Die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des Sozialgerichts Mannheim vom 21.05.2021 wird zurückgewiesen.
Außergerichtliche Kosten sind auch im Berufungsverfahren nicht zu erstatten.
Gründe
I.
Die Beteiligten streiten über die Gewährung von Rente wegen Erwerbsminderung.
Die 1964 geborene Klägerin, türkische Staatsbürgerin, besuchte nach eigener Angabe viereinhalb Jahre die Schule in der Türkei, bevor sie im August 1977 von dort kommend in das Bundesgebiet zuzog. Einen Beruf erlernte sie nicht. Ab September 1980 war sie ihren Angaben gemäß in einer Wäscherei in Vollzeit beschäftigt. Nach Geburt ihres dritten Kindes (1991) arbeitete sie in Teilzeit in der Wäscherei und anschließend bis zum Eintritt von Arbeitsunfähigkeit im Herbst 2016 ebenfalls in Teilzeit respektive als geringfügig Beschäftigte („Mini-Job“) als Reinigungskraft (vgl. zu allem S. 52 Senats-Akte; S. 2-2 des Reha-Entlassungsberichts vom 24.12.2018; Kontospiegel vom 11.09.2017, S. 191 ff. VerwA/elektr.). Von Anfang Februar 2010 bis Ende August 2017 bezog sie Leistungen der Grundsicherung für Arbeitsuchende, auf die sie ab September 2017 verzichtete (s. S. 162 VerwA/elektr.). Bei ihr ist ein Grad der Behinderung (GdB) von 50 festgestellt.
Nach Diagnose eines (mäßig differenzierten) invasiven Mamma-Karzinoms links im November 2016 befand sich die Klägerin vom 11.04. bis 09.05.2017 in stationärer Anschlussrehabilitationsbehandlung in der K1 R1. Die dortigen Ärzte entließen sie ausweislich des Entlassungsberichts vom 29.05.2017 (Diagnosen, s. Seite 2.1 des Berichts: mäßig differenziertes invasives Mamma-Karzinom links mit niedrigem Malignitätsgrad ohne sicheres invasives Wachstum bei Zustand nach brusterhaltender Operation, Fatigue nach Tumortherapie, postoperativ schmerzhafte Funktionseinschränkung des linken Schultergelenks, chronisches Schmerzsyndrom mit somatischen und psychischen Faktoren, chronifizierte depressive Störung - seit Jahren bekannt -, abgeheilte Hepatitis A/B) mit einem unter dreistündigen Leistungsvermögen. Auf absehbare Zeit sei bei vorbestehender psychischer Belastung (chronifizierte depressive Störung) und chronischer Schmerzerkrankung bei jetzt durch die Mamma-Karzinomerkrankung akzentuierter psychischer und körperlicher Einschränkungen keine berufliche Einsetzbarkeit gegeben. Die Ärzte beschrieben u.a. eine hohe Klagsamkeit der Klägerin, Beschwerdedemonstrationen ohne organisches Korrelat, die Nichteinnahme von Medikamenten sowie nicht kongruente Zielsetzungen, auch bei sprachlicher Barriere.
Am 05.09.2017 beantragte die Klägerin (erneut) die Gewährung von Rente wegen Erwerbsminderung. Die Beklagte zog ärztliche Unterlagen bei - u.a. das Gutachten nach Aktenlage des S5 (Ärztlicher Dienst der Agentur für Arbeit H1) vom 27.07.2017 - und holte bei der K2 das Gutachten vom 11.01.2018 ein. K2 diagnostizierte bei der Klägerin nach Untersuchung Mitte November 2017 - zu der sie eine Dolmetscherin für die türkische Sprache hinzuzog - eine unzureichend behandelte Dysthymia, ein chronifiziertes Schmerzsyndrom, ein Mamma-Karzinom links ohne Rezidivhinweis, ein - unzureichend behandeltes - Rotatorenmanschettensyndrom im Bereich der linken Schulter, ein degeneratives Lendenwirbelsäulensyndrom bei - anamnestisch - Zustand nach Bandscheibenvorfall, einen Verdacht auf einen - nicht insulinpflichtigen - Diabetes mellitus sowie einen Bluthochdruck. Die Klägerin sei noch in der Lage, leichte bis mittelschwere Tätigkeiten des allgemeinen Arbeitsmarkts in wechselnder Körperhaltung (ohne Früh- und Nachtschicht, ohne Wechselschicht, ohne besonderen Zeitdruck, ohne Verantwortung für andere Personen bzw. häufigen Publikumsverkehr, ohne sozial fordernde Interaktionen, ohne häufige Wirbelsäulenzwangshaltungen, ohne häufiges Knien, Hocken oder Bücken, ohne linksseitige Überkopfarbeiten sowie ohne Hitzeaussetzung) sechs Stunden und mehr täglich zu verrichten. Die Leistungsbeurteilung der Ärzte der K1 sei nicht nachvollziehbar.
Hierauf gestützt lehnte die Beklagte den Rentenantrag mit Bescheid vom 17.01.2018 und der Begründung ab, dass die Klägerin jedenfalls leichte Tätigkeiten des allgemeinen Arbeitsmarkts unter Beachtung qualitativer Einschränkungen noch sechs Stunden und mehr täglich verrichten könne, sodass keine Erwerbsminderung vorliege. Den Widerspruch der Klägerin wies die Beklagte nach sozialmedizinischer Stellungnahme der K2 vom 20.06.2018 (S. 242 VerwA/elektr.) mit Widerspruchsbescheid vom 29.08.2018 zurück.
Hiergegen hat die Klägerin am 27.09.2018 beim Sozialgericht Mannheim (SG) Klage erhoben und zur Begründung im Wesentlichen auf die Einschätzung der sie behandelnden Ärzte verwiesen.
Vom 19.11. bis 24.12.2018 hat die Klägerin erneut an einer stationären Rehabilitationsmaßnahme teilgenommen, diesmal in der R2 in R1, aus der sie ausweislich des ärztlichen Entlassungsberichts vom 24.12.2018 mit einem Leistungsvermögen von unter drei Stunden täglich unter Beachtung näher genannter qualitativer Einschränkungen entlassen worden ist (Diagnosen bei Entlassung: chronische Schmerzstörung mit somatischen und psychischen Faktoren bei leichter Schmerzreduktion; rezidivierende depressive Störung - gegenwärtig mittelgradige Episode - bei leichter Verbesserung; Verdacht auf posttraumatische Belastungsstörung - PTBS -; Rückenschmerzen, nicht näher bezeichnet, mit mehreren Lokalisationen der Wirbelsäule bei leichter Remission; Polyarthrose, nicht näher bezeichnet; essentielle Hypertonie - nicht näher bezeichnet -, gebessert; Diabetes mellitus Typ 2; Adipositas; Ein- und Durchschlafstörungen, gebessert).
Die Beklagte hat sich mit der sozialmedizinischen Stellungnahme der Fachärztin (u.a.) für D2 vom 12.02.2019 gegen die Leistungsbeurteilung der Ärzte der R2 gewandt; wegen der diesbezüglichen Einzelheiten wird auf die Stellungnahme verwiesen (Bl. 24 SG-Akte).
Das SG hat die behandelnden Ärzte der Klägerin schriftlich als sachverständige Zeugen gehört. M1 (Auskunft vom 21.03.2019) hat diverse Diagnosen genannt (s. im Einzelnen, Bl. 32 SG-Akte) und gemeint, dass von psychiatrischer Seite bei der Klägerin ein reduzierter Handlungsantrieb, Zukunftssorgen und ein wechselhafter Schlaf imponierten. Es sei von einer zunehmenden Akzentuierung der Diagnose Angst und Depression gemischt auszugehen. Eine leichte Tätigkeit im Umfang von vier Stunden (namentlich ohne Schicht-/Nachtarbeit) scheine der Klägerin noch möglich. K3 hat im Wesentlichen (s. Bl. 45 f. SG-Akte) über ein Wirbelsäulensyndrom, ein Schulter-Arm-Syndrom, Arthrose, Bluthochdruck sowie über eine schwere depressive Störung mit chronifiziertem Schmerzsyndrom berichtet (Auskunft vom 29.03.2019). Seiner Meinung nach könne die Klägerin nur noch unter drei Stunden täglich arbeiten, wobei die psychische Erkrankung eindeutig im Vordergrund stehe. G1 (Auskunft vom 26.03.2019) hat eine Reihe von (Verdachts-)Diagnosen mitgeteilt (s. im Einzelnen Bl. 64 SG-Akte) - im Wesentlichen rezidivierende Schulterschmerzen, zuletzt vermehrt links, sowie Beschwerden im Bereich der Halswirbelsäule (Bl. 65 SG-Akte) - und sich zum beruflichen Leistungsvermögen nicht zu äußern vermocht. H2 hat über zwei Untersuchungen der Klägerin (zuletzt Anfang 2019) sowie über eine Omarthrose der linken Schulter berichtet (Auskunft vom 14.05.2019). Leichte Tätigkeiten (ohne Nachtschicht, ohne Akkord, ohne häufiges Heben über 8 kg, ohne Schulterbelastungen links) seien der Klägerin noch sechs Stunden täglich möglich.
In ihrer sozialmedizinischen Stellungnahme vom 17.07.2019 (Bl. 102 SG-Akte) hat D2 für die Beklagte (u.a.) darauf hingewiesen, dass die K3 und M2 schon keine klinischen Befunde mitgeteilt, sondern ihre Leistungseinschätzungen im Wesentlichen auf die subjektiven Beschwerdeangaben der Klägerin gestützt hätten, was die zutreffende Leistungsbeurteilung der K2 nicht in Frage stelle.
Das SG hat sodann von Amts wegen das Sachverständigengutachten des S1 vom 21.11.2019 eingeholt, der die Klägerin am 19.11.2019 - unter Hinzuziehung einer Dolmetscherin - untersucht hat. Der Sachverständige hat bei ihr eine Dysthymia, eine Schmerzverarbeitungsstörung i.S. einer anhaltenden somatoformen Schmerzstörung, einen Zustand nach angegebenem sexuellem Missbrauch durch den Bruder sowie - nebendiagnostisch - einen Zustand nach Mamma-Karzinom links ohne Anhalt für ein Rezidiv, einen medikamentös behandelten Bluthochdruck, eine Adipositas Grad II, Beschwerden des Bewegungs- und Haltungsapparats ohne relevantes neurologisches Defizit sowie den Verdacht auf ein obstruktives Schlafapnoe-Syndrom bei guter Therapiemöglichkeit (s. Bl. 180 SG-Akte) diagnostiziert. Die von psychiatrischer Seite bestehenden Leiden seien insgesamt nur leicht ausgeprägt, nachvollziehbare relevante Störungen der sozialen Kompetenz und der Alltagskompetenzen bestünden nicht. Im Rahmen der Untersuchung habe oftmals - aber nicht permanent - ein mittelfrequenter grobschlächtiger Tremor an beiden Händen imponiert, wobei eine funktionelle Überlagerung aufgefallen sei und sich Störungen der (Fein-) Motorik der Hände bzw. Finger nicht hinreichend hätten objektivieren ließen. Die geklagten Beschwerden - auch hinsichtlich der Motorik der linken Schulter und angegebener Sensibilitätsstörungen an den linksseitigen Extremitäten - könnten keinem zentralen oder peripheren Innervationsmuster zugeordnet werden. Manifeste neurologische Ausfälle hätten nicht vorgelegen. Es bestünden Hinweise auf eine intermittierende Aggravation, zumal namentlich das demonstrierte Zittern der Hände inkonsistent gewesen sei. Zumindest leichte Tätigkeiten in wechselnder Körperhaltung seien der Klägerin noch mindestens sechs Stunden täglich möglich, wobei Arbeiten in Armvorhalten oder mit gehäuften Überkopfarbeiten, Arbeiten unter Akkordbedingungen bzw. vermehrtem Zeitdruck, Arbeiten in Nachtschicht, sowie Arbeiten mit vermehrt nervlichen Belastungen (z.B. vermehrt emotionale Belastungen, erhöhtes Konfliktpotential) nicht mehr leidensgerecht seien. Eine Einschränkung der Wegefähigkeit liege nicht vor. Der Leistungsbeurteilung der Ärzte der R2 könne schon mangels hinreichender Konsistenzprüfung der geklagten Leiden nicht gefolgt werden, und er habe bei seiner Untersuchung auch keine relevante depressive Störung feststellen können. Die Leistungseinschätzungen der K3 und M2 seien ebenfalls nicht nachvollziehbar. Er stimme mit D2 überein, ebenso wie mit der Leistungsbeurteilung der K2.
Die Klägerseite hat dagegen eingewandt, dass das Gutachten des S1 unvollständig sei, weil er lediglich eine Dysthymia diagnostizierte habe. Auch habe er seine Abweichung von der Leistungsbeurteilung der Ärzte der R2 nicht erläutert. Hinzukomme, dass der H3 am 20.04.2020 einen essentiellen Tremor mit deutlicher psychogener Überlagerung (Hinweis auf den Arztbrief vom 28.04.2020, Bl. 199 f. SG-Akte) diagnostiziert habe, wobei es „durch Untersuchung und durch Aufregung“ zu einer Verschlechterung gekommen sei. S1 hingegen habe diesem schweren Tremor keine Auswirkungen auf das berufliche Leistungsvermögen beigemessen, sondern ihn nicht einmal unter den Diagnosen aufgeführt. Der Tremor stelle „im Sinne der Rechtsprechung des BAG“ eine ungewöhnliche Leistungsbeeinträchtigung dar.
In seiner ergänzenden Stellungnahme vom 20.05.2020 hat S1 darauf hingewiesen, dass er sich mit dem Tremor bzw. dem Zittern der Hände in seinem Gutachten auseinandergesetzt und wegen der Inkonsistenzen in der Beschwerdeschilderung/-demonstration einen bestimmten Tremor-Typ nicht habe erheben können. Auch H3 habe lediglich eine „deutliche psychogene Überlagerung“ beschrieben. Auffallend sei, dass die von ihm genannten medikamentösen Therapieformen (Hinweis auf den von H3 genannten Betablocker Propranolol zur Behandlung des Tremors) zu keiner Symptomlinderung führten. Insoweit könnte auch das Ergebnis der von H3 durchgeführten serologischen Medikamentenspiegelkontrolle hilfreich sei. Eine Änderung seiner (S1) Leistungsbeurteilung sei nicht veranlasst.
Nach Vorlage der Laborbefunde vom 20.04.2020 (Bl. 211 ff. SG-Akte) hat die Beklagte durch D2 (sozialmedizinische Stellungnahme vom 16.07.2020) Stellung genommen. Die Fachärztin hat darauf hingewiesen, dass sich aus der Medikamentenspiegelbestimmung ergebe, dass das nachgewiesene Mirtazapin lediglich in niedriger, schlafinduzierender, aber nicht in antidepressiv-therapeutischer Wirkungsdosis eingenommen werde; das nachgewiesene Antidepressivum Sertralin sei innerhalb des therapeutischen Wirkbereichs nachweisbar. Das Sachverständigengutachten des S1 mit umfangreicher biopsychosozialer Anamnese und Befunderhebung sowie Konsistenz- und Plausibilitätsprüfung sei in jeder Hinsicht überzeugend.
Mit Urteil vom 21.05.2021 hat das SG die Klage abgewiesen. Zur Begründung hat es ausgeführt, dass die Klägerin unter Beachtung im Einzelnen genannten qualitativer Einschränkungen noch in der Lage sei, unter den üblichen Bedingungen des allgemeinen Arbeitsmarkts leichte Tätigkeiten mindestens sechs Stunden täglich zu verrichten, sodass keine Erwerbsminderung vorliege. Dabei hat es sich im Wesentlichen auf das Sachverständigengutachten des S1 - unter näherer Darlegung des von ihm erhobenen klinischen Befunds und sowie der ihm von der Klägerin geschilderten Alltagsaktivitäten - sowie auf das (urkundsbeweislich verwertbare) Gutachten der K2 und auf die sozialmedizinische Stellungnahme der D2 vom 16.07.2020 gestützt.
Gegen das - ihren Prozessbevollmächtigten am 12.08.2021 zugestellte - Urteil hat die Klägerin am 09.09.2021 Berufung eingelegt. Sie hat unter Wiederholung ihres erstinstanzlichen Vorbringens u.a. geltend gemacht, dass das Gutachten des S1 nicht verwertbar sei, da es „nicht einmal“ grundlegenden Anforderungen genüge, weil der Sachverständige ihre Erkrankungen, namentlich den Tremor, ignoriert habe (erneut Hinweis auf den Arztbrief des H3 vom 28.04.2020). Im Übrigen habe S1 verkannt, dass sie sich nur über ihre Enkelkinder freuen könne, nicht über „Sonstiges“. Sie habe - im Gegensatz zu früher - keine Hobbys oder besondere Interessen, keine Zukunftswünsche und mache auch nur „ein bisschen Haushalt“ (Bedienen der Waschmaschine). Auch habe sie nicht viele soziale Kontakte und gehe nur „manchmal“ in die Moschee. Das SG hätte zudem ein orthopädisches Gutachten einholen müssen.
Die Klägerin beantragt (teilweise sinngemäß, vgl. Bl. 221 SG-Akte, S. 36 Senats-Akte),
das Urteil des Sozialgerichts Mannheim vom 21.05.2021 sowie den Bescheid der Beklagten vom 17.01.2018 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 29.08.2018 aufzuheben und die Beklagte zu verurteilen, ihr Rente wegen voller bzw. teilweiser Erwerbsminderung ab dem 01.09.2017 zu gewähren.
Die Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Sie hält die angefochtenen Entscheidungen für zutreffend.
Der Senat hat von Amts wegen das Sachverständigengutachten des S2 vom 05.04.2022 eingeholt, der die Klägerin am 22.03.2022 - unter Hinzuziehung eines Dolmetschers - untersucht hat. Der Sachverständige hat bei ihr seitens seiner Fachgebiete eine schmerzhafte mäßiggradige Bewegungseinschränkung der linken Schulter nach Arthroskopie mit Schultereckgelenkteilresektion und subakromialer Dekompression mit persistierendem Impingement und Rotatorenmanschettenschaden (Supraspinatussehne), eine Lumboischialgie mit Sensibilitätsstörung im Dermatom L5 links bei fortgeschrittener monosegmentaler Spondylarthrose (Facettengelenksarthrose) L5/S1 mit mäßiggradigen funktionellen Einschränkungen, ein Cervikalsyndrom bei segmentalen mäßiggradigen degenerativen Aufbraucherscheinungen mit geringen funktionellen Einschränkungen, eine beginnende Polyarthrose beider Hände mit geringen funktionellen Einschränkungen sowie eine mediale und retropatellare Gonarthrose Stadium II nach Kellgren beidseits mit mäßiggradigen funktionellen Einschränkungen diagnostiziert. Der von ihm im Rahmen der Untersuchung beobachtete (unklare) Tremor der Hände sei stark wechselnd, zum Teil verdeutlichend und sehr inkonstant gewesen. Unter Beobachtung und in Ruhe hätten beide Hände kräftig gezittert, hingegen sei der Tremor unter Ablenkung bzw. beim Anfassen sofort verschwunden. Auch seien sämtliche zielgerichtete Bewegungen komplett ohne Tremor gewesen. Leichte bis mittelschwere Tätigkeiten in wechselnder Körperhaltung (überwiegend im Sitzen und Stehen) könne die Klägerin noch vollschichtig verrichten, wobei häufige Armvorhalte, häufige Überkopfarbeiten, häufiges Knien und Hocken, häufige Zwangshaltungen der Rumpfwirbelsäule, häufiges Heben und Tragen von Lasten über 12 kg ohne mechanische Hilfsmittel sowie Arbeiten mit hohen Anforderungen an die Feinmechanik und die Kraftentwicklung der Hände zu vermeiden seien. Die Wegefähigkeit sei nicht eingeschränkt, im Gegenteil, er sei - ebenso wie der Dolmetscher - über die Zügigkeit des Gangbilds überrascht gewesen. Auch ein betriebsunüblicher Pausenbedarf liege nicht vor. Die zeitliche Leistungseinschätzung der Ärzte in R1 könne nicht auf orthopädisch-chirurgische Funktionsstörungen gestützt werden, denn diese seien bei der Klägerin lediglich mäßiggradig ausgebildet und führten allein zu den genannten qualitativen Einschränkungen.
Auf das Gutachten hat die Klägerseite geltend gemacht (Schriftsatz vom 09.06.2022), dass „zweifelhaft“ sei, dass es auf dem Arbeitsmarkt eine leidensgerechte Tätigkeit gebe, nachdem die Klägerin keinen Schulabschluss, keine Ausbildung und nur „eingeschränkte“ Deutschkenntnisse habe. Eine Verweisungstätigkeit könne nicht benannt werden. Es müsse zudem noch ein Gutachten auf „neurologisch/psychiatrischem Fachgebiet“ eingeholt werden, nachdem S2 dem Tremor keinen leistungsmindernden Einfluss, insbesondere auch keine Einschränkungen der Motorik, beigemessen habe. Das Beschwerdebild müsse bei der Leistungsbeurteilung aber berücksichtigt werden. Das Gutachten des S1 sei „nicht brauchbar“.
Zur weiteren Darstellung des Sachverhalts und des Beteiligtenvorbringens wird auf die Prozessakten erster und zweiter Instanz und die vorgelegten Verwaltungsakten Bezug genommen.
II.
Der Senat entscheidet über die nach den §§ 143, 144 des Sozialgerichtsgesetzes (SGG) zulässige Berufung der Klägerin nach Anhörung der Beteiligten gemäß § 153 Abs. 4 SGG durch Beschluss, weil er die Berufung einstimmig für unbegründet und eine mündliche Verhandlung nicht für erforderlich hält.
Das SG hat die Klage zu Recht abgewiesen. Denn der Bescheid der Beklagten vom 17.01.2018 in der Gestalt (§ 95 SGG) des Widerspruchsbescheids vom 29.08.2018 ist rechtmäßig und verletzt die Klägerin nicht in ihren Rechten. Sie ist im Sinne der maßgeblichen gesetzlichen Regelungen (§ 43 Abs. 2 und 1 des Sechsten Buches Sozialgesetzbuch - SGB VI -) weder voll noch teilweise erwerbsgemindert. Ihr steht daher weder eine Rente wegen voller noch wegen teilweiser Erwerbsminderung zu.
Das SG hat in den Entscheidungsgründen des angefochtenen Urteils zutreffend die rechtlichen Grundlagen für die hier von der Klägerin beanspruchte Rente wegen voller bzw. teilweiser Erwerbsminderung dargelegt und ebenso zutreffend ausgeführt, dass sie die Voraussetzungen für eine solche Rente trotz der bei ihr bestehenden gesundheitlichen Beeinträchtigungen nicht erfüllt, weil sie zumindest leichte Tätigkeiten unter Beachtung qualitativer Einschränkungen sechs Stunden und mehr täglich ausüben kann. Das SG hat ausführlich und zutreffend, insbesondere auf der Grundlage des vom Sachverständigen S1 erstatteten Gutachtens sowie des (im Wege des Urkundsbeweises verwertbaren) Gutachtens der K2 - deren zeitliche Leistungsbeurteilung der Sachverständige bestätigt hat - dargelegt, dass und warum die bei der Klägerin bestehenden bzw. objektivierbaren Leiden mit Schmerzzuständen, vorwiegend von psychiatrischer Seite, lediglich zu den von S1 aufgeführten qualitativen Einschränkungen führen, nicht jedoch zu einer zeitlichen Leistungslimitierung. Der Senat sieht daher von einer weiteren Darstellung der Entscheidungsgründe ab und weist die Berufung gemäß § 153 Abs. 2 SGG insoweit aus den oben zusammengefassten Gründen der angefochtenen Entscheidung zurück.
Das Rechtsmittelvorbringen rechtfertigt keine andere Beurteilung, ebenso wenig die vom Senat durchgeführte weitere medizinische Sachaufklärung.
In psychiatrischer Hinsicht leidet die Klägerin an einer Dysthymia sowie an einer Schmerzverarbeitungsstörung i.S. einer anhaltenden somatoformen Schmerzstörung bei Zustand nach angegebenem sexuellem Missbrauch in der Vorehezeit, wobei diese Gesundheitsstörungen nur leichtgradig ausgebildet sind und lediglich qualitative Einschränkungen (Möglichkeit eines Körperhaltungswechsels, keine Arbeiten in Armvorhalten oder mit gehäuften Überkopfarbeiten, keine Arbeiten unter Akkordbedingungen bzw. vermehrtem Zeitdruck, keine Arbeiten in Nachtschicht, keine Arbeiten mit vermehrt nervlichen Belastungen, z.B. vermehrt emotionale Belastungen, erhöhtes Konfliktpotential) nicht jedoch eine zeitliche Leistungslimitierung für zumindest leichte Tätigkeiten bedingen. Dies stützt der Senat auf das Sachverständigengutachten des S1, der dies auf der Grundlage des von ihm erhobenen klinischen Befunds sowie der ihm von der Klägerin geschilderten noch möglichen Alltagsaktivitäten und noch vorhandenen Interessen in jeder Hinsicht überzeugend dargelegt und die Einschätzung der K2 sowohl in diagnostischer Hinsicht als auch im Hinblick auf das zeitliche Leistungsvermögen bestätigt hat.
Bei der Untersuchung durch den Sachverständigen ist die Klägerin gepflegt gekleidet erschienen. Sie ist auskunftsbereit, freundlich zugewandt und geistig gut flexibel, eine Kontaktaufnahme ist problemlos möglich gewesen. Einschränkungen der Umstellungs- und Anpassungsfähigkeit, der Handlungsfähigkeit, der Urteilskraft sowie der Kritik- und Einsichtsfähigkeit haben nicht vorgelegen, ebenso wenig eine Antriebsminderung oder gar psychomotorische Hemmung - die Klägerin hat vielmehr, so der Sachverständige, oftmals selbst das Wort ergriffen - und auch keine relevanten kognitiven bzw. mnestischen Defizite, namentlich keine Störungen des Bewusstseins, der Orientierung, der Auffassung und der Konzentration. Während der gesamten Untersuchung haben sich auch keine auffallende Erschöpftheit und keine Vigilanzschwankungen oder gar -minderungen gezeigt, auch nicht im Elektroenzephalogramm (EEG). Die Gestik und Mimik der Klägerin ist angemessen und ohne eine Eingebundenheit gewesen. Gedächtnisstörungen haben sich nicht gezeigt, vielmehr ist die Klägerin in der Lage gewesen, viele Angaben sehr genau bzw. detailliert zu machen. Auch haben sich weder Anhaltspunkte für eine hirnorganisch bedingte psychische Symptomatik ergeben, noch Anhaltspunkte für eine Einschränkung der affektiven Resonanzfähigkeit, die lediglich leicht zum negativen Pol hin verschoben, aber zum positiven Pol nicht aufgehoben gewesen ist. Das formale Denken ist nicht verlangsamt und folgerichtig gewesen, inhaltliche Denkstörungen, Sinnestäuschungen, Ich-Störungen, dissoziative oder somatische Störungen haben sich nicht gezeigt. In der Grundstimmung ist die Klägerin subdepressiv bzw. dysthym bei angegebener Grübelneigung gewesen. Themenabhängig hat zwar eine Affektlabilität mit Weinerlichkeit bestanden, gleichwohl hat sie durchaus spontan und authentisch lächeln und kurzzeitig auch lachen können. Eine endogene circadiane Rhythmik der Stimmungslage hat ebenfalls nicht vorgelegen. Die Klägerin hat auch eine tageszeitliche Abhängigkeit der Stimmungslage oder einen episodenhaften Verlauf ausdrücklich verneint und angegeben, es gäbe „gar keine guten Tage von der Stimmung her“, was S1 in Ansehung seines Befunds nicht nachzuvollziehen vermocht hat; er hat darüber hinaus darauf hingewiesen, dass bei manifesten depressiven Syndromen oftmals gerade ein Morgentief der Stimmungslage besteht. Dies alles entnimmt der Senat dem Gutachten des S1.
Dass der Sachverständige in Ansehung dieses klinischen Befunds sowie der ihm von der Klägerin geschilderten noch möglichen Alltagsaktivitäten bzw. noch vorhandenen Interessen (s. namentlich Bl. 166 f., 177 SG-Akte: Körperpflege; macht „ein bißchen Haushalt“, bedient die Waschmaschine, „Ehemann helfe auch im Haushalt“, freilich auch: „am Wochenende mache sie auch Hausarbeiten wie Putzen und Bügeln“; Einkaufen gehen, wenn auch nur „ab und zu“; sieht deutsches und türkisches Fernsehen, insbesondere türkische Serien, aber auch bisweilen mit ihrem Mann Fußballländerspiele; kocht das Mittag- und Abendessen; empfängt Besuch, insbesondere von den Kindern - mit denen sie sich „gut“ versteht - und Enkelkindern, besucht aber auch ihrerseits „Freunde“; „macht Spaß“ mit ihren Enkelkindern; kann sich „nur über die Enkelkinder freuen“; „nicht sehr viele soziale Kontakte“; „manchmal“ Besuch der Moschee; zuletzt im Jahr 2018 in der Türkei gewesen) insgesamt lediglich von einer leichten psychopathologischen Symptomatik ohne höhergradige Störungen der sozialen Kompetenz und der Alltagskompetenzen ausgegangen ist sowie eine zeitliche Leistungseinschränkung verneint hat, ist für den Senat in jeder Hinsicht schlüssig und nachvollziehbar.
Soweit die Klägerseite gemeint hat, das Gutachten des S1 sei nicht verwertbar bzw. „unbrauchbar“, ist das Gegenteil der Fall. S1 hat eine Darstellung der Aktenlage vorgenommen, eine umfangreiche Anamnese (s. im Einzelnen Bl. 161 ff. SG-Akte) durchgeführt, die Klägerin körperlich (internistisch und neurologisch) und psychopathologisch sowie apparativ-technisch untersucht, entsprechende Befunde erhoben und dokumentiert, daraus Diagnosen abgeleitet, und sodann eine sozialmedizinische Leistungsbeurteilung vorgenommen, diese begründet und sich mit den aktenkundig dokumentierten ärztlichen Äußerungen (dazu noch später) auseinandergesetzt. Warum sein Gutachten in Ansehung dessen „unverwertbar“ sein soll, erschließt sich dem Senat nicht ansatzweise.
Aus dem Umstand, dass sich der Sachverständige nicht in der Lage gesehen hat, den von der Klägerin geklagten und von ihm als nicht permanent auftretenden, mittelfrequent und grobschlächtig beschriebenen Tremor an beiden Händen diagnostisch näher einzugrenzen, folgt keine andere Bewertung. Denn unabhängig davon, dass S1 schon Art und Ausmaß des Tremors in Ansehung der mit den klinischen Befunden (psychopathologisch: s.o.; körperlich-neurologisch, s. namentlich Bl. 170 ff., 174, 178 SG-Akte: Nervenaustrittspunkte nicht spezifisch druckdolent; keine Paresen; Muskeleigenreflexe in allen Etagen mittellebhaft auslösbar; keine Pyramidenbahnzeichen, keine Kloni; Muskelrelief und -tonus allseits regelrecht; keine Hinweise für latente oder manifeste Paresen an den Extremitäten; alle Gelenke der oberen und unteren Extremitäten aktiv beweglich; keine Nervendehnungszeichen; kein Anhalt für ein manifestes Engpasssyndrom an den oberen Extremitäten; EEG ohne Hinweis auf pathologische Veränderungen; akustisch evozierte Potentiale bis auf eine leichte Hörminderung - ohne weitere Relevanz - unauffällig; insgesamt keine manifesten neurologischen Ausfälle) nicht in Einklang zu bringenden inkonsistenten und aggravierenden Beschwerdeangaben und -demonstrationen der Klägerin (s. Bl. 172, 178 SG-Akte) bei funktioneller Überlagerung und Rentenbegehren nicht zu objektivieren vermocht hat - auch dies überzeugt den Senat -, kommt es im Rahmen der Prüfung von Erwerbsminderung nicht entscheidend auf die Art und Anzahl der gestellten Diagnosen und auch nicht auf eine bestimmte Diagnosestellung oder Bezeichnung von Befunden an, sondern allein auf die Beeinflussung des individuellen quantitativen sowie qualitativen Leistungsvermögens durch dauerhafte Gesundheitsstörungen (Bundessozialgericht - BSG - 28.02.2017, B 13 R 37/16 BH, in juris), also auf die durch die Gesundheitsstörungen verursachten funktionellen Beeinträchtigungen. Dem entsprechend sind auch die Ursachen der Gesundheitsstörung nicht maßgeblich (BSG a.a.O.).
Derartige höhergradige Funktionsstörungen mit relevanten Auswirkungen auf das berufliche Leistungsvermögen hat indes S1 gerade nicht herzuleiten vermocht und insbesondere eine relevante Störung der (Fein-)Motorik der Hände bzw. Finger verneint. Dies wiederum deckt sich mit den Ausführungen des Sachverständigen S2 seitens seiner Fachgebiete. Auch S2 hat hinsichtlich des Tremors der Hände auf eine verdeutlichende und sehr inkonstante Beschwerdedemonstration der Klägerin hingewiesen, nachdem der Tremor unter Ablenkung bzw. beim Anfassen sofort verschwunden ist. Auch sind der Klägerin - so S2- sämtliche zielgerichtete Bewegungen komplett ohne Tremor möglich gewesen, sodass S2 schlüssig und nachvollziehbar lediglich Arbeiten mit hohen Anforderungen an die Feinmechanik und die Kraftentwicklung der Hände als nicht mehr leidensgerecht erachtet hat.
Soweit die Klägerseite gemeint hat, S1 habe den geklagten Tremor nicht berücksichtigt, ist dies schlicht unzutreffend. Er hat vielmehr mangels Objektivierung und in Ansehung der aggravierenden und inkonsistenten Beschwerdedemonstration ohne klinisches Korrelat daraus keine tremorspezifische Diagnose und auch keine weitergehenden beruflichen Einschränkungen abzuleiten vermocht. Dass dies den Senat überzeugt, ist bereits oben dargelegt worden. Der Sachverständige hat in seiner ergänzenden Stellungnahme auch schlüssig und nachvollziehbar dargelegt, dass aus dem Arztbrief des H3 nichts Abweichendes folgt. Dies ergibt sich bereits daraus, dass H3 - im Gegensatz zu S1, worauf D2 in ihrer sozialmedizinischen Stellungnahme vom 16.07.2020 (die als qualifiziertes Beteiligtenvorbringen verwertbar ist) zutreffend hingewiesen hat -, keine Konsistenz- und Plausibilitätsprüfung der klägerischen Beschwerdeabgaben und -demonstrationen durchgeführt hat; er hat im Wesentlichen allein die subjektive Beschwerdedemonstration der Klägerin beschrieben und - wie schon S1 - eine motorische Störung bei unauffälligem Hirnnervenstatus ausgeschlossen. Dass indes eine solche kritische Würdigung und Überprüfung des Beschwerdeverhaltens angezeigt ist, folgt aus den von S1 und S2 jeweils beschriebenen Verdeutlichungstendenzen der Klägerin mit inkonsistenter und aggravierender Beschwerdedemonstration; Ähnliches haben im Übrigen bereits die Ärzte der K1 dokumentiert (s. dazu oben im Tatbestand) und auch M1 hat in seinem Arztbrief vom 12.10.2019 (Bl. 190 SG-Akte) „sicherlich aggraviert“ vermerkt, worauf S1 zu Recht hingewiesen hat.
Ergänzend merkt der Senat in diesem Zusammenhang noch an, dass die Klägerin bei S1 namentlich auch geltend gemacht - und entsprechend demonstriert - hat, dass sie den linken Arm nicht mehr über die Horizontale heben könne (s. Bl. 178 SG-Akte). Dies ist indes widerlegt, nachdem sie bei der späteren Untersuchung durch den Sachverständigen S2 in der Lage gewesen ist, ihren linken Arm bis 120° aktiv anzuheben (s. S. 58 Senats-Akte). Ferner hat sie gegenüber S1 behauptet, „nichts mehr tragen“ zu können (Bl. 169 SG-Akte). Auch dies ist auf der Grundlage des von S2 erhobenen klinischen Befunds (s. im Einzelnen S. 58 f. Senats-Akte) widerlegt, weswegen ihr der Sachverständige namentlich auch das Heben und Tragen von Lasten bis 12 kg noch zugemutet hat (s. dazu noch unten).
Soweit die Klägerseite ferner versucht hat, die von der Klägerin gegenüber dem Sachverständigen geschilderten noch möglichen Alltagsaktivitäten und Interessen zu relativieren, indem sie auf die Dinge verwiesen hat, die die Klägerin nach eigenen Angaben nicht mehr kann, weist der Senat darauf hin, dass dies zum einen schon nicht geeignet ist, den objektiv-klinischen Befund (s.o.) des Sachverständigen zu erschüttern, zum anderen hat S1 gerade aus den ihm von der Klägerin geschilderten noch möglichen Aktivitäten und den noch vorhandenen Interessen in Verbindung mit dem klinischen Befund sowie unter Berücksichtigung ihrer übrigen Angaben (s. z.B. Bl. 177 SG-Akte: „Der Ehemann helfe ihr im Haushalt“; Bl. 178 SG-Akte: „Besondere Zukunftswünsche wurden verneint“ und „Hobbys und besondere Interessen habe sich jetzt nicht mehr“; Bl. 173 SG-Akte: „nicht viele soziale Kontakte“) - soweit er diese hat nachvollziehen und objektivieren können - seine Leistungsbeurteilung abgeleitet, sodass das diesbezügliche Rechtsmittelvorbringen insoweit ins Leere geht. Ohnehin können die subjektiven Angaben der Klägerin aus den oben bereits dargelegten Gründen nicht Grundlage der Leistungsbeurteilung sein, denn sie sind inkonsistent, verdeutlichend und auch in wesentlicher Hinsicht widerlegt (s.o.).
Widerlegt durch das Gutachten der K2 und das Sachverständigengutachten des S1 ist auch die Leistungseinschätzung der Ärzte der K1 sowie die der Ärzte der R2, die jeweils ihre Annahme eines aufgehobenen Leistungsvermögens auf schwerwiegendere seelische Störungen mit Schmerzzuständen gestützt haben, die bei der Klägerin indes - entsprechend der obigen Ausführungen - nicht vorliegen. Auch sie haben im Wesentlichen, worauf K2, D2 (Stellungnahme vom 12.02.2019) und S1 hingewiesen haben, die subjektiven Beschwerdeangaben und -demonstrationen der Klägerin zu Grunde gelegt, ohne diese kritisch zu hinterfragen und zu validieren. Nämliches gilt hinsichtlich der Einschätzung des S5, der die Klägerin nicht einmal untersucht hat.
Die Leistungseinschätzung des M1 (in seiner Auskunft gegenüber dem SG) und die des K3 (ebenfalls in seiner Auskunft gegenüber dem SG) vermag ebenfalls nicht zu überzeugen. Beide haben bereits - darauf hat D2 zu Recht aufmerksam gemacht (Stellungnahme vom 17.07.2019) - keine entsprechenden objektiv-klinischen Befunde mitgeteilt. Bei K3 ist ohnehin eine besondere Kompetenz auf fachpsychiatrischem Gebiet nicht erkennbar.
Von orthopädisch-unfallchirurgischer Seite bestehen bei der Klägerin eine schmerzhafte mäßig-gradige Bewegungseinschränkung der linken Schulter nach Arthroskopie mit Schultereckgelenkteilresektion und subakromialer Dekompression mit persistierendem Impingement und Rotatorenmanschettenschaden (Supraspinatussehne), eine Lumboischialgie mit Sensibilitätsstörung im Dermatom L5 links bei fortgeschrittener monosegmentaler Spondylarthrose (Facettengelenksarthrose) L5/S1 mit mäßiggradigen funktionellen Einschränkungen, ein Cervikalsyndrom bei segmentalen mäßiggradigen degenerativen Aufbraucherscheinungen mit geringen funktionellen Einschränkungen, eine beginnende Polyarthrose beider Hände mit geringen funktionellen Einschränkungen sowie eine mediale und retropatellare Gonarthrose Stadium II nach Kellgren beidseits mit mäßiggradigen funktionellen Einschränkungen. Dies stützt der Senat auf das Sachverständigengutachten des S2, der auf der Grundlage des von ihm erhobenen klinischen Befunds (s. dazu im Einzelnen S. 57 ff. Senats-Akte) in jeder Hinsicht schlüssig und nachvollziehbar dargelegt hat, dass diese Gesundheitsstörungen lediglich zu den von ihm genannten qualitativen Leistungseinschränkungen (keine schweren Arbeiten, Möglichkeit wechselnder Körperhaltung - überwiegend Sitzen und Stehen -, keine häufigen Armvorhalte, keine häufigen Überkopfarbeiten, kein häufiges Knien und Hocken, keine häufigen Zwangshaltungen der Rumpfwirbelsäule, kein häufiges Heben und Tragen von Lasten über 12 kg ohne mechanische Hilfsmittel sowie keine Arbeiten mit hohen Anforderungen an die Feinmechanik und die Kraftentwicklung der Hände) führen, nicht jedoch eine zeitliche Leistungslimitierung für leichte Tätigkeiten auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt bedingen. Die Klägerseite hat keine Einwände gegen die Einschätzung des Sachverständigen geltend gemacht, sondern im Gegenteil ihrerseits darauf hingewiesen, dass auf der Grundlage des Sachverständigengutachtens auf orthopädischem Fachgebiet gerade keine rentenberechtigenden Einschränkungen bestünden (vgl. Schriftsatz vom 09.06.2022). Dem hat der Senat nichts hinzuzufügen.
Soweit H2 (Auskunft gegenüber dem SG), deren zeitliche Leistungseinschätzung im Umfang von sechs Stunden täglich bereits eine Erwerbsminderung ausschließt (vgl. § 43 Abs. 3 Halbsatz 1 SGB VI: „mindestens“, also einschließlich sechs Stunden), in qualitativer Hinsicht jegliche Schulterbelastungen links sowie häufiges Heben von Lasten über 8 kg ausgeschlossen hat, folgt dem der Senat nicht. Es bleibt vielmehr bei den vom Sachverständigen S2 beschriebenen und befundgestützten qualitativen Einschränkungen, nachdem H2 bereits keinen entsprechenden klinischen Befund mitgeteilt hat.
Sonstige (internistische) Gesundheitsstörungen, die Auswirkung auf das zeitliche Leistungsvermögen haben könnten, liegen bei der Klägerin nicht vor. Weder die Ärzte der K1, noch die Ärzte der R2, noch K3 haben von internistisch-onkologischer Seite zusätzliche Leistungseinschränkungen, die über die bereits berücksichtigten (s.o.) hinausgehen, beschrieben und auch S1 hat Derartiges - unter Berücksichtigung der von ihm genannten Verdachtsdiagnose eines Schlafapnoe-Syndroms - ausdrücklich nicht angenommen.
Ebenso wie bereits das SG hat mithin auch der Senat keine Zweifel daran, dass die Klägerin noch in der Lage ist, jedenfalls leichte Arbeiten auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt unter Beachtung der oben genannten qualitativen Einschränkungen mindestens sechs Stunden täglich zu verrichten, sodass keine Erwerbsminderung vorliegt (§ 43 Abs. 3 Halbsatz 1 SGB VI). Dabei ist es unerheblich, ob ihr ein dem Leistungsvermögen entsprechender Arbeitsplatz vermittelt werden kann, weil nach § 43 Abs. 3 Halbsatz 2 SGB VI die jeweilige Arbeitsmarktlage nicht zu berücksichtigen ist.
Die Benennung einer konkreten Verweisungstätigkeit ist vorliegend entgegen dem Berufungsvorbringen nicht erforderlich (vgl. BSG 14.09.1995, 5 RJ 50/94, in juris, auch zum Nachfolgenden). Denn nach der Rechtsprechung des BSG steht auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt eine so große Anzahl von Tätigkeitsarten zur Verfügung, dass das Vorhandensein einer geeigneten Verweisungstätigkeit offensichtlich ist. Nur ausnahmsweise ist für einen auf den allgemeinen Arbeitsmarkt verweisbaren Versicherten wie die Klägerin mit zumindest sechsstündigem Leistungsvermögen für leichte Arbeiten die Benennung einer konkreten Verweisungstätigkeit erforderlich, wenn die Erwerbsfähigkeit durch mehrere schwerwiegende gesundheitliche Einschränkungen
oder eine besonders einschneidende Behinderung gemindert ist. In der Rechtsprechung des BSG sind bestimmte Fälle anerkannt (z.B. Einarmigkeit, vgl. BSG a.a.O., m.w.N.), zu denen der vorliegende Fall aber nicht gehört. Vielmehr braucht eine Verweisungstätigkeit erst benannt zu werden, wenn die gesundheitliche Fähigkeit zur Verrichtung selbst leichter Tätigkeiten in vielfältiger, außergewöhnlicher Weise eingeschränkt ist. Dies ist jedenfalls dann nicht der Fall, wenn ein Versicherter noch vollschichtig körperlich leichte Arbeiten ohne Heben und Tragen von Gegenständen über 5 kg, ohne überwiegendes Stehen und Gehen oder ständiges Sitzen, nicht in Nässe, Kälte oder Zugluft, ohne häufiges Bücken, ohne Zwangshaltungen, ohne besondere Anforderungen an die Fingerfertigkeit und nicht unter besonderen Unfallgefahren zu verrichten vermag (BSG a.a.O.; BSG 27.04.1982, 1 RJ 132/80). Denn ein Teil dieser Einschränkungen stimmt bereits mit den Tätigkeitsmerkmalen einer körperlich leichten Arbeit überein; dies gilt insbesondere für die geminderte Fähigkeit, Lasten zu bewältigen und die geringe Belastbarkeit der Wirbelsäule (BSG a.a.O.) mit den hierauf beruhenden Einschränkungen. Diese zur früheren Rechtslage entwickelten Grundsätze sind auch für Ansprüche auf Renten wegen Erwerbsminderung nach dem ab dem 01.01.2001 geltenden Recht weiter anzuwenden (vgl. zuletzt BSG 11.12.2019, B 13 R 7/18 R, in juris). Nicht anders liegt der Fall der Klägerin. Auch bei ihr wird den qualitativen Einschränkungen (s.o.) im Wesentlichen bereits dadurch Rechnung getragen, dass ihr nur noch leichte Arbeiten zugemutet werden.
Bei der Klägerin besteht auf der Grundlage des oben festgestellten Leistungsbilds gerade keine schwere spezifische Leistungsbehinderung und auch keine Summierung ungewöhnlicher Leistungseinschränkungen (vgl. auch dazu BSG a.a.O.) und zwar auch nicht in Ansehung des geklagten Tremors, soweit dieser überhaupt hat objektiviert werden können (s.o.). Ebenso wenig ist ihre Wegefähigkeit (vgl. dazu nur BSG 12.12.2011, B 13 R 79/11 R, in juris, Rdnr. 20 m.w.N.) eingeschränkt und es besteht auch kein betriebsunüblicher Pausenbedarf, was die Sachverständigen S3 und S4 auf der Grundlage des von ihnen jeweils erhobenen objektiv-klinischen Befunds schlüssig und nachvollziehbar herausgearbeitet haben.
Soweit die Klägerseite unzureichende Deutschkenntnisse der Klägerin geltend gemacht hat, hat dies bei der Beurteilung der Erwerbsfähigkeit außer Acht zu bleiben (BSG 15.05.1991, 5 RJ 92/89, in juris, m.w.N.).
Soweit die Klägerin weiter geltend gemacht hat, für sie gäbe es mangels Schulabschlusses und Berufsausbildung keinen leidensgerechten Arbeitsplatz, ist dem zum einen entgegenzuhalten, dass die Klägerin trotz dieser Ausbildungsdefizite jahrelang gearbeitet hat und zum anderen darauf hinzuweisen, dass unerheblich ist, ob ihr überhaupt ein entsprechender freier Arbeitsplatz angeboten werden kann, denn dieses Risiko trägt die Arbeitsverwaltung, nicht jedoch die gesetzliche Rentenversicherung, die ihre Versicherten allein vor den Nachteilen einer durch Krankheit oder Behinderung geminderten Leistungsfähigkeit zu schützen hat (vgl. BSG 14.05.1996, 4 RA 60/94, in juris).
Nur am Rande merkt der Senat noch an, dass auch der Umstand, dass bei der Klägerin die Schwerbehinderteneigenschaft festgestellt ist, zu keiner anderen Bewertung führt, denn dem kommt hinsichtlich der zumutbaren beruflichen Einsetzbarkeit keinerlei Aussagekraft zu (BSG 19.09.2015, B 13 R 290/15 B, in juris).
Dass die Klägerin schließlich schon im Hinblick auf ihr Geburtsdatum im Jahr 1964 auch eine Rente wegen teilweiser Erwerbsminderung bei Berufsunfähigkeit nicht mit Erfolg beanspruchen kann, ergibt sich unmittelbar aus § 240 Abs. 1 Nr. 1 SGB VI.
Der entscheidungserhebliche medizinische Sachverhalt ist im Übrigen geklärt, sodass sich der Senat nicht gedrängt gesehen hat, von Amts wegen noch ein weiteres (neurologisches und/oder psychiatrisches) Sachverständigengutachten einzuholen. Insbesondere die bereits vorliegenden Sachverständigengutachten der S3 und S4 - die beide jeweils namentlich den geltend gemachten Tremor im Rahmen ihrer Leistungsbeurteilung berücksichtigt haben - haben dem Senat die erforderlichen Grundlagen für seine Überzeugungsbildung vermittelt; ins Blaue hinein muss der Senat nicht ermitteln (vgl. nur BSG 28.02.2018, B 13 R 279/16 B, in juris, m.w.N.).
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.
Gründe für die Zulassung der Revision liegen nicht vor.
Land
Baden-Württemberg
Sozialgericht
LSG Baden-Württemberg
Sachgebiet
Rentenversicherung
Abteilung
10.
1. Instanz
SG Mannheim (BWB)
Aktenzeichen
S 5 R 2731/18
Datum
2. Instanz
LSG Baden-Württemberg
Aktenzeichen
L 10 R 2902/21
Datum
3. Instanz
-
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Beschluss
Rechtskraft
Aus
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