestimmungen zu gewähren sowie die Zuziehung des Rechtsanwaltes für das Vorverfahren für notwendig zu erklären.

Die Beklagte hat schriftsätzlich beantragt,

              die Klage abzuweisen.

Ein Anspruch auf Zahlung von Krg ab dem 26. April 2018 bestehe nicht. Eine Arbeitsunfähigkeit ab diesem Tag könne angesichts der Ausführungen der M. in ihrem Entlassungsbericht nicht angenommen werden. Danach seien die Aufmerksamkeit, Konzentration und das Erinnerungsvermögen sowohl für kurzes als auch für länger Zurückliegendes und Biographisches leicht eingeschränkt. Dies sei jedoch bei der Abschlussuntersuchung, in der Arbeitsfähigkeit festgestellt wurde, berücksichtigt worden.

Auf Anfrage des SG hat die Beklagte mitgeteilt, dass der Kläger in der Zeit vom 26. April bis 31. Mai 2018 als Erwerbsloser nach § 188 Abs. 4 SGB V bei ihr versichert gewesen sei.

Das SG hat Befundberichte des Facharztes für Psychiatrie und Psychotherapie H. (2. Oktober 2019) – Leitender Oberarzt in der M. – sowie der Allgemeinmedizinerin Dr. L. (4. Dezember 2019) eingeholt. Auf den Inhalt der Befundberichte wird Bezug genommen. Das SG hat ferner die Patientenakte über die stationäre Rehabilitation des Klägers in der M. vom 17. Januar 2018 bis 25. April 2018 beigezogen.

Am 28. Juli 2020 hat das SG einen Termin zur Erörterung des Sachverhaltes mit den Beteiligten durchgeführt. Auf den Inhalt der Sitzungsniederschrift wird Bezug genommen.

Ferner hat das SG Beweis erhoben durch Einholung eines nach Aktenlage erstellten Sachverständigengutachtens des Neurologen und Psychiaters Y. (Gutachten vom 11. März 2021). Der Sachverständige hat ausgeführt, dass im Zeitraum vom 26. April 2018 bis 27. Juni 2018 unter Berücksichtigung der sehr differenzierten und fundierten Leistungsbeurteilung der Rehabilitationseinrichtung in S. ein Leistungsvermögen für körperlich leichte bis gelegentlich mittelschwere Tätigkeiten bestanden habe, insbesondere eine vollschichtige Leistungsfähigkeit für die zuletzt ausgeübte Tätigkeit als Energieanlagenelektroniker. Der Kläger sei in der Lage gewesen, körperlich leichte bis mittelschwere Tätigkeiten, mit Tragen und Heben von Lasten von 10 kg bis gelegentlich 15 kg, ständig im Stehen, Gehen und Sitzen, in Tages-, Früh- und Spätschicht an fünf Tagen in der Woche zu verrichten. Einschränkungen hätten bestanden für Tätigkeiten mit direktem Zugang zu Alkohol oder anderen stoffgebundenen Suchtmitteln. Für den Fall einer Arbeitsaufnahme vom 26. April 2018 bis 27. Juni 2018 habe keine konkrete Gefahr des Rückfalls in den Alkoholkonsum bestanden. In Bezug auf die Rückfallgefahr ergebe sich kein Unterschied, ob eine Tätigkeit am 26. April 2018 oder möglicherweise erst am 1. Juli 2018 (dem Tag der Aufnahme einer neuen Beschäftigung) angestrebt worden sei. Im Übrigen wird auf den weiteren Inhalt Bezug genommen.

Die Beteiligten haben ihr Einverständnis mit einer Entscheidung der Kammer durch Urteil ohne mündliche Verhandlung erteilt. Das SG hat sodann mit Urteil ohne mündliche Verhandlung am 10. Mai 2021 die Klage abgewiesen. Auf die Entscheidungsgründe wird Bezug genommen.

Gegen das dem Kläger am 4. Juni 2021 zugestellte Urteil hat sich dieser mit seiner Berufung vom 29. Juni 2021 gewandt. Er wiederholt und vertieft zur Begründung seinen erstinstanzlichen Vortrag. Ergänzend trägt er vor, dass er seit November 2017 alkoholkrank gewesen sei. Als seine Arbeitgeberin dies erfahren habe, habe sie ihm mit Schreiben vom 29. November 2017 und Wirkung zum 31. Dezember 2017 gekündigt. Die am 8. Dezember 2017 fristgerecht erhobene Kündigungsschutzklage suspendiere die Wirkungen der Kündigung bis zur Feststellung ihrer Wirksamkeit durch das ArbG. Dies ergebe sich aus einem Umkehrschluss aus § 7 KSchG. Dem erst am 27. August 2018 geschlossenen Vergleich könne keine rückwirkende Bedeutung zugeschrieben werden.

Der Kläger beantragt,

das Urteil des Sozialgerichts Detmold vom 10. Mai 2021 zu ändern und die Beklagte unter Abänderung des Bescheides vom 10. Juni 2018 in der Form des Widerspruchsbescheides vom 10. April 2019 zu verurteilen, ihm Krankengeld für die Zeit vom 26. April 2018 bis zum 31. Mai 2018 nach Maßgabe der gesetzlichen Bestimmungen zu gewähren.

Die Beklagten beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Sie erachtet die erstinstanzliche Entscheidung für zutreffend.

Der Senat hat die Verwaltungsakten der DRV Westfalen (Rehabilitationsverfahren), die Akte des ArbG Kassel (3 Ca 406/17) angefordert sowie eine berufskundliche Beschreibung beigezogen.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den Inhalt der Streitakten, der Verwaltungsakte der Klägerin und die beigezogenen Akten Bezug genommen, die Gegenstand der mündlichen Verhandlung gewesen sind.

Entscheidungsgründe:

A. Streitgegenständlich ist die Gewährung von Krg an den Kläger für den Zeitraum vom 26. April 2018 bis 31. Mai 2018 in Höhe von kalendertäglich 87,44 EUR brutto bzw. 76,89 EUR netto, mithin 3.060,40 EUR EUR brutto bzw. 2.691,15 EUR netto. Nicht streitrelevant ist aufgrund der insoweit eindeutigen Antragsstellung des anwaltlich vertretenen Klägers der weitergehende Zeitraum der Arbeitsunfähigkeit bis zum 30. Juni 2018.

B. Die am 29. Juni 2021 schriftlich eingelegte Berufung des Klägers gegen das ihm am 4. Juni 2021 zugestellte Urteil des SG Detmold vom 10. Mai 2021 ist zulässig, insbesondere gemäß §§ 143, 144 Sozialgerichtsgesetz (SGG) ohne gerichtliche Zulassung statthaft sowie form- und fristgerecht eingelegt worden (§ 151 Abs. 1, Abs. 3; § 64 Abs. 1, Abs. 2; § 63 SGG). Auch der Wert des Beschwerdegegenstandes des Verfahrens, welches auf den Erlass eines eine Geldleistung betreffenden Verwaltungsaktes gerichtet ist, übersteigt die Grenze des § 144 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 SGG von 750,00 EUR wie oben erkennbar deutlich.

C. Die Berufung des Klägers ist unbegründet, denn das SG hat die zulässige Klage zu Recht als unbegründet abgewiesen.

Die als kombinierte Anfechtungs- und Leistungsklage (§§ 54 Abs. 1, Abs. 4 SGG, Bundessozialgericht ˂BSG˃, Urteil vom 26. März 2020 – B 3 KR 9/19 RBSGE 130, 85, Rn. 12) statthafte und im Übrigen zulässige – insbesondere fristgerecht am 10. Mai 2019 eingelegte – Klage ist unbegründet, da der streitgegenständige Bescheid der Beklagten vom 10. Juli 2018 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 10. April 2019 den Kläger nicht im Sinne des § 54 Abs. 2 Satz 1 SGG beschwert, denn er ist rechtmäßig. Dem Kläger steht kein Anspruch auf Krg für den Zeitraum vom 26. April 2018 bis 31. Mai 2018 zu.

Rechtsgrundlage des geltend gemachten Anspruchs auf Krg für beschäftigte Versicherte der gesetzlichen Krankenversicherung (GKV) sind hier § 44 Abs. 1 und § 46 Satz 1 Nr. 2 SGB V in der ab dem 23. Juli 2015 geltenden Fassung. Nach § 44 Abs. 1 SGB V haben Versicherte Anspruch auf Krg, wenn die Krankheit sie arbeitsunfähig macht oder sie auf Kosten der Krankenkasse stationär in einem Krankenhaus, einer Vorsorge- oder Rehabilitationseinrichtung (§ 23 Abs. 4, §§ 24, 40 Abs. 2 und § 41 SGB V) behandelt werden. Ob und in welchem Umfang Versicherte Krg beanspruchen können, bestimmt sich nach dem Versicherungsverhältnis, das im Zeitpunkt des jeweils in Betracht kommenden Entstehungstatbestands für das Krg vorliegt (stRspr. BSG, Urteil vom 16. Dezember 2014 – B 1 KR 37/14 RBSGE 118, 52, Rn. 8; BSG, Urteil vom 11. Mai 2017 – B 3 KR 22/15 RBSGE 123, 134, Rn. 15; BSG, Urteil vom 26. März 2020 – B 3 KR 10/19 R – juris, Rn. 14).

I. Der Anspruch aus § 44 Abs. 1 SGB V setzt zunächst voraus, dass der Kläger „Versicherter“ i.S.d. Vorschrift gewesen ist.

1. Der Kläger stand am 26. April 2018 nicht in einem versicherungspflichtigen Beschäftigungsverhältnis i.S.d. § 5 Abs. 1 Nr. 1 SGB V.

a) Das dem Beschäftigungsverhältnis des Klägers bei der B. zugrundeliegende Arbeitsverhältnis ist mit Ablauf des 31. Dezember 2017 beendet worden. Dies folgt aus dem durch das ArbG Kassel durch Beschluss vom 27. August 2018 festgestellten Vergleich zwischen den ehemaligen Arbeitsvertragsparteien.

aa) Die vergleichsschließenden Parteien haben in diesem Vergleich „Einigkeit“ darüber erzielt, „dass das zwischen ihnen bestandene Arbeitsverhältnis durch die Kündigung der Beklagten vom 29. November 2017 aus betriebsbedingten Gründen unter Einhaltung der vertraglichen Kündigungsfristen zum Ablauf des 31. Dezember 2017 sein Ende gefunden hat.“ (Ziff. 1 des Vergleichs – Beschluss vom 27. August 2018). Diese Formulierung ist gemäß § 157 Bürgerliches Gesetzbuch (BGB) dahingehend auszulegen, dass die Beendigung des Arbeitsverhältnisses auch für den Fall gewollt gewesen ist, dass die genannte Kündigung sozial ungerechtfertigt i.S.d. § 1 Abs. 2 Satz 1 KSchG, insbesondere nicht durch in der Person (oder dem Verhalten) des Klägers liegende Gründe bedingt gewesen sein sollte.

bb) Gegen die Wirksamkeit des Vergleichs bestehen keine Bedenken. So sind für eine Unwirksamkeit weder Anhaltspunkte nach Aktenlage ersichtlich noch wurden solche durch die Beteiligten vorgetragen.

(1) Insbesondere liegt keine Unwirksamkeit nach § 32 Sozialgesetzbuch Erstes Buch (SGB I) vor. Danach sind privatrechtliche Vereinbarungen, die zum Nachteil des Sozialleistungsberechtigten von Vorschriften dieses Gesetzbuchs abweichen, nichtig. Vorliegend wurde indes nicht zum Nachteil des Klägers von diesen Vorschriften abgewichen. Voraussetzung für eine solche Abweichung ist, dass unmittelbar in die aufgrund der Sozialgesetze begründete Rechtsposition des Arbeitsnehmers eingegriffen wird, dass die Vereinbarung also – ihre Rechtswirksamkeit unterstellt – bestehende oder künftige sozialrechtliche Rechtsansprüche des Arbeitnehmers zu seinen Lasten beeinflusst oder seine Pflichten, die er im Hinblick auf den Sozialanspruch zu erfüllen hat, nachteilig verändert. Hierzu ist die aufgrund des Sozialrechts bestehende Rechtsstellung des betroffenen Leistungsberechtigten mit seiner Rechtsstellung zu vergleichen, die sich unter Berücksichtigung der privatrechtlichen Vereinbarung ergibt (Bundesarbeitsgericht ˂BAG˃, Urteil vom 25. Januar 2000 – 9 AZR 144/99 – NZA 2000, 886, Rn. 42 m.w.N.). Nichtig ist deshalb z.B. die Klausel in einem Aufhebungsvertrag, in der sich der Arbeitnehmer verpflichtet, keinen Antrag auf Arbeitslosengeld zu stellen (BAG, Urteil vom 22. Juni 1989 – 8 AZR 761/87 – juris). Vorliegend hat sich der Kläger – dies übertragend – allerdings im Rahmen des Vergleichsschlusses gerade nicht dazu verpflichtet, seinen Anspruch auf Krg nicht geltend zu machen. Stattdessen stand es ihm weiterhin frei, seine Ansprüche auf Krg zu verfolgen (so auch BAG, Urteil vom 25. Januar 2000 – a.a.O., Rn. 43 zum Anspruch auf Arbeitslosengeld). Soweit der Vergleich im Wege eines Rechtsreflexes seine dahingehenden Erfolgsaussichten verschlechtert, bedingt dies keine Abweichung zu seinem Nachteil von den Vorschriften i.S.d. § 32 SGB I. Das gilt umso mehr, als sich dahingehende Auswirkungen eines Vergleiches erst im Nachhinein feststellen lassen, die Wirksamkeit eines Vergleichs mit Blick auf § 32 SGB I aber zum Zeitpunkt seines Abschlusses beurteilt werden muss (vgl. dazu: BAG, Urteil vom 22. Juni 1989 – 8 AZR 761/87 – juris).

(2) Der Senat verweist ergänzend darauf, dass es ferner nicht zur Disposition der vormaligen Arbeitsvertragsparteien steht, die Wirkungen eines aus arbeitsrechtlichen Gründen geschlossenen wirksamen Vertrages – hier des Vergleichs – nach Maßgabe der Individualnützlichkeit auf bestimmte Rechtsgebiete zu beschränken (zu diesem Gedanken vgl. BSG, Urteil vom 25. Januar 2006 – B 12 KR 30/04 R – juris, Rn. 22; BSG Urteil vom 24. Januar 2007 – B 12 KR 31/06 RSozR 4-2400 § 7 Nr. 7, Rn. 20; BSG, Urteil vom 19. September 2019 – B 12 R 25/18 R – BSGE 129, 95, Rn. 24).

b) Die Beendigung des Arbeitsverhältnisses zum 31. Dezember 2017 hat zudem auch die Beendigung des Beschäftigungsverhältnisses zu diesem Datum bewirkt.

aa) Dem Begriff „beschäftigt“ i.S.d. § 5 Abs. 1 Nr. 1 SGB V ist dabei der versicherungs- und nicht der leistungsrechtliche Begriff des Beschäftigungsverhältnisses zugrunde zu legen. (zur Unterscheidung: BSG, Urteil vom 30. August 2018 – B 11 AL 15/17 R – BSGE 126, 217, Rn. 24ff; BSG, Urteil vom 12. September 2019 – B 11 AL 20/18 R – juris, Rn. 16ff.). Zu diesem Ergebnis führt die gebotene kontextabhängige und funktionsdifferente Auslegung des Begriffs (vgl. zur Auslegungsmethodik: BSG, Urteil vom 12. September 2019 – a.a.O., Rn. 16), da § 44 Abs. 1 Satz 1 SGB V ausdrücklich auf den Versichertenstatus abstellt.

bb) Folgegemäß ist davon auszugehen, dass ein Beschäftigungsverhältnis im versicherungsrechtlichen Sinne bei tatsächlicher Nichtbeschäftigung dann nicht beendet ist, wenn und solange eine Pflicht des Arbeitgebers zur Fortzahlung des Arbeitsentgelts besteht. Dies gilt etwa in Fallgestaltungen rechtlich unwirksamer Kündigungen von Arbeitsverträgen, in denen der Arbeitnehmer seine Arbeitskraft zur Verfügung stellt, der Arbeitgeber sie aber nicht annimmt und dadurch in Annahmeverzug gerät (BSG, Urteil vom 12. September 2019 – a.a.O., Rn. 16 m.w.N.). Mithin ist für die Frage der Versicherungspflicht nicht (nur) auf das tatsächliche Ende der Beschäftigung abzustellen, sondern ggf. zudem der Ausgang eines Kündigungsschutzprozesses zu berücksichtigen (BSG, Urteil vom 3. Juni 2004 – B 11 AL 70/03 RSozR 4-4300 § 123 Nr. 2, Rn. 16; BSG, Urteil vom 3. November 2021 – B 11 AL 8/20 R – BSGE 133, 84, Rn. 16). Bis zu einer Entscheidung dort herrscht Ungewissheit über den Fortbestand des Arbeitsverhältnisses, das allein für das Vorliegen eines Beschäftigungsverhältnisses den Ausschlag gibt (BSG, Urteil vom 25. September 1981 – 12 RK 58/80BSGE 52, 152, 156; BSG, Urteil vom 3. November 2021 – a.a.O., Rn. 16). Ob das Arbeitsverhältnis fortbestanden hat, liegt dabei zum einen in der Hand der insoweit privatautonom handelnden Arbeitsvertragsparteien und ist zum anderen von den Gerichten der Arbeitsgerichtsbarkeit zu beurteilen. In beiderlei Hinsicht ist der beklagten Krankenkasse jedoch sowohl in ihrer Funktion als Sozialleistungsträger als auch in der als Einzugsstelle die Entscheidungsbefugnis entzogen. Folglich war die Beklagte vorliegend in ihrer Beurteilung bezogen auf das Ende des Beschäftigungsverhältnisses an das durch Vergleich vereinbarte Enddatum des Arbeitsverhältnisses gebunden.

cc) Entgegen der Auffassung des Klägers hat folglich die Erhebung der Kündigungsschutzklage keine aufschiebende Wirkung dahingehend, dass das Arbeits- oder das Beschäftigungsverhältnis für die Dauer des Kündigungsschutzprozessprozesses als fortbestehend gälten. Die Kündigungsschutzklage verhindert lediglich, dass die Kündigung – auch im Falle ihrer Rechtswidrigkeit – allein durch Verstreichen der Klagefrist wirksam wird (§ 7 KSchG). Hat sie das Arbeitsverhältnis jedoch wirksam beendet, vermag die Kündigungsschutzklage hieran – auch vorübergehend – nichts zu ändern. Der Zeitpunkt der Beendigung des Arbeits- und Beschäftigungsverhältnisses richtet sich vielmehr allein nach dem materiellen Ausgang des Kündigungsschutzprozesses bzw. – wie hier – den von den Arbeitsvertragsparteien in seinem Zuge getroffenen Vereinbarungen.

dd) Dem steht nicht entgegen, dass die beklagte Krankenkasse im Zeitpunkt ihrer Entscheidung über den Anspruch auf Krg wissen muss, ob eine Beschäftigung i.S.d. § 5 Abs. 1 Nr. 1 SGB V vorliegt.

(1) Zunächst sind den Sozialgesetzen derartige Ungewissheiten über das Vorliegen leistungsrechtlicher Tatbestände nicht fremd. Das Gesetz enthält eine Reihe von Regelungen zur Herstellung von Nahtlosigkeit (vgl. z.B. § 145 Abs. 1 Sozialgesetzbuch Drittes Buch ˂SGB III˃; § 44a Sozialgesetzbuch Zweites Buch ˂SGB II˃) oder zur vorläufigen Bewilligung (z.B. § 41a SGB II).

(2) Vorliegend bedurfte es einer solch speziellen Regelungen indes nicht, denn die Beklagte konnte auch in Ungewissheit über den Ausgang des Kündigungsrechtsstreits bei Eintritt der AU am 26. April 2018 eine Entscheidung über den Leistungsanspruch treffen. Mangels einer tatsächlich gegen Entgelt ausgeübten Beschäftigung hätte sie von dem Bestand eines Beschäftigungsverhältnisses nur dann ausgehen können, wenn die Voraussetzungen eines Sonderfalls „Lohn ohne Arbeit“, namentlich gemäß § 615 BGB nachgewiesen worden wäre, woran es vorliegend offensichtlich fehlte.

Solange dies nicht der Fall gewesen ist, kam ein Krg begründender Versicherungstatbestand nur aufgrund anderer Bestimmungen, insbesondere nach § 192 Abs. 1 Nr. 2 oder 3 SGB V, in Betracht. Wenn sich aufgrund dessen AU nicht feststellen ließ, stand der Kläger mit seinem Leistungsvermögen dem Arbeitsmarkt zur Verfügung und hätte Arbeitslosengeld beanspruchen können. Diesem Anspruch wäre bei der Prüfung der Beschäftigungslosigkeit (§ 138 Abs. 1 Nr. 1 SGB III) die Ungewissheit über den Fortbestand des Beschäftigungsverhältnisses in versicherungsrechtlicher Hinsicht nicht entgegenzuhalten gewesen, weil insoweit nach den oben dargelegten Grundsätzen der leistungsrechtliche Beschäftigungsbegriff maßgebend gewesen wäre (Öndül in: jurisPK-SGB III, 3. Auflage, § 138 Rn. 36; LSG Niedersachsen-Bremen, Urteil vom 25. Januar 2021 – L 11 AL 15/19 – juris). So können beitragsrechtlich als Beschäftigungsverhältnisse zu qualifizierende Tätigkeiten leistungsrechtlich als Beschäftigungslosigkeit anzusehen sein und umgekehrt (Öndül, a.a.O., § 138 Rn. 34). Demgemäß war im Rahmen der durch den Kläger durchgeführten Rehabilitationsmaßnahme auch der anschließende Bezug von Arbeitslosengeld ins Auge gefasst worden, welcher auch nicht im Hinblick auf den verfolgten Anspruch auf Krg schädlich gewesen wäre. Die Ruhensvorschrift des § 49 Abs. 1 Nr. 3a SGB V ist in Fällen der rechtswidrigen Weigerung, den bereits vor Eintritt der Arbeitslosigkeit bestehenden Krg-Anspruch weiter zu befriedigen, nicht anzuwenden (BSG, Urteil vom 14. Dezember 2006 – B 1 KR 6/06 R – SozR 4-2500 § 44 Nr. 11, SozR 4-2500 § 191 Nr. 2, Rn. 14ff.; BSG, Urteil vom 8. November 2005 – B 1 KR 30/04 R –, BSGE 95, 219, Rn. 34f.; Brinkhoff in: jurisPK-SGB V, 4. Auflage, § 49 Rn. 50).

2. Ob der dementsprechend allein in Betracht zu ziehende Versicherungstatbestand des § 192 Abs. 1 Nr. 2 und 3 SGB V bei dem Kläger zu bejahen ist, kann der Senat vorliegend allerdings letztlich offenlassen. Danach bleibt die Mitgliedschaft Versicherungspflichtiger erhalten, solange u.a. Anspruch auf Krg besteht (Nr. 2) bzw. von einem Rehabilitationsträger während einer Leistung zur medizinischen Rehabilitation Verletztengeld, Versorgungskrankengeld oder Übergangsgeld gezahlt wird (Nr. 3). Dabei dürfte unschädlich sein, dass die Versicherungspflicht aufgrund unterschiedlicher Versicherungsfälle (AU und stationäre Behandlung) bzw. Leistungsansprüche (Krg und Übergangsgeld) lückenlos fortbestanden hat (vgl. für unterschiedliche zum Anspruch auf Krg führende Versicherungsfälle: BSG, Urteil vom 7. April 2022 – B 3 KR 9/21 R – juris, Rn. 12). Darauf kommt es hier indes nicht an, denn der Versicherungsfall der AU – wie sich aus den nachfolgenden Erwägungen ergibt – hat bei dem Kläger nicht vorgelegen.

II. Für die Feststellung von Arbeitsunfähigkeit  bei Versicherungsverhältnissen aufgrund eines Beschäftigungsverhältnisses, ist an dieses konkrete Beschäftigungs- bzw. Arbeitsverhältnis anzuknüpfen. Besteht das Arbeitsverhältnis nach Eintritt der Arbeitsunfähigkeit fort, ist die Arbeitsunfähigkeit allein auf die Anforderungen des konkreten Arbeitsplatzes zu beziehen (BSG, Urteil vom 4. April 2006 – B 1 KR 21/05 R – BSGE 96, 182). Endet nach Eintritt der Arbeitsunfähigkeit das Beschäftigungsverhältnis, ändert sich der rechtliche Maßstab insofern, als für die Beurteilung der Arbeitsunfähigkeit nicht mehr die konkreten Verhältnisse an dem letzten Arbeitsplatz maßgebend sind, sondern nunmehr abstrakt auf die Art der zuletzt ausgeübten Beschäftigung abzustellen ist (Sonnhoff in: jurisPK-SGB V, 4. Auflage, § 44 Rn. 80; BSG, Urteil vom 14. Februar 2001 – B 1 KR 30/00 R – SozR 3-2500 § 44 Nr. 9, SozR 3-2500 § 49 Nr. 5, Rn. 13). Der Versicherte darf dann auf gleich oder ähnlich geartete Tätigkeiten „verwiesen“ werden, wobei aber der Kreis möglicher Verweisungstätigkeiten entsprechend der Funktion des Krg eng zu ziehen ist. Handelt es sich bei der zuletzt ausgeübten Tätigkeit um einen anerkannten Ausbildungsberuf, so scheidet eine Verweisung auf eine außerhalb dieses Berufs liegende Beschäftigung aus. Auch eine Verweisungstätigkeit innerhalb des Ausbildungsberufs muss, was die Art der Verrichtung, die körperlichen und geistigen Anforderungen, die notwendigen Kenntnisse und Fertigkeiten sowie die Höhe der Entlohnung angeht, mit der bisher verrichteten Arbeit im Wesentlichen übereinstimmen, so dass der Versicherte sie ohne größere Umstellung und Einarbeitung ausführen kann. Die Verweisungstätigkeit muss ferner wirtschaftlich gleichwertig sein (Sonnhoff in: jurisPK-SGB V, 4. Auflage, § 44 Rn. 81; BSG, Urteil vom 14. Februar 2001 – a.a.O., Rn. 13; BSG, Urteil vom 22. März 2005 – B 1 KR 22/04 R – BSGE 94, 247, Rn. 13).

1. Für die Frage, ob ab dem 26. April 2018 Arbeitsunfähigkeit besteht, ist - bei zugunsten des Klägers wirkender Annahme einer mitgliedschaftserhaltenden Wirkung des § 192 Abs. 1 SGB V - nicht auf die zuletzt ausgeübte Erwerbstätigkeit, sondern – aufgrund der Beendigung des Arbeits- und Beschäftigungsverhältnisses zum 31. Dezember 2017 – abstrakt auf die Art der zuletzt ausgeübten Beschäftigung, vom Kläger als „Energieanlagenelektroniker“, laut Ziff. 1 des Arbeitsvertrages als „Elektrokonstrukteur und Programmierer“ bezeichnet, abzustellen. Die Fähigkeit, in diesem Beruf zu arbeiten, war beim Kläger im Streitzeitraum jedoch nicht in einem zur Arbeitsunfähigkeit führenden Maße krankheitsbedingt eingeschränkt.

2. Aufgrund des Gutachtens des Sachverständigen Y. ist für den Streitzeitraum von einem vollschichtigen Leistungsvermögen des Klägers für körperlich leichte bis mittelschwere Tätigkeiten auszugehen. Der Kläger konnte dabei Lasten von 10 bis gelegentlich 15 kg tragen und heben, ständig im Stehen, Gehen und/oder Sitzen, auch unter Zwangshaltungen, häufigem Bücken oder Knien, in Tages-, Früh- und Spätschicht in geschlossenen Räumen wie im Freien arbeiten. Leistungseinschränkungen bestanden für eine Tätigkeit allein in Nachschicht. Aufgrund des günstigen Ergebnisses der Rehabilitation in der M. bestand am 26. April 2018 grundsätzlich keine höhere Rückfallgefahr in den Alkoholkonsum als am 1. Juli 2018, dem Tag, an dem der Kläger eine neue Beschäftigung aufgenommen hat. Eine generelle Gefährdung durch die Aufnahme einer Erwerbstätigkeit lag nicht vor.

Der Senat hat keine Bedenken, der Einschätzung des Sachverständigen zu folgen. Dieser hat sein Gutachten unter eingehender Auswertung der zur Gerichtsakte gereichten medizinischen Stellungnahmen, Befundberichte und Behandlungsdokumentationen, unter Berücksichtigung sämtlicher geltend gemachten Einwände sorgfältig erstattet. Seine daraus abgeleiteten schlüssigen und widerspruchsfreien Ausführungen und Schlussfolgerungen hat er eingehend und überzeugend begründet.

Sie stehen zudem in Einklang mit der Leistungsbeurteilung der M. in deren Abschlussbericht. Dort wird ausgeführt, dass für den allgemeinen Arbeitsmarkt sowie in der Tätigkeit als Energieanlagenelektroniker ein positives Leistungsvermögen für körperlich leichte bis mittelschwere Arbeiten in wechselnden Körperhaltungen, in Tages-, Früh- und Spätschicht über sechs Stunden täglich bestehe. Zudem wird hervorgehoben, dass die Rehabilitation sehr positiv verlaufen sei und Verbesserungen in folgenden Bereichen erzielt habe: Verminderung von Depression und Angst, Korrektur dysfunktionaler Kognitionsmuster, Aufbau sozialer Kompetenz, Optimierung der Krankheitsbewältigung, der Abstinenzzuversicht, des Abstinenzwunsches und der Selbstfürsorge, Steigerung des Selbstwertgefühls, verbesserter Umgang mit Gefühlen, verbesserte Stressregulation und Optimierung der „Work-Life-Balance“.

Hiergegen hat der Kläger keine durchgreifenden Einwände erhoben. Soweit er geltend macht unter Gedächtnisstörungen und einer Persönlichkeitsveränderung zu leiden, wurden diese gesundheitlichen Aspekte bereits im Rahmen der Rehabilitationsbehandlung in der M. anamnestisch dokumentiert, diagnostisch erfasst und therapiert. Sie sind insofern auch in die dortige positive Leistungsbeurteilung eingeflossen.

3. Mit diesem Leistungsvermögen war der Kläger in der Lage, im Streitzeitraum dem Anforderungsprofil eines Energieanlagenelektronikers bzw. Elektrokonstrukteurs und Programmierers gesundheitlich gewachsen. Der Kläger hat die dabei zu verrichtende Arbeit als körperlich leicht bewertet. Er hat sich selbst ausweislich des Abschlussberichtes in der Lage gesehen, sie grundsätzlich wieder ausführen zu können. Von dieser Beurteilung ist er auch im gerichtlichen Verfahren nicht abgewichen. Dass der Kläger die genannten Tätigkeiten nach Entlassung aus der Rehabilitation verrichten konnte, haben der Sachverständige Y. und der Abschlussbericht der M. übereinstimmend angenommen.

Der Grund, aus dem der Kläger sich nicht in der Lage gesehen hat, seine ursprüngliche Stelle bei der B. wieder anzutreten, beruhte vielmehr auf dem zwischenzeitlich zerrütteten Verhältnis zwischen den Arbeitsvertragsparteien und der Befürchtung, im Falle einer Wiederaufnahme der Arbeit einer Stresssituation ausgesetzt zu sein, der er auch eingedenk des günstigen Rehabilitationsergebnisses nicht gewachsen sein würde. Auf dieser Sorge beruht erkennbar auch die durch den behandelnden Arzt U. ausgestellte Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung. Das ist für den Senat ohne weiteres nachvollziehbar, darauf kommt es aber aus den oben genannten Gründen nicht an. Denn es ist eben nicht auf den konkreten Arbeitsplatz abzustellen, sondern auf gleich oder ähnliche gelagerte Tätigkeiten in einem Arbeitsverhältnis, in dem typischerweise derartige besondere Belastungen weder anfallen noch zu erwarten sind. Die Tätigkeit bei einem ihm unvoreingenommen gegenübertretenden Arbeitgeber unter üblichen Arbeitsbedingungen, die infolge der Beendigung des Arbeitsverhältnisses mit Ablauf des 31.12.2017 der Maßstab sind, hätte der Kläger indessen unbedenklich ausüben können.

Das wird schließlich nicht zuletzt erneut durch die M. bestätigt. Deren leitender Oberarzt K. hat nämlich in seinem Befundbericht vom 2. Oktober 2019 ausdrücklich ausgeführt, dass (lediglich) Tätigkeiten in emotional belastender Arbeitsumgebung für „nicht empfehlenswert“ gehalten wurden. Daraus ergibt sich im Umkehrschluss, dass jenseits solcher besonderen Belastungen gegen eine Arbeitsfähigkeit des Klägers in seiner vormaligen Berufstätigkeit keine durchgreifenden Bedenken bestanden.

Die Kostenentscheidung folgt aus §§ 183, 193 SGG.

Gründe für die Zulassung der Revision gemäß § 160 Abs. 2 SGG liegen nicht vor.

Rechtsmittelbelehrung:

Dieses Urteil kann nur dann mit der Revision angefochten werden, wenn sie nachträglich vom Bundessozialgericht zugelassen wird. Zu diesem Zweck kann die Nichtzulassung der Revision durch das Landessozialgericht mit der Beschwerde angefochten werden.

Die Beschwerde ist von einem bei dem Bundessozialgericht zugelassenen Prozessbevollmächtigten innerhalb eines Monats nach Zustellung des Urteils schriftlich oder in elektronischer Form beim

Bundessozialgericht, Postfach 41 02 20, 34114 KasseloderBundessozialgericht, Graf-Bernadotte-Platz 5, 34119 Kassel

einzulegen.

Die Beschwerdeschrift muss bis zum Ablauf der Monatsfrist bei dem Bundessozialgericht eingegangen sein.

Die elektronische Form wird durch Übermittlung eines elektronischen Dokuments gewahrt, das für die Bearbeitung durch das Gericht geeignet ist und

- von der verantwortenden Person qualifiziert elektronisch signiert ist und über das Elektronische Gerichts- und Verwaltungspostfach (EGVP) eingereicht wird oder

- von der verantwortenden Person signiert und auf einem sicheren Übermittlungsweg gem. § 65a Abs. 4 Sozialgerichtsgesetz (SGG) eingereicht wird.

Weitere Voraussetzungen, insbesondere zu den zugelassenen Dateiformaten und zur qualifizierten elektronischen Signatur, ergeben sich aus der Verordnung über die technischen Rahmenbedingungen des elektronischen Rechtsverkehrs und über das besondere elektronische Behördenpostfach (Elektronischer-Rechtsverkehr-Verordnung -ERVV) in der jeweils gültigen Fassung. Weitergehende Informationen zum elektronischen Rechtsverkehr können über das Internetportal des Bundessozialgerichts (www.bsg.bund.de) abgerufen werden.

Als Prozessbevollmächtigte sind nur zugelassen

-          jeder Rechtsanwalt,

-          Rechtslehrer an einer staatlichen oder staatlich anerkannten Hochschule eines Mitgliedsstaates der Europäischen Union, eines anderen Vertragsstaates des Abkommens über den Europäischen Wirtschaftsraum oder der Schweiz, die die Befähigung zum Richteramt besitzen,

-          selbständige Vereinigungen von Arbeitnehmern mit sozial- oder berufspolitischer Zwecksetzung für ihre Mitglieder,

-          berufsständische Vereinigungen der Landwirtschaft für ihre Mitglieder,

-          Gewerkschaften und Vereinigungen von Arbeitgebern sowie Zusammenschlüsse solcher Verbände für ihre Mitglieder oder für andere Verbände oder Zusammenschlüsse mit vergleichbarer Ausrichtung und deren Mitglieder,

-          Vereinigungen, deren satzungsgemäße Aufgaben die gemeinschaftliche Interessenvertretung, die Beratung und Vertretung der Leistungsempfänger nach dem sozialen Entschädigungsrecht oder der behinderten Menschen wesentlich umfassen und die unter Berücksichtigung von Art und Umfang ihrer Tätigkeit sowie ihres Mitgliederkreises die Gewähr für eine sachkundige Prozessvertretung bieten, für ihre Mitglieder,

-          juristische Personen, deren Anteile sämtlich im wirtschaftlichen Eigentum einer der vorgenannten Organisationen stehen, wenn die juristische Person ausschließlich die Rechtsberatung und Prozessvertretung dieser Organisation und ihrer Mitglieder oder anderer Verbände oder Zusammenschlüsse mit vergleichbarer Ausrichtung und deren Mitglieder entsprechend deren Satzung durchführt, und wenn die Organisation für die Tätigkeit der Bevollmächtigten haftet.

Die vorgenannten Vereinigungen, Gewerkschaften und juristischen Personen müssen durch Personen mit Befähigung zum Richteramt handeln. Behörden und juristische Personen des öffentlichen Rechts einschließlich der von ihnen zur Erfüllung ihrer öffentlichen Aufgaben gebildeten Zusammenschlüsse sowie private Pflegeversicherungsunternehmen können sich durch eigene Beschäftigte mit Befähigung zum Richteramt oder durch Beschäftigte mit Befähigung zum Richteramt anderer Behörden oder juristischer Personen des öffentlichen Rechts einschließlich der von ihnen zur Erfüllung ihrer öffentlichen Aufgaben gebildeten Zusammenschlüsse vertreten lassen.

Ein Beteiligter, der zur Vertretung berechtigt ist, kann sich selbst vertreten. Handelt es sich dabei um eine der vorgenannten Vereinigungen, Gewerkschaften oder juristischen Personen, muss diese durch Personen mit Befähigung zum Richteramt handeln.

Die Beschwerde ist innerhalb von zwei Monaten nach Zustellung des Urteils von einem zugelassenen Bevollmächtigten schriftlich oder in elektronischer Form zu begründen.

In der Begründung muss die grundsätzliche Bedeutung der Rechtssache dargelegt oder die Entscheidung des Bundessozialgerichts, des Gemeinsamen Senats der obersten Gerichtshöfe des Bundes oder des Bundesverfassungsgerichts, von der das Urteil abweicht, oder ein Verfahrensmangel, auf dem die angefochtene Entscheidung beruhen kann, bezeichnet werden. Als Verfahrensmangel kann eine Verletzung der §§ 109 und 128 Abs. 1 Satz 1 Sozialgerichtsgesetz nicht und eine Verletzung des § 103 Sozialgerichtsgesetz nur gerügt werden, soweit das Landessozialgericht einem Beweisantrag ohne hinreichende Begründung nicht gefolgt ist.

Für die Beschwerde gegen die Nichtzulassung der Revision kann ein Beteiligter, der nicht schon durch die oben genannten Vereinigungen, Gewerkschaften oder juristischen Personen vertreten ist, Prozesskostenhilfe zum Zwecke der Beiordnung eines Rechtsanwalts beantragen.

Der Beteiligte kann die Prozesskostenhilfe selbst beantragen. Der Antrag ist beim Bundessozialgericht entweder schriftlich oder in elektronischer Form einzureichen oder mündlich vor dessen Geschäftsstelle zu Protokoll zu erklären.

Dem Antrag sind eine Erklärung des Beteiligten über seine persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse (Familienverhältnisse, Beruf, Vermögen, Einkommen und Lasten) sowie entsprechende Belege beizufügen. Hierzu ist der für die Abgabe der Erklärung vorgeschriebene Vordruck zu benutzen. Der Vordruck kann von allen Gerichten oder durch den Schreibwarenhandel bezogen werden.

Wird Prozesskostenhilfe bereits für die Einlegung der Beschwerde begehrt, so müssen der Antrag und die Erklärung über die persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse - gegebenenfalls nebst entsprechenden Belegen - bis zum Ablauf der Frist für die Einlegung der Beschwerde (ein Monat nach Zustellung des Urteils) beim Bundessozialgericht eingegangen sein.

Mit dem Antrag auf Prozesskostenhilfe kann ein zur Vertretung bereiter Rechtsanwalt benannt werden.

Ist dem Beteiligten Prozesskostenhilfe bewilligt worden und macht er von seinem Recht, einen Anwalt zu wählen, keinen Gebrauch, wird auf seinen Antrag der beizuordnende Rechtsanwalt vom Bundessozialgericht ausgewählt.

Der Beschwerdeschrift und allen folgenden Schriftsätzen sollen Abschriften für die übrigen Beteiligten beigefügt werden.

Das Bundessozialgericht bittet darüber hinaus um je zwei weitere Abschriften.

Schriftlich einzureichende Anträge und Erklärungen, die durch einen Rechtsanwalt, durch eine Behörde oder durch eine juristische Person des öffentlichen Rechts einschließlich der von ihr zu Erfüllung ihrer öffentlichen Aufgaben gebildeten Zusammenschlüsse eingereicht werden, sind als elektronisches Dokument zu übermitteln. Ist dies aus technischen Gründen vorübergehend nicht möglich, bleibt die Übermittlung nach den allgemeinen Vorschriften zulässig. Die vorübergehende Unmöglichkeit ist bei der Ersatzeinreichung oder unverzüglich danach glaubhaft zu machen; auf Anforderung ist ein elektronisches _  Dokument nach

zureichen. Gleiches gilt für die nach dem Sozialgerichtsgesetz vertretungsberechtigten Personen, für die ein sicherer Übermittlungsweg nach § 65a Absatz 4 Nummer 2 SGG zur Verfügung steht (§ 65d SGG).

Rechtskraft
Aus
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