Tenor:
Die Berufung der Beklagten gegen das Urteil des Sozialgerichts Duisburg vom 16.9.2020 wird zurückgewiesen.
Die Beklagte trägt die außergerichtlichen Kosten der Klägerin auch im Berufungsverfahren.
Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand:
Die Beteiligten streiten um die Gewährung einer Rente wegen Erwerbsminderung.
Die am 00.0.0000 geborene Klägerin ist verheiratet und Mutter eines 0000 geborenen Kindes. Sie absolvierte die Hauptschule und war langjährig bis ca. 2006 in der Handyfertigung tätig. Ab 2008 war sie in lungenfachärztlicher Behandlung bei J. wegen einer COPD. Sie pflegte ihre Eltern bis zu deren Versterben 2013 bzw. 2014. Bei dem Vater wurde 2010 die Pflegestufe 1 festgestellt, bei der Mutter 2011. Die Mutter erlitt Mitte April 2014 einen Schlaganfall. Ende April 2014 wurde bei ihr die Pflegestufe 2 festgestellt. Im Mai 2014 verstarb sie. Die Klägerin befand sich im März/April 2016 in stationärer Rehabilitationsbehandlung in der P. V. mit den Diagnosen COPD Grad 4 nach Gold mit respiratorischer Partialinsuffizienz, Lungenemphysem und arterieller Hypertonie. Ihre letzte Tätigkeit („bis 2006 angelernte Feinmechanikerin, jetzt Hausfrau“) könne sie werktäglich nur noch unter drei Stunden ausüben, Tätigkeiten auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt dagegen über sechs Stunden. Ende Dezember 2016 wurde bei der Klägerin ein Lungenkarzinom festgestellt und operativ entfernt. Lymphknoten waren nicht befallen. Im Dezember 2017/Januar 2018 befand sich die Klägerin in stationärer Rehabilitationsbehandlung in der L.-Klinik am N. mit den Diagnosen Lungenkarzinom rechter Oberlappen, S3-Resektion mit radikaler Lymphadenektomie. Ihre letzte Tätigkeit („Feinmechanikerin, seit 2003 Hausfrau“) könne sie ebenso wie Tätigkeiten auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt werktäglich über sechs Stunden ausüben.
Am 8.10.2016 beantragte die Klägerin eine Rente wegen Erwerbsminderung wegen eines Leistungsfalls am 3.3.2008. Die Beklagte lehnte den Antrag mit Bescheid vom 31.1.2017 ab. Zwischen 2011 und 2016 fehle es an der sog. 3/5 Belegung. Außerdem lägen die medizinischen Voraussetzungen einer Erwerbsminderungsrente nicht vor. Die Klägerin legte am 2.3.2017 Widerspruch ein, machte Versicherungszeiten aufgrund der Pflege ihrer Eltern geltend und verwies auf die unlängst festgestellte Krebserkrankung. Die Beklagte wies den Widerspruch mit Widerspruchsbescheid vom 26.4.2018 zurück. Es fehle weiterhin an Pflichtbeitragszeiten zwischen 2011 und 2016. Die Klägerin sei zudem aus der zuletzt durchgeführten Rehabilitationsbehandlung als vollschichtig leistungsfähig entlassen worden.
Am 1.6.2018 hat die Klägerin gegen den ihren Bevollmächtigten am 2.5.2018 zugestellten Widerspruchsbescheid Klage beim Sozialgericht Duisburg erhoben.
Sie hat unter Vorlage von Behandlungsunterlagen von J. vorgetragen, sie sei bereits 2008 nicht mehr vollschichtig leistungsfähig gewesen.
Die Beklagte hat unter Vorlage beratungsärztlicher Stellungnahmen der Kinder- und Jugendpsychiaterin F. sowie eines Bescheides vom 27.1.2017 über versicherungsrechtliche Zeiten vorgetragen, die versicherungsrechtlichen Voraussetzungen hätten zuletzt im Januar 2011 vorgelegen. 2013 und 2014 habe keine Versicherungspflicht der Klägerin als Pflegeperson bestanden. Aus beiden Reha-Entlassungsberichten ergebe sich eine vollschichtige Leistungsfähigkeit auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt. Die Pflege der Eltern spreche ebenfalls gegen ein aufgehobenes Leistungsvermögen zur damaligen Zeit. Nach Auswertung des vom Sozialgericht eingeholten Gutachtens von E. könne ein aufgehobenes Leistungsvermögen ab der Diagnose der Krebserkrankung Ende 2016 angenommen werden. Es sei eine Angststörung hinzugekommen. Auch die Hausärztin G. bestätige in ihrem Befundbericht für das Sozialgericht eine Verschlimmerung in den letzten drei Jahren. Dass das Leistungsvermögen schon 2011 aufgehoben gewesen sein soll, erschließe sich jedoch nicht.
Das Sozialgericht hat Behandlungsunterlagen von J., G. sowie dem Arzt für Neurologie und Psychiatrie C. beigezogen und ein Sachverständigengutachten aufgrund ambulanter Untersuchung am 5.3.2020 vom Arzt für Innere Medizin, Lungenheilkunde, E. eingeholt. J. hat mitgeteilt, aus seiner Sicht sei die Klägerin schon 2008 nicht mehr in der Lage gewesen, auch nur leichte Tätigkeiten auszuüben. Schon damals habe eine schwere COPD mit respiratorischer Partialinsuffizienz vorgelegen. E. hat insbesondere eine COPD im Stadium 3 nach Gold mit hochgradiger Lungenüberblähung und Z.n. Bronchialkarzinom diagnostiziert. Eine Verschlechterung der Lungenfunktion sei durch den Tumor nicht eingetreten. Die Lungenfunktion sei seit 2008 im Wesentlichen gleich eingeschränkt. Die Klägerin könne körperlich leichte Tätigkeiten drei bis maximal sechs Stunden täglich ausüben. Im 6-Minuten-Gehtest habe sie nur 270 Meter geschafft. Sie habe sich zwar adaptiert, benötige aber für sämtliche Tätigkeiten eine weit höhere Anstrengung und weit häufigere Pausen als Gesunde. Er stimme mit J. überein.
Das Sozialgericht hat nach Zustimmung der Beteiligten mit Urteil ohne mündliche Verhandlung vom 16.9.2020 die Beklagte unter Auferlegung der Kosten verurteilt, der Klägerin ab dem 1.11.2015 eine Rente wegen teilweiser Erwerbsminderung auf Dauer und für den Zeitraum November 2015 bis Oktober 2021 eine Rente wegen voller Erwerbsminderung aufgrund der Verschlossenheit des Teilzeitarbeitsmarktes zu gewähren. Die teilweise Erwerbsminderung – und zwar rückwirkend ab 2011 – ergebe sich aus dem überzeugenden Gutachten von E. und decke sich mit der Einschätzung von J.. Die Tumorerkrankung 2016 und die darauf zurückgehende Angststörung seien für die festgestellte Einschränkung nicht ausschlaggebend. Insofern sei es auch kein Widerspruch, dass die Hausärztin zuletzt eine Verschlechterung angegeben habe. Schließlich stehe die Pflege der Eltern der Annahme eines teilweise eingeschränkten Leistungsvermögens nicht entgegen. Während die teilweise Erwerbsminderung auf Dauer bestehe, sei die Arbeitsmarktrente zu befristen. Die Rente stehe ab November 2015 zu, da der Reha-Antrag aus November 2015 als Rentenantrag gelte. In dem Zeitraum, in dem eine Rente wegen voller Erwerbsminderung zustehe, werde gemäß § 89 SGB VI nur diese geleistet.
Die Beklagte hat gegen das ihr am 29.9.2020 zugestellte Urteil am 20.10.2020 Berufung eingelegt.
Einen Antrag auf Aussetzung der Vollstreckung hat sie zwischenzeitlich zurückgenommen.
Sie wiederholt und vertieft ihr erstinstanzliches Vorbringen unter Vorlage einer weiteren Stellungnahme von F.. Die Pflege der Eltern und die Reha-Entlassungsberichte stünden der Annahme eines relevant eingeschränkten Leistungsvermögens entgegen. Die Klägerin habe sich mit der Leistungseinschätzung nach der letzten Reha-Behandlung ausweislich des Entlassungsberichts ausdrücklich einverstanden erklärt. In den Unterlagen von J. sei wiederholt dokumentiert, dass es ihr subjektiv gut gehe. Die erhobenen Messwerte, die Ergebnisse der Ergometrie und die Ergebnisse der Gehtests ließen keinen Rückschluss auf eine relevante Leistungseinschränkung zu. Die vom Senat gehörte Sachverständige Z. begründe nicht überzeugend, warum gerade 2011 eine solche Leistungseinschränkung vorgelegen haben sollte. Wären die Klägerin und ihre Ärzte von einem früheren Leistungsfall ausgegangen, hätte sie entsprechend früher und nicht erst 2016 einen Rentenantrag gestellt. Erst mit Hinzutreten der Krebserkrankung und der damit verbundenen Angststörung sei ein aufgehobenes Leistungsvermögen plausibel.
Die Beklagte beantragt schriftsätzlich sinngemäß,
das Urteil des Sozialgerichts Duisburg vom 16.9.2020 zu ändern und die Klage abzuweisen.
Die Klägerin beantragt schriftsätzlich sinngemäß,
die Berufung zurückzuweisen.
Die Klägerin verweist auf die Gutachten von U. und Z.. Ihre Mutter sei 2014 nach dem Schlaganfall ins Krankenhaus gekommen und von dort direkt ins Hospiz, wo sie verstorben sei.
Der Senat hat mit Einverständnis der Klägerin Pflegegutachten betreffend die Eltern der Klägerin beigezogen und eine ergänzende Stellungnahme nach Aktenlage von E. sowie ein Sachverständigengutachten aufgrund ambulanter Untersuchung am 9.6.2022 von der Ärztin für Innere Medizin, Lungenheilkunde, Z. eingeholt. E. hat ausgeführt, die Lungenfunktionswerte schwankten seit 2008 nur gering. Während die Klägerin in Ruhe wenig Beschwerden habe, führten sämtliche Belastungen zu deutlicher Luftnot. Soweit pflegerische Tätigkeiten keine körperliche Anstrengung erforderten, seien sie durchaus möglich. Z. hat ausgeführt, die Klägerin habe zu Fuß vier Etagen auf dem Weg zu ihrer Praxis überwinden müssen und dafür acht Minuten benötigt. Es liege eine COPD im Stadium 3b nach Gold vor. Die Lungenfunktionsparameter zeigten einen seit 2010 weitgehend gleichbleibenden Befund. Sie stimme mit E. überein, dass leichte Tätigkeiten werktäglich nur noch drei bis unter sechs Stunden ausgeübt werden könnten. In einer ergänzenden Stellungnahme hat sie ausgeführt, dass sie vergessen habe im Gutachten anzugeben, dass die Belastungsuntersuchung vor Erreichen der altersabhängigen Belastungsgrenze wegen erkennbarer Erschöpfung habe abgebrochen werden müssen. Die Einschätzungen in den Reha-Entlassungsberichten seien unverständlich, zumal jedenfalls für den zweiten Aufenthalt kaum aussagekräftige Befunde dokumentiert seien. Die Pflege von Angehörigen, bei denen die Pflegestufe 1 festgestellt worden sei, stehe einer relevanten Leitungseinschränkung nicht entgegen.
Am 13.1.2023 ist ein Erörterungstermin durchgeführt worden.
Die Beteiligten haben sich mit einem Urteil des Senats ohne mündliche Verhandlung einverstanden erklärt.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die Gerichtsakten und die beigezogene Verwaltungsakte der Beklagten Bezug genommen.
Entscheidungsgründe:
Die zulässige, insbesondere gemäß §§ 143, 144 SGG statthafte und § 151 Abs. 1 SGG fristgerechte Berufung ist unbegründet.
Das Sozialgericht hat auf die kombinierte Anfechtungs- und Leistungsklage die Beklagte zu Recht zur Gewährung einer dauerhaften Rente wegen teilweiser Erwerbsminderung und zur Gewährung einer befristeten Rente wegen voller Erwerbsminderung wegen der Verschlossenheit des Teilzeitarbeitsmarktes verurteilt. Die Klage ist insofern zulässig und begründet, wobei der Senat wie das Sozialgericht davon ausgeht, dass das klägerische Begehren im Hinblick auf eine Rente wegen teilweiser Erwerbsminderung nicht auf eine befristete Rentengewährung beschränkt war. Die Klägerin ist durch die ablehnenden Bescheide der Beklagten im Sinne von § 54 Abs. 2 Satz 1 SGG beschwert, da diese rechtswidrig sind.
Gemäß § 43 Abs. 1 SGB VI haben Versicherte bis zum Erreichen der Regelaltersgrenze Anspruch auf Rente wegen teilweiser Erwerbsminderung, wenn sie 1. teilweise erwerbsgemindert sind, 2. in den letzten fünf Jahren vor Eintritt der Erwerbsminderung drei Jahre Pflichtbeiträge für eine versicherte Beschäftigung oder Tätigkeit haben und 3. vor Eintritt der Erwerbsminderung die allgemeine Wartezeit erfüllt haben. Teilweise erwerbsgemindert sind Versicherte, die wegen Krankheit oder Behinderung auf nicht absehbare Zeit außerstande sind, unter den üblichen Bedingungen des allgemeinen Arbeitsmarktes mindestens sechs Stunden täglich erwerbstätig zu sein. § 43 Abs. 2 SGB VI regelt die Rente wegen voller Erwerbsminderung. Volle Erwerbsminderung liegt vor, wenn die Versicherten wegen Krankheit oder Behinderung auf nicht absehbare Zeit außerstande sind, unter den üblichen Bedingungen des allgemeinen Arbeitsmarktes mindestens drei Stunden täglich erwerbstätig zu sein.
Nach dem Gesamtergebnis der Beweisaufnahme steht zur Überzeugung des Senats fest, dass die Klägerin im Zeitpunkt des letztmaligen Vorliegens der versicherungsrechtlichen Voraussetzungen – Ende Januar 2011 – dauerhaft teilweise erwerbsgemindert war und weiterhin ist.
Wegen der Einzelheiten der Begründung nimmt der Senat zunächst gemäß § 153 Abs. 2 SGG Bezug auf die Entscheidungsgründe des angefochtenen Urteils.
Ergänzend und unter Würdigung des Beteiligtenvorbringen sowie der Sachaufklärung im Berufungsverfahren ergibt sich eine teilweise Erwerbsminderung ab 2011 aus Folgendem:
Nach den übereinstimmenden Gutachten von E. und Z. liegt durchgängig eine schwergradige COPD im Stadium 3 bis 4 nach Gold vor. Diagnose und Schweregrad werden vom langjährig behandelnden Pulmologen J. sowie der 2016 behandelnden Reha-Klinik geteilt. Die Beklagte ist dem nicht entgegengetreten.
Dass diese Erkrankung mit diesem Schweregrad auch bereits zu Beginn der Behandlung durch den Pulmologen J. im Jahr 2008 vorlag, ergibt sich aus dessen zahlreichen und detaillierten Behandlungsunterlagen. Von besonderer Bedeutung ist in diesem Zusammenhang der FEV1-Wert (forciertes expiratorisches Volumen bzw. Sekundenkapazität). Dessen Relevanz erkennt auch die Beklagte in ihren Leitlinien zur sozialmedizinischen Beurteilung der Leistungsfähigkeit bei COPD und Asthma bronchiale an (siehe Leitlinien von von Januar 2010, Abschnitt 5.2.1, S. 28). Der FEV1-Wert schwankte durchgehend zwischen 32% (bei J. 2008, aber auch bei Z. 2022) und 43% bei E. (2020).
J., E. und Z. führen vor dem Hintergrund dieser Werte überzeugend aus, dass unbeschadet einer gewissen Adaption die Schwere der Erkrankung im Wesentlichen unverändert war und ist. So gewichtig die 2016 diagnostizierte Krebserkrankung für den Gesamtzustand der Klägerin auch war, so war sie für die Lungenfunktion nicht von wesentlicher Bedeutung. Reseziert wurde laut Operationsbericht vom 3.1.2017 (nur) ein Segment des rechten Lungenflügels. Die Lungenfunktionswerte vor und nach der Operation waren ausweislich des Nachsorgeberichts vom 12.1.2017 vergleichbar.
Wiederum entsprechend der übereinstimmenden Einschätzung von J., E. und Z. war der Klägerin mit dieser Erkrankung – auch Anfang 2011 – die Ausübung einer körperlich leichten Tätigkeit auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt dauerhaft nicht mehr im Umfang von sechs Stunden täglich möglich. Immerhin nennt auch die Beklagte in ihren bereits zitierten Leitlinien als einen Indikator für ein aufgehobenes (!) Leistungsvermögen für körperlich leichte Tätigkeiten eine Einsekundenkapazität von unter 50% (siehe Leitlinien von Januar 2010, Abschnitt 5.2.2, S. 36). Die hier dokumentierten Werte lagen seit 2008 durchgehend und deutlich unter 50%.
Der gegenteiligen Beurteilung der Leistungsfähigkeit durch die Beklagte kommt schon insofern geringeres Gewicht zu, als die Beklagte im Verwaltungs- und Widerspruchsverfahren keine Begutachtung in Auftrag gegeben, im gerichtlichen Verfahren keine lungenfachärztliche bzw. internistische Stellungnahme und zuletzt gar keine ärztliche Stellungnahme mehr vorgelegt hat.
Angaben der Klägerin gegenüber ihrem behandelnden Arzt zu ihrem subjektiven Befinden, die ohnehin relativ zur Grunderkrankung zu verstehen sein dürften, sind ebensowenig wie der Zeitpunkt der Rentenantragstellung geeignet, die dargestellten medizinischen Befunde zu entkräften.
Auch die Pflege der Eltern ist bei einer Pflegestufe 1 kein ausreichend gewichtiges Argument gegen eine relevant geminderte Leistungsfähigkeit. Abgesehen davon, dass Familienpflege sich von Erwerbsarbeit unterscheidet, wurde der Umfang der pflegerischen Tätigkeit der Klägerin für den Vater im Gutachten aus 2010 mit unter 14 Stunden pro Woche angegeben. Passend dazu wurden grundpflegerischer und hauswirtschaftlicher Hilfebedarf mit jeweils ca. 45 Minuten täglich angesetzt. Auch bei Verdoppelung dieses Werts für die gleichzeitige Pflege der Mutter mit gleicher Pflegestufe läge die Tätigkeit – passend zur Einschätzung der Sachverständigen – noch im Korridor von werktäglich drei bis unter sechs Stunden. Zu einer Pflege der Mutter nach deren Schlaganfall mit Bettlägerigkeit ist es nach den unbestrittenen und in zeitlicher Hinsicht plausiblen Angaben der Klägerin nie gekommen.
Überraschend sind allerdings die Leistungsbeurteilungen in den Reha-Entlassungsberichten aus 2016 und 2018. Dies gilt umso mehr, als etwa im Bericht aus 2016 ebenfalls eine „schwergradige Einschränkung der FEV1“ gesehen und für die letzte Tätigkeit – die im zweiten Bericht als (nur) leicht bis mittelschwer eingestuft wird – ein aufgehobenes Leistungsvermögen angenommen wird. Im Hinblick auf den zweiten Bericht kritisiert Z. zutreffend, dass kaum spezifische Befunde erhoben wurden. Die zu Beginn und Ende der Maßnahme durchgeführte Ergometerbelastung erfolgte nur bis 40 Watt. Damit sind die Berichte nicht geeignet, die Beurteilungen der Sachverständigen zu entkräften.
Der Rentenbeginn richtet sich nach §§ 99 Abs. 1 Satz 2, 116 Abs. 2 Nr. 2 SGB VI, also dem Monat der Beantragung der ersten Rehabilitationsmaßnahme, hier November 2015. Die Rente wegen teilweiser Erwerbsminderung wird gemäß § 102 Abs. 2 Satz 5 SGB VI auf Dauer gewährt, da nach den übereinstimmenden und unwidersprochen gebliebenen Ausführungen der Sachverständigen unwahrscheinlich ist, dass die Minderung der Erwerbsfähigkeit behoben werden kann.
Die Klägerin, die über keinen Arbeitsplatz verfügt, hat darüber hinaus einen befristeten Anspruch auf Rente wegen voller Erwerbsminderung wegen der Verschlossenheit des Teilzeitarbeitsmarktes (vgl. dazu ausführlich Freudenberg, in: jurisPK-SGB VI, § 43 (Stand: 1.4.2021) Rn. 265 ff., 303, 412).
Wie das Sozialgericht zutreffend ausgeführt hat, ruht gemäß § 89 Abs. 1 Satz 1 SGB VI der Anspruch auf Zahlung der Rente wegen teilweiser Erwerbsminderung, soweit gleichzeitig Anspruch auf der Zahlung der höheren Rente wegen voller Erwerbsminderung besteht (vgl. zu § 89 SGB VI als Ruhensvorschrift Jentsch in: jurisPK-SGB VI, § 89 (Stand: 1.4.2021) Rn. 7; Wehrhahn, in: BeckOGK-SGB VI, § 89 (Stand: 1.3.2019) Rn. 4; Dankelmann, in: Kreikebohm u.a., SGB VI, 2021, § 89 Rn. 3; Lambert, Die Systematik der Renten wegen Erwerbsminderung und die Folgen für die sachgerechte Antragstellung im sozialgerichtlichen Verfahren, SGb 2007, 394, 396).
Da zwischen den Beteiligten unstreitig ist, dass für die Dauer des gleichzeitigen Vorliegens der (dauerhaften) Rente wegen teilweiser Erwerbsminderung und der (befristeten) Rente wegen voller Erwerbsminderung aufgrund der Verschlossenheit des Teilzeitarbeitsmarktes nur letztere auszuzahlen ist, sah sich der Senat zu einer entsprechenden Korrektur des Tenors des SG-Urteils nicht veranlasst und lässt es in diesem konkreten Verfahren dahinstehen, ob in einem zusprechenden Urteilstenor für den Zeitraum des gleichzeitigen Vorliegens nur eine Verurteilung zur Gewährung der höheren Rente zu erfolgen hat.
Für eine solche zeitabschnittsweise Tenorierung spricht, dass ein Grundurteil in der Konstellation einer kombinierten Anfechtungs- und Leistungsklage, wie es hier ergangen ist, voraussetzt, dass der jeweilige Leistungsanspruch tatsächlich besteht und nicht ruht (vgl. hierzu Keller, in: Meyer-Ladewig u.a., SGG, 2020, § 130 Rn. 2b; Hübschmann, in: BeckOGK-SGG, § 130 (Stand: 1.11.2022) Rn. 27; Bolay in: Berchtold, SGG, 2021, § 130 Rn. 8; BSG vom 20.4.1999 – B 1 KR 15/98 R, Rn. 17-18; vgl. auch jeweils den Tenor in LSG NRW vom 30.1.2004 – L 14 RJ 175/03, juris und LSG NRW vom 15.7.2003 – L 18 KN 73/02, juris).
Der Senat geht aufgrund der Einlassung der Beklagten im Erörterungstermin am 13.1.2023 davon aus, dass die Beklagte nach Rechtskraft der Entscheidung des Sozialgerichts auch über den vom Sozialgericht ausgeurteilten Zeitpunkt hinaus eine (wiederum befristete) Rente wegen voller Erwerbsminderung wegen der Verschlossenheit des Teilzeitarbeitsmarktes gewähren wird.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.
Anlass, die Revision nach § 160 Abs. 2 SGG zuzulassen, besteht nicht.
Rechtsmittelbelehrung:
Dieses Urteil kann nur dann mit der Revision angefochten werden, wenn sie nachträglich vom Bundessozialgericht zugelassen wird. Zu diesem Zweck kann die Nichtzulassung der Revision durch das Landessozialgericht mit der Beschwerde angefochten werden.
Die Beschwerde ist von einem bei dem Bundessozialgericht zugelassenen Prozessbevollmächtigten innerhalb eines Monats nach Zustellung des Urteils schriftlich oder in elektronischer Form beim
Bundessozialgericht, Postfach 41 02 20, 34114 KasseloderBundessozialgericht, Graf-Bernadotte-Platz 5, 34119 Kassel
einzulegen.
Die Beschwerdeschrift muss bis zum Ablauf der Monatsfrist bei dem Bundessozialgericht eingegangen sein.
Die elektronische Form wird durch Übermittlung eines elektronischen Dokuments gewahrt, das für die Bearbeitung durch das Gericht geeignet ist und
- von der verantwortenden Person qualifiziert elektronisch signiert ist und über das Elektronische Gerichts- und Verwaltungspostfach (EGVP) eingereicht wird oder
- von der verantwortenden Person signiert und auf einem sicheren Übermittlungsweg gem. § 65a Abs. 4 Sozialgerichtsgesetz (SGG) eingereicht wird.
Weitere Voraussetzungen, insbesondere zu den zugelassenen Dateiformaten und zur qualifizierten elektronischen Signatur, ergeben sich aus der Verordnung über die technischen Rahmenbedingungen des elektronischen Rechtsverkehrs und über das besondere elektronische Behördenpostfach (Elektronischer-Rechtsverkehr-Verordnung -ERVV) in der jeweils gültigen Fassung. Weitergehende Informationen zum elektronischen Rechtsverkehr können über das Internetportal des Bundessozialgerichts (www.bsg.bund.de) abgerufen werden.
Als Prozessbevollmächtigte sind nur zugelassen
- jeder Rechtsanwalt,
- Rechtslehrer an einer staatlichen oder staatlich anerkannten Hochschule eines Mitgliedsstaates der Europäischen Union, eines anderen Vertragsstaates des Abkommens über den Europäischen Wirtschaftsraum oder der Schweiz, die die Befähigung zum Richteramt besitzen,
- selbständige Vereinigungen von Arbeitnehmern mit sozial- oder berufspolitischer Zwecksetzung für ihre Mitglieder,
- berufsständische Vereinigungen der Landwirtschaft für ihre Mitglieder,
- Gewerkschaften und Vereinigungen von Arbeitgebern sowie Zusammenschlüsse solcher Verbände für ihre Mitglieder oder für andere Verbände oder Zusammenschlüsse mit vergleichbarer Ausrichtung und deren Mitglieder,
- Vereinigungen, deren satzungsgemäße Aufgaben die gemeinschaftliche Interessenvertretung, die Beratung und Vertretung der Leistungsempfänger nach dem sozialen Entschädigungsrecht oder der behinderten Menschen wesentlich umfassen und die unter Berücksichtigung von Art und Umfang ihrer Tätigkeit sowie ihres Mitgliederkreises die Gewähr für eine sachkundige Prozessvertretung bieten, für ihre Mitglieder,
- juristische Personen, deren Anteile sämtlich im wirtschaftlichen Eigentum einer der vorgenannten Organisationen stehen, wenn die juristische Person ausschließlich die Rechtsberatung und Prozessvertretung dieser Organisation und ihrer Mitglieder oder anderer Verbände oder Zusammenschlüsse mit vergleichbarer Ausrichtung und deren Mitglieder entsprechend deren Satzung durchführt, und wenn die Organisation für die Tätigkeit der Bevollmächtigten haftet.
Die vorgenannten Vereinigungen, Gewerkschaften und juristischen Personen müssen durch Personen mit Befähigung zum Richteramt handeln. Behörden und juristische Personen des öffentlichen Rechts einschließlich der von ihnen zur Erfüllung ihrer öffentlichen Aufgaben gebildeten Zusammenschlüsse sowie private Pflegeversicherungsunternehmen können sich durch eigene Beschäftigte mit Befähigung zum Richteramt oder durch Beschäftigte mit Befähigung zum Richteramt anderer Behörden oder juristischer Personen des öffentlichen Rechts einschließlich der von ihnen zur Erfüllung ihrer öffentlichen Aufgaben gebildeten Zusammenschlüsse vertreten lassen.
Ein Beteiligter, der zur Vertretung berechtigt ist, kann sich selbst vertreten. Handelt es sich dabei um eine der vorgenannten Vereinigungen, Gewerkschaften oder juristischen Personen, muss diese durch Personen mit Befähigung zum Richteramt handeln.
Die Beschwerde ist innerhalb von zwei Monaten nach Zustellung des Urteils von einem zugelassenen Bevollmächtigten schriftlich oder in elektronischer Form zu begründen.
In der Begründung muss die grundsätzliche Bedeutung der Rechtssache dargelegt oder die Entscheidung des Bundessozialgerichts, des Gemeinsamen Senats der obersten Gerichtshöfe des Bundes oder des Bundesverfassungsgerichts, von der das Urteil abweicht, oder ein Verfahrensmangel, auf dem die angefochtene Entscheidung beruhen kann, bezeichnet werden. Als Verfahrensmangel kann eine Verletzung der §§ 109 und 128 Abs. 1 Satz 1 Sozialgerichtsgesetz nicht und eine Verletzung des § 103 Sozialgerichtsgesetz nur gerügt werden, soweit das Landessozialgericht einem Beweisantrag ohne hinreichende Begründung nicht gefolgt ist.
Für die Beschwerde gegen die Nichtzulassung der Revision kann ein Beteiligter, der nicht schon durch die oben genannten Vereinigungen, Gewerkschaften oder juristischen Personen vertreten ist, Prozesskostenhilfe zum Zwecke der Beiordnung eines Rechtsanwalts beantragen.
Der Beteiligte kann die Prozesskostenhilfe selbst beantragen. Der Antrag ist beim Bundessozialgericht entweder schriftlich oder in elektronischer Form einzureichen oder mündlich vor dessen Geschäftsstelle zu Protokoll zu erklären.
Dem Antrag sind eine Erklärung des Beteiligten über seine persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse (Familienverhältnisse, Beruf, Vermögen, Einkommen und Lasten) sowie entsprechende Belege beizufügen. Hierzu ist der für die Abgabe der Erklärung vorgeschriebene Vordruck zu benutzen. Der Vordruck kann von allen Gerichten oder durch den Schreibwarenhandel bezogen werden.
Wird Prozesskostenhilfe bereits für die Einlegung der Beschwerde begehrt, so müssen der Antrag und die Erklärung über die persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse - gegebenenfalls nebst entsprechenden Belegen - bis zum Ablauf der Frist für die Einlegung der Beschwerde (ein Monat nach Zustellung des Urteils) beim Bundessozialgericht eingegangen sein.
Mit dem Antrag auf Prozesskostenhilfe kann ein zur Vertretung bereiter Rechtsanwalt benannt werden.
Ist dem Beteiligten Prozesskostenhilfe bewilligt worden und macht er von seinem Recht, einen Anwalt zu wählen, keinen Gebrauch, wird auf seinen Antrag der beizuordnende Rechtsanwalt vom Bundessozialgericht ausgewählt.
Der Beschwerdeschrift und allen folgenden Schriftsätzen sollen Abschriften für die übrigen Beteiligten beigefügt werden.
Das Bundessozialgericht bittet darüber hinaus um je zwei weitere Abschriften.
Schriftlich einzureichende Anträge und Erklärungen, die durch einen Rechtsanwalt, durch eine Behörde oder durch eine juristische Person des öffentlichen Rechts einschließlich der von ihr zur Erfüllung ihrer öffentlichen Aufgaben gebildeten Zusammenschlüsse eingereicht werden, sind als elektronisches Dokument zu übermitteln. Ist dies aus technischen Gründen vorübergehend nicht möglich, bleibt die Übermittlung nach den allgemeinen Vorschriften zulässig. Die vorübergehende Unmöglichkeit ist bei der Ersatzeinreichung oder unverzüglich danach glaubhaft zu machen; auf Anforderung ist ein elektronisches _Dokument nachzureichen. Gleiches gilt für die nach dem Sozialgerichtsgesetz vertretungsberechtigten Personen, für die ein sicherer Übermittlungsweg nach § 65a Abs. 4 Nr. 2 SGG zur Verfügung steht (§ 65d SGG).