L 2 AS 1210/22 NZB

Land
Nordrhein-Westfalen
Sozialgericht
LSG Nordrhein-Westfalen
Sachgebiet
Grundsicherung für Arbeitsuchende
Abteilung
2
1. Instanz
SG Dortmund (NRW)
Aktenzeichen
S 70 AS 1071/19
Datum
2. Instanz
LSG Nordrhein-Westfalen
Aktenzeichen
L 2 AS 1210/22 NZB
Datum
3. Instanz
-
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Beschluss

Die Beschwerde der Klägerin gegen die Nichtzulassung der Berufung im Urteil des Sozialgerichts Dortmund vom 22.04.2022 wird zurückgewiesen.

Kosten des Beschwerdeverfahrens sind nicht zu erstatten.

 

Gründe:

I.

Die Klägerin wendet sich mit ihrer Beschwerde gegen die Nichtzulassung der Berufung in einem Klageverfahren, das auf die Aufhebung eines Erstattungsbescheids gerichtet ist.

Nachdem der Beklagte der Klägerin sowie den in ihrer Bedarfsgemeinschaft lebenden Personen für die Zeit vom 01.06.2017 bis 30.11.2017 wegen schwankendem Einkommen vorläufig Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nach dem Zweiten Buch Sozialgesetzbuch (SGB II) unter Berufung auf § 41 a SGB II gewährt hatte (vorläufiger Bewilligungsbescheid vom 25.04.2017), bewilligte er mit endgültigem Feststellungsbescheid vom 22.11.2018 für diesen Zeitraum abschließend Leistungen. Gegen die Höhe dieser endgültigen Leistungsgewährung hat die Klägerin sowie die übrige Bedarfsgemeinschaft Klage erhoben, die das Sozialgericht Dortmund (SG) mit Urteil vom 22.04.2022 abgewiesen hat. Die hiergegen eingelegte Berufung ist bei dem erkennenden Senat unter dem Az.: L 2 AS 1203/22 anhängig.

Mit Bescheid ebenfalls vom 22.11.2018 machte der Beklagte gegenüber der Klägerin ferner eine Erstattungsforderung in Höhe von 9,18 € geltend. Auch hiergegen hat die Klägerin Klage erhoben, die das SG mit Urteil vom 22.04.2022 (Az.: S 70 AS 1071/19) abgewiesen und die Berufung hiergegen nicht zugelassen hat.

Gegen das ihr am 02.06.2022 zugestellte Urteil richtet sich die von der Klägerin am 28.06.2022 eingelegte Nichtzulassungsbeschwerde. Die Klägerin trägt vor, die Leistungsgewährung im Parallelverfahren L 2 AS 1203/22 sei rechtswidrig. Der angenommene Regelbedarf im endgültigen Feststellungsbescheid vom 22.11.2018 sei evident unzureichend. Ebenso sei insbesondere die von dem Beklagten vorgenommene Berechnung des anrechenbaren Einkommens aus selbständiger Tätigkeit sowie die Kindergeldverteilung im endgültigen Feststellungsbescheid zu beanstanden. Auch die im Erstattungsbescheid vom 22.11.2018 enthaltene Aufrechnung sei unzutreffend. Denn eine ordnungsgemäße Ermessensentscheidung habe nicht stattgefunden. Die Sache habe grundsätzliche Bedeutung und weiche zudem von der Entscheidung des Landessozialgericht Nordrhein-Westfalen (LSG NRW) im Beschluss vom 27.06.2022 (Az.: L 12 AS 1774/20 B) ab und beruhe auf dieser Abweichung. Denn es dürfte umstritten sein, wie zu verfahren sei, wenn der Beklagte neben der Leistungsgewährung eine gesonderte Erstattungsentscheidung träfe, die nach Auffassung des Gerichts nicht Gegenstand eines noch nicht rechtskräftigen Verfahrens geworden sei.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den Inhalt der Gerichts- und Verwaltungsakte Bezug genommen. Die Akten haben dem Senat vorgelegen und waren Gegenstand der Entscheidung.

II.

Die Beschwerde gegen die Nichtzulassung der Berufung ist zulässig, aber unbegründet.

1.

Die form- und fristgerecht eingelegte Beschwerde ist statthaft und auch im Übrigen zulässig.

Gemäß § 144 Abs. 1 S. 1 Nr. 1 Sozialgerichtsgesetz (SGG) bedarf die Berufung der Zulassung im Urteil des Sozialgerichts oder auf Beschwerde durch Beschluss des Landessozialgerichts, wenn der Wert des Beschwerdegegenstandes bei einer Klage, die eine Geld-, Dienst- oder Sachleistung oder einen hierauf gerichteten Verwaltungsakt betrifft, 750,00 € nicht übersteigt. § 144 Abs. 1 S. 1 Nr. 1 SGG gilt nicht, wenn die Berufung wiederkehrende oder laufende Leistungen für mehr als ein Jahr betrifft (vgl. § 144 Abs. 1 S. 2 SGG). Vorliegend sind weder wiederkehrende oder laufende Leistungen für mehr als ein Jahr betroffen, noch übersteigt der Beschwerdewert 750,00 €. Die Beteiligten streiten über eine Erstattungsforderung in Höhe von 9,18 €. Ferner hat das SG die Berufung gegen das Urteil vom 22.04.2022 nicht zugelassen.

2.

Die Beschwerde ist unbegründet, weil Gründe für die Zulassung der Berufung nicht vorliegen.

Nach § 144 Abs. 2 SGG ist die Berufung nur zuzulassen, wenn

1.              die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung hat oder

2.              das Urteil von einer Entscheidung des Landessozialgerichts, des Bundessozialgerichts, des Gemeinsamen Senats der obersten Gerichtshöfe des Bundes oder des Bundesverfassungsgerichts abweicht und auf dieser Abweichung beruht oder

3.              ein der Beurteilung des Berufungsgerichts unterliegender Verfahrensmangel geltend gemacht wird und vorliegt, auf dem die Entscheidung beruhen kann.

a)     

Der Entscheidung in der Rechtssache kommt keine grundsätzliche Bedeutung im Sinne von § 144 Abs. 2 Nr. 1 SGG zu.

Eine Rechtssache hat grundsätzliche Bedeutung, wenn sie eine nach dem aktuellen Stand in Rechtsprechung und Literatur bisher nicht geklärte Rechtsfrage abstrakter Art aufwirft, deren Klärung im allgemeinen Interesse liegt, d. h. erwartet werden kann, dass die Klärung zur Sicherung der Rechtseinheit oder zur Rechtsfortbildung beitragen wird; ein Individualinteresse genügt hingegen nicht (vgl. Keller in: Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer/Schmidt, SGG, 13. Aufl. 2020, § 144 Rn. 28 m.w.N.). Eine Rechtsfrage betrifft die Definition, Begriffsbestimmung oder Auslegung eines gesetzlichen Merkmals (einschließlich des rechtlich geforderten Mindestmaßes an Tatsachenfeststellungen, nicht aber einschließlich verallgemeinerungsfähiger Aussagen zu Tatsachenfragen), hingegen nicht die Anwendung der Vorschrift auf einen bestimmten Sachverhalt. Die Rechtsfrage muss klärungsbedürftig und klärungsfähig, d.h. entscheidungserheblich, sein (Bundessozialgericht – BSG –, Beschluss v. 27.07.2015, Az.: B 10 EG 3/15 B, juris Rn. 5 f.). Zudem muss sie eine über den Einzelfall hinausgehende Bedeutung haben, d. h. ihr muss eine sog. Breitenwirkung zukommen (BSG, st.Rspr; vgl. z.B. Beschluss v. 27.07.2015, Az.: B 10 EG 3/15 B, a.a.O.). Klärungsbedürftig ist eine Rechtsfrage z.B. dann nicht mehr, wenn sie schon höchstrichterlich entschieden ist oder durch Auslegung des Gesetzes eindeutig beantwortet werden kann (Leitherer, a.a.O., § 160 Rn. 8b m.w.N.). Ebensowenig besteht ein Klärungsbedarf, wenn zur Auslegung vergleichbarer Regelungen schon höchstrichterliche Entscheidungen ergangen sind, die ausreichende Anhaltspunkte dafür geben, wie die konkret aufgeworfene Frage zu beantworten ist (Leitherer, a.a.O., § 160 Rn. 8 m.w.N.). Klärungsfähigkeit liegt vor, wenn das Berufungsgericht in der Lage ist, über die klärungsbedürftige Rechtsfrage auch sachlich zu entscheiden (BSG, Beschluss v. 29.3.2007, Az.: B 9a V 7/06 B, juris Rn. 6). Die Frage, ob eine Rechtssache im Einzelfall richtig oder unrichtig entschieden ist, verleiht ihr noch keine grundsätzliche Bedeutung (vgl. BSG, Beschluss v. 26.06.1975, Az.: 12 BJ 12/75, juris Rn. 2).

Ausgehend von den dargelegten rechtlichen Maßgaben wirft die Sache keine klärungsbedürftige und klärungsfähige abstrakte Rechtsfrage auf.

aa)

Soweit die Klägerin konkret die Berechnung des anrechenbaren Einkommens aus selbständiger Tätigkeit sowie die Kindergeldverteilung im endgültigen Feststellungsbescheid und die Aufrechnung im Erstattungsbescheid beanstandet, führt dies nicht zu einer grundsätzlichen Bedeutung der Rechtssache. Es kann hierbei dahingestellt bleiben, ob die klägerischen Einwände gegen den endgültigen Feststellungsbescheid wegen dessen Tatbestandswirkung für die Berechnung des hier streitigen Erstattungsanspruchs nach § 41 a Abs. 6 S. 3 SGB II überhaupt im hiesigen Verfahren zu prüfen wären (s. hierzu BSG, Urteil v. 28.11.2018, Az.: B 14 AS 34/17 R, juris Rn. 13, LSG NRW, Urteil v. 05.05.2022, Az.: L 19 AS 1634/21, juris Leitsatz 2). Denn unabhängig hiervon ist eine grundsätzliche Bedeutung einer Rechtssache erst dann dargelegt, wenn auf Grund der Ausführungen des Beschwerdeführers zu erwarten ist, dass die Entscheidung geeignet ist, in künftigen Verfahren die Rechtseinheit zu erhalten oder zu sichern oder die Fortbildung des Rechts zu fördern. Gegenstand der Nichtzulassungsbeschwerde ist indes nicht, ob das SG die Sache richtig entschieden hat. Gerade dies macht aber die Klägerin zum Gegenstand ihrer Nichtzulassungsbeschwerde, wenn sie sich gegen die vom SG vorgenommene Würdigung ihres konkreten Einzelfalles wendet.

bb)

Auch der klägerische Einwand, der Regelbedarf 2017 sei evident unzureichend und verfassungswidrig, betrifft allein die Rechtmäßigkeit des Feststellungsbescheids. Unabhängig davon stellt dies aber ebenfalls keine Frage grundsätzlicher Bedeutung dar, da keine Klärungsbedürftigkeit vorliegt. An der Klärungsbedürftigkeit einer Rechtsfrage fehlt es, wenn zur Auslegung vergleichbarer Regelungen schon höchstrichterliche Entscheidungen ergangen sind, die ausreichende Anhaltspunkte dafür geben, wie die konkret aufgeworfene Frage zu beantworten ist.

Der für die Klägerin berücksichtigte Regelbedarf von 368 € entspricht § 20 Abs. 1, Abs. 1a, Abs. 4 Satz 1 SGB II iVm § 28 Zwölftes Buch Sozialgesetzbuch (SGB XII) iVm dem Gesetz zur Ermittlung der Regelbedarfe nach § 28 SGB X in der Fassung vom 22.11.2016 (Regelbedarfsermittlungsgesetz – RBEG –). Der Senat geht auch anhand der ständigen Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts (BVerfG) davon aus, dass die Bemessung der Regelbedarfe für 2017 den verfassungsrechtlichen Vorgaben entspricht (vgl. auch Beschluss des Senates v. 19.12.2017, Az.: L 2 AS 1900/ 17 B, juris Rn. 6, sowie Urteil v. 25.09.2018, Az.: L 2 AS 1466/17, juris Rn.18).

Nach der ständigen Rechtsprechung des BVerfG kommt dem Gesetzgeber bei der Ausgestaltung der Leistungen zur Sicherung des menschenwürdigen Existenzminimums ein Gestaltungsspielraum bei der Bestimmung der Höhe und der Art der Leistungen zu (vgl. BVerfG, Beschluss v. 27.07.2016, Az.: 1 BvR 371/11, juris Rn. 38 f. m.w.N). Dieser Gestaltungsspielraum führt dazu, dass sich die verfassungsrechtliche Kontrolle der Höhe der Sozialleistungen zur Sicherung einer menschenwürdigen Existenz auf die Prüfung beschränkt, ob die Leistungen evident unzureichend sind (BVerfG, a.a.O., juris Rn. 40 ff.). Evident unzureichend sind Sozialleistungen nur dann, wenn offensichtlich ist, dass sie in der Gesamtsumme keinesfalls sicherstellen können, Hilfebedürftigen in Deutschland ein Leben zu ermöglichen, das physisch, sozial und kulturell als menschenwürdig anzusehen ist (BVerfG, a.a.O., juris Rn. 41). Jenseits dieser Evidenzkontrolle wird lediglich überprüft, ob die Leistungen jeweils aktuell auf der Grundlage verlässlicher Zahlen und schlüssiger Berechnungsverfahren im Ergebnis zu rechtfertigen sind (BVerfG, a.a.O., juris Rn. 42 m.w.N). Trotz der Kritik verschiedener Wohlfahrtsverbände haben das BVerfG und auch das BSG unter Berücksichtigung dieser Prämissen die Ermittlung der Regelsätze aufgrund der Auswertung einer Einkommens- und Verbrauchsstichprobe (EVS) als verfassungsgemäß angesehen (vgl. BVerfG, Beschluss v. 23.07.2014, Az.: 1 BvL 10/12, juris; BSG, Urteil v. 12.07.2012, Az.: B 4 AS 153/11 R, juris Rn. 21 ff.). Da die hier streitige Regelbedarfsermittlung für 2017 nach denselben Grundsätzen erfolgt ist, bestehen ausreichend Anhaltspunkte dafür, dass die durch das RBEG von 2016 aufgrund der EVS 2013 samt Sonderauswertung festgelegten Regelbedarfe verfassungsgemäß sind (so auch LSG NRW, Beschluss v. 05.10.2017, Az.: L 12 AS 1595/17 B, juris Rn.4 ff; Beschluss v. 05.02.2018, Az.: L 19 AS 2324/17 B, juris Rn. 12 ff.; Bayerisches Landessozialgericht, Beschluss v. 23.08.2017, Az.: L 11 AS 529/17 NZB, juris Rn.16 ff; Landessozialgericht Niedersachsen Bremen, Beschluss v. 07.03.2017, Az.: L 13 AS 336/16 B, juris Rn. 4; Hessisches Landessozialgericht, Beschluss v. 09.10.2017, Az.: L 4 SO 166/17 B, juris Rn. 16; Landessozialgericht Berlin-Brandenburg, Urteil v. 22.08.2018, Az: L 18 AS 267/18, juris Rn. 20; Sächsisches Landessozialgericht, Urteil v. 24.05.2018, Az.: L 7 AS 1105/16, juris Rn. 15 ff) Konkrete Anhaltspunkte für eine evidente Unterdeckung des Existenzminimums liegen nicht vor.

cc).

Wenn die Klägerin dem Verfahren eine grundsätzliche Bedeutung beimisst, weil ihres Erachtens nicht höchstrichterlich entschieden sei, wie zu verfahren sei, wenn „der Beklagte neben der Leistungsgewährung eine gesonderte Erstattungsentscheidung trifft, die nach Auffassung des Gerichts nicht zum Gegenstand eines noch nicht rechtskräftigen Verfahrens geworden ist“, stellt dies bereits keine abstrakte Rechtsfrage dar. Die Zulassung wegen grundsätzlicher Bedeutung erfordert eine sich stellende Rechtsfrage, also eine die Rechtsanwendung betreffende, mit den Mitteln juristischer Methodik zu beantwortende Frage (Leitherer a.a.O., § 160 Rn. 7). Allein, dass keine höchstrichterliche Entscheidung vorliegt, wie bei dem o.g. Sachverhalt zu verfahren sei, genügt regelmäßig nicht zur Darlegung der grundsätzlichen Bedeutung der Rechtssache.

Auch soweit man  unter Heranziehung des von der Klägerin zitierten Beschlusses des LSG NRW v. 27.06.2022 (AZ.: L 12 AS 1774/20 B) die Frage als klärungsbedürftig ansähe, ob das Sozialgericht im Falle isoliert angefochtener noch nicht bestandskräftiger Erstattungs- und Feststellungsbescheide sein Ermessen pflichtgemäß dahingehend hätte ausüben müssen, die Klageverfahren nach § 113 Abs. 1 SGG zu verbinden oder aber nach § 114 Abs. 2 S. 1 SGG das Verfahren bis zur Entscheidung in dem Verfahren gegen den noch nicht bestandskräftigen Feststellungsbescheid auszusetzen, kann mit dieser Rechtsfrage eine Eröffnung des Berufungsverfahrens wegen grundsätzlicher Bedeutung der Rechtssache schon deshalb nicht erreicht werden, weil es an der Klärungsfähigkeit dieser Frage fehlt. Zwar können prinzipiell auch prozessuale Fragen grundsätzliche Bedeutung nach § 144 Abs. 2 Nr. 1 SGG haben und eine Rechtsfortbildung im Verfahrensrecht erfordern, auch hier bedarf es aber der Klärungsfähigkeit. Klärungsfähigkeit setzt voraus, dass die klärungsbedürftige Frage für den zu entscheidenden Fall rechtserheblich ist (Leitherer, a.a.O., § 160 Rn. 9 m. w. N.). Entscheidungserheblichkeit bedeutet, dass es für die Entscheidung des vorliegenden Rechtsstreits auf die Beantwortung der aufgeworfenen Rechtsfrage ankommt und die Entscheidung bei Zugrundelegung der Rechtsauffassung des Beschwerdeführers in seinem Sinne hätte ausfallen müssen (vgl. BSG, Beschluss v. 30.08.2004, Az.: B 2 U 403/03 B, juris). Das Berufungsverfahren ist weder ein abstraktes Normkontrollverfahren, noch dient es dazu, abstrakte Rechtsfragen ohne Bezug zum konkreten Fall zu klären. An einer solchen Entscheidungserheblichkeit fehlt es. Vorliegend wäre der Senat auch nach Zulassung der Berufung nicht in der Lage, über die Frage, ob das SG fehlerhaft eine Verbindung nach § 113 Abs. 1 SGG unterlassen oder fehlerhaft das Verfahren nicht nach § 114 Abs. 2 S.1 SGG ausgesetzt hat, zu entscheiden. Sowohl eine Verbindung nach § 113 Abs. 1 SGG als auch eine Aussetzung nach § 114 Abs. 2 S. 1 SGG steht im Ermessen des jeweiligen Gerichts. Zwar könnte nach Zulassung der Berufung das Berufungsgericht selbst sein Ermessen ausüben und ggf. die Verfahren nach § 113 Abs. 1 SGG verbinden oder das hiesige Verfahren nach § 114 Abs. 2 S. 1 SGG aussetzen. Es kommt aber für die Entscheidung in diesem Rechtsstreit auch nach Zulassung der Berufung nicht auf die Beantwortung der Frage an, ob das SG ggf. wegen einer Ermessensreduzierung auf Null fehlerhaft die Verfahren nach § 113 Abs. 1 SGG nicht verbunden oder fehlerhaft die Verfahren nicht nach § 114 Abs. 2 S. 1 SGG ausgesetzt hat. Unabhängig hiervon stellt eine Verbindung oder eine Ablehnung einer solchen nach § 113 Abs. 1 SGG eine prozessleitende Verfügung dar, die nach § 172 Abs. 2 SGG nicht mit der Beschwerde angefochten werden kann. Entsprechend sind prozessleitende Verfügungen nach § 202 SGG i.V.m. § 512 der Zivilprozessordnung bereits nicht durch das Berufungsgericht überprüfbar.

b)

Auch der Zulassungsgrund der Divergenz im Sinne des § 144 Abs. 2 Nr. 2 SGG ist nicht gegeben. Der Zulassungsgrund liegt nur dann vor, wenn das Urteil des Sozialgerichts entscheidungstragend auf einem abstrakten Rechtssatz beruht, der von dem zur gleichen Rechtsfrage aufgestellten Rechtssatz in einer Entscheidung eines der im § 144 Abs. 2 Nr. 2 SGG genannten Gerichte abweicht (Leitherer, a.a.O., § 160 Rn. 13). Dabei ist erforderlich, dass das Sozialgericht objektiv von einer solchen höhergerichtlichen Entscheidung abgewichen ist und nicht etwa nur fehlerhaft das Recht angewendet hat (vgl. Leitherer, a.a.O., § 160 Rn. 14a). Eine Divergenz in dem beschriebenen Sinne ist nicht festzustellen. Es liegt kein abweichend aufgestellter Rechtssatz durch das SG vor. Ein solcher wird auch von der Klägerin nicht vorgetragen. In Übereinstimmung mit dem von der Klägerin zitierten Beschluss des LSG NRW vom 27.06.2022 hat das SG vielmehr angenommen, dass der Erstattungsbescheid vom 22.11.2018 nicht nach § 96 SGG Gegenstand der Klage gegen den abschließenden Feststellungsbescheid vom 22.11.2018 geworden ist. Zudem stellt die von der Klägerin in Bezug genommene Entscheidung des LSG NRW keine Entscheidung über eine Rechtsfrage i.S.d. § 144 Abs. 2 Nr. 2 SGG dar, da es sich lediglich um eine Bewilligung einer Prozesskostenhilfe nach summarischer Prüfung handelt. Divergenz i.S.d. § 144 Abs. 2 Nr. 2 SGG meint jedoch ausschließlich eine abweichende Entscheidung zu derselben Rechtsfrage. Eine solche Entscheidung trifft ein Prozesskostenhilfebeschluss von vornherein nicht (vgl. Leitherer, a.a.O., § 160 Rn. 11a).

c)

Schließlich liegt auch der Zulassungsgrund des § 144 Abs. 2 Nr. 3 SGG nicht vor. Ein Verfahrensmangel ist ein Verstoß gegen eine Vorschrift, die das sozialgerichtliche Verfahren regelt. Er bezieht sich begrifflich auf das prozessuale Vorgehen des Gerichts auf dem Weg zum Urteil, nicht aber auf dessen sachlichen Inhalt, d. h. seine Richtigkeit (vgl. Leitherer, a. a. O., § 144 Rn. 32 ff.). Die Zulassung der Berufung aufgrund eines Verfahrensmangels erfordert, dass dieser Mangel nicht nur vorliegt, sondern auch geltend gemacht wird (§ 144 Abs. 2 Nr. 3 SGG). Daran fehlt es bereits. Die anwaltlich vertretene Klägerin hat zwar eine grundsätzliche Bedeutung geltend gemacht, da nicht geklärt sei, wie in den hier gegebenen Fallkonstellationen zu verfahren sei und hierbei auf einen Beschluss des LSG NRW vom 27.06.2022 (Az.: L 12 AS 1774/20 B) verwiesen. Einen konkreten Verfahrensfehler hat sie demgegenüber nicht gerügt. Aus den klägerseits vorgetragenen Tatsachen lässt sich nicht schlüssig entnehmen, in welchem konkreten Vorgehen des SG ein Verfahrensmangel gesehen wird.

Die Kostenentscheidung über die Nichtzulassungsbeschwerde beruht auf einer entsprechenden Anwendung von § 193 SGG.

Der Beschluss ist gemäß § 177 SGG unanfechtbar. Das angefochtene Urteil erlangt damit Rechtskraft (§ 145 Abs. 4 S. 4 SGG).

Rechtskraft
Aus
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