L 2 R 674/21

Land
Baden-Württemberg
Sozialgericht
LSG Baden-Württemberg
Sachgebiet
Rentenversicherung
Abteilung
2.
1. Instanz
SG Heilbronn (BWB)
Aktenzeichen
S 3 R 1045/19
Datum
2. Instanz
LSG Baden-Württemberg
Aktenzeichen
L 2 R 674/21
Datum
3. Instanz
-
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil

Die Berufung der Klägerin gegen den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Heilbronn vom 25. Januar 2021 wird zurückgewiesen.

Außergerichtliche Kosten sind auch für das Berufungsverfahren nicht zu erstatten.



Tatbestand

Streitig ist die Gewährung einer Erwerbsminderungsrente.

Die 1966 geborene Klägerin hat eine Ausbildung zur Facharbeiterin für Maschinentechnik absolviert. In diesem Beruf war die Klägerin nur für kurze Zeit tätig. Danach war sie als Küchenhilfe beschäftigt und ist seit 1999 in der Altenpflege eingesetzt. Eine Umschulung zur Altenpflegerin wurde im Jahr 2010 begonnen und nach einigen Monaten krankheitsbedingt abgebrochen. Zuletzt ist die Klägerin noch in Teilzeit mit einem Beschäftigungsumfang von etwa 50 Prozent als Betreuungskraft/Betreuungsassistenz in der Altenpflege tätig gewesen. Seit September 2021 besteht Arbeitsunfähigkeit bzw. Arbeitslosigkeit. Hinsichtlich der weiteren Einzelheiten der versicherungsrechtlichen Zeiten wird auf den von der Beklagten vorgelegten Versicherungsverlauf vom 01.03.2023 (vgl. Bl. 160 ff. LSG-Akte) ergänzend Bezug genommen. In diesem ist zudem eine bis 31.12.2022 ausgeübte geringfügige nicht versicherungspflichtige Tätigkeit vermerkt.

Bei der Klägerin ist ein Grad der Behinderung (GdB) von 60 festgestellt worden.

Am 20.09.2018 beantragte die Klägerin bei der Beklagten die Gewährung einer Rente wegen Erwerbsminderung und verwies zur Begründung auf ständige Infekte der oberen Luftwege, Erschöpfung und Stoffwechselentgleisungen durch unregelmäßige Arbeitszeiten. Sie legte u.a. ein Attest von K1, Universitätsklinikum  H1, Innere Medizin I, vom 17.07.2018 vor, in dem eine Reduzierung der Arbeitszeit (max. 100 Stunden pro Monat) sowie die Vermeidung von Schicht- oder Wechseldiensten empfohlen worden war.

Die Klägerin wurde daraufhin im Auftrag der Beklagten am 22.11.2018 von dem B1 ambulant untersucht. Dieser stellte in seinem Gutachten vom selben Tag folgende Diagnosen:
1. pankreopriver Diabetes Mellitus, unter Insulintherapie zufriedenstellend eingestellt, leichte sensible Polyneuropathie der Beine
2. Z.n. pyloruserhaltender Duodenopankreatektomie mit Splenektomie am 15.04.2011 bei lipolytisch-tryptischer Pankreatitits, medikamentös subsituierte exokrine Insuffizienz
3. medikamentös zufriedenstellend eingestellter Bluthochdruck.
Bei der Klägerin habe im April 2011 wegen einer Raumforderung eine pyloruserhaltender Duodenopankreatektomie mit Splenektomie durchgeführt werden müssen, infolge dessen habe sich ein pankreopriver Diabetes mellitus entwickelt. Bei der klinischen Untersuchung habe eine diabetisch bedingt höhergradig ausgeprägte Polyneuropathie der unteren Extremitäten ausgeschlossen werden können. Aus den bestehenden gesundheitlichen Leiden seien lediglich qualitative Leistungseinschränkungen ableitbar. Die Klägerin sei auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt für leichte bis mittelschwere Tätigkeiten mindestens sechs Stunden täglich einsatzfähig. Auch die Tätigkeit als Betreuungsassistentin könne diese ungemindert ausüben. Soweit die Klägerin über eine erhöhte Infektneigung berichte, sei dies glaubhaft und nachvollziehbar. Es liege aber hinsichtlich Häufigkeit und Schwere kein so schweres Ausmaß vor, dass hieraus eine zeitliche Minderung des Leistungsvermögens folge. 

Mit Bescheid vom 27.11.2018 lehnte die Beklagte daraufhin den Rentenantrag ab, da die Voraussetzungen für eine Rente wegen Erwerbsminderung nicht gegeben seien. Die Klägerin könne noch sechs Stunden und mehr täglich unter den üblichen Bedingungen des allgemeinen Arbeitsmarktes erwerbstätig sein.

Hiergegen erhob die Klägerin Widerspruch und trug vor, dass die Universitätsklinik H1 eindeutig die Berentung empfohlen habe.

Mit Widerspruchsbescheid vom 11.02.2019 wies die Beklagte den Widerspruch als unbegründet zurück. Unter Berücksichtigung aller Gesundheitsstörungen und der sich daraus ergebenden funktionellen Einschränkungen bei Ausübung von Erwerbstätigkeiten seien bei der Klägerin nach Auffassung des Sozialmedizinischen Dienstes der Beklagten keine Auswirklungen ersichtlich, die das Leistungsvermögen für Tätigkeiten auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt zeitlich einschränkten. Eine leichte bis mittelschwere Tätigkeit könne überwiegend im Stehen, überwiegend im Gehen oder überwiegend im Sitzen erbracht werden. Zu vermeiden seien eine Tätigkeitsausübung in Nachtschicht, sowie mit besonderem Zeitdruck und erhöhtem Infektionsrisiko.

Hiergegen hat die Klägerin am 11.03.2019 Klage zum Sozialgericht (SG) Heilbronn erhoben. Zur Begründung ist u.a. ausgeführt worden, dass die Klägerin ihre Arbeitszeit aufgrund der Erkrankungen bereits reduziert habe. Sie sei nach der operativen Organentfernung nicht mehr ausreichend leistungsfähig, es stelle sich eine rasche Erschöpfung ein. Auch ihre Immunabwehr sei durch die Entfernung der Organe geschwächt. Es komme häufig zu Infekten mit erheblichen Ausfallzeiten. Ihre behandelnden Ärzte der Universitätsklinik H1 hätten daher eine Arbeitszeitreduzierung empfohlen. Sie könne allenfalls drei bis unter sechs Stunden täglich arbeiten. Die Klägerin hat auf einen erneuten Befundbericht von K1, Universitätsklinik H1, Innere Medizin I, Klinik für Endokrinologie, Stoffwechsel und Klinische Chemie vom 17.06.2019 (Bl. 27 SG-Akte) verwiesen, worin erneut eine Reduzierung der Arbeitszeit auf maximal 100 Stunden unter Vermeidung von Schichtdienst empfohlen worden ist.

Das SG hat zunächst den behandelnden Arzt als sachverständige Zeugen befragt.

W1, Innere Medizin II der S3 Klinik G1, H2, hat am 27.06.2019 ausgeführt, die Klägerin routinemäßig vierteljährlich zu untersuchen. Bei der Klägerin bestehe ein Diabetes Mellitus vom Typ 3 nach totaler Pankreasektomie im Jahr 2011, so dass die Gefahr einer totalen Unterzuckerung bei unerwarteter körperlicher Anstrengung bestehe. Sie habe weiter eine schmerzhafte Polyneuropathie, die körperliches Arbeiten sehr schwierig mache. Das Restless-legs-Syndrom und periphere Neuropathie führe nur zu einer begrenzten Standsicherheit. Eine leichte körperliche Tätigkeit für sechs Stunden täglich halte er für leistbar. Die Klägerin könne öffentliche Verkehrsmittel nutzen und Wegstrecken bis 200 m zurücklegen. Der Schwerpunkt der Leiden liege auf dem Gebiet der Diabetologie und Endokrinologie.

Ferner hat das SG die Behandlungsberichte der Universitätsklinik H1, Innere Medizin I, Klinik für Endokrinologie, Stoffwechsel und Klinische Chemie seit 2013 beigezogen; auf Bl. 33 bis 93 der SG Akte wird Bezug genommen. 

Die Beklagte hat hierauf mit einer Stellungnahme ihres sozialmedizinischen Dienstes erwidert. B2 hat hierzu am 11.11.2019 ausgeführt, dass eine eingeschränkte Wegstrecke von 200m zu Fuß nicht nachvollziehbar sei. Die Klägerin gebe selbst an, Rad zu fahren und spazieren zu gehen, zumal sie auch über einen Pkw verfüge. Auch ein zeitlich reduziertes Leistungsvermögen sei nicht begründbar.

Das Gericht hat sodann Beweis erhoben durch die Einholung eines Gutachtens auf internistischem Fachgebiet bei dem S1. Dieser hat die Klägerin am 12.02.2020 ambulant untersucht. Zusätzlich ist in seinem Auftrag bei dem B3 eine Bodyplethysmographie, eine Ergospirometrie mit Laufband inklusive Blutgas- und Laktatanalyse durchgeführt worden. S1 hat in seinem Gutachten vom 23.02.2020 sodann folgende gesundheitliche Leiden festgestellt:
1. insulinpflichtiger Diabetes Mellitus (pankreopriv) nach totaler Entfernung der Bauchspeicheldrüse im April 2011
2. eine exokrine Pankreainsuffizienz, Z.n. Milzentfernung,
3. Hypertonie
4. Hyperlipidiämie.
Der Einschätzung hinsichtlich des Leistungsvermögens des K1 der Universitätsklinik H1 könne nicht gefolgt werden. Die Klägerin sei mit einer Insulinpumpe mit zusätzlichen Messgeräten, die über einen Rezeptor im Unterhautfettgewebe des rechten Oberarmes verfügten, versorgt. Dieser könne theoretisch permanent abgelesen werden. Diese Technik gebe ein akustisches Signal bei der Gefahr einer Unterzuckerung, so das reaktiv entgegengesteuert werden könne. Es sei frei einstellbar, wann das Warnsignal ertöne. Mithin könne es entgegen dem Attest des K1 auch nicht denkbar zu lebensbedrohlichen Zuständen der Unterzuckerung gekommen sein. Die Klägerin habe zudem selbst in der Anamnese angegeben, dass das Gerät bei Unterzuckerung piepse und sie dann zuckerhaltige Flüssigkeiten einnehme. Zu Bewusstlosigkeitszuständen mit der Notwendigkeit ärztlicher Fremdhilfe sei es bislang nie gekommen. Wenn nun argumentiert werde, die Klägerin sei nicht in der Lage mindestens sechs Stunden täglich zu arbeiten, so sei festzustellen, dass die Klägerin derzeit rund 120 Stunden im Monat arbeite, was 30 Stunden pro Woche und damit einem täglichen sechsstündigen Einsatz entspreche. Die Empfehlung die Arbeitszeit auf maximal 25 Stunden pro Woche zu begrenzen, könne nicht nachvollzogen werden. Auch die angesprochene Störung des Immunsystems mit erhöhter Infektanfälligkeit stehe einer sechsstündigen Beschäftigung pro Arbeitstag nicht entgegen. Die Immunglobuline seien nicht erniedrigt. Hinsichtlich des bestehenden Diabetes Mellitus sei zu beachten, dass sich die Sozialmedizinischen Arbeitsplatzvorgaben in den letzten Jahren geändert hätten. Die alten Empfehlungen gründeten auf starren Insulinregimen mit Mischinsulinen. Heute könnten die Patienten nach entsprechender Schulung ihre Insulindosen an private wie berufliche Aktivitäten anpassen. Häufig wechselnde Arbeitszeiten seien nach wie vor schwierig und sollten vermeiden werden. Unproblematischer stelle sich kontinuierliche Nachtarbeit dar. Aus den gesundheitlichen Störungen seien daher lediglich qualitative Leistungseinschränkungen bei der Klägerin zu beachten. Schwere Arbeiten seien nicht mehr möglich, mittelschwere Tätigkeiten seien auf maximal drei Stunden täglich beschränkt, die Tätigkeitsausübung in Schichtdienst und Nachtschicht sei ebenfalls ungeeignet, ebenso könnten keine Tätigkeitsausübung mit beruflicher Personenförderung oder besonders gefährlicher Güter geleistet werden. Ungeeignet seien auch Tätigkeiten bei denen Überwachungsfunktionen mit allgemeiner Verantwortung für das Leben anderer zu erbringen seien. Daneben könne die Klägerin keine Arbeiten erbringen bei denen mit Absturzgefahr (z.B. auch Dächern) zu rechnen sei. Leichte körperliche Arbeiten unter Beachtung dieser Einschränkungen seien aber noch sechs Stunden und mehr täglich möglich. Einschränkungen der Wegefähigkeit lägen nicht vor. Im Rahmen der von B3 durchgeführten Ergospirometrie habe die Klägerin in 10 Minuten 560 Meter zurückgelegt (bei bis zu 9% Gefälle). Sie selbst habe angegeben, eine Gehstrecke von bis zu zwei Stunden sowie drei Etagen an einem Stück bewältigen zu können.

Die Klägerin hat sodann einen weiteren Befundbericht der behandelnden Ärzte an der Universitätsklinik H1, Innere Medizin I, Klinik für Endokrinologie, Stoffwechsel und Klinische Chemie, vom 13.05.2020 vorgelegt. Daraus ergibt sich, dass die Klägerin derzeit hinsichtlich der bekannten Hypertriglyeridämie medikamentös gut eingestellt ist. Nach wie vor müssten aber Hypoglykämien dringend vermieden werden. Aufgefallen sei zudem ein niedriger Kreatinin-Wert, so dass eine erniedrigte Muskelmasse und ein schlechter Ernährungszustand der Klägerin vorlägen.

Auf Antrag der Klägerin hat das SG weiter bei der Endokrinologin und Diabetologin  S2 ein Gutachten auf internistischen Fachgebiet nach § 109 Sozialgerichtsgesetz (SGG) eingeholt. Diese hat die Klägerin am 11.08.2020 ambulant untersucht und in ihrem Gutachten vom 20.08.2020 folgende Diagnosen gestellt:
Schilddrüsenhormonsubstitutionspflicht
Pankreopriver Diabetes mellitus und exokrine Pankreasinsuffizienz nach pyloruserhaltender Duodenopankreatektomie mit Splenektomie
Hypertriglyceridämie
Restless-leg-Syndrom
Fettstühle mit entsprechendem Verlust der lipophilen Vitamine und neuerdings bekannte Mangelzustände
Infektanfälligkeit
Osteopenie
Die Gutachterin ist sodann zum Ergebnis gelangt, dass die Klägerin in der Lage sei, eine leichte körperliche Tätigkeit auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt für mindestens sechs Stunden täglich auszuüben. Ausgenommen seien schwere körperliche Arbeit, Schicht- und Nachtarbeit, Aufgaben mit beruflicher Personenbeförderung, Arbeiten mit Waffengebrauch, Arbeit an gefährlichen Maschinen, Arbeiten mit Absturzgefahr, maximales Heben von 10kg, keine reine sitzende Tätigkeit. Bzgl. des zuletzt ausgeübten Berufs hat S2 subjektiv geschilderte Belastungsfaktoren aus dem konkreten Arbeitsverhältnis angeführt, die zu reduzieren seien. Das aktuelle Berufsfeld könne die Klägerin aber weiterverfolgen. Eine Einschätzung, ob die Klägerin der Tätigkeit als Betreuungsassistentin noch mindestens sechs Stunden täglich nachgehen könne, wird von der Gutachterin nicht beantwortet. Insgesamt sei unter Berücksichtigung der Vorbefunde, des Gesprächs mit der Klägerin und der körperlichen Untersuchung kein höhergradiges schweres körperliches Defizit feststellbar. Der Glucosestoffwechsel sei kontrolliert und stelle für die Ausübung einer beruflichen Tätigkeit kein Risiko dar, sofern die Klägerin Freiheiten in der Pausengestaltung habe. Bei der Klägerin könne eine berufliche Überlastungssituation möglich sein. Möglicherweise könne eine ergänzende psychosomatische Begutachtung weitere Erkenntnisse liefern.

Mit Schreiben vom 09.11.2020 hat die Klägerin H3 als weiteren Gutachter nach § 109 SGG benannt. Die Klägerin könne aus psychosomatischen Aspekten keine drei Stunden täglich mehr arbeiten. Nähere Ausführungen beinhaltete dieser Antrag nicht. Das Gericht hat die Beteiligten mit Schreiben vom 30.11.2020 darauf hingewiesen, dass es beabsichtige den zweiten Antrag der Klägerin nach § 109 auf gutachterliche Hörung des H3 abzulehnen. Zudem sind die Beteiligten zur beabsichtigten Entscheidung durch Gerichtsbescheid angehört worden.

Das SG hat die Klage mit Gerichtsbescheid vom 25.01.2021 dann abgewiesen. Die näher dargelegten Voraussetzungen für die Gewährung einer Erwerbsminderungsrente lägen nicht vor. Die Klägerin sei weder voll noch teilweise erwerbsgemindert, da sie nach wie vor Tätigkeiten des allgemeinen Arbeitsmarktes unter Berücksichtigung qualitativer Einschränkungen arbeitstäglich sechs Stunden und mehr verrichten könne.
Die Klägerin sei nach Überzeugung des Gerichts noch in der Lage eine leichte körperliche Tätigkeit bei Beachtung qualitativer Einschränkungen (keine Tätigkeiten in Schichtdienst und Nachtschicht, keine schweren körperlichen Arbeiten, keine Tätigkeiten mit Absturzgefahr, keine beruflichen Tätigkeiten der Personenbeförderung oder dem Transport gefährlicher Güter, keine Überwachungsfunktion mit allgemeiner Verantwortung für das Leben anderer, keine gefährlichen Tätigkeiten an Maschinen) für mindestens sechs Stunden täglich zu verrichten. Das Gericht stütze sich bzgl. dieser medizinischen Bewertung auf das schlüssige und nachvollziehbare Gutachten von dem im gerichtlichen Verfahren gehörten Sachverständigen S1, sowie den Feststellungen des im Verwaltungsverfahren gehörten B1, dessen Gutachten im Wege des Urkundenbeweises verwertet werden könne.
Im Vordergrund stünden bei der Klägerin Beschwerden auf internistischem Fachgebiet. Nach den Feststellungen der Gutachter leide die Klägerin nach der Entfernung der Bauspeicheldrüse im Jahr 2011 an einem Diabetes Mellitus durch Insulinpumpe hinreichend substituiert, an Bluthochdruck, an einer Fettleber und an einer exokrinen Pankreasinsuffizienz nach Milzentfernung, einer Hyperlipidämie sowie einer vermutlich diabetisch bedingten Polyneuropathie im Bereich der unteren Extremitäten. Ein untervollschichtiges Leistungsvermögen lasse sich anhand der objektiv vorliegenden Befundes nicht nachweisen. Die vorliegenden Einschränkungen könnten zwar das Spektrum der für die Klägerin in Betracht kommenden Tätigkeiten einschränken, sie begründeten aber keine Zweifel an der normalen betrieblichen Einsatzfähigkeit für leichtere Tätigkeiten des allgemeinen Arbeitsmarktes. Berufsschutz bestehe aufgrund des Geburtsjahres der Klägerin nicht. S1 habe ausführlich ausgeführt, dass die bei der Klägerin zur Therapie eingesetzte Insulinpumpe mit spezifischer Messfunktion, die automatisch vor Unterzuckerung warne, einen ausreichenden Schutz biete, in eine potentiell lebensbedrohliche Situation zu geraten. Die Klägerin selbst habe zudem gegenüber S1 angegeben, dass sie bei Warnung durch das Gerät eine zuckerhaltige Flüssigkeit zu sich nehme. Es sei daher nie zu Bewusstlosigkeit mit Notwendigkeit ärztlicher Behandlung gekommen sei. Weitere wesentliche Beschwerden seien aufgrund der Zuckererkrankung nicht berichtet worden. Das Gewicht werde mit rund 66 Kilogramm bei einer Körpergröße von 165 Zentimetern und damit als normwertig erhoben. Insofern führe S1 schlüssig und nachvollziehbar ergänzend aus, dass den von K1 in seinem Attest vom 17.06.2019 genannten 49 Unterzuckerungssituationen mit lebensbedrohlichem Ausmaß, auf Grundlage der von der Klägerin gemachten Angaben, nicht gefolgt werden könnten. Allein die theoretisch potentiell lebensgefährdende Unterzuckerung führe nicht dazu, dass insofern von einer zeitlich reduzierten Einsatzfähigkeit der Klägerin ausgegangen werden könne. Zutreffend hebe S1 des Weiteren hervor, dass die von K1 in seinem ärztlichen Attest ausgesprochene Empfehlung einer weiteren Stundenreduktion nicht durch objektive Befunde begründet sei. Das SG hat weiter ausgeführt, dass der in den neuen Befunden des K1 dargestellte reduzierte Ernährungszustand der Klägerin (siehe Befundbericht vom 17.06.2020, Bl. 144 bis 145) in der nachfolgenden gutachterlichen Untersuchung der S2 nach § 109 SGG ebenfalls nicht bestätigt worden sei. Dort werde ein Gewicht von 64 Kilogramm bei kontinuierlichem Anstieg in den letzten Jahren bei gegenwärtig gutem Appetit angeführt.
Eine relevante Befundänderung ergebe sich aus den dem gerichtlichen Gutachten nachfolgenden Befundberichten der Uniklinik H1 gegenüber den von S1 sowie B1 erhobenen körperlichen Befunden gerade nicht. Auch die bei der Klägerin bestehende vermehrte Infektanfälligkeit begründe für sich betrachtet ebenfalls keine zeitlich limitierende Einschränkung der Leistungsfähigkeit. S1 habe in der von ihm durchgeführten Blutuntersuchung keine erniedrigten Immunglobuline feststellen können. Die erhöhte Infektanfälligkeit führe allein zu Arbeitsunfähigkeitszeiten, begründe jedoch keine dauerhaft bestehende Leistungsminderung in quantitativen Spektrum. Auch der behandelnde W1 bestätige letztlich diese Einschätzung. Auch dieser sehe lediglich qualitative Leistungseinschränkungen aus den Krankheiten begründet.
Auch hinsichtlich der vermutlich diabetisch bedingten Polyneuropathie ergebe sich keine quantitative Leistungseinschränkung. Hierbei stütze sich das Gericht insbesondere auf die von B1 erhobenen Befunde in dessen Verwaltungsgutachten. In der von B1 durchgeführten neurologischen Untersuchung mit Prüfung des Vibrationsempfinden habe sich ein lediglich geringgradig verändertes Empfinden gezeigt. Die Klägerin habe auch die erschwerten Gangvaria, wie Zehen-, Hackentand und Rombergversuch im Zuge der Begutachtung demonstrieren können. Eine relevante Befundänderung sei in diesem Bereich ebenfalls nicht gegeben.
Lediglich ergänzend hat das SG noch darauf hingewiesen, dass auch die nach § 109 SGG benannte Gutachterin S2 keine schwerwiegenden gesundheitlichen Störungen auf internistischem Fachgebiet festgestellt habe, welche eine zeitliche Minderung der Leistungsfähigkeit begründeten. S2 gelange übereinstimmend mit den beiden zuvor gehörten Gutachtern B1 und S1 zum Ergebnis, dass aus internistischer Sicht eine vollschichtige Einsatzfähigkeit der Klägerin auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt für leichte körperliche Tätigkeiten bestehe.
Der wiederholte Antrag der Klägerin auf Einholung eines Gutachtens nach § 109 SGG auf psychosomatischem Fachgebiet bei H3 vom 09.11.2020 sei abzulehnen. Der Anspruch der Klägerin auf gutachterliche Anhörung eines bestimmten Arztes nach § 109 SGG ist bereits durch die erstinstanzliche Einholung des Gutachtens der Sachverständigen S2 auf internistischem Fachgebiet erfüllt worden. Auch von Amts wegen nach § 106 SGG müsse das Gericht kein weiteres Gutachten einzuholen. Der Sachverhalt sei aufgrund der Gutachten der Sachverständigen B1 und S1 hinreichend geklärt. Dies ergebe sich auch nicht aus dem Gutachten von S2, die darauf hingewiesen habe, dass eine ergänzende Begutachtung auf psychosomatischem Fachgebiet weitere Erkenntnisse liefern könne. Eine eigene Leistungseinschätzung auf Basis der erhobenen objektiven Befunde gebe S2 nicht ab. Sie referiere unter der konkret gestellten Beweisfrage vielmehr die von der Klägerin getätigten Angaben bezogen auf das konkrete Arbeitsverhältnis, welche an sich zur beruflichen Anamneseerhebung gehörten. Aus diesen Angaben könne man entnehmen, dass im konkreten Arbeitsverhältnis der Klägerin gesteigertes Konfliktpotential bestehe und eine vermehrte Stressbelastung insb. durch Übertragung von Aufgaben über die eigentliche Zuständigkeit hinaus und wenig Pausen bestehe. Einen zumindest oberflächlich gehaltenen psychischen Befund erhebe die Gutachterin nicht, im Gegensatz zu B1, der in seinem Gutachten hierzu Feststellungen treffe und keine relevanten psychischen Störungen habe feststellen können. Einer besonderen Belastung in einem konkreten Arbeitsverhältnis lasse aber für sich gerade keine allgemeine Aussage dahingehend entnehmen, dass insgesamt für sämtliche leichten denkbaren Tätigkeiten auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt eine relevante quantitative Leistungseinschränkung aus gesundheitlichen Gründen anzunehmen sei. Für die Bewertung ob Erwerbsminderung im gesetzlichen Sinne vorliege, komme es nicht auf die Ausgestaltung des ganz konkret gelebten Arbeitsverhältnisses an.

Die Klägerin hat gegen den ihrem Bevollmächtigten gegen Empfangsbekenntnis am 27.01.2021 zugestellten Gerichtsbescheid am 23.02.2021 Berufung zum Landessozialgericht (LSG) Baden-Württemberg erheben lassen. Zur Begründung führt sie u.a. aus, dass sich aus den Berichten der behandelnden Ärzte der Universitätsklinik H1 ergebe, dass bei der Klägerin ein reduzierter Allgemeinzustand vorliege. Die Klägerin habe keine Bauchspeicheldrüse mehr. Wie aus der zusammenfassenden Beurteilung hervorgehe, hätten bereits die fachkundigen Ärzte dort empfohlen, die Arbeitszeit zu reduzieren. Bei der Klägerin zeige sich eine erhöhte Infektanfälligkeit bei stark schwankenden Blutzuckerwerten und regelmäßigen Hypoglykämien, welche bei pankreoprivem Diabetes mellitus prinzipiell lebensgefährlich seien. Das Universitätsklinikum H1 empfehle daher eine weitere Reduzierung der Arbeitszeit, obwohl die Klägerin zuletzt lediglich noch 50 % arbeitete. Zudem habe die nach § 109 SGG beauftragte Gutachterin eine ergänzende psychosomatische Begutachtung empfohlen. Dies sei bislang nicht erfolgt.

Mit Schreiben vom 24.06.2021 hat der Klägervertreter ausgeführt, dass die Klägerin erhebliche Darmprobleme habe und sie insoweit "inkontinent" sei. Sie müsse täglich 25 Tabletten nehmen und sei infektanfällig. Unter Coronabedingungen sei ein realistischer Arbeitsplatz für sie nicht zu finden. Er hat zudem zwei weitere Befundberichte vorgelegt. In einem Bericht der Universitätsklinik H1, Klinik für Endokrinologie, Stoffwechsel und Klinische Chemie, vom 29.01.2021 hat der K1 ausgeführt, dass die Klägerin sich in einem stabilen Allgemeinzustand präsentiert habe. Der HbA1c-Wert liege bei 7,4 % in einem stabilen Bereich. Hypoglykämien seien nur selten; sodass die diabetologische Einstellung bei pankreoprivem Diabetes aktuell hervorragend sei. Auch die Triglyzeride seien aktuell mit 239 mg/dI stabil. Die Eiweiß- und Cholesterinwerte sprächen auch für eine gute metabolische Einstellung. Besorgniserregend sei nach wie vor das erniedrigte Kreatinin von 0,31 mg/dl, was für eine Mangelernährung spreche. Dies werde auch in der Laborchemie vom 22.01.2021 deutlich bei einem ausgeprägten Vitamin-A-Mangel, was zu einem fettlöslichen Vitamin gehöre. Das sei bei der Klägerin natürlich nur schwer resorbierbar aufgrund der OPs und der o. g. Medikation. Vitamin B12 sei gut substituiert, genauso wie Folsäure. Kupfer sei ebenfalls normal, Zink auch. Daher empfehle man in Rücksprache mit unserer Ernährungsmedizin auch eine Vitamin-A-Substitution.

Es ist weiter ein Bericht von W2, Endokrinologie, Diabetologie und Innere Medizin, S3 Kliniken vom 08.03.2021 vorgelegt worden. Darin berichtet die behandelnde Ärztin über eine ambulante Vorstellung der Klägerin am 01.03.2021 und führt hierzu aus, dass die Klägerin sich im Rahmen des DMPs zur Verlaufskontrolle vorgestellt habe. Das HbAl c liege mit 6,9 % in einem sehr guten Bereich. Bei der Durchsicht der Sensordaten zeigten sich leichte Hypoglykämien nachtsüber ab 2.00 bis 5.00 Uhr und teilweise nach dem Frühstück mit einem BE-Faktor von 1,3 IE/BE früh. Man habe nun die Basalraten von 1.00 bis 4.00 Uhr für insgesamt 0,15 JE reduziert. Die Klägerin habe selbst seit eine Woche den morgendlichen BE Faktor auf 1,2 IE/BE weiter reduziert und berichte auch, dass die Blutdruckwerte nun wieder im Normbereich seien.

Die Berichterstatterin hat mit den Beteiligten am 30.06.2021 einen Termin zur Erörterung des Sachverhaltes durchgeführt. Hier hat die Klägerin einen Antrag auf Einholung eines psychiatrischen Gutachtens bei H3 nach § 109 SGG gestellt. Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf die Sitzungsniederschrift verwiesen.

Nachdem sowohl der zunächst benannte H3, sowie der im Anschluss beauftragte M1, die Begutachtung abgelehnt hatten, ist auf Antrag der Klägerin nach § 109 SGG ein Gutachten bei der H4 eingeholt worden. Diese hat die Klägerin am 19.08.2022 ambulant untersucht und in ihrem Gutachten vom 20.10.2022 folgende Diagnosen gestellt:
- Sensomotorisch-vorwiegend demyelinisierende Polyneuropathie mit Beteiligung des autonomen Nervensystems
bei exokriner Pankreasinsuffizienz
bei Z.n. Pankreatektomie bei Z.n. nekrotisierender Pankreatitis
bei Hypertriglyceridämie (ausgeprägt)

- Urindranginkontinenz
 -Stuhldranginkontinenz
- Restless Legs Syndrom
- LWS-Syndrom bei anamnestisch Bandscheibenvorfall und Spinalkanalstenose der Lendenwirbelsäule
- Tertiärer Diabetes mellitus nach Pankteas-Entfernung Vitamin-B12-Mangel (substituiert)
- Rezidivierende Diarrhoe mit Stuhlinkontinenz
Die Gutachterin führt weiter aus, dass psychiatrische Beschwerden von Krankheitswert von der Klägerin weder spontan noch auf Nachfrage berichtet worden seien. Die Klägerin habe hier auch weiter berichtet, dass sie lediglich für ca. 2 Jahre nach der OP bei einer Psychologin ein Mal im Monat in Behandlung gewesen sei. Derzeit gehe sie regelmäßig zwei Mal pro Woche zum Rehasport (Hüfte, Rücken), wovon sie profitiere und sie führe auch regelmäßig Übungen zu Hause durch. Eine Behandlung beim Neurologen erfolge derzeit nicht, aber Untersuchungen in Neurologie im Rahmen der Studie (keine genauere Angabe mgl.).
Zur Leistungseinschätzung hat die Gutachterin folgende Angaben gemacht: Aus rein neurologischer Sicht sei die Klägerin noch in der Lage, ohne unmittelbare Gefährdung der Gesundheit leichte Tätigkeiten auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt sechs Stunden und mehr an fünf Tagen/Woche auszuüben. Trotz der schweren Krankheit und Belastung in der Jugend bestünden keine nennenswerten psychischen Einschränkungen. Allerdings sei die Ausdauer und Leistungsfähigkeit reduziert durch die Tagesmüdigkeit bei Schlafstörungen, Belastung durch tägliche Durchfälle mit entsprechendem Zeitaufwand für den Toilettengang und die Pflege. Bei zusätzlich bestehender Inkontinenz komme es auch zu unwillkürlichem Stuhlabgang, was wiederum eine erhebliche Belastung darstelle und deutlich einschränke. Wie die Notwendigkeit zur regelmäßiger Lebensführung, regelmäßiger Nahrungsaufnahme mit besonderer, fettarmer Diät, Einnahme der Medikamente mit schweren Nebenwirkungen, Arztbesuche usw. bestehedauerhaft, um weitere Folgen zu vermeiden. Der Blutzucker als Messwert sei gut eingestellt, der Laborparameter Triglyceride normalisiert. Diese Betrachtung reiche aber nicht für die Beurteilung der Einschränkungen im Beruf (und Alltag) aus. Die Normalisierung der Werte und die Vorsorge vor Folgeerkrankungen erforderten einigen Einsatz und Zeit.
In der Zusammenschau gehe sie daher eher von einem leicht reduzierten quantitativen Leistungsvermögen auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt auch für leichte Tätigkeiten auf 3 bis unter 6 Stunden an 5 Tagen/Woche aus. Durch die vorliegenden Erkrankungen bestehe glaubhaft und nachvollziehbar ein erhöhter Zeitbedarf für Toilettengänge und Nahrungsaufnahme/Zubereitung sowie Einschränkungen der Teilhabe. Essen in Kantinen sei z.B. nicht gut möglich. Sie gehe nicht davon aus, dass jede Störung für sich alleine eine Reduktion der Leistungsfähigkeit auf unter sechs Stunden arbeitstäglich begründe, was auch die Einzeleinschätzungen der jeweiligen Gutachter erkläre. Bislang hätten aber die nicht rein medizinisch „messbaren" Folgen keine ausreichende Berücksichtigung gefunden, sie seien aber jedem offensichtlich und glaubhaft. Eine Leistungsfähigkeit (in der Gesamtbetrachtung) im Tagdienst der bisherigen Tätigkeit sei unter Beachtung der qualitativen Einschränkungen vier bis fünf Arbeitsstunden pro Tag gegeben. Die aktuelle berufliche Tätigkeit erscheine unter Beachtung der qualitativen und quantitativen Einschränkungen geeignet.
Nicht möglich seien Nachtdienste, häufig wechselnde Schichten, Wochenenddienste und auch häufig wechselnde Schichten im Tagdienst ohne ausreichende Ruhezeiten. Körperlich anstrengende Tätigkeit vor allem mit plötzlicher körperlicher Leistung seien zu vermeiden. Schweres Heben und Tragen von regelmäßig über 10kg und über 20kg sei generell zu vermeiden. Heben und Tragen bis 10kg sei möglich. An der Arbeitsstelle sollte eine Toilette stets in erreichbarer Nähe sein. Tätigkeiten mit Unfallgefahr, erhöhter Verantwortung wie z.B. Personenbeförderung, Dienst an der Waffe oder mit alleiniger Verantwortung für hilflose Personen seien nicht mehr möglich. Durch die Polyneuropathie komme es zu Störungen an den Nerven. Die Tiefensensibilität sei leicht beeinträchtigt. Gehen auf sehr unebenem Grund, bei Dunkelheit oder mit Absturzgefahr sei daher nicht möglich. Bei einer täglichen Arbeitszeit von 4-5 Arbeitsstunden könne auf die Gewährung von zusätzlichen Pausen zur Darmentleerung nach Nahrungsaufnahme verzichtet werden.
Zum Tagesablauf befragt habe die Klägerin angegeben, dass sie zwischen 6:00 Uhr und 6:30 Uhr aufstehe. Nach der Einnahme ihrer Medikamente frühstücke sie und räume anschließend auf. Am Vormittag telefoniere sie in der Regel mit ihrer Tochter und verabrede sich mit ihr und ihren Enkelkindern. Ansonsten beschäftige sie sich im Haus oder mache Gartenarbeiten. Am Mittag koche die Klägerin meist gemeinsam mit ihrer Tochter und unternehme etwas mit deren Familie. Nachmittags gehe sie regelmäßig walken oder fahre Rad. Am Abend werde sie früh müde (gegen 19:00 Uhr), esse dann zu Abend, lese noch etwas oder schaue Fernsehen. Nachts schlafe die Klägerin gut ein, wache jedoch mehrfach nachts auf, da sie 3-4 Mal zur Toilette müsse.
Als Hobbies habe sie angegeben, Basteln und Spielen mit den Enkelkindern, ansonsten fahre sie gerne Rad oder mache Gartenarbeit. Sie lese regelmäßig, am liebsten Komödien. Sie schaue regelmäßig Fernsehen (Reality-Shows). Als Sport habe sie Walken, Radfahren, Rehasport angegeben. Sie habe einige gute Freunde, wie ehemalige Arbeitskolleginnen oder ihre Nachbarin, die sie regelmäßig treffe.

Die Beklagte legte zwei Stellungnahmen ihres sozialmedizinischen Dienstes vor.
Die B2 hat am 22.12.2022 ausgeführt, dass bzgl. der chronischen somatischen Grunderkrankungen der Klägerin sich im Vergleich zu den Vorgutachten keine wesentlichen neuen relevanten Befunde ergäben, zunehmend degenerative Veränderungen des Bewegungsapparates im Gesamtverlauf seien zwar möglich, führten jedoch allenfalls zu qualitativen Einschränkungen bei bereits festgestellter nur leichter Arbeitsschwere. Bei der Versicherten bestehe eine kontinuierliche Blutzuckermessung. Im Verlauf ergebe sich auch anhand des Aktenstudiums inklusive der Berichte der behandelnden Universitätsklinik der Nachweis eines spätestens ab 2019 konstanten Gewichtes mit einem BMI um die 24. Vorbekannt sei die Polyneuropathie bei Diabetes und Hypertriglyceridämie welche in der klinischen Ausprägung jedoch dennoch ein normales Gang- u. Standbild auch bei erschwerten Gangarten ermögliche, so dass dies allenfalls zu qualitativen Einschränkungen führe, ebenso sei eine gelegentliche Inkontinenzproblematik bekannt, auch abhängig von dem Fettanteil der zu sich genommenen Nahrung. Es erfolge seit Jahren eine Vitaminsubstitutionsbehandlung. Die neu angegebenen Beschwerden in der Hüfte schienen bisher nicht weiter abgeklärt, die Klägerin selbst habe hier eine Besserungsmöglichkeit durch Bewegung gesehen. Auch anhand der Anamnese ergebe sich hier durchaus wie auch bereits vorbeschrieben eine doch deutliche Alltagskompetenz mit Walken, Radfahren, seit 2021 regelmäßig 2 x pro Woche Reha-Sport für Hüfte und Rücken. Auch zeige sich ansonsten eine hohe Alltagskompetenz, auch spreche der Gesamtverlauf mit einem beruflichen Wiedereinstieg nach Operation und schließlich Umorientierung zur Betreuungskraft durchaus für eine gewisse Belastbarkeit. Relevante neue somatische Krankheitsbilder seien hier nicht vermerkt, so dass sich kein Anhalt für eine abweichende Meinung zu den vorangegangenen fachinternistischen Stellungnahmen und Gutachten ergebe.
Der N1 hat am 09.01.2023 ausgeführt, dass sich aus dem Gutachten von H4 vom 20.10.2022 diagnostisch keine psychische Erkrankung ergebe. Dies sei auch plausibel, da die Beschwerdeschilderung der Klägerin keine psychische Erkrankung umfasst habe. Auch der erhobene psychopathologische Befund zeige keine Abweichungen von einem Normalbefund. Wenn keine Abweichung von einem Normalbefund psychopathologisch belegt worden sei, so lasse sich eine funktionell wirksame psychische Erkrankung nicht nachvollziehen. Insofern sei auch 1 rechtzugeben, dass eine psychische Erkrankung nicht vorliege. Wenn es keine psychische Erkrankung bei der Klägerin gebe, könne eine Leistungsminderung auf psychiatrischen Fachgebiet sozialmedizinisch nicht begründet werden. Nachvollziehbar habe die Gutachterin dementsprechend auch keine psychisch relevante Erkrankung diagnostizieren können.

Im Termin zur mündlichen Verhandlung hat die Klägerin ein Attest ihres G2 vom 05.12.2022 sowie einen Bericht des  P1 vom 23.03.2023 vorgelegt.

Die Klägerin beantragt,

den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Heilbronn vom 25. Januar 2021 aufzuheben und die Beklagte zu verurteilen, der Klägerin unter Aufhebung ihres Bescheids vom 27. November 2018 in Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 11. Februar 2019 zu verurteilen, der Klägerin eine Rente wegen voller, hilfsweise teilweiser, Erwerbungsminderung zu gewähren.

Die Beklagte beantragt,

            die Berufung zurückzuweisen.

Zur Begründung verweist sie auf die erstinstanzliche Entscheidung sowie die Ausführungen ihres sozialmedizinischen Dienstes.

Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf die Gerichtsakten erster und zweiter Instanz sowie die beigezogenen Verwaltungsakten der Beklagten Bezug genommen.



Entscheidungsgründe

Die Berufung der Klägerin ist frist- und formgerecht erhoben worden und auch im Übrigen zulässig. Berufungsausschließungsgründe nach § 144 SGG liegen nicht vor.

Die Berufung ist jedoch unbegründet.

Der angefochtene Gerichtsbescheid des SG vom 25.01.2021 und der Bescheid vom 27.11.2018 sowie der Widerspruchsbescheid vom 11.02.2019 sind rechtmäßig und verletzen die Klägerin nicht in ihren Rechten. Die Klägerin hat keinen Anspruch auf Gewährung einer Rente wegen voller bzw. teilweiser Erwerbsminderung.

Das SG hat in den Entscheidungsgründen des angefochtenen Urteils zutreffend die rechtlichen Grundlagen für die hier von der Klägerin beanspruchte Rente wegen Erwerbsminderung (§ 43 Sechstes Buch Sozialgesetzbuch <SGB VI>) dargelegt und zutreffend ausgeführt, dass ein Anspruch auf Rente wegen voller oder teilweiser Erwerbsminderung nicht besteht, weil die Klägerin noch mindestens sechs Stunden täglich für leichte Tätigkeiten auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt leistungsfähig ist. Der Senat schließt sich dem nach eigener Prüfung uneingeschränkt an, sieht deshalb gemäß § 153 Abs. 2 SGG von einer weiteren Darstellung der Entscheidungsgründe weitgehend ab und weist die Berufung aus den Gründen des angefochtenen Gerichtsbescheides zurück.

Zu einem anderen Ergebnis führen auch nicht die Ermittlungen im Berufungsverfahren. Der Senat kann sich nach der Gesamtwürdigung der vorliegenden ärztlichen Unterlagen nicht davon überzeugen, dass die Klägerin unter Berücksichtigung qualitativer Leistungseinschränkungen nicht mehr in der Lage ist, einer leichten körperlichen Tätigkeit auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt für sechs Stunden und mehr nachzugehen. Wie auch das SG ist auch der Senat davon überzeugt, dass weder auf internistischen noch auf psychiatrischen Fachgebiet so weitreichenden Einschränkungen bestehen, als dass das Leistungsvermögen der Klägerin hier auf unter sechs Stunden herabgesunken ist.

Insbesondere vermochte der Senat nicht der anderslautenden Einschätzung der H4, die im auf das Kostenrisiko der Klägerin gem. § 109 SGG erstellten Gutachten zu der Einschätzung gelangt ist, dass auch bei Beachtung der qualitativen Einschränkungen leichte Tätigkeiten des allgemeinen Arbeitsmarktes nur noch drei bis unter sechs Stunden arbeitstäglich verrichtbar erscheinen, folgen.
Diese Einschätzung lässt sich vor allem nicht aufgrund Erkrankungen auf psychiatrischen Fachgebiet begründen. Denn die Gutachterin konnte selbst ausdrücklich keine Erkrankung auf psychiatrischen Fachgebiet feststellen. Dies ist aufgrund des von der Gutachterin erhobenen Befundes auch folgerichtig, da sie keine nennenswerten psychiatrischen Einschränkungen feststellen und somit keine Abweichung von einem Normalbefund psychopathologisch belegt werden konnte und deckt sich weiter mit den eigenen Angaben der Klägerin, die gegenüber der Gutachterin weder spontan noch auf Nachfrage psychiatrische Beschwerden vom Krankheitswert berichten konnte. Wenn aber schon keine psychische Erkrankung bei der Klägerin gibt, kann eine Leistungsminderung auf psychiatrischen Fachgebiet sozialmedizinisch auch nicht begründet werden. Nicht zuletzt ist die Klägerin auch nicht in psychiatrischer bzw. psychotherapeutischer Behandlung, woraus sich folgern lässt, dass doch kein entsprechend gravierender Leidensdruck besteht und damit auch keine entsprechend gravierenden Beeinträchtigungen im alltäglichen Lebensbereich.
Soweit die Gutachterin weiter ausführt, dass die Ausdauer und Leistungsfähigkeit der Klägerin durch die Tagesmüdigkeit bei Schlafstörungen und Belastungen durch die täglichen Durchfälle verbunden mit häufigen (zeitaufwendigen) Toilettengängen und Pflege, eingeschränkt sei, kann dies zum einen weder dem erhobenen Befund entnommen werden (hier beschreibt die Gutachterin unter „Aufmerksamkeit und Konzentration: Nicht beeinträchtigt“) und auch der von der Klägerin (bei allen Gutachtern) geschilderte Tagesablauf spricht doch ganz erheblich gegen diese Einschränkungen. Die Klägerin versorgt sich und den Haushalt ohne größere Probleme und ohne Hilfestellung durch andere. Sie beschäftigt sich gerne mit Gartenarbeit und es besteht ein enger und regelmäßiger Kontakt zur Tochter und den Enkelkindern. Darüber hinaus trifft sich auch regelmäßig Freunde wie ehemalige Arbeitskolleginnen oder ihre Nachbarin. Ihre gute Alltagskompetenz unterstreicht sie auch dadurch, dass sie regelmäßig in der Natur walken und Radfahren geht. Seit 2021 nimmt sie zudem regelmäßig 2 x pro Woche an Reha-Sport teil.

Auch aufgrund der bestehenden Erkrankungen auf internistischem Fachgebiet, lässt sich nach Überzeugung des Senats keine zeitliche Reduzierung des Leistungsvermögens begründen.
Die im Berufungsverfahren vorgelegten medizinischen Unterlagen der behandelnden Ärzte führen hier insbesondere nicht zu einer Änderung der Leistungseinschätzung des in erster Instanz eingeholten Gutachtens von S1. Eine wesentliche Verschlechterung des Gesundheitszustandes ist nicht eingetreten. Vielmehr ergibt sich aus den Berichten sowohl der Universitätsklinik H1 vom 29.01.2021 als auch aus dem Bericht der W2, dass die Klägerin sich in einem stabilen Allgemeinzustand präsentiert hat und die diabetologische Einstellung des pankreorpiven Diabetes sich in einem stabilen bzw. sogar sehr guten Bereich befindet. Hyperglykämien treten nur sehr vereinzelt auf und lassen sich durch erneutes Einstellen der Insulinmedikation regulieren. Soweit es zur erschwerten Aufnahme einzelner Vitamine sowie eines niedrigen Kreatininwertes gekommen ist, befindet sich die Klägerin in engmaschiger Behandlung; einzelne Vitamine werden substituiert. Eine Reduzierung des zeitlichen Leistungsvermögens folgt hieraus nicht, zumal in den ärztlichen Unterlagen keine Funktionseinschränkungen aufgrund dieser niedrigen Werte geschildert werden.

Soweit der Klägerbevollmächtigte zwischenzeitlich darauf hingewiesen hat, dass aufgrund der Infektanfälligkeit und unter Coronabedingungen kein Arbeitsplatz für die Klägerin gefunden werden könne, ist zu beachten, dass sich hieraus allenfalls temporäre Arbeitsunfähigkeitszeiten ergeben, dies aber nicht das Vorliegen eines Anspruchs auf Rente wegen Erwerbsminderung indiziert. Der Begriff der Arbeitsunfähigkeit stammt aus dem Recht der gesetzlichen Krankenversicherung. Die Arbeitsfähigkeit beurteilt sich nach anderen Maßstäben als die Erwerbsfähigkeit im Sinne des Rechts der gesetzlichen Rentenversicherung. Erst wenn feststeht, dass wiederholt Arbeitsunfähigkeitszeiten in einem solchen Umfang auftreten werden, dass die jährliche Arbeitsleistung erheblich eingeschränkt wird (LSG, Schleswig-Holsteinisch, Urteil vom 13.01.2015 - L 7 R 103/13 -, juris, Rn. 35) kann dies den Anspruch auf eine Rente wegen Erwerbsminderung begründen. Eine solche Häufigkeit ist vorliegend nicht zu erkennen. Nicht zuletzt kommt auch ein Arbeitsplatz mit wenig Kundenkontakt/ Publikumsverkehr in Betracht, was allenfalls eine weitere qualitative Einschränkung bedeutet, zumal die Klägerin offensichtlich im privaten Bereich durchaus auch Kontakte zulässt, z.B. zu den Enkelkindern und im Rahmen des von ihr besuchten Rehasports.

Anhaltspunkte dafür, dass die Erwerbsfähigkeit der Klägerin aufgrund einer Verschlossenheit des Arbeitsmarktes - beispielsweise wegen eingeschränkter Wegefähigkeit oder dem Erfordernis betriebsunüblicher Pausen - beeinträchtigt ist, liegen nicht vor. Alle Gutachter haben die Wegefähigkeit bejaht und keine Einschränkungen bei der Nutzung öffentlicher Verkehrsmittel und der Fähigkeit vier Mal täglich jeweils mehr als 500 m in weniger als 20 Minuten zurückzulegen, festgestellt. Die Klägerin geht zudem nach eigenen Angaben regelmäßig walken, fährt Fahrrad und verfügt über einen Führerschein und einen Pkw. Der Senat kann auch keine Anhaltspunkte dafür erkennen, dass die Klägerin betriebsunübliche Pausen benötigt. Dass die Klägerin nach eigenen Angaben aufgrund häufiger Durchfälle häufiger eine Toilette aufsuchen muss, kann dadurch Rechnung getragen werden kann, dass eine jederzeit erreichbare Toilette vorhanden sein soll, was jedoch lediglich eine qualitative Einschränkung darstellt. Ferner ergibt sich hieraus nicht die Notwendigkeit betriebsunüblicher längerer Pausen, da die Notwendigkeit von kurzen Pausen, um die Toilette aufzusuchen, im Rahmen der persönlichen Verteilzeit einer Versicherten möglich ist, auch dann, wenn sie an einem schwer kontrollierbaren Drang, auf die Toilette zu müssen, leidet.

Weitere Ermittlungen waren nicht geboten. Der Senat sieht den Sachverhalt durch die eingeholten Gutachten in erster und zweiter Instanz, im Verwaltungsverfahren als umfassend aufgeklärt an. Auch aus den im Termin zur mündlichen Verhandlung vorgelegten neueren medizinischen Unterlagen ergibt sich kein anderes Ergebnis. Während im Attest des G2 lediglich das Gutachten der H1 zusammengefasst wird, berichtet der P1 zwar von (neuen) LWS-Beschwerden. Anhaltspunkte, dass hierdurch auch das zeitliche Leistungsvermögen der Klägerin eingeschränkt ist, ergeben sich aber aus diesen Unterlagen ebenfalls nicht.
Nach alledem besteht kein Anspruch auf eine Rente wegen Erwerbsminderung.

Ein Anspruch auf eine Rente wegen teilweiser Erwerbsminderung bei Berufsunfähigkeit besteht schon deshalb nicht, weil die Klägerin 1966 und damit nach dem maßgeblichen Stichtag des § 240 Abs. 1 Nr. 1 SGB VI geboren ist.

Die Berufung war daher zurückzuweisen.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.

Gründe für die Zulassung der Revision liegen nicht vor (§ 160 Abs. 2 SGG).


 

Rechtskraft
Aus
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