L 4 KA 1/19

Land
Schleswig-Holstein
Sozialgericht
Schleswig-Holsteinisches LSG
Abteilung
4.
1. Instanz
SG Kiel (SHS)
Aktenzeichen
S 2 KA 761/15
Datum
2. Instanz
Schleswig-Holsteinisches LSG
Aktenzeichen
L 4 KA 1/19
Datum
3. Instanz
-
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Leitsätze

1. Die auf die Gewährung einer höheren Vergütung gerichtete Anfechtungs- und Neubescheidungsklage eines Vertragsarztes ist nur insoweit zulässig, als die zuständige KÄV vorher einen Verwaltungsakt iSv § 31 SGB X erlassen hat, in dem sie die Einräumung einer zuvor beantragten Rechtsposition (zB die vollständige Befreiung von mengensteuernden Maßnahmen) abgelehnt hat.

2. Vor dem Hintergrund begrenzter Gesamtvergütungen kann dem Grunde nach kein vertragsärztlicher Leistungsbereich generell von mengensteuernden Maßnahmen ausgenommen werden (Anschluss an BSG, Urteil vom 11. September 2013 - B 6 KA 6/13 R - juris).

3. Werden in einem Honorarverteilungsmaßstab die mengensteuernden Maßnahmen unabhängig von dem tatsächlichen Zeitpunkt der Aufnahme einer vertragsärztlichen Tätigkeit innerhalb des Abrechnungsquartals festgelegt, ist die KÄV an diese pauschalierende Vorgabe gebunden.

Auf die Berufung der Klägerin wird das Urteil des Sozialgerichts Kiel vom 5. Dezember 2018 geändert.

 

Die Beklagte wird unter Änderung der PZV-Mitteilung und des Honorarbescheids für das Quartal IV/2014 in Gestalt des Wider­spruchsbescheids vom 2. Dezember 2015 verurteilt, über den Honoraranspruch der Klägerin im Quartal IV/2014 unter Beachtung der Rechtsauffassung des Senats neu zu entscheiden.

 

Im Übrigen wird die Berufung zurückgewiesen.

 

Die Klägerin trägt die Kosten des Klage- und Berufungsverfahrens.

 

Die Revision wird nicht zugelassen.

 

Der Streitwert des Klage- und Berufungsverfahrens wird jeweils auf 26.476 Euro festgesetzt.

 

 

 

Tatbestand

Streitig ist die Vergütung schmerztherapeutischer Leistungen.

 

Die Klägerin ist eine aus sieben Fachärzten für Anästhesiologie bestehende Berufsaus­übungs­gemeinschaft (BAG), die an der vertragsärztlichen Versorgung in Kiel teilnimmt. Deren fach­ärztliche Mitglieder D (voller Versorgungsauftrag Anästhesiologie) und F (halber Versorgungsauftrag Anästhesiologie/halber Versorgungsauftrag für Leistungen der speziellen Schmerztherapie als Sonderbedarf) führen dabei die Zusatzbezeichnung „Spezielle Schmerz­therapie“ und erbringen dementsprechend auch schmerztherapeutische Leistungen.

 

Die beklagte Kassenärztliche Vereinigung (KÄV) wies der Klägerin in den „Mitteilungen Ihres Punktzahlvolumens“ für das Quartal IV/2014 ein Gesamt-PZV iHv 387.940,7 Punkten zu. Dabei entfiel auf den Anästhesisten D ein Volumen von 109.943 Punkten und auf den Anästhesisten F – ausgerichtet an dem (mit dem Faktor 0,8968 anteilig berechneten) Durch­schnitts-PZV seiner Facharztgruppe – ein Volumen von 94.016,3 Punkten (Schreiben vom 18. November 2014). Diese PZV berücksichtigte die Beklagte auch im Honorarbescheid der Klägerin für das Quartal IV/2014, wobei die innerhalb des Gesamt-PZV erbrachten vertrags­ärztlichen Leistungen mit einem Punktwert von 0,1013 EUR und die das Volumen über­schreitenden vertragsärztlichen Leistungen (iHv insgesamt 53.610,8 Punkten) mit einem Rest­punktwert von 0,035255 EUR vergütet wurden.

 

Die Klägerin legte sowohl gegen die PZV-Mitteilung als auch gegen den Honorarbescheid für das Quartal IV/2014 Widerspruch ein und führte zur Begründung ua aus, dass das fach­ärztliche Mitglied F zu Unrecht nur ein anteiliges PZV erhalten habe. Außerdem übersteige der Bedarf an schmerztherapeutischen Leistungen den Umfang des anteiligen PZV deutlich, sodass aus Sicherstellungsgründen eine (Härtefall-)Anpassung dieses Volumens erforderlich sei.

 

Daraufhin lehnte zunächst des HVM-Team der Beklagten den Härtefallantrag der Klägerin ab. Das fachärztliche Mitglied F habe seine schmerztherapeutische Tätigkeit erst am 20. Ok­tober 2014 mit der Folge einer quartalsbezogen anteiligen PZV-Berechnung aufge­nommen. Außerdem habe er im Quartal IV/2014 PZV-relevante schmerztherapeutische Leistungen nur in einem Umfang von 60.036,4 Punkten abgerechnet und damit sein Gesamthonorarvolumen nicht ausge­schöpft. Von einem Härtefall sei daher nicht auszugehen (Bescheid vom 14. Ok­tober 2015). Im Anschluss wies die Beklagte außerdem den zuvor eingelegten Widerspruch der Klägerin mit Hinweis auf den Bescheid des HVM-Teams zurück (Widerspruchsbescheid vom 2. De­zember 2015).

 

Die Klägerin hat am 22. Dezember 2015 vor dem Sozialgericht (SG) Kiel eine den Umfang der Honorierung im Quartal IV/2014 betreffende Klage erhoben und in diesem Zusammenhang geltend gemacht, dass es rechtswidrig sei, ein PZV nur anteilig zu gewähren. Außerdem habe das fachärztliche Mitglied F in den ersten beiden Oktoberwochen 2014 Urlaub genommen und sei in dieser Zeit von D vertreten worden. Es bestehe daher nach den Vorgaben im Honorarverteilungsmaßstab der Beklagten für das Quartal IV/2014 (HVM IV/2014) An­spruch auf das volle Durchschnitts-PZV der Anästhesisten. Unabhängig davon verstoße die Einbe­ziehung schmerztherapeutischer Leistungen in die PZV-Systematik – zumindest soweit dies nach den Vorgaben im HVM IV/2014 auch für Anästhesisten gelte – gegen den Grundsatz der Honorar­verteilungs­gerechtigkeit. Das fachgruppendurchschnittliche PZV der Anästhesis­ten sei deutlich geringer als das anderer Facharztgruppen, da Anästhesis­ten überwiegend extra­budgetär vergütete Leistungen des ambulanten oder belegärztlichen Operierens erbräch­ten. Bei den arztgruppen­übergreifenden schmerztherapeutischen Leistun­gen könne daher aus Gleichbehandlungs­gründen nicht auf das formale Fachgebiet des jeweiligen Arztes abgestellt werden. Soweit man schließlich die Einbeziehung schmerzthera­peutischer Leistungen in die PZV-Systematik dennoch als rechtmäßig ansehen sollte, hätte die Beklagte sowohl das PZV des Anästhesisten D als auch das PZV des Anästhe­sisten F aus Sicherstell­ungsgründen an­passen müssen.

 

Demgegenüber hat die Beklagte darauf verwiesen, dass der Anästhesist F bereits Anfang Oktober 2014 über einen halben Versorgungsauftrag für Leistungen der speziellen Schmerz­therapie als Sonderbedarf verfügt habe. Da er insoweit seine vertragsärztliche Tätigkeit aber erst am 20. Oktober 2014 aufgenommen habe, sei ihm zu Recht nur ein anteiliges (mit dem Faktor 0,8968 berechnetes) PZV zugewiesen worden, welches er im Übrigen nicht ausge­schöpft habe. Daneben sei zu berücksichtigen, dass nach den Vorgaben im HVM seit dem Quartal IV/2014 die schmerztherapeutischen Gebühren­ordnungspositionen (GOP) 30702 und 30704 des Einheitlichen Bewertungsmaßstabs für vertragsärztliche Leistungen (<EBM>; in der ab dem 1. Januar 2014 gültigen Fassung) stets nach dem Orientierungswert vergütet würden. Nur die übrigen schmerztherapeutischen GOPen unterlägen noch der PZV-Systematik.  

 

Im Laufe des erstinstanzlichen Verfahrens hat die Beklagte außerdem den gegen die Härtefall-Entscheidung des HVM-Teams von der Klägerin fristgerecht eingelegten Widerspruch zurück­gewiesen (weiterer Widerspruchsbescheid vom 5. September 2018).

 

Das SG Kiel hat die Klage mit Urteil vom 5. Dezember 2018 abgewiesen. In der Recht­sprech­ung der Kammer sei geklärt, dass die für die Honorarverteilung ab dem Quartal IV/2013 einge­führte PZV-Systematik im Wesentlichen mit höherrangigem Recht zu vereinbaren und daher nicht zu beanstanden sei. Das gelte auch für die anteilige PZV-Bemessung des Anästhesisten F. Das fachärztliche Mitglied der Klägerin habe in schmerztherapeutischer Hinsicht seine vertragsärztliche Tätigkeit erst im Laufe des Quartals IV/2014 aufgenommen; die Gewährung eines anteiligen Honorarvolu­mens sei daher sachge­recht. Daneben sei zu berück­sichtigen, dass die Gestaltung einer Honorarverteilungssystematik komplexe Kalkulationen, Bewertun­gen, Einschätzungen und Prognosen erfordere, die nicht jeden Einzelfall abbilden könnten, sondern notwendigerweise auf generalisierende, typisierende und pauschalierende Rege­lungen angewiesen sei. Vor diesem Hintergrund sei die beklagte KÄV weder nach dem Grundsatz der Honorarverteilungsgerechtigkeit noch dem Grundsatz der leistungsproportio­nalen Vergütung verpflichtet, für die Leistungen der speziellen Schmerztherapie anstelle der fach­gruppenbezogenen PZV arzt­grup­penübergreifende Volumina zu bilden. Im Einzelfall be­stehende und mit dem berechneten fachgruppenbezogenen PZV nicht vereinbare Beson­der­heiten könnten allenfalls über die Härtefallklausel in Teil C Ziffer 4 Absatz 11 HVM IV/2014 berück­sichtigt werden. Da der Anästhesist F aber das ihm für das streitbefangene Quartal zuge­wiesene PZV nicht ausgeschöpft habe, seien die für eine Erhöhung des Honorarvolu­mens von der Klägerin angeführten Sicherstellungsgründe nicht ersichtlich.

 

Gegen dieses Urteil (zugestellt am 11. Dezember 2018) wendet sich die Klägerin mit der Beru­fung vom 11. Januar 2019 und stützt sich dabei zunächst auf ihren erstinstanzlichen Vortrag. Ergänzend macht sie geltend, dass der Anästhesist F bereits vor dem 1. Oktober 2014 (mit einem halben Versorgungsauftrag) vertragsärztlich tätig gewesen sei und diese Tätigkeit nicht erst im Laufe des Quartals IV/2014 aufgenommen habe. Unabhängig davon hätte das SG Kiel bei seiner Entscheidung berücksichtigen müssen, dass es sich bei der Klägerin um eine BAG mit einer kollegialen Zusammenarbeit der fachärztlichen Mitglieder handele, die gegenüber der beklagten KÄV als eine einheitliche Rechtsper­sönlichkeit auftrete. Darüber hinaus habe das SG Kiel in dem angefochtenen Urteil verkannt, dass aufgrund der vorliegend maßgeblichen, am Fachgruppendurchschnitt ausgerichteten Honorarverteilungsstrukturen im Fall der Anästhesisten bereits die (teilweise) Einbeziehung schmerztherapeutischer Leistun­gen in die PZV-Syste­matik gegen den Grundsatz der Honorarverteilungsgerechtigkeit ver­stoße. Hintergrund sei der Umstand, dass das Durchschnitts-PZV der Anästhesisten wegen des hohen Anteils extrabudgetärer Leistungen deutlich geringer ausfalle als das anderer Facharztgruppen, die ggf ebenfalls schmerztherapeutische Leistungen erbringen würden. Aufgrund dieser Vergütungssituation hätte die beklagte KÄV zwingend bei Anästhesisten, die – wie die fachärztlichen Mitglieder D und F – schmerztherapeutische Leis­tungen im Schwerpunkt erbringen, zumindest einen Härtefall anerkennen müssen.      

 

Die Klägerin beantragt,

 

  1. das Urteil des Sozialgerichts Kiel vom 5. Dezember 2018 aufzuheben und den Honorarbescheid sowie die PZV-Mitteilung der Beklagten für das Quartal IV/2014, hilfsweise auch den Härtefallbescheid der Beklagten vom 14. Oktober 2015, jeweils in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 2. Dezember 2015 bzw 5. September 2018 zu ändern

 

  1. die Beklagte zu verurteilen, über den Honoraranspruch der Klägerin für das Quartal IV/2014 unter Beachtung der Rechtserfassung des Senates neu zu entscheiden.

 

Die Beklagte beantragt,

 

die Berufung zurückzuweisen.

 

Sie hält die angefochtene Entscheidung für zutreffend und macht ergänzend geltend, dass die Rechtspersönlichkeit einer BAG nicht zur Folge habe, dass deren fachärztliche Mitglieder nicht mehr individuell betrachtet werden könnten. Da im Übrigen der HVM IV/2014 eine Reihe von Sonderregelungen für die Erhöhung des zugewiesenen Punktzahlvolumens aus Sicherstel­lungsgründen bzw wegen einer unbilligen Härte vorsehe, bestehe kein Anlass, gerade bei schmerz­therapeutischen Leistungen von der Honorarverteilungssystematik abzuweichen, zumal auch die Mitglieder anderer Facharztgruppen insoweit reklamieren könnten, besondere Leistungen zu erbringen. Außerdem sehe der HVM IV/2014 eine Zugewinnregelung vor, sodass ein überdurchschnittlich abrechnender Arzt sein PZV perspektivisch auch erhöhen könne.

 

Wegen des weiteren Sach- und Streitstands wird auf den Inhalt der Gerichtsakten sowie der beigezogenen Verwaltungsunterlagen verwiesen. Die Akten sind Gegenstand der mündlichen Verhandlung gewesen.

 

 

 

Entscheidungsgründe

Die Berufung der Klägerin ist zulässig, aber nur in geringem Umfang begründet. Das SG Kiel hat ihre Klage im Wesentlichen zu Recht abgewiesen.

 

1. Gegenstand des Verfahrens iSv § 123 Sozialgerichtsgesetz (SGG) ist das anhaltende Begehren der Klägerin auf die Gewährung einer höheren Vergütung für die im Quartal IV/2014 erbrachten schmerztherapeutischen Leistungen. Insoweit richtet sich ihre Klage zunächst dem Grunde nach gegen die Einbeziehung dieses Leistungsbereichs (bis auf die GOPen 30702 und 30704 EBM) in die im HVM IV/2014 festgelegte PZV-Systematik; hilfsweise gegen die Ablehnung einer entsprechenden Härtefallanpassung für die von den fachärztlichen Mitglie­dern der Klägerin im Quartal IV/2014 erbrachten schmerztherapeutische Leistungen. Zumin­dest aber begehrt die Klä­gerin statt eines zeitanteiligen ein volles Durchschnitts-PZV für ihr fachärztliches Mitglied F.

 

Dabei ist auch die Härtefallentscheidung der Beklagten vom 14. Oktober 2015 in Gestalt des im Laufe des erstinstanzlichen Verfahrens erlassenen Widerspruchsbescheids vom 5. Sep­tember 2018 Gegenstand des Verfahrens geworden; die entsprechende Klageerweiterung ist nach § 99 Abs 1 SGG (durch Einwilligung und Sachdienlichkeit) zwanglos zulässig gewesen.

 

2. Die so verstandene Anfechtungs- und Neubescheidungs­klage (§ 54 Abs 1 iVm § 131 Abs 3 SGG) der Klägerin ist insgesamt statthaft. Die Klage ist im Wesentlichen aber bereits unzu­lässig, weil die beklagte KÄV vorliegend – mangels vorheriger entsprechender Anträge der Klägerin – weder in der angefochtenen PZV-Mitteilung noch in den streitbefangenen Honorar- und Härte­fallbe­scheiden eine Verwaltungsent­scheidung über eine Be­freiung schmerzthera­peutischer Leistungen der Anästhesisten von mengensteu­ern­den Vorgaben (hier: in Form der PZV-Systematik) oder eine Härtefallanpassung für das PZV des fachärztlichen Mitglieds der Klägerin D getroffen hat.

 

Nach allgemeiner Auffassung aber kann eine Anfechtungs- und Neubescheidungsklage nur erhoben und vom Gericht auch in der Sache geprüft werden, wenn die zuständige Behörde vorher einen Verwaltungsakt iSv § 31 Zehntes Buch Sozialgesetzbuch (SGB X) erlassen hat, mit dem sie die Einräumung einer zuvor beantragten Rechtsposition abgelehnt hat (vgl zu der pro­zessual gleichgelagerten Konstellation einer Anfechtungs- und Verpflichtungsklage Keller in: Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer/Schmidt, SGG, 13. Aufl 2020, § 54 Rn 21; aus der Recht­sprechung vgl Bundessozialgericht <BSG>, Urteil vom 31. März 2006 – B 2 U 24/04 R - juris). Ein derartiger Verwaltungsakt (und ein dazugehöriger Widerspruchsbescheid iSv § 78 SGG) liegt jedoch nicht vor. Wie sich aus den Verwaltungsunterlagen der Beklagten hinrei­chend deutlich ergibt, hat die Klägerin mit Schreiben vom 8. Juli 2015 „nur“ den Antrag gestellt, dem fachärztlichen Mitglied F im Quartal IV/2014 das volle Durchschnitts-PZV der Anästhe­sisten zu gewähren und zusätzlich dessen PZV (und nicht noch zusätzlich das PZV des fachärztlichen Mitglieds D) „aus Sicherstellungsgründen“ anzupassen. Lediglich diese beiden Begeh­ren hat die Beklagte im Anschluss abgelehnt; darauf beziehen sich auch ausdrücklich die angefochtenen Widerspruchs­bescheide der Beklagten vom 2. De­zember 2015 bzw 5. Sep­tember 2018 (vgl hierzu die Ausführungen auf Blatt 84 in Band I und Blatt 125 in Band II der Verwaltungsunterlagen).

 

Die von der Klägerin in diesem Verfahren in erster Linie begehrte (aber gegenüber der Beklag­ten zuvor nicht beantragte und deshalb auch nicht beschiedene) Befreiung schmerzthera­peutischer Leistungen der Anäs­thesisten von mengensteuernden Vorgaben in dem hier maßgeblichen Honorar­verteilungsmaßstab bzw die Anpassung des PZV des Anästhesisten D aus Sicher­stellungsgründen kann der Senat nach alledem in der Sache nicht prüfen.

 

3. Die im Übrigen zwar zulässige Anfechtungs- und Neube­scheidungsklage der Klägerin hat in der Sache jedoch nur in geringem Umfang Erfolg. Insoweit weist der Senat zunächst in einem obiter dictum darauf hin, dass die Klägerin unter keinem denkbaren Gesichtspunkt einen An­spruch darauf hat, dass schmerz­therapeutische Leistungen insgesamt aus der im HVM IV/2014 geregelten PZV-Systematik ausgeschlossen und damit im Ergebnis ohne mengen­steuernde Maßgaben vergütet werden (dazu 4. und 5.). Ferner steht die Klägerin im streitbe­fangenen Quartal kein Anspruch darauf zu, dass das Honorarvolumen des Anästhe­sisten F aus Sicherstel­lungsgründen angepasst bzw erhöht wird (dazu 6.). Allerdings lässt sich den Hono­rarver­teilungsvorgaben der Beklagten keine Regelung entnehmen, die eine zeitan­teilige PZV-Gewährung aufgrund einer verzögerten Aufnahme der vertragsärztlichen Tätigkeit recht­fertigen könnte (dazu 7.) Allein aus diesem Grund sind die ua angefochtene PZV-Mit­teilung und der Honorarbescheid für das Quartal IV/2014 in Gestalt des Widerspruch­bescheids vom 2. Dezember 2015 (nicht aber die Bescheide hinsichtlich der Ablehnung einer Härtefallanpas­sung) aufzuheben und die Beklagte zu verurteilen, den Honoraranspruch der Klägerin im Quartal IV/2014 unter Beachtung der Rechtsauffassung des Senats neu zu bescheiden.

 

4. Rechtsgrundlage für die Berechnung der Punktzahlvolumina in dem hier streitbefangenen Zeitraum ist die Regelung in § 87b Abs 1 Sozialgesetzbuch Fünftes Buch (<SGB V>; hier anzuwenden idF des Gesetzes zur Verbesserung der Versorgungsstrukturen in der gesetz­lichen Krankenversicherung <GKV-VStG> vom 22. Dezember 2012, BGBl I 2983). Danach obliegt der beklagten KÄV die Verteilung der mit den Krankenkassenverbänden vereinbarten Gesamtvergütungen an die Ärzte, Psychotherapeuten, medizinischen Versorgungszentren (MVZ) sowie ermächtigten Einrichtungen, die an der vertragsärztlichen Versorgung teilnehmen – und zwar getrennt für die Bereiche der hausärztlichen und der fachärztlichen Versorgung. Sie wendet dabei den Verteilungsmaßstab an, der im Benehmen mit den Krankenkassenver­bänden auf Landesebene festgesetzt worden ist. Ergänzend dazu hat der Verteilungsmaßstab nach § 87b Abs 2 Satz 1 SGB V Regelungen vorzusehen, die verhindern, dass die Tätigkeit des Leistungserbringers über seinen Versorgungsauftrag nach § 95 Abs 3 SGB V oder seinen Ermächtigungsumfang hinaus übermäßig ausgedehnt wird; dabei soll dem Leistungserbringer eine Kalkulationssicherheit hinsichtlich der Höhe seines zu erwartenden Honorars ermöglicht werden.

 

Mit der Neufassung von § 87b SGB V durch das GKV-VStG ist der Gesetzgeber in wesentli­chen Punkten zur Verteilungssystematik aus der Zeit vor Inkrafttreten der Änderungen durch das Gesetz zur Modernisierung der gesetzlichen Krankenversicherung (GMG) zum 1. Januar 2004 zurückgekehrt und hat die bundesgesetzlichen Vorgaben, insbesondere die Implemen­tation der RLV, weitgehend zurückgenommen (dazu bereits Bundessozialgericht <BSG>, Urteil vom 2. August 2017 – B 6 KA 16/16 R – juris mwN). Seit dem Jahr 2012 sind die KÄVen daher wieder berechtigt – im Benehmen mit den Verbänden der Krankenkassen – die Honorar­verteilung weitgehend nach eigenen Präferenzen zu gestalten, wobei allerdings nach § 87b Abs 4 Satz 2 und 3 SGB V Vorgaben der Kassenärztlichen Bundesvereinigung (KÄBV) zu beachten sind (vgl hierzu BSG, Urteil vom 8. August 2018 – B 6 KA 26/17 R – juris). Ergänzend dazu hat der Gesetzgeber in § 87b Abs 1 Satz 3 SGB V geregelt, dass die bisherigen (Honorar­verteilungs-)Bestimmungen, insbesondere zur Zuweisung von arzt- und praxisbezogenen Re­gelleistungsvolumina (RLV), bis zur Entscheidung über einen (neuen) Verteilungsmaßstab vorläufig fortgelten. Vor diesem Hintergrund hat die Beklagte ab dem Quartal IV/2013 be­schlossen, die für die Verteilung der vereinbarten Gesamtvergütungen – nach wie vor vorge­schriebene – Leistungsbegrenzung nicht mehr über RLV, sondern über Punktzahl­volumina zu realisieren.

 

a) Für die PZV-relevanten Arztgruppen, zu denen im Quartal IV/2014 im fachärztlichen Bereich auch Fachärzte für Anästhesiologie gehört haben (dazu Anlage 1 zum HVM der KÄV Schleswig-Holstein in der Beschlussfassung der Vertreterversammlung vom 24. September 2014), ist die Berechnung der PZV nach den Vorgaben in Teil C (Bildung und Weiterent­wicklung von arzt- und praxisbezogenen Mengensteuerungen <PZV und Sonderregelungen>) des HVM für IV/2014 erfolgt. Dementsprechend sind die PZV für das jeweilige Abrechnungs­quartal arztbezogen zu ermitteln (Teil C Ziffer 2 Satz 1 des HVM) und praxisbezogen zuzuweisen (Teil C Ziffer 2 Abs 4 dritter Spiegelstrich des HVM) gewesen. Die Höhe des arztbezogenen PZV hat sich dabei – vereinfacht dargestellt – für Ärzte mit einem vollen Versorgungsauftrag im sogenannten Ausgangszeitraum (Quartale IV/2013 bis III/2014) aus der Multiplikation der anerkannten und anhand der Punktzahlen im Einheitlichen Bewertungs­maßstab umgerechneten Leistungsmenge aus dem jeweiligen Vorjahresquartal (dazu Teil C Ziffer 2 Abs 1 Satz 3 des HVM) mit einer zur Dämpfung der Auswirkungen zwischen den Arztgruppen zu ermittelnden versorgungsbereichsspezifischen Quote (dazu Teil C Ziffer 2 Abs 2 und 3 des HVM) sowie einem arztindividuellen Anpassungsfaktor (dazu Teil C Ziffer 2 Abs 4 des HVM) ergeben. Die nach diesen Vorgaben arztindividuell zugewiesenen PZV haben sich dabei in der Folgezeit (ab dem hier streitbefangenen Quartal IV/2014) durch ein soge­nanntes Zugewinnvolumen fortentwickeln können. Dafür ist zunächst die arztindividuelle und die gruppenspezifische durchschnittliche Auslastung der PZV ermittelt worden. Hat dabei die arzt­individuelle Auslastung über der gruppenspezifischen durchschnittlichen Auslastung gelegen, hat der jeweilige Arzt mit seiner das PZV überschreitenden Leistungsmenge am Zugewinn im Fol­gejahresquartal teilgenommen (dazu Teil C Ziffer 3 Abs 1 und 2 des HVM).

 

Von der dargestellten PZV-Systematik sind ua allerdings die Leistungen nach den GOPen 30702 und 30704 EBM ausgenommen gewesen; diese sind stets mit dem Orientierungswert vergütet worden, sofern der jeweilige Vertragsarzt die GOP 30704 EBM im Abrechnungsquar­tal regelhaft abgerechnet hat (Teil B Ziffer 5 des HVM IV/2014)

 

b) Daneben hat der HVM der Beklagten ua noch ausdrücklich als Sonderregelungen bezeichnete Vorgaben zur Berechnung und Fortentwicklung der PZV von Ärzten enthalten, die im Vor­jahresquartal noch nicht niedergelassen gewesen sind (sog Neupraxen). Diese Ärzte haben durchgehend im ersten Jahr der Niederlassung und – soweit sie in den folgenden 16 Quartalen vertragsärztliche Leistungen unterhalb des jeweiligen Fachgruppendurchschnitts erbracht und abgerechnet haben – das Durchschnitts-PZV ihrer Arztgruppe erhalten (dazu Teil C Ziffern 2 und 3 des HVM für IV/2014).

 

5. Die vorangestellt dargelegte Honorarverteilungssystematik ist dem Grunde nach als recht­mäßig anzusehen (vgl hierzu BSG, Urteil vom 2. August 2017 – B 6 KA 16/16 R; vgl auch Landessozialgericht <LSG> Schleswig-Holstein, Urteil vom 29. Mai 2018 – L 4 KA 12/16; die dagegen eingelegte Nichtzulassungsbeschwerde hat das BSG mit Beschluss vom 13. Mai 2020 – B 6 KA 43/18 B - zurückgewiesen). Entgegen der Auffassung der Klägerin ist die (teilweise) Einbeziehung schmerztherapeutischer Leistungen in die PZV-Syste­matik des HVM IV/2014 – unabhängig von der insoweit bestehenden Unzulässigkeit der Klage (vgl hierzu die Ausführungen unter Ziffer 2.) – auch in der Sache nicht zu beanstanden. Ein Verstoß gegen höherrangiges Recht (Grundsatz der Honorarverteilungsgerechtigkeit) kann in diesem Um­stand nicht erblickt werden.

 

a) In der mittlerweile ständigen höchstrichterlichen Rspr ist geklärt, dass vor dem Hintergrund begrenzter Gesamtvergütungen schon dem Grunde nach kein vertragsärztlicher Leistungs­bereich generell von Maßnahmen der Mengensteuerung ausgenommen werden kann. Maß­geblich für diese Überlegung ist, dass auch unter der seit dem 1. Januar 2009 gesetzlich vor­gesehenen Vergütungssystematik (vgl hierzu die Ausführungen unter Ziffer 4.) die morbi­ditäts­bedingte Gesamtvergütung (MGV) der Höhe nach begrenzt ist (vgl hierzu BSG, Urteil vom 11. Dezember 2013 – B 6 KA 6/13 R – juris Rn 21 ff mwN). Daher muss sich die Notwendigkeit, (mengen-)steuernd einzugreifen, regel­mäßig auf alle vertragsärztlichen Leistungsbereiche be­ziehen - auch auf schmerztherapeu­tische Leistungen, da sie ebenfalls aus der MGV zu vergü­ten sind. Entsprech­end ist davon auszugehen, dass der Gesetzgeber mit dem Zusammen­wirken der zum 1. Januar 2009 wirksam gewordenen Regelungen in § 87a Abs 3 SGB V (zur MGV) und in § 87b Abs 2 und 4 SGB V (zur Honorarverteilungssystematik) die Gesamt­vertragspartner auf Landesebene be­rechtigt hat, ein lückenloses System für eine mit Mengen­steuerungsvorgaben ausgerichtete Honorarverteilung vorzugeben. Mit dieser Systematik sind Leistungen, die ohne eine Mengen- und Preissteue­rung zwingend mit festen Punktwerten oder Euro-Beträgen vergütet werden müssen, regelmä­ßig nicht vereinbar (vgl hierzu BSG, Urteil vom 19. August 2015 – B 6 KA 34/14 R – juris Rn 28 ff mwN). Insoweit ist eine gesonderte (außer­halb der PZV-Systematik liegende) Vergütung schmerztherapeutischer Leistungen allenfalls dann (zwingend) erforderlich, wenn das Gesetz dies als Ausnahme­regelung aus­drücklich (wie im hier maßgeblichen Zeitraum für antragspflichtige psychotherapeutische Leistungen nach § 87b Abs 2 Satz 3 SGB V) vorsieht. Hieran fehlt es vorliegend aber. 

 

b) Etwas anderes ergibt sich auch nicht aus dem Umstand, dass der Bundesgesetzgeber in § 87a Abs 1 Satz 3 SGB V die Gesamtvertragspartner auf Landesebene ermächtigt hat, unter bestimmten Voraussetzungen Zuschläge für besonders förderungswürdige Leistungen oder für Leistungen von besonders zu fördernden Leistungserbringern zu vereinbaren. Denn die für Schleswig-Holstein zuständigen Gesamtvertragspartner haben – wie die Beklagte auf Nach­frage des Senats in der mündlichen Verhandlung mitgeteilt hat – keine entsprechende Verein­barung für schmerztherapeutische Leistungen getroffen; vielmehr hat die beklagte KÄV von sich aus beschlossen, zumindest einen Teil dieses Leistungsbereichs (die GOP 30702 und die GOP 30704 EBM) aus der im Übrigen geltenden PZV-Systematik herauszunehmen. 

 

c) Auch im Übrigen sind keine (Sach-)Gründe ersichtlich, die eine Vergütung sämtlicher schmerz­thera­peutischer Leistungen außerhalb der PZV-Systematik zwingend erforderlich machen.

 

Zwar mag es zutreffend sein, dass bei der Facharztgruppe der Anästhesisten wegen des in der Regel hohen Anteils an extrabudgetär vergüteten Leistungen das Durchschnitts-PZV deutlich geringer ausfällt als das anderer (Fach-)Arztgruppen. Dieser Umstand bedeutet aber nicht, dass deshalb bereits die Einbeziehung der (arztgruppenübergreifenden) schmerzthera­peutischen Leistungen in die hier nach § 87b Abs 2 S 1 SGB V zur Verhinderung einer über­mäßigen Ausdehnung der Tätigkeit von Vertragsärzten dienende (arztgruppenbezogene) PZV-Systematik gesetzlich ausgeschlossen wäre. Denn die Ausgestaltung der ab 2012 wieder von den KÄVen auszuarbeitenden Honorarverteilungssystematik ist nicht auf diese Zielsetz­ung beschränkt. Der Benennung dieses Normzwecks im Gesetz selbst kommt kein Aus­schließlich­keits­cha­rakter in dem Sinn zu, dass allein diese Zielsetzung bei der Ausgestaltung der men­gen­begrenzenden Vorgaben in einem HVM verfolgt werden kann. Eine derartige Beschrän­kung lässt sich den gesetzlichen Vorschriften nicht entnehmen und würde im Übrigen die Verteilungssystematik wegen der strengen Anforderungen an das Vorliegen einer "über­mäßi­gen Ausdehnung" auch weitgehend funktionslos werden lassen. Entsprechend ist in der Rechtsprechung der Sozialgerichte geklärt, dass die KÄVen bei der Festlegung der Vorgaben für mengensteuernde Vorgaben auch andere legitime Ziele verfolgen können - wie zB die Anreize für eine Fall- oder Punktzahlmehrung zur Honorarsteigerung (weiter) zu mindern und dadurch die Gesamthonorarsituation zu stabilisieren sowie die Kalkulierbarkeit der Einnahmen aus einer vertragsärztlichen Tätigkeit insgesamt zu verbessern (vgl hierzu BSG, Urteil vom 11. Dezember 2013 – B 6 KA 6/13 R – juris Rn 21 ff mwN).

 

Nach dem unwidersprochenen Vortrag der Beklagten im Klage- und Berufungsverfahren liegt eine solche Konstellation hier auch vor: Um weiteren Friktionen zwischen den verschiedenen (Fach-)Arztgruppen entgegenzuwirken, hat die beklagte KÄV beschlossen, bis auf wenige Ausnahmen alle vertragsärztlichen Leistungsbereiche in die PZV-Systematik mit einzube­ziehen und dadurch die Honorarsituation insgesamt zu stabilisieren. Dem liegt erkennbar die Überlegung zugrunde, dass bei einer Mengensteuerung über PZV die Vergütung der außerhalb der Volumina erbrachten Behandlungsleistungen uU erhebliche Auswirkungen auf den Vergütungsumfang der anderen (Fach-)Arztgruppen hat, deren Behandlungsleistungen gleichermaßen aus der begrenzten MGV abzudecken sind. Würden stattdessen sämtliche schmerztherapeutischen Leistungen - wie vorliegend von der Klägerin geltend gemacht - ohne Abstaffelung bzw Quotierung vergütet, hätte dies zwangsläufig zur Folge, dass der auf diesen Leistungsbereich entfallende Anteil der Gesamtvergütungen für die Vergütung der vertrags­ärztlichen Leistungen aus anderen Fachbereichen nicht mehr zur Verfügung stünde. In diesen Bereichen wäre dann uU weder eine angemessene Honorierung noch eine ausreichende Kalkulationssicherheit gewährleistet, sodass im Extremfall die Funktionsfähigkeit der vertrags­ärztlichen Versorgung insgesamt beeinträchtigt sein könnte. Vor diesem Hintergrund ist die unbeschränkte Einbeziehung auch der Fachärzte für Anästhesiologie in die PZV-Systematik im Quartal IV/2014 zwanglos von dem den KÄVen zustehenden Gestaltungsspielraum bei der Ausgestaltung der Vorgaben für die Mengensteuerung durch Honorarvolumina nach § 87b Abs 2 SGB V gedeckt.

 

Ferner hat das SG Kiel in dem hier angefochtenen Urteil mit zutreffender Begründung bereits darauf hingewiesen, dass im Rahmen der PZV-Systematik auch nicht zwingend zwischen (Fach-)Arzt­gruppen, die ausschließlich oder überwiegend schmerztherapeutisch tätig sind, und anderen Arztgruppen unterschieden werden muss. Auch der Umfang der im Einzelfall bestehenden Behandlungsnotwendigkeit eines Patienten steht in keinem Zusammenhang damit, dass die Folgen aus der weiterhin bestehenden Begrenzung der Gesamtvergütungen möglichst gleichmäßig auf die unterschiedlichen Arztgruppen und vertragsärztlichen Leistungen zu verteilen sind. Nur so kann verhindert werden, dass sich der Anteil einzelner Arztgruppen an dem Volumen der Gesamtvergütungen trotz konstanten Behandlungsbedarfs zu Lasten der übrigen Arztgruppen verändert. Daher besteht die innere Rechtfertigung für eine mit den begrenzten Gesamtvergütungen einhergehende und möglichst umfassende Mengen­steuerung (und damit der Abweichung von einer rein leistungsproportionalen Honorarver­teilung) gerade darin, dass damit unabhängig von der unterschiedlichen Mengenentwicklung eine Gleichbehandlung der unterschiedlichen Arztgruppen nach Maßgabe des von ihnen sicherzustellenden medizinischen Versorgungsbedarfs gewährleistet wird (vgl hierzu BSG, Urteil vom 29. August 2007 – B 6 KA 2/07 R – juris Rn 24 ff mwN). Dem entsprechen auch die Vorgaben im HVM IV/2014 der Beklagten, weil danach die einzelnen PZV auf der Grundlage des tatsächlichen medizinischen Versorgungsbedarfs der Patienten in den unterschiedlichen Versorgungsbereichen (unter Anknüpfung an die Abrechnungsvolumina der verschiedenen <Fach->Arztgruppen aus einem früheren Zeitraum) für alle davon betroffenen Vertragsärzte nach einheitlichen Kriterien bemessen werden.

 

Unabhängig davon lässt die Klägerin schließlich bei ihrer Argumentation außer Betracht, dass der Vertragsarzt mit seinen erbrachten Leistungen keinen Honoraranspruch in einer bestimm­ten (durch die Euro-Gebührenordnung vorgegebenen) Höhe erwirbt, sondern nur einen angemessenen Anteil an den begrenzten Gesamtvergütungen (vgl hierzu BSG, Urteil vom 17. Juli 2013 – B 6 KA 45/12 R – juris Rn 25 ff mwN). Es trifft daher auch in der Sache nicht zu, dass bei einer Mengensteuerung durch vorher festgelegte PZV einzelne schmerzthera­peutische Leis­tungen unvergütet bleiben können; vielmehr sinkt dadurch die Vergütungshöhe der von dem Vertragsarzt insgesamt erbrachten (Haupt- und Zusatz-)Leistungen (stRspr des BSG; vgl hierzu ua das Urteil vom 10. März 2004 – B 6 KA 3/03 R – juris Rn 20 mwN). Nach wie vor aber wird jede vertragsärztliche Leistung vergütet; allenfalls die Höhe der Honorierung kann dabei von der sich aus dem EBM (in Punktzahlen) vorgegebenen Leistungsbewertung abweichen.

 

d) Anders als die Klägerin meint ist auch nicht zu erkennen, dass die im Quartal IV/2014 an sie gezahlte Vergütung für die insgesamt in diesem Zeitraum von den fachärztlichen Mitglie­dern erbrachten schmerztherapeutischen Leistungen unangemessen niedrig seien oder einen Verstoß gegen den Grundsatz der Honorarverteilungsgerechtigkeit darstellen könnte.

 

Nach der stRspr der Sozialgerichte kommt ein Anspruch auf die Gewährung höheren Honorars aus § 72 Abs 2 SGB V iVm Art 12 Abs 1 Grundgesetz (GG) erst dann in Betracht, wenn in einem (Fach-)Arztbereich kein ausreichender finanzieller Anreiz mehr besteht, vertragsärztlich tätig zu werden und deshalb in dem jeweiligen Bereich die Funktionsfähigkeit der vertrags­ärztlichen Versorgung gefährdet ist (vgl hierzu ua BSG, Urteil vom 17. Februar 2016 - B 6 KA 46/14 R - juris Rn 30 ff mwN). Anhaltspunkte dafür, dass im Bereich der beklagten KÄV in dem hier maßgeblichen Zeitraum eine solche Konstellation für die Fachgruppe der Anästhesiologen bestanden haben könnte, sind weder ersichtlich noch macht die Klägerin solche geltend. Unabhängig davon kann allein aus der aus Sicht der Klägerin zu geringen Vergütung für einzelne der im EBM vorgesehenen schmerztherapeutischen GOPen regelmäßig nicht auf eine Gefährdung der vertragsärztlichen Versorgung in diesem Fachbereich geschlossen werden. Auch die eher knapp gehaltenen Darlegungen der Klägerin zu der im Bereich der speziellen Schmerztherapie fehlenden Kalkulationssicherheit belegen nicht, dass im streitbefangenen Quartal die Versorgung in diesem Bereich vergütungsbedingt nicht mehr gewährleistet gewesen ist. Zwar wird bei jeder Vergütungsform für vertragsärztliche Leistungen, bei der die Höhe der Vergütung erst nachträglich abschließend festgelegt werden kann, zwangsläufig die in § 87b Abs 2 SGB V normierte Kalkulationssicherheit beeinträchtigt. Allerdings kann bei begrenzten Gesamtver­gütungen eine derartige Sicherheit regelmäßig auch nur im Rahmen des zur Verfügung stehenden Vergütungsvolumens gewährleistet werden (vgl hierzu BSG, Urteil vom 19. August 2015 - B 6 KA 33/14 R - juris Rn 56).

 

Im Übrigen weist die beklagte KÄV zutreffend darauf hin, dass die von den fachärztlichen Mitgliedern der Klägerin im Quartal IV/2014 erbrachten schmerztherapeutischen Leistungen letztlich durchgehend mit dem Orientierungswert und damit ohne eine mengensteuerungs­bedingte Minderung vergütet worden sind. Ausweislich des hier maßgeblichen Honorarbe­scheids haben die fachärztlichen Mitglieder der Klägerin D und F in diesem Zeitraum (neben den bereits dem Grunde nach mit dem Orientierungswert zu vergütenden GOPen 30702 und 30704 EBM) weitere schmerztherapeutische Leistungen in einem Umfang von (gerundet) 155.000 Punkten erbracht (vgl hierzu Blatt 58 in Band I der Verwaltungs­unterlagen). Das zusammengerechnete PZV der beiden Fachärzte hat im Quartal IV/2014 demgegenüber 194.257,7 Punkte betragen; demnach sind sämtliche der in dem streitbefange­nen Quartal von der Klägerin abgerechneten schmerztherapeutischen Leistungen mit dem Orientierungswert und damit im Ergebnis unbudgetiert vergütet worden. Vor diesem Hinter­grund ist eine unangemessen niedrige Vergütung der Klägerin in diesem Leistungsbereich nicht einmal im Ansatz erkennbar.

 

Hinzu kommt noch, dass die beklagte KÄV im HVM IV/2014 zahlreiche Ausnahmetatbestände festgelegt hat, in denen entweder das PZV eines Vertragsarztes erhöht werden kann bzw Leistun­gen über das PZV hinaus mit dem Orientierungswert vergütet werden können (vgl hierzu die Regelungen in Teil C Ziffern 11 bis 13 des HVM für IV/2014) oder Honoraraus­gleichsmaßnahmen zu erbringen sind (vgl hierzu Teil C Ziffer 5 des HVM für IV/2014). Aus Sicht des Senats ist vor diesem Hintergrund ausreichend gewährleistet, dass in Schleswig-Holstein auch im Bereich der schmerztherapeutischen Leistungen eine angemessen vergütete Leistungsmenge zur Sicherstellung der vertragsärztlichen Versorgung zur Verfügung gestanden hat.

 

6. Es sind auch keine Anhaltspunkte dafür ersichtlich, dass das PZV des fachärztlichen Mit­glieds der Klägerin F im Quartal IV/2014 stattdessen „aus Sicherstellungsgründen“ hätte angepasst bzw erhöht werden müssen. Neben dem idZ bereits vom SG Kiel in dem hier angefochtenen Urteil zutreffend angeführten Umstand, dass der Anästhesist F in diesem Zeitraum das ihm zugewiesene PZV iHv 94.016,3 Punkten nicht ausgeschöpft hat, hat die Klägerin im Laufe des Klage- und Berufungsverfahrens auch keinen ansonsten nachvoll­ziehbaren Grund für eine sicherstel­lungsbedingte Neufestlegung von dessen PZV benennen können.

 

An dieser Bewertung ändert sich auch nichts dadurch, dass nach den unwidersprochenen Ausführungen der Klägerin im Schriftsatz vom 12. April 2018 im streitbefangenen Zeitraum in Kiel nur drei schmerztherapeutische Zentren mit Wartezeiten von mindestens drei Monaten für eine entsprechende Behandlung bestanden haben. Zwar sind die Zulassungsgremien dem damit einhergehenden, qualifika­tionsbezogenen Sonderbedarf iS der §§ 36 und 37 der Bedarfsplanungs-Richtlinie offensichtlich durch den dem Anästhesisten F zum 1. Oktober 2014 gewährten halben Versorgungsauftrag für Leistungen der speziellen Schmerztherapie als Sonderbedarf nachgekommen. Entgegen der Auffassung der Klägerin lässt sich aus einer solchen Konstellation aber nicht ableiten, dass in dem hier maßgeblichen Be­darfs­planungs­bereich im Quartal IV/2014 auch ein Sicher­stellungsbedarf an schmerz­thera­peu­tischen Leistungen bestanden hat, der über das Durch­schnitts-PZV der Fachärzte für Anästhe­siologie hinaus­gegangen ist. Gegen einen derartigen Rückschluss spricht insbesondere der unter­durch­schnittliche Umfang der von dem Anästhesisten F in diesem Zeitraum insgesamt erbrachten schmerz­therapeu­tischen Leistungen (der ca 75 vH des durchschnittlichen PZVs eines Anästhesisten betragen hat).

 

7. Soweit die Beklagte allerdings das PZV des fachärztlichen Mitglieds der Klägerin F zeitanteilig (mit dem Faktor 0,8968) berechnet hat, ist die Klage entgegen der Auffassung des SG Kiel zulässig und begründet.

 

Wie sich aus den vorangestellt (unter Ziffer 4.a und b) dargelegten Vorgaben zur Honorar­verteilung im Bereich der beklagten KÄV ergibt, handelt es sich bei dem dem Anästhesisten F zum 1. Oktober 2014 gewährten halben Versorgungsauftrag für Leistungen der speziel­len Schmerztherapie als Sonderbedarf – dieser Umstand ist zwischen den Verfahrensbe­teiligten unstreitig – um eine „Neupraxis“. Nach dem einer anderweitigen Auslegung nicht zu­gänglichen Wortlaut in Teil C Ziffer 2 des HVM für IV/2014 hat die Klägerin daher einen Anspruch darauf, dass ihrem fachärztlichen Mitglied im Quartal IV/2014 zusätzlich zu dem gegenüber dem Quartal IV/2013 weiterentwickelten PZV eines Facharztes für Anästhesiologie ein weiteres (hälftiges) Durchschnitts-PZV der entsprechenden Facharztgruppe zugewiesen wird. Deutlich wird das insbesondere daran, dass in dem Honorarverteilungsmaßstab der Beklagten die mengensteuernden Maßnahmen ersichtlich unabhängig von dem tatsächlichen Zeitpunkt der Aufnahme der vertragsärztlichen Tätigkeit in dem jeweiligen Abrechnungsquartal festgelegt wer­den. Etwas anderes könnte allenfalls dann gelten, wenn normative Regelungen – insbeson­dere in den der Honorarverteilung zugrunde liegenden Vorgaben – einen quartals­bezogenen Ausgleich tatsächlich vorsehen (vgl hierzu BSG, Urteil vom 19. Oktober 2011 – B 6 KA 22/10 R – juris Rn 15). Eine Regelung in der Art, dass wegen einer aus Sicht der Beklagten verzögerten oder ansonsten nur teilweisen Aufnahme der schmerztherapeutischen Tätigkeit eine zeitanteilige Quo­tierung des jeweiligen PZV-Anteils vorgenommen werden kann, lässt sich dem HVM für IV/2014 aber nicht entnehmen. Insofern kann vorliegend dahingestellt bleiben, ob und unter welchen Voraussetzungen eine derartige Quotierung zulässig wäre; zumindest ist die Beklag­te an die Umsetzung der eigenen und insoweit pauschalierenden Honorarverteilungs­vorgaben für Neupraxen im HVM für IV/2014 gebunden (zu dieser Bin­dungswirkung bereits Landessozialgericht <LSG> Schles­wig-Holstein, Urteil vom 28. März 2023 – L 4 KA 12/19).

 

8. Nach alledem ist die Beklagte auf die Berufung der Klägerin zu verurteilen gewesen, den Honoraranspruch der Klägerin im Quartal IV/2014 hinsichtlich des dem fachärztlichen Mitglied F gewährten (zeitanteiligen) PZVs unter Beachtung der Rechtsauffassung des Senats
– wonach die Beklagte verpflichtet ist, die eigenen Honorarverteilungsvorgaben in Teil C Ziffer 2 des HVM für IV/2014 umzusetzen – neu zu bescheiden. Im Übrigen hat die Berufung der Klägerin aber keinen Erfolg haben können, sodass der Senat das Rechtsmittel aus Klar­stellungsgründen zurückgewiesen hat.

 

9. Die Kostenentscheidung folgt aus § 197a Abs 1 Satz 1 SGG iVm den §§ 154 Abs 1 und 2, 155 Abs 1 Satz 3 Verwaltungsgerichtsordnung (VwGO) und berücksichtigt, dass die Beklagte vorliegend nur zu einem geringen (Neubescheidungsan-)Teil unterlegen ist.

 

Gründe, die Revision zuzulassen (§ 160 Abs 2 SGG), liegen nicht vor.

 

Die Festsetzung des Streitwerts folgt aus der Anwendung von § 197a Abs 1 Satz 1 Halbs 1 SGG iVm den §§ 47 Abs 1 Satz 1, 52 Abs 1 bis 3 Gerichtskostengesetz (GKG). Dabei hat der Senat die „Bedeutung der Sache“ für die Klägerin – soweit sie sich mit der Klage gegen die Einbeziehung der schmerztherapeutischen Leistungen von Anästhesisten in die PZV-Systematik im HVM für IV/2014 gewendet hat – in dem Umfang der im streitbefangenen Zeitraum in diesem Leistungsbereich innerhalb des Honorarvolumens abgerechneten Leis­tungen iHv 15.493,70 Euro bemessen. Die außerdem (hilfsweise aber jeweils eigenständige) begehrte Härtefallanpas­sung der PZV der fachärztlichen Mitglieder D und F sind mangels genügender Anhaltspunkte für die Bemessung des diesbezüglichen Streitwerts mit dem Regelwert von je 5.000 Euro zu berücksichtigen. Hinzu kommt noch das auf eine nicht zeitanteilige Honorarvolu­men-Fest­setzung für das fachärztliche Mitglied F gerichtete Begehren der Klägerin in einem Umfang von 982,86 Euro. Aus der Addition dieser Summen bemisst sich der an dem voll­ständigen Klagebegehren der Klägerin anknüpfende Gesamt-Streitwert des Klage- und Berufungsverfahrens über (abgerundet) 26.476 Euro.

Rechtskraft
Aus
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