Tenor:
Die Beschwerde der Antragstellerin gegen den Beschluss des Sozialgerichts Köln vom 18.01.2023 wird zurückgewiesen.
Die Antragstellerin trägt auch die Kosten des Beschwerdeverfahrens.
Gründe:
I.
Streitig ist die Anordnung der aufschiebenden Wirkung einer Klage gegen die Widerle-gung einer Mindestmengenprognose.
Die Antragstellerin (Ast) ist Trägerin eines zur Behandlung von Versicherten der gesetzli-chen Krankenversicherung zugelassenen Krankenhauses (KH) nach § 108 des Fünften Buches des Sozialgesetzbuches (SGB V) im W.. In diesem werden in einer Klinik für Allgemein-, Visceral-und Thoraxchirurgie u.a. gutartige und bösartige Speiseröhrentumore (Ösophaguskarzinome) behandelt. Bis zum 31.12.2022 war das KH berechtigt, komplexe Eingriffe am Organsystem Ösophagus gemäß der Mindestmengenregelung des Gemeinsamen Bundesausschusses – GBA – (Mm-R) an diesem Standort durchzuführen.
Mit Schreiben vom 11.07.2022 übermittelte die Ast den Antragsgegnerinnen (Ag) die Prognose für die mindestmengenrelevanten Leistungen u.a. für den Leistungsbereich „Komplexe Eingriffe am Organsystem Ösophagus“ für das Jahr 2023. Sie gab dabei an, im Kalenderjahr 2021 seien zehn sowie im ersten Halbjahr 2022 sieben solcher Leistungen erbracht worden. Aufgrund der anhaltenden Covid-19-Pandemie hätten diese Leistungen nicht in dem ursprünglich geplanten Umfang erbracht werden können, da es sich hierbei um die Gruppe der Risikopatienten/-innen gehandelt habe, deren Elektiv-Eingriffe hätten abgesagt oder verlegt werden müssen. Es sei von einer Angleichung der Leistungszahlen an das Vor-Corona-Niveau auszugehen, sobald die Pandemie überwunden sei. Die Ast prognostizierte, 2023 die „erforderlichen Mindestmengen“ zu erfüllen.
Mit einem gemeinsamen Schreiben vom 05.09.2022 hörten die Ag die Ast dahingehend an, dass erwogen werde, die Prognose für das Jahr 2023 entsprechend der Mm-R für den Leistungsbereich komplexe Eingriffe am Organsystem Ösophagus aufgrund erheblicher Zweifel zu widerlegen. Die Mindestmenge für diese Leistungen betrage gemäß Anlage 3 der Mm-R ab dem Kalenderjahr 2023 26 Eingriffe. Die gemeldeten Fallzahlen von 10 bzw. 7 unterschritten diese deutlich. Das prognostizierte Wiedererreichen des Leistungsumfangs vor Pandemiebeginn begründe nicht die zukünftige Erfüllung der Mindestmenge, da in 2018 nur 12 und in 2019 nur 13 Eingriffe durchgeführt worden seien.
Daraufhin begründete die Ast mit Schreiben vom 16.09.2022 die Prognose für das Kalenderjahr 2023 unter Verweis auf § 4 Abs. 2 Satz 2 Nr. 1 und Nr. 2 Mm-R auch mit geplanten strukturellen Veränderungen. Aufgrund einer beabsichtigten Fusion des KH mit der Stiftung der E. (im Folgenden: den T.) sei ein Anstieg der Leistungsmenge an komplexen Eingriffen am Organsystem Ösophagus zu erwarten. Die B. KH der T. hätten im Zeitraum 2018 bis 2021 jährlich durchschnittlich 78 Fälle mit einer bösartigen Ösophagus-Erkrankung behandelt. Von diesen Fällen würden zukünftig die Patienten, die einer Operation bedürften - unter Beachtung ihrer Wahlfreiheit - unmittelbar an das KH der Ast zur Durchführung des operativen Eingriffs überwiesen.
Mit einem gemeinsamen Schreiben vom 30.09.2022, dem eine Rechtsbehelfsbelehrung beigefügt war, widerlegten die Ag die Mindestmengenprognose der Krankenhausträgerin und wandten hinsichtlich der strukturellen Veränderungen ein, dass in 2023 ein Anstieg der Leistungsmenge aufgrund der angestrebten Fusion nicht zu erwarten sei, da schon bisher an keinem anderen Fusionsstandort mindestmengenrelevante Ösophagus-Eingriffe erbracht worden seien. Ein Fallzahlanstieg auf mindestens 26 erscheine zudem unwahrscheinlich, weil im W. mit der Universitätsklinik mit ca. 200 Ösophagus-Eingriffen jährlich ein fallstarker Alternativstandort zur Verfügung stehe. Die Ast habe i.Ü. für das erste Halbjahr 2022 lediglich einen relevanten Eingriff gemeldet. Zusammen mit drei inzwischen erfolgten und vier geplanten Eingriffen bis Jahresende seien dies in der Summe nur 8 Eingriffe.
Hiergegen hat die Ast am 31.10.2022 vor dem Sozialgericht Köln (SG) unter Wiederho-lung und Vertiefung ihres Vorbringens Klage erhoben und mit am 22.12.2022 erhobenem Antrag auf einstweiligen Rechtsschutz die Anordnung der aufschiebenden Wirkung der erhobenen Klage gegen den Bescheid der Ag vom 30.09.2022 begehrt. Die Ag hätten die Prognose der Ast nicht rechtmäßig widerlegt; der Prognose stünden keine begründeten Zweifel entgegen. Sie erfülle die Voraussetzungen nach § 4 Mm-R, um auch im Jahr 2023 komplexe Eingriffe am Organsystem Ösophagus durchführen und abrechnen zu dürfen. Zwar unterschreite sie im Kalenderjahr 2021 mit 10 komplexen Eingriffen am Organsystem Ösophagus und im Zeitraum 01.07.2021 bis 30.06.2022 mit 7 Eingriffen die nunmehr im Kalenderjahr 2023 erstmals geforderte Mindestmenge von 26 Eingriffen. Jedoch seien im Rahmen der voraussichtlichen Leistungsentwicklung auch personelle und strukturelle Veränderungen zu berücksichtigen. Eine derartige strukturelle Veränderung sei durch die Fusion der beiden Trägerinnen zu einem Trägerverbund eingetreten. Ab dem 01.01.2023 werde die Ast zusammen mit den KH der T. einen Unternehmensverbund bilden, der aus 6 KH der T. und 5 KH aus ihrer Trägerschaft (im Folgenden: der O.) bestehe. In diesen KH würden regelmäßig Diagnosen gestellt, die in der Folge zu einem komplexen Eingriff am Organsystem Ösophagus führten. Der operative Eingriff werde im KH der Ast durchgeführt. Es bestehe der Wille, zukünftig alle diagnostizierten Behandlungsfälle, bei denen eine medizinische Indikation für eine chirurgische Therapie vorliege, am zentralen Standort in Köln im KH der Antragstellerin zu versorgen. Aufgrund der Fusion sei daher zu erwarten, dass im Jahr 2023 die Anzahl der im Verbund diagnostizierten Karzinome im Vergleich zur historischen Betrachtung um mehr als 200 % ansteige. Soweit die Ag einwendeten, dass im W. mit der Universitätsklinik (ca. 200 Ösophagus-Eingriffe) ein fallzahlstarker Alternativstandort zur Operationserbringung bereitstehe, werde das Gebot der Trägervielfalt missachtet. Zur weiteren Begründung nimmt die Antragstellerin Bezug auf eine eidesstattliche Versicherung ihres Geschäftsführers vom 18.01.2023, wonach die Ösophagus-Chirurgie am Standort des KH der Ast konzentriert werde.
Das SG hat mit Beschluss vom 18.01.2023 den Antrag auf Anordnung der aufschieben-den Wirkung zurückgewiesen:
Der angefochtene Bescheid der Ag vom 30.09.2022 sei nicht offensichtlich rechtswidrig. Die Entscheidung sei entsprechend den Vorgaben der §§ 4 und 5 Mm-R formell rechtmä-ßig erfolgt und nach der im einstweiligen Rechtsschutzverfahren lediglich summarischen Prüfungsmöglichkeit auch materiell rechtmäßig. Die Mindestmenge für komplexe Eingriffe am Organsystem Ösophagus betrage gemäß Anlage der 3 Mm-R ab dem Kalenderjahr 2023 26 Eingriffe. Die von der Ast gemeldeten Fallzahlen von 10 im Jahre 2021 bzw. 7 in dem Zeitraum vom 01.07.2021 bis 30.06.2022 unterschritten deutlich diese Mindestmenge. Aufgrund der Fusion zwischen Süd-und T. sei eine nennenswerte künftige Fallzahlerhöhungen in 2023 nicht zu erwarten, da an keinem anderen Fusionsstandort mindestmengenrelevante Ösophagus-Eingriffe erbracht würden. Soweit die Ast prognostiziert habe, dass nach Wegfall der Covid-19-Pandemie eine künftige Erfüllung der Mindestmenge erreicht werde, sei darauf zu verweisen, dass in den Jahren 2018 und 2019, also vor Ausbruch der Pandemie, lediglich 12 Fälle (in 2018) bzw. 13 Fälle (in 2019) durchgeführt worden seien.
Die Ast hat gegen den ihr am 19.01.2023 zugestellten Beschluss am 14.02.2023 Be-schwerde erhoben. Die geplante Krankenhausfusion sei zwischenzeitlich erfolgt. Wegen ihr sei zu erwarten, dass 2023 mindestmengenrelevante Eingriffe durchgeführt würden; es sei mit bis zu 52 Eingriffen zu rechnen. Infolge der Fusion würden bereits gemeinsame Behandlungspfade und -schwerpunkte etabliert, hierzu gehöre die Konzentration der Ösophagus-Chirurgie am Standort der Ast. Es sei darauf hinzuweisen, dass die Mehrheit der Patienten die Indikation für den streitgegenständlichen Eingriff und die weiteren Versorgungspfade nicht über niedergelassene Ärzte, sondern über die Tumorkonferenzen im Zuge des stationären KH-Aufenthalts erhielten. Über diese Tumorkonferenzen würden auch mit anderen KH Behandlungswege zum KH der Ast etabliert. So sei abgesprochen, dass Ärzte des KH der Ast im I.-KH N. sowie im Z. P. an den Tumorkonferenzen teilnähmen; bei diesen KH handele es sich um diejenigen mit der höchsten Anzahl an Diagnosefällen (113 bzw. 88)
Die Ast beantragt,
den Beschluss des Sozialgerichts Köln vom 18.01.2023 aufzuheben und die aufschiebende Wirkung der am 31.10.2022 beim Sozialgericht Köln (Az S 23 KR 1482/22 KH) erhobenen Anfechtungsklage gegen den Bescheid der Antragsgegnerinnen vom 30.09.2022 anzuordnen.
Die Ag beantragen,
die Beschwerde zurückzuweisen.
Sie halten die angefochtene Entscheidung für zutreffend und weisen darauf hin, dass für die Überprüfung der Mindestmengenprognose die bis zum Abschluss des Verwaltungsverfahrens vorliegende Sach- und Rechtslage unter Beachtung der Vorgaben des § 136b SGB V zu berücksichtigen sei.
Hinsichtlich der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts und des sonstigen Vorbringens der Beteiligten wird auf die Gerichtsakte verwiesen.
II.
Die zulässige Beschwerde ist unbegründet. Das SG hat es zu Recht abgelehnt, die auf-schiebende Wirkung der in der Hauptsache gegen den Widerlegungsbescheid erhobenen Anfechtungsklage anzuordnen.
Nach § 86 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 Sozialgerichtsgesetz (SGG) kann das Gericht der Hauptsa-che auf Antrag die aufschiebende Wirkung in den Fällen ganz oder teilweise anordnen, in denen Widerspruch oder Anfechtungsklage keine aufschiebende Wirkung haben. Vorliegend hat die von der Ast in der Hauptsache erhobene Anfechtungsklage keine aufschiebende Wirkung (vgl. hierzu die Regelung in § 86a Abs. 2 Nr. 4 SGG i.V.m. § 136b Abs. 5 Satz 11 zweiter Halbs. SGB V i.d.F. des Gesetzes zur Weiterentwicklung der Gesundheitsversorgung ˂GVWG˃ vom 11.07.2021, BGBl I S. 2754).
§ 86b Abs. 1 Satz 1 SGG macht keine Vorgabe dafür, wann die aufschiebende Wirkung anzuordnen ist. Nach h.M. ist eine Interessenabwägung zwischen dem Vollzugsinteresse einerseits und dem Suspensivinteresse andererseits durchzuführen (vgl. hierzu Burkiczak in: Schlegel/Voelzke, jurisPK-SGG, 2. Aufl. , § 86b SGG ˂Stand: 08.03.2023˃, Rn. 188 m.w.N.). Im Vordergrund der Abwägung stehen dabei maßgeblich die Erfolgsaussichten des Hauptsacherechtsbehelfs (Burkiczak a.a.O., Rn. 190 m.w.N.). Allerdings ist auch die Wertung des Gesetzgebers, den Rechtsbehelfen gegen bestimmte Verwaltungsakte aufschiebende Wirkung kraft Gesetzes zuzubilligen und diese den Rechtsbehelfen gegen andere Verwaltungsakte zu verweigern, zu berücksichtigen (Burkiczak a.a.O., Rn. 190 und 204ff.).
Die danach vorzunehmende Interessenabwägung geht zu Ungunsten der Ast aus. Der Senat hat nach der gebotenen summarischen Prüfung bereits keine ernsthaften Zweifel an der Rechtmäßigkeit des die vom Krankenhausträger getroffene Prognose für das Jahr 2023 widerlegenden Bescheides der Krankenkassenverbände vom 30.09.2022. Insoweit wird zunächst auf die im Wesentlichen zutreffenden Gründe der angefochtenen Entscheidung des SG Bezug genommen (§ 142 Abs. 2 Satz 3 SGG).
1.
In formeller Hinsicht (zu den formalen Anforderungen vgl. Kania, NZS 2022, 146) ist zunächst davon auszugehen, dass die Ag die Ast ausreichend i. S. v. § 24 Abs 1 Zehntes Buch Sozialgesetzbuch angehört haben (vgl zum Erfordernis einer Anhörung Urteil des Bundessozialgerichts – BSG – vom 25.03.2021, B 1 KR 16/20 R in juris, Rn. 25ff.).
Die Ag haben die Ast mit Schreiben vom 05.09.2022 ausdrücklich angehört und ihr zu-gleich eine Ergänzungsmöglichkeit hinsichtlich der aus ihrer Sicht unplausiblen Angaben zur pandiemiebedingten Situation eingeräumt. Dementsprechend versuchte die Ast mit ihrem Schreiben vom 16.09.2022, ihre Prognose nachzubessern.
2.
Auch die materielle Rechtmäßigkeit des Widerlegungsbescheides ist aus Sicht des Se-nats nicht zweifelhaft. Der Bescheid vom 30.09.2022 findet seine Grundlage in § 136b Abs. 5 Satz 6 SGB V, wonach die Landesverbände der Krankenkassen und die Ersatz-kassen für Krankenhausstandorte in ihrer Zuständigkeit ab der Prognose für das Kalen-derjahr 2023 bei begründeten erheblichen Zweifeln an der Richtigkeit die vom Kranken-hausträger getroffene Prognose durch Bescheid widerlegen (Entscheidung) müssen.
Die Prognose wiederum beruht auf § 136b Abs. 5 Satz 3 SGB V. Danach muss der Kran-kenhausträger für die Zulässigkeit der Leistungserbringung mindestmengenrelevanter Leistungen gegenüber den Landesverbänden der Krankenkassen und den Ersatzkassen für Krankenhausstandorte in ihrer Zuständigkeit jährlich darlegen, dass die erforderliche Mindestmenge im jeweils nächsten Kalenderjahr auf Grund berechtigter mengenmäßiger Erwartungen voraussichtlich erreicht wird (Prognose). Eine berechtigte mengenmäßige Erwartung liegt nach § 136b Abs. 5 Satz 4 SGB V in der Regel vor, wenn das Krankenhaus im vorausgegangenen Kalenderjahr die maßgebliche Mindestmenge je Arzt oder Standort eines Krankenhauses oder je Arzt und Standort eines Krankenhauses erreicht hat, wobei Ausgangspunkt nach Satz 3 der Vorschrift das Jahr ist, in dem die Prognoseentscheidung abzugeben ist. Für den Leistungsbereich „Komplexe Eingriffe am Organsystem Ösophagus/Speiseröhre bei Erwachsenen“ sind in der Anlage der Mi-R (dem sog. Mindestmengenkatalog) Mindestmengen i.S. von § 136b Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 SGB V festgesetzt. Diese betragen seit dem Jahr 2023 26 Eingriffe, während zuvor nur 10 Eingriffe erforderlich waren.
Vorausgegangenes Kalenderjahr ist das Kalenderjahr vor dem Jahr, in dem die Prognose gestellt wird, nicht das Kalenderjahr vor dem Jahr, für das die Prognose gestellt wird (De-ister in: Hauck/Noftz SGB V, Rn. 26; LSG Niedersachsen-Bremen; Urteil vom 16.06.2020 - L 16 KR 64/20, juris, Rn 28). In dem vorliegend damit heranzuziehenden Kalenderjahr 2021 hat das KH der Ast lediglich 10 relevante Eingriffe vorgenommen und verfehlte da-mit die erforderliche Zahl von 26 Eingriffen bei weitem. Dies gilt auch – was ebenso zwi-schen den Beteiligten unstreitig ist – unter Zugrundelegung der Leistungsmengen im Zeitraum 01.07.2021 bis 30.06.2022 (vgl. § 4 Abs. 2 Satz 2 Nr. 2 Mm-R). Insoweit weist der Senat allerdings darauf hin, dass die in § 4 Abs. 4 Satz 2 der Mm-R genannten Regelbei-spiele ausdrücklich erst ab den Prognosen für das Kalenderjahr 2024 Anwendung finden (§ 4 Abs. 4 Satz 3 Mm-R). Mit dieser Regelung hat der GBA dem Umstand Rechnung getragen, dass gemäß § 5 Mm-R die Prognosen für das Kalenderjahr 2023 bereits bis spätestens 07.08.2023 zu erfolgen hatten.
Dies ändert jedoch nichts an der Maßgeblichkeit der Erreichung der maßgeblichen Min-destmenge im vorausgegangenen Kalenderjahr i.S. des § 136b Abs. 5 Satz 4 SGB V als einzigem gesetzlichen Anknüpfungspunkt für die Prognose. Die Bedeutung dieses Krite-riums wird durch die Gesetzesmaterialien bestätigt, wonach die Prognose in der Regel mit den Vorjahreszahlen zu begründen ist (BT-Drucks. 18/5372, S. 43).
Die von der Ast angeführten Gründe dafür, dass die Mindestmenge trotz des deutlichen Unterschreitens der Leistungszahlen im Kalenderjahr 2021 2023 erreicht werde, greifen nicht durch.
a) Gegen die Maßgeblichkeit der von der Ast – zunächst ausschließlich – angeführten Auswirkungen der Covid-19-Pandemie sprechen – wie vom Sozialgericht bereits zutref-fend ausgeführt – die vor der Pandemie erreichten Fallzahlen. So hat das KH der Ast auch vor der Pandemie bereits eine Mindestmenge von 26 Eingriffen weit unterschritten. Es hat 2018 lediglich 12 und 2019 13 relevante Eingriffe vorgenommen. Eine Angleichung der Fallzahlen nach Pandemieende ist unter diesem Gesichtspunkt damit nicht zu erwarten.
b) Auch die von der Ast erst im Anhörungsverfahren angeführten strukturellen Änderun-gen begründen nicht die Erwartung eines deutlichen Anstiegs der Eingriffe am Organ-system Ösophagus. Nach § 4 Abs. 2 Satz 1 Mm-R sind der gegenüber den Landesverbänden der Krankenkassen und den Ersatzkassen jährlich darzulegenden Prognose die im Katalog planbarer Leistungen jeweils spezifisch bestimmten Leistungen zu Grunde zu legen. Dabei ist nach § 4 Abs. 2 Satz 2 Mm-R die voraussichtliche Leistungsentwicklung nach Absatz 1 der Vorschrift vom Krankenhausträger unter Berücksichtigung
1. der Leistungsmenge gemäß § 3 Absatz 1 des vorausgegangenen Kalenderjahres,
2. der Leistungsmenge gemäß § 3 Absatz 1 in den letzten zwei Quartalen des vorausge-gangenen Kalenderjahres und den ersten zwei Quartalen des laufenden Kalenderjahres,
3. personeller Veränderungen und
4. struktureller Veränderungen zu begründen.
Der Krankenhausträger kann weitere Umstände zur Begründung der berechtigten men-genmäßigen Erwartung heranziehen (§ 4 Abs. 2Satz 3 Mm-R).
Zur Überzeugung des Senats kann in diesem Zusammenhang dahinstehen, inwieweit im Rahmen des Anhörungsverfahrens – wie vorliegend – die Begründung der Prognose auf eine völlig neue Grundlage gestellt werden kann. Dies könnte vor dem Hintergrund der in § 5 Abs. 1 Satz 1 Mm-R enthaltenen Fristenregelung und der in dieser zum Ausdruck kommenden Beschleunigungsabsicht einerseits und aus Gründen der Verwaltungspraktikabilität andererseits zweifelhaft erscheinen. Dabei verkennt der Senat nicht, dass mangels Notwendigkeit eines Vorverfahrens dem tatsächlichen Vorbringen der Krankenhausträger im Rahmen der Prüfung ihrer Leistungsberechtigung nach § 136b Abs. 3 und 4 SGB V eine erhebliche Bedeutung zukommt, so dass im Rahmen des Anhörungsverfahrens Gelegenheit zu geben ist, erkennbar unvollständige und unplausible Angaben zu konkretisieren oder zu ergänzen (vgl. zu § 136b Abs. 4 SGB V a.F. BSG, Urteil vom 25.03.2021 a.a.O. Rn. 29). Die erstmalig im Anhörungsverfahren vorgetragenen strukturellen Veränderungen gehen über eine Ergänzung und Konkretisierung jedoch erkennbar hinaus. Ein kompletter Austausch der Prognosedarlegung könnte den Fristenregelungen in § 5 Mm-R insoweit entgegenstehen, als nach dessen Abs. 5 Satz 1 den Landesverbänden der Krankenkassen und die Ersatzkassen aufgegeben ist, dem Krankenhausträger bis zum 7. Oktober des laufenden Kalenderjahres das Ergebnis der Prüfung mitzuteilen. Das Prognoseverfahren soll schließlich eine rechtssichere und rechtzeitige Klärung vor der Leistungserbringung ermöglichen, weshalb davon auszugehen ist, dass es sich bei beiden Fristen um Ausschlussfristen handelt (vgl. Knispel, GesR 2020, 558, 559 ff.).
Unabhängig davon tragen die vorgetragenen strukturellen Veränderungen die von der Ast getroffene Prognose zur voraussichtlichen Leistungsentwicklung nicht. Die Zusammenführung der Trägerverbünde der O. sowie der T. zu einem Trägerverbund erfolgte erst am 20.12.2022 (notarielle Beurkundung der Fusion). Insoweit lag ungeachtet etwaiger vorbereitender sonstiger Maßnahmen eine rechtlich hinreichend abgesicherte organisatorisch-institutionelle strukturelle Veränderung weder im Zeitpunkt der Prognose der Ast noch im Zeitpunkt deren Widerlegung mit dem Bescheid vom 30.09.2022 vor. Die Zugrundelegung allein der Absicht einer strukturellen Veränderung im Rahmen der Prognose zur voraussichtlichen Leistungsentwicklung scheidet zur Überzeugung des Senats aus. Für die Prognose dürften vielmehr nur die zum Prognosezeitpunkt bekannten Umstände maßgeblich sein (vgl. Ulmer, Mindestmengen im Krankenhaus – Tücken der Prognose und des Rechts, SGb 2020, S. 581, 582 m.w.N.). Darüber hinaus entbehren die Überlegungen der Ast zur voraussichtlichen Leistungsentwicklung (bezogen auf den maßgeblichen Prognosezeitpunkt mit Abschluss des Verwaltungsverfahrens) einer hinreichenden Tatsachengrundlage und sind Ausdruck einer in gewissem Maße spekulativen Erwartungshaltung. Dies ergibt sich auch aus der eidesstattlichen Versicherung des J. vom 00.00.0000. Dieser führt aus, „infolge der Fusion der Krankenhäuser der Nord- und O. werden aktuell gemeinsame Behandlungspfade“ im Bereich der Ösophagus Chirurgie etabliert. Hierzu gehöre auch die Konzentration der Ösophagus-Chirurgie am Standort des Krankenhauses der X.). Vor diesem Hintergrund sei mit hoher Wahrscheinlichkeit zu erwarten, dass sich die Patienten zur Durchführung komplexer Eingriffe am Ösophagus für eine Behandlung im Krankenhaus der X.) entschieden. Mit dem I.-Krankenhaus in N. (Herr C., Facharzt für Innere Medizin und Gastroenterologie und Herr V., Facharzt für Innere Medizin, Hämatologie/Onkologie) sowie dem Z. in P. (Herr F., Facharzt für Innere Medizin, Hämtologie und Internistische Onkologie, Leiter der Tumorkonferenz) bestünden bereits Absprachen, dass er bzw. die in seiner Abteilung tätigen Fachärzte, an den dortigen Tumorboards (Tumorkonferenzen) teilnähmen.
Diese Ausführungen lassen erkennen, dass der erst mit der Fusion im Dezember 2022 eingeleitete Prozess der strukturellen Veränderungen noch andauert. Eine Berücksichtigung dieser Umstände bereits im Rahmen der Prognose schied aus. Eine hinreichend klare und verfestigte Prognosegrundlage fehlte. Dass dieser Prozess (mengenmäßig) aktuell bereits eine Steigerung der Fallzahlen bedingen soll, ist im Rahmen der zu überprüfenden Widerlegung irrelevant.
Dass im Übrigen (allein) die betriebswirtschaftliche Fusion zweier Trägerverbünde mit der Absicht, neue Behandlungsschwerpunkte zu etablieren, zu steigenden Fallzahlen in einem Umfang führen sollte, der die Prognose der Ast rechtfertigt, ist zur Überzeugung des Senats nicht hinreichend dargelegt und plausibilisiert. Die Hochrechnung von jährlichen Behandlungsfällen mit einer (hier maßgeblichen) Ösophaguserkrankung und der Zahl der davon operativ zu behandelnden („20 %“) ist nicht geeignet, die für das KH zu erwartende Leistungsentwicklung zu begründen. Wenn ausgeführt wird, die „hiervon operativ im Sinne der Mindestmenge zu behandelnden Patienten würden zukünftig die Krankenhäuser im Gesamtverbund an das Krankenhaus der Augustinerinnen unter Beachtung der Wahlfreiheit der Patienten verweisen bzw. verlegen“, erscheint diese Erwartung gerade vor dem Hintergrund der Wahlfreiheit der Patienten und Patientinnen mehr als zweifelhaft, berücksichtigt man zusätzlich den Umstand, dass für die fraglichen Eingriffe (örtlich) das insoweit etablierte und fallstarke Universitätsklinikum Köln zur Verfügung steht. Im Rahmen der Verlegung und Verweisung bzw. Therapieempfehlung dürfen sich die Ärzte auch zukünftig ausschließlich von medizinischen Aspekten leiten lassen, die durch eine Fusion der Trägerverbünde von Krankenhäusern aber gerade nicht berührt werden.
Erweist sich nach alledem der Widerlegungsbescheid vom 30.09.2022 nach der gebote-nen summarischen Prüfung als rechtmäßig, rechtfertigt auch eine (etwaige) nachrangige Interessen- und Folgenabwägung die Anordnung der aufschiebenden Wirkung nicht. Dabei ist ohnehin zu berücksichtigen, dass in Fällen, in denen, wie hier, bereits kraft Gesetzes die aufschiebende Wirkung von Widerspruch und Anfechtungsklage entfällt, der Gesetzgeber den abstrakten öffentlichen Interessen den Vorrang eingeräumt hat. Ein Fall, in dem die das Aussetzungsinteresse tragenden Gründe demgegenüber eindeutig überwiegen (vgl. zu alledem Burkiczak in: Schlegel/Voelzke, jurisPK-SGG, 2. Aufl., § 86b SGG ˂Stand: 31.05.2023˃, Rn. 205), liegt unter Berücksichtigung des Vortrags der Ast nicht vor.
Die Kostenentscheidung folgt aus § 197a Abs. 1 Satz 1 dritter Halbs. SGG i.V.m. den
§ 154 Abs. 1 Verwaltungsgerichtsordnung.