Die Berufung der Klägerin gegen den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Ulm vom 23.03.2021 wird zurückgewiesen.
Außergerichtliche Kosten des Berufungsverfahrens sind nicht zu erstatten.
Tatbestand
Zwischen den Beteiligten ist die Feststellung des Ereignisses vom 20.05.2018 als Arbeitsunfall im Sinne der gesetzlichen Unfallversicherung streitig.
I. Die 1973 geborene Klägerin war seit dem Jahr 2007 als selbständige Steuerberaterin tätig und war bei der Beklagten ausweislich deren Bestätigung vom 20.05.2008 ab 19.05.2008 freiwillig unfallversichert und nach deren Bescheid vom 20.05.2008 in der Gefahrtarifstelle 08 („Rechts- und wirtschaftsber. Untern., Organ der Rechtspflege“) veranlagt. Die Beklagte setzte sodann ab dem Jahr 2008 die jeweils jährlich zu entrichtenden freiwilligen Beiträge fest.
II. Die Klägerin erlitt am 15.06.2010 einen Arbeitsunfall. Die Beklagte bewilligte, nachdem sie bereits mit Bescheid vom 10.11.2010 in der Gestalt des Teil-Abhilfebescheides vom 23.11.2011 Verletztengeld für die Zeit vom 07.07.2010 bis zum 05.11.2010 gewährt hatte, mit Bescheid vom 11.01.2011 Verletztengeld für die Zeit vom 06.11.2010 bis zum 13.12.2010 und erkannte mit Bescheid vom 21.02.2011 eine ohne wesentliche Folgen ausgeheilte Zerrung der Halswirbelsäule als Unfallfolge an, lehnte die Gewährung von Entschädigungsleistungen über den 13.12.2010 hinaus ab und führte aus, unfallbedingte Behandlungsbedürftigkeit habe bis zum 13.12.2010 bestanden. Die hiergegen eingelegten Widersprüche wies die Beklagte mit den beiden Widerspruchsbescheiden vom 24.05.2012 zurück. Die hiergegen erhobenen Klagen wies das Sozialgericht (SG) Stuttgart mit dem unter dem Aktenzeichen S 13 U 3582/12 ergangenen Gerichtsbescheid vom 28.06.2016 ab. Über die hiergegen eingelegte Berufung hat der Senat mit dem unter dem Aktenzeichen L 3 U 3467/20 ergangenen Urteil vom heutigen Tag entschieden.
III. Mit Beitragsbescheid vom 19.04.2017 setzte die Beklagte den Beitrag für das Beitragsjahr 2016 auf 240,01 € fest. Mit Schreiben vom 13.06.2017 mahnte die Beklagte die Zahlung des Beitrags für das Beitragsjahr 2016 an. Daraufhin bat die Klägerin mit ihrem am 18.07.2017 gefaxten Schreiben vom 12.07.2017 unter ausdrücklicher Bezugnahme auf den „Beitragsbescheid 08/2055/9517“ um Stundung und Verrechnung mit den von ihr eingereichten Kostenrechnungen, die bereits seit dem Jahr 2016 zur Erstattung anstünden. Diesen Antrag lehnte die Beklagte mit Bescheid vom 19.07.2017 ab.
Mit Schreiben vom 27.07.2017 teilte die Beklagte der Klägerin mit, deren freiwillige Versicherung sei mit Ablauf des 17.07.2017 erloschen, da die Klägerin den Beitrag für das Beitragsjahr 2016 nicht fristgerecht gezahlt habe. Für den vom 01.01.2017 bis zum 17.07.2017 gewährten Versicherungsschutz würden Beiträge erhoben, der Beitragsbescheid für diesen Zeitraum werde der Klägerin noch zugehen. Hinsichtlich des zu zahlenden Beitrages für das Beitragsjahr 2016 kündigte die Beklagte mit Schreiben vom 15.08.2017 die Zwangsvollstreckung an. Die Klägerin legte unter dem 23.08.2017 gegen den Bescheid vom 19.07.2017 und unter dem 31.08.2017 gegen das Schreiben vom 15.08.2017 jeweils mit der Begründung, es bestünden Forderungen aus Arztrechnungen, Widerspruch ein und fügte unter anderem diverse aus ihrer Sicht mit dem Unfall vom 15.06.2010 in Zusammenhang stehende Arztrechnungen bei. Daraufhin teilte die Beklagte mit Schreiben vom 25.09.2017 der Klägerin unter anderem mit, eine Reaktivierung ihrer freiwilligen Versicherung sei nicht möglich. Der Beitrag für das Beitragsjahr 2016 in Höhe von 240,01 € sei am 19.04.2017 erhoben und am 15.05.2017 zur Zahlung fällig geworden. Die freiwillige Versicherung erlösche, wenn der Beitrag binnen zwei Monaten nach Fälligkeit nicht gezahlt worden sei. Da bis zum Ablauf dieser zwei Monate keine Zahlung erfolgt sei, sei ihre freiwillige Versicherung zum 17.07.2017 erloschen. Ihre freiwillige Versicherung sei richtigerweise erloschen und bleibe dies auch, da ihr Antrag auf Stundung/Ratenzahlung am 19.07.2017 und damit verspätet eingegangen sei. Mit Schreiben vom 17.10.2017 und 12.01.2018 stellte die Beklagte beim Hauptzollamt H1 einen Antrag auf Zwangsvollstreckung.
Mit Beitragsbescheid vom 18.04.2018 setzte die Beklagte den Beitrag für das Beitragsjahr 2017 auf 142,75 € fest. Daraufhin bat die Klägerin mit ihrem am 22.05.2018 gefaxten Schreiben vom 22.05.2018 um Aussetzung der Vollziehung und Aufrechnung mit den offenen Forderungen.
Nachdem sich am 20.05.2018 das von der Klägerin als Arbeitsunfall geltend gemachte Geschehen (Auffahrunfall auf das stehende Fahrzeug der Klägerin an einer Ampel) ereignet hatte, erfolgte am 24.05.2018 ein Zahlungseingang bei der Beklagten, woraufhin die Beklagte mit Schreiben vom 24.05.2018 ihren Antrag auf Zwangsvollstreckung zurücknahm.
Die Beklagte wies mit Widerspruchsbescheid vom 06.07.2018 den gegen den Bescheid vom 19.07.2017 (Ablehnung des Antrags auf Stundung und Verrechnung in Bezug auf den Beitrag für das Beitragsjahr 2016) eingelegten Widerspruch mit der Begründung zurück, dieser sei verfristet eingelegt worden.
Mit Schreiben vom 18.07.2018 wies die Klägerin darauf hin, eine Beendigung der freiwilligen Versicherung komme wegen der fortdauernden Arbeitsunfähigkeit aufgrund eines Berufsunfalls über den 13.12.2020 hinaus von vornherein nicht in Betracht. Auch während eines Verletztengeldbezuges bestehe eine Beitragsfreiheit. Auch aus diesem Grunde sei eine Infragestellung der weiterbestehenden freiwilligen Versicherung nicht begründet. Im Übrigen seien mittlerweile auch die damals offenen Beitragsleistungen bezahlt.
Die Beklagte wies mit Widerspruchsbescheid vom 20.07.2018 den gegen den Bescheid vom 18.04.2018 (Festsetzung des Beitrags für das Beitragsjahr 2017) eingelegten Widerspruch mit der Begründung zurück, die freiwillige Versicherung habe nur bis zum 17.07.2017 bestanden. Sie sei zum 17.07.2017 erloschen, da die Beiträge für das Beitragsjahr 2016 nicht binnen zwei Monaten nach Fälligkeit beglichen worden seien.
Die Klägerin erhob am 20.08.2018 gegen den Widerspruchsbescheid vom 06.07.2018 die beim SG Ulm unter den Aktenzeichen S 2 U 2557/18 und S 2 U 2943/18 geführten Klagen und am 23.08.2018 gegen den Widerspruchsbescheid vom 20.07.2018 die beim SG Ulm unter den Aktenzeichen S 2 U 2593/18 und S 2 U 2944/18 geführten Klagen, deren Ruhen das SG Ulm mit den Beschlüssen vom 08.07.2019 anordnete.
Die Beklagte erläuterte in ihrem Schreiben vom 27.08.2018, ein Wiederaufleben der erloschenen freiwilligen Versicherung sei aufgrund der mittlerweile erfolgten Zahlung nicht möglich. Die freiwillige Versicherung sei nicht deshalb nicht erloschen, weil etwa während des Verletztengeldbezuges eine Beitragsfreiheit bestände. Denn die Regelung des § 224 SGB V, nach der Zeiten der Arbeitsunfähigkeit beitragsfrei zu stellen seien, gelte nur für den Bereich der gesetzlichen Krankenversicherung. Im Bereich des SGB VII zur gesetzlichen Unfallversicherung gebe es eine solche Regelung nicht. Möglich sei nur eine Beitragsfreiheit in der Krankenversicherung bei einem Bezug von Verletztengeld.
IV. In Bezug auf das von der Klägerin als Arbeitsunfall geltend gemachte Geschehen gab die Klägerin ausweislich des Durchgangsarztberichtes des B1 vom 22.05.2018 an, sie sei am 20.05.2018 gegen 13:05 Uhr in G1 in einen Verkehrsunfall verwickelt worden, indem ein anderer Verkehrsteilnehmer von hinten auf ihr an einer Ampel stehendes Auto aufgefahren sei, während sie angeschnallt und eine Schaumkrause tragend nach rechts gebeugt ein Taschentuch habe holen wollen.
B1 führte in seinem Durchgangsarztbericht vom 22.05.2018 aus, die Klägerin habe im Rahmen der am 20.05.2018 erfolgten Vorstellung über einen starken Schwindel und in beide Arme und den Rücken ausstrahlende Schmerzen im Bereich der Halswirbelsäule geklagt, diagnostizierte eine „Cervikocephalgie (erneutes Trauma 20.05.2018)“ und wies darauf hin, bei der Klägerin habe bereits vorher ein cervikocephales und -encephales Syndrom posttraumatisch wegen eines Wegeunfalls im Juni 2010 vorgelegen. Die am 28.05.2018 durchgeführte kinetisch positionale Kernspintomographie des craniocervikalen Übergangs mit Schädelbasis unter Berücksichtigung der Kopfgelenke erbrachte ausweislich des Arztbriefs des F1 vom 28.05.2018 keinen Anhalt für einen signifikanten Befundwandel im Bereich der Kopfgelenksregion im direkten Bildvergleich mit der letzten funktionellen magnetresonanztomographischen Voruntersuchung vom 16.12.2010. Die am 29.05.2018 durchgeführte kinetisch positionale Kernspintomographie der Halswirbelsäule erbrachte ausweislich des Arztbriefs des F1 vom 29.05.2018 breitbasige dorsale, funktionsabhängig akzentuierbare und im Verlauf progrediente Bandscheibenprotrusionen in den Segmenten HWK4/5 und HWK5/6 mit zusätzlich funktionellem segmentalen Myelonkontakt in Reklinationsstellung sowie eine weitere flachbogige Bandscheibenprotrusion im Segment HWK6/7, jedoch keinen nachweisbaren cervikalen Prolaps oder Sequester, eine zwischenzeitlich fixiert imponierende Pseudospondylolisthesis im Segment HWK4/5 mit funktionsabhängiger Anterolisthese von HWK4, eine deutliche kyphotische Streckfehlhaltung der Halswirbelsäule mit erheblich eingeschränkter cervikaler Beweglichkeit in den Funktionsuntersuchungen bei inhomogenem Bewegungsmuster in Reklinationsstellung als Ausdruck einer muskulären Dysfunktion, geringe Unkovertebral- und Spondylarthrosen im unteren Cervikalbereich, leichtgradige Muskelatrophiezeichen, keine nachweisbare Spinalkanalstenose und keine wertbare Einengung von Neuroforamina aufrecht unter natürlicher Gewichtsbelastung sowie in den Funktionsstellungen.
Mit Bescheid vom 06.07.2018 führte die Beklagte aus, sie erbringe keine Leistungen, da die Klägerin nicht bei ihr versichert sei. Sie habe sich am 20.05.2018 bei ihrer selbständigen Tätigkeit verletzt. Nach ihrer Satzung seien Selbständige versichert, wenn eine freiwillige Versicherung bestehe. Die freiwillige Versicherung der Klägerin sei mit Ablauf des 17.07.2017 erloschen.
Gegen den Bescheid vom 06.07.2018 legte die Klägerin mit Schreiben vom 25.07.2018 und 08.09.2018 Widerspruch ein. Unter dem 25.09.2018 begründete die Klägerin ihren Widerspruch mit Beitragsfreiheit aufgrund des Unfalls vom Juli 2010, Aufrechnung sowie Ratenangebot und mit dem Hinweis, es handele sich um einen Folgeunfall, weshalb es keinesfalls auf eine zwischenzeitliche Kündigung beziehungsweise Beendigung der freiwilligen Versicherung ankommen könne. Sie führte ferner aus, dass der Unfall vom 20.05.2018 in einem unmittelbaren Zusammenhang mit der beruflichen Tätigkeit gestanden habe.
Die Beklagte wies den Widerspruch mit Widerspruchsbescheid vom 29.10.2018 zurück. Sie führte zur Begründung aus, der am 15.05.2017 fällige Beitrag der freiwilligen Versicherung für das Beitragsjahr 2016 sei nicht fristgerecht gezahlt worden, so dass der Klägerin mit Schreiben vom 27.07.2017 mitgeteilt worden sei, dass ihre freiwillige Versicherung mit Ablauf des 17.07.2017 erloschen sei. Ihr Antrag auf Stundung/Ratenzahlung und Verrechnung vom 18.07.2017 sei am 19.07.2017 abgelehnt worden. Weder ihr Antrag noch die Ablehnung hierzu hätten hemmende Auswirkungen auf das Erlöschen des Versicherungsschutzes zum 17.07.2017 gehabt. Auch existiere im Recht der gesetzlichen Unfallversicherung keine gesetzliche Regelung für eine beitragsfreie Weiterversicherung während einer Arbeitsunfähigkeit. Eine solche Regelung bei Arbeitsunfähigkeit käme vorliegend nicht zum Tragen, da die Klägerin angegeben habe, am 20.05.2018 auf dem Weg zur Arbeit gewesen zu sein. Zudem komme ein Versicherungsschutz als Folgeunfall zu einem vorangehenden Arbeitsunfall nicht in Betracht, da es sich am 20.05.2018 auf dem Weg zur Arbeit um einen eigenständig zu betrachtenden neuen Unfall gehandelt habe. Zum Unfallzeitpunkt am 20.05.2018 habe die Klägerin nicht unter dem Versicherungsschutz der gesetzlichen Unfallversicherung gestanden, so dass die Voraussetzungen für die Anerkennung eines Arbeitsunfalls nicht erfüllt seien.
Hiergegen hat die Klägerin am 29.11.2018 Klage zum SG Ulm erhoben und im weiteren Verlauf mehrfach darauf hingewiesen, dass es ihr aus gesundheitlichen Gründen und mangels vorliegender Akten nicht möglich sei, die Klage zu begründen.
Die Beklagte hat mit Bescheid vom 09.10.2020 unter anderem eine Rücknahme des Bescheides vom 06.07.2018 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 29.10.2018 abgelehnt.
Das SG Ulm hat mit Gerichtsbescheid vom 23.03.2021 die Klage abgewiesen. Die Anerkennung des Unfallereignisses vom 20.05.2018 als Arbeitsunfall scheitere bereits daran, dass die Klägerin zu diesem Zeitpunkt nicht (mehr) bei der Beklagten unfallversichert gewesen sei. Von einer weiteren Darstellung der Entscheidungsgründe werde abgesehen, da insbesondere der Begründung des Widerspruchsbescheides vom 29.10.2018 gefolgt werde.
Gegen den ihr am 25.03.2021 zugestellten Gerichtsbescheid des SG Ulm hat die Klägerin am 24.04.2021 Berufung zum Landessozialgericht (LSG) Baden-Württemberg eingelegt.
Die Klägerin beantragt,
den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Ulm vom 23.03.2021 sowie den Bescheid der Beklagten vom 06.07.2018 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 29.10.2018 aufzuheben und die Beklagte zu verurteilen, den Verkehrsunfall vom 20.05.2018 als Arbeitsunfall anzuerkennen.
Die Beklagte beantragt,
die Berufung der Klägerin zurückzuweisen.
Entscheidungsgründe
I. Die gemäß §§ 143 und 144 SGG statthafte und nach § 151 SGG form- und fristgerechte sowie auch im Übrigen zulässige Berufung der Klägerin ist unbegründet.
II. Gegenstand des Berufungsverfahrens ist die Aufhebung des Gerichtsbescheides des SG Ulm vom 23.03.2021 und des Bescheides der Beklagten vom 06.07.2018 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 29.10.2018 sowie die Verurteilung der Beklagten zur Feststellung des Verkehrsunfalls vom 20.05.2018 als Arbeitsunfall. Der Bescheid vom 09.10.2020 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 29.10.2018, mit dem der Beklagte unter anderem eine Rücknahme des Bescheides vom 06.07.2018 abgelehnt hat, ist nicht gemäß § 96 Abs. 1 SGG zum Gegenstand des Verfahrens geworden. Denn dieser Überprüfungsbescheid nach § 44 SGB X hat den hier streitgegenständlichen Bescheid weder abändert noch ersetzt.
III. Bei dem Antrag auf Verurteilung zur Feststellung weiterer Unfallfolgen handelt es sich um eine zulässige Anfechtungs- und Verpflichtungsklage im Sinne des § 54 Abs. 1 SGG. Die hierauf gerichtete Klage ist unbegründet.
1. Nach § 7 Abs. 1 SGB VII sind Versicherungsfälle Arbeitsunfälle und Berufskrankheiten. Nach § 8 Abs. 1 Satz 1 SGB VII sind Arbeitsunfälle Unfälle von Versicherten infolge einer den Versicherungsschutz nach § 2, 3 oder 6 SGB VII begründenden Tätigkeit (versicherte Tätigkeit). Nach § 8 Abs. 1 Satz 2 SGB VII sind Unfälle zeitlich begrenzte, von außen auf den Körper einwirkende Ereignisse, die zu einem Gesundheitsschaden oder zum Tod führen.
Der Senat lässt es offen, ob es sich bei der Fahrt vom 20.05.2018, in deren Rahmen es zu dem von der Klägerin vorgetragenen Verkehrsunfall gekommen sein soll, überhaupt um eine im inneren Zusammenhang mit ihrer Tätigkeit als selbständige Steuerberaterin gestandenen Verrichtung gehandelt und ob sie dabei überhaupt einen Gesundheitserstschaden erlitten hat. Denn jedenfalls hat die Klägerin im Zeitpunkt des von ihr vorgetragenen Ereignisses nicht zum in der gesetzlichen Unfallversicherung versicherten Personenkreis nach § 2, 3 oder 6 SGB VII gehört.
Nach § 2 Abs. 1 Nr. 1 SGB VII sind kraft Gesetzes unter anderem Beschäftigte versichert.
Nach § 3 Abs. 1 Nr. 1 SGB VII kann die Satzung unter anderem bestimmen, dass und unter welchen Voraussetzungen sich die Versicherung auf Unternehmer erstreckt. Nach § 5 Satz 1 der Satzung der Beklagten sind Personen, die nicht bei einem der in § 3 Abs. 1 I-III genannten Unternehmen beschäftigt sind, aber sich als 1. Mitglieder von Prüfungsausschüssen oder als Teilnehmerinnen und Teilnehmer an Prüfungen, die der beruflichen Aus- und Fortbildung dienen, 2. Mitglieder von Aufsichtsräten, Beiräten, Verwaltungsräten und dergleichen des Unternehmens, für das die Berufsgenossenschaft zuständig ist, 3. Rechtsanwältinnen und Rechtsanwälte, Notarinnen und Notare, selbstständige Angehörige der beratenden freien Berufe, Rechtsbeistände, Ärztinnen und Ärzte oder Sachverständige in Ausübung ihrer selbstständigen Tätigkeit, 4. Schülerinnen, Schüler, Gastschülerinnen, Gastschüler oder Lernende während der beruflichen Aus- und Fortbildung in Betriebsstätten, Lehrwerkstätten, Schulungskursen und ähnlichen Einrichtungen, 5. Studierende während der Aus- und Fortbildung an Hochschulen, auf der Unternehmensstätte im Auftrag oder mit Zustimmung der Unternehmerin oder des Unternehmers aufhalten, während ihres Aufenthalts auf der Betriebsstätte versichert, soweit sie nicht schon nach anderen Vorschriften versichert sind (§ 3 Abs. 1 Nr. 2 SGB VII) oder sie eine freiwillige Versicherung (§ 6 Abs. 1 SGB VII) hätten beantragen können.
Nach § 6 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 SGB VII können sich auf Antrag Unternehmer versichern. Nach § 6 Abs. 2 Satz 1 SGB VII beginnt die Versicherung mit dem Tag, der dem Eingang des Antrags folgt. Nach § 6 Abs. 2 Satz 2 SGB VII erlischt die Versicherung, wenn der Beitrag oder Beitragsvorschuss binnen zwei Monaten nach Fälligkeit nicht gezahlt worden ist. Nach § 6 Abs. 2 Satz 3 SGB VII bleibt eine Neuanmeldung so lange unwirksam, bis der rückständige Beitrag oder Beitragsvorschuss entrichtet worden ist. Nach § 35 Abs. 5 Satz 1 der Satzung der Beklagten erlischt die freiwillige Versicherung, wenn der auf sie entfallende Beitrag oder Beitragsvorschuss binnen zwei Monaten nach Fälligkeit nicht gezahlt worden ist. Nach § 35 Abs. 5 Satz 2 der Satzung der Beklagten bleibt eine Neuanmeldung so lange unwirksam, bis der rückständige Beitrag oder Beitragsvorschuss entrichtet worden ist.
2. Die Klägerin hat unter Zugrundelegung dieser Vorschriften keinen Anspruch auf Feststellung des von ihr vorgetragenen Ereignisses vom 20.05.2018 als Arbeitsunfall.
Denn bei dem von ihr vorgetragenen Ereignis vom 20.05.2018 handelt es sich um keine den Versicherungsschutz nach § 2, 3 oder 6 SGB VII begründende Tätigkeit und damit um keine versicherte Tätigkeit im Sinne des § 8 Abs. 1 Satz 1 SGB VII, da die Klägerin zu diesem Zeitpunkt nicht zu dem in der gesetzlichen Unfallversicherung geschützten Personenkreis gehört hat.
Die Klägerin war als selbständige Steuerberaterin weder Beschäftigte im Sinne des § 2 Abs. 1 Nr. 1 SGB VII, noch gehörte sie dem versicherten Personenkreis im Sinne des § 2 Abs. 1 Nr. 2-17, Abs. 2-4 SGB VII an, noch fiel sie unter den in § 3 Abs. 1 Nr. 1 SGB VII in Verbindung mit § 5 der Satzung der Beklagten geregelten Personenkreis.
Die Klägerin ist zwar bei der Beklagten ausweislich deren Bestätigung vom 20.05.2008 ab dem 19.05.2008 freiwillig unfallversichert und nach deren Bescheid vom 20.05.2008 in der Gefahrtarifstelle 08 („Rechts- und wirtschaftsber. Untern., Organ der Rechtspflege“) veranlagt gewesen.
Diese Versicherung ist aber gemäß § 6 Abs. 2 SGB VII im Zeitpunkt des vorgetragenen Unfallereignisses erloschen gewesen, da die Klägerin den Beitrag für das Beitragsjahr 2016 nicht binnen zwei Monaten nach Fälligkeit gezahlt hat.
Die Fälligkeit richtet sich dabei nach § 23 Abs. 3 Satz 1 SGB IV, wonach geschuldete Beiträge der Unfallversicherung am Fünfzehnten des Monats, der dem Monat folgt, in dem der Beitragsbescheid dem Zahlungspflichtigen bekannt gegeben worden ist, fällig werden. Nach § 37 Abs. 2 Halbsatz 1 SGB X gilt ein schriftlicher Verwaltungsakt, der durch die Post im Inland übermittelt wird, mit dem dritten Tag nach der Aufgabe zur Post als bekanntgegeben, außer wenn er nicht oder zu einem späteren Zeitpunkt zugegangen ist. Nach § 37 Abs. 2 Halbsatz 2 SGB X hat im Zweifel die Behörde den Zugang des Verwaltungsakts und den Zeitpunkt des Zugangs nachzuweisen. Nach § 26 Abs. 1 SGB X gelten für die Berechnung von Fristen und für die Bestimmung von Terminen die §§ 187 bis 193 BGB entsprechend, soweit nicht durch § 26 Abs. 2 bis Abs. 5 SGB X etwas anderes bestimmt ist. Ist für den Anfang einer Frist ein Ereignis oder ein in den Lauf eines Tages fallender Zeitpunkt maßgebend, so wird nach § 187 Abs. 1 BGB bei der Berechnung der Frist der Tag nicht mitgerechnet, in welchen das Ereignis oder der Zeitpunkt fällt. Eine Frist, die nach Wochen, nach Monaten oder nach einem mehrere Monate umfassenden Zeitraum – Jahr, halbes Jahr, Vierteljahr – bestimmt ist, endigt nach § 188 Abs. 2 Halbsatz 1 BGB im Falle des § 187 Abs. 1 BGB mit dem Ablauf desjenigen Tages der letzten Woche oder des letzten Monats, welcher durch seine Benennung oder seine Zahl dem Tage entspricht, in den das Ereignis oder der Zeitpunkt fällt.
Vorliegend hat die Beklagte mit Bescheid vom 19.04.2017 den Beitrag für das Beitragsjahr 2016 auf 240,01 € festgesetzt. Zwar enthält die Akte der Beklagten keinen Vermerk über die Absendung dieses Bescheides. Allerdings hat die Klägerin, nachdem die Beklagte mit Schreiben vom 13.06.2017 die Zahlung des Beitrags für das Beitragsjahr 2016 angemahnt hatte, mit ihrem am 18.07.2017 gefaxten Schreiben vom 12.07.2017 unter ausdrücklicher Bezugnahme auf den „Beitragsbescheid 08/2055/9517“ um Stundung und Verrechnung gebeten. Aus der ausdrücklichen Inbezugnahme des Beitragsbescheides der Beklagten in dem Schreiben folgt, dass ihr dieser bekannt gewesen ist, als sie das Schreiben verfasst hat. Mithin ist der Klägerin spätestens am 12.07.2017 der Beitragsbescheid für das Jahr 2016 bekannt gewesen. Der Fünfzehnte des Monats, der dem Monat folgt, in dem der Beitragsbescheid dem Zahlungspflichtigen bekannt gegeben worden ist, ist vorliegend bei Zugang des Beitragsbescheides spätestens im Monat Juli 2017 also der 15.08.2017. Mithin ist nach § 23 Abs. 3 Satz 1 SGB IV die Zahlung des Beitrags spätestens am 15.08.2017 fällig geworden. Die Zwei-Monats-Frist für das Eintreten des Erlöschens der freiwilligen Versicherung hat also nach § 26 Abs. 1 SGB X in Verbindung mit § 187 Abs. 1 BGB am 16.08.2017 begonnen und nach § 26 Abs. 1 SGB X in Verbindung mit § 188 Abs. 2 Halbsatz 1 BGB am 15.10.2017 geendet. Der Beitrag für das Beitragsjahr 2016 ist nicht innerhalb dieser Frist gezahlt worden. Der Senat entnimmt dem Schreiben der Klägerin vom 12.07.2017, mit dem sie die Stundung und Verrechnung des Beitrages mit den von ihr eingereichten Kostenrechnungen beantragt hat, und den Widerspruchsschreiben der Klägerin vom 23.08.2017 und 31.08.2017, mit denen sie erneut auf bestehende Forderungen aus Arztrechnungen hingewiesen hat, dass sie zunächst nicht gewillt gewesen ist, den Beitrag für das Beitragsjahr 2016 zu entrichten. Ferner ergibt sich aus dem Umstand, dass die Klägerin am 24.05.2018 und mithin zwei Tage nach dem hier als Arbeitsunfall geltend gemachten Ereignis den Beitrag entrichtet hat, dass dieser Beitrag zuvor eben noch nicht entrichtet worden war. Im Übrigen hat die Klägerin zu keinem Zeitpunkt bestritten, den Beitrag für das Beitragsjahr 2016 bis dahin nicht gezahlt zu haben. Vielmehr ergibt sich aus dem Umstand, dass die Klägerin zunächst eine Stundung oder eine Verrechnung des Beitrags mit eigenen Forderung begehrt hat und sodann am 24.05.2018 den Beitrag gezahlt hat, dass jedenfalls bis zum 15.10.2017 keine Beitragsleistung erfolgt ist.
Ein Versicherungsschutz der Klägerin trotz des von ihr nicht entrichteten Beitrags für das Beitragsjahr 2016 ergibt sich nicht schon daraus, dass dieser Beitrag am 24.05.2018 doch noch entrichtet worden ist. Denn mit dem Eingang des Antrags beim Unfallversicherungsträger wird ein sogenanntes Versicherungsgrundverhältnis begründet. Damit begründen die freiwillig Versicherten eine Anwartschaft auf Leistungen nach Eintritt des Versicherungsfalls, die durch Beitragszahlungen fortlaufend aufrechterhalten werden muss. Da eine Neuanmeldung solange unwirksam bleibt, bis der rückständige Beitrag oder ein Beitragsvorschuss entrichtet worden ist, führt die verspätete Zahlung der geschuldeten Beiträge also nicht dazu, dass die Versicherung automatisch wiederauflebt (Angermaier in Schlegel/Voelzke, jurisPK-SGB VII, 3. Auflage, § 6 SGB VII, Stand: 15.01.2022, Rn. 17; Lilienfeld in Kasseler Kommentar Sozialversicherungsrecht, Werkstand: 111. EL September 2020, § 6 Rn. 13; Riebel in Hauck/Noftz SGB VII, Stand 2022, § 6 Rn. 21; Schmitt in Schmitt, SGB VII, 4. Auflage 2009, § 6 Rn. 21; Wietfeld in BeckOK Sozialrecht, Rolfs/Giesen/Meßling/Udsching, 66. Edition, Stand: 01.09.2022, § 6 Rn. 22; Ziegler in Becker/Franke/Molkentin, SGB VII, 5. Auflage 2018, § 6 Rn. 17; LSG für das Saarland, Urteil vom 10.12.2008 – L 2 U 56/07, juris Rn. 22; 4; SG Düsseldorf, Urteil vom 13.02.2007 – S 16 U 75/04, juris Rn. 10; SG Koblenz, Urteil vom 02.08.2006 – S 2 U 215/04, juris Rn. 19).
Ein Versicherungsschutz der Klägerin ergäbe sich auch nicht aus der von der Klägerin vorgetragenen Behandlungsbedürftigkeit und Arbeitsunfähigkeit aufgrund des Arbeitsunfalls vom 15.06.2010. Eine solche Regelung sieht das SGB VII nicht vor. Mithin ist für den vorliegenden Rechtsstreit der Ausgang der gegen den Bescheid vom 19.07.2017 (Ablehnung des Antrags auf Stundung und Verrechnung in Bezug auf den Beitrag für das Beitragsjahr 2016) in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 06.07.2018 und gegen den Bescheid vom 18.04.2018 (Festsetzung des Beitrags für das Beitragsjahr 2017) in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 20.07.2018 gerichteten und beim SG Ulm unter den Aktenzeichen S 2 U 2557/18, S 2 U 2943/18, S 2 U 2593/18 und S 2 U 2944/18 geführten und derzeit ruhenden Klageverfahren nicht streitentscheidend.
IV. Daher hat sich das Vorbringen der Klägerin im Berufungsverfahren nicht bestätigt. Das Ereignis vom 20.05.2018 ist nicht als Arbeitsunfall festzustellen.
V. Über die noch im Schriftsatz vom 13.12.2022 gestellten weiteren Anträge der Klägerin hatte der Senat nicht zu entscheiden. Denn die als selbständige Steuerberaterin berufstätig gewesene und damit als rechtskundig anzusehende Klägerin hat diese Anträge in der mündlichen Verhandlung – im Gegensatz zur mündlichen Verhandlung in dem unter dem Aktenzeichen L 3 U 3467/20 anhängig gewesenen Verfahren – nicht wiederholt und damit nicht aufrechterhaltenen, so dass diese Anträge vorliegend als erledigt anzusehen sind (zu Beweisanträgen: Leitherer in Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer/Schmidt, SGG, 13. Auflage 2020, § 160 Rn. 18c; Voelzke in Schlegel/Voelzke, jurisPK-SGG, 2. Auflage, § 160 SGG, Stand: 07.11.2022, Rn. 246).
Nach alledem war die Berufung der Klägerin gegen den Gerichtsbescheid des SG Ulm vom 23.03.2021 zurückzuweisen.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 Abs. 1 SGG.
Die Revision ist nicht zuzulassen, da keiner der Gründe des § 160 Abs. 2 Nr. 1 und 2 SGG gegeben ist.
Land
Baden-Württemberg
Sozialgericht
LSG Baden-Württemberg
Sachgebiet
Unfallversicherung
Abteilung
3.
1. Instanz
SG Ulm (BWB)
Aktenzeichen
S 2 U 3948/18
Datum
2. Instanz
LSG Baden-Württemberg
Aktenzeichen
L 3 U 1455/21
Datum
3. Instanz
-
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Rechtskraft
Aus
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