L 7 AS 586/23 B ER L 7 AS 587/23 B

Land
Nordrhein-Westfalen
Sozialgericht
LSG Nordrhein-Westfalen
Sachgebiet
Grundsicherung für Arbeitsuchende
Abteilung
7
1. Instanz
SG Dortmund (NRW)
Aktenzeichen
S 87 AS 571/21 ER
Datum
2. Instanz
LSG Nordrhein-Westfalen
Aktenzeichen
L 7 AS 586/23 B ER L 7 AS 587/23 B
Datum
3. Instanz
-
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Beschluss

Tenor:

Auf die Beschwerde der Antragstellerin zu 1) wird der Beschluss des Sozialgerichts Dortmund vom 19.04.2023 über die Ablehnung des Antrags auf Erlass einer einstweiligen Anordnung geändert. Der Antragsgegner wird verpflichtet, der Antragstellerin zu 1) Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nach dem SGB II für den Zeitraum vom 03.03.2023 bis zum 30.09.2023 i.H.v. monatlich 580,80 € zu zahlen.

Den Antragstellern wird für das Beschwerdeverfahren L 7 AS 586/23 B ER Prozesskostenhilfe bewilligt und Rechtsanwältin R., X., beigeordnet.

Auf die Beschwerde der Antragsteller wird der Beschluss des Sozialgerichts Dortmund vom 19.04.2023 über die Ablehnung der Prozesskostenhilfe geändert. Den Antragstellern wird für das erstinstanzliche Verfahren S 87 AS 571/23 B ER Prozesskostenhilfe bewilligt und Rechtsanwältin R., X., beigeordnet.

    Der Antragsgegner hat die Kosten der Antragsteller im erstinstanzlichen Ver-

    fahren und im Beschwerdeverfahren L 7 AS 586/23 B ER zu erstatten.

 

Gründe:

I.

Die Antragstellerin zu 1) begehrt die Verpflichtung des Antragsgegners zur Zahlung von Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nach dem SGB II im Wege der einstweiligen Anordnung. Die Antragsteller zu 2) bis 4) haben ein einstweiliges Rechtsschutzbegehren mit identischer Zielsetzung zwischenzeitlich zurückgenommen und begehren nur noch die Bewilligung von Prozesskostenhilfe für das erstinstanzliche Verfahren und für das Beschwerdeverfahren unter Beiordnung ihrer Bevollmächtigten.

Die 0000 geborene Antragstellerin zu 1) ist die Mutter des 0000 geborenen Antragstellers zu 2), des 0000 geborenen Antragstellers zu 3) und der 0000 geborenen Antragstellerin zu 4). Der Antragsteller zu 2) leidet an Herzproblemen, der Antragsteller zu 3) an Autismus. Die Antragstellerin zu 1) ist V. Staatsangehörige, die Antragsteller zu 2) bis 4) sind U. Staatsangehörige. Der 0000 geborene Vater der Antragsteller zu 2) bis 4), Herr B., ist ebenfalls U. Staatsangehöriger. Die Antragstellerin zu 1) und Herr B. sind nicht verheiratet. Herr B. ist seit 1978 in C. gemeldet und war zwischen dem 04.06.2012 und dem 30.01.2020 selbstständig im Bereich Fliesen- und Plattenbau tätig. Sein Gewerbe meldete er aufgrund gesundheitlicher und wirtschaftlicher Schwierigkeiten ab. Herr B. bezieht eine Regelaltersrente i.H.v. aktuell 276,16 € monatlich sowie ergänzend Leistungen nach dem Vierten Kapitel des SGB XII, zuletzt bewilligt mit Bescheid der Stadt C. vom 23.01.2023 i.H.v. 545,10 € monatlich für den Zeitraum von Oktober 2022 bis September 2023. Ausweislich der Bescheinigung der Stadt C. vom 15.02.2023 ist Herr B. Inhaber eines Daueraufenthaltsrecht gem. § 4a FreizügG/EU.

Die Antragstellerin zu 1) lebte ursprünglich in C., zog dann nach G. und lebte dort mit den Antragstellern zu 2) bis 4). In G. wurde sie von ihren Eltern unterstützt. Am 06.09.2022 reisten die Antragsteller erneut in die Bundesrepublik Deutschland ein. Seitdem leben sie zusammen mit Herrn B. in C.. Die Unterkunftskosten belaufen sich auf 350 € Kaltmiete, 160 € Betriebskostenvorauszahlungen und 129 € Heizkostenvorauszahlungen monatlich. Mit Schreiben vom 07.11.2022 erklärte die Vermieterin, dass für fünf Monate Mietrückstände i.H.v. insgesamt 2.135,05 € bestünden. Die Antragstellerin zu 1) geht keiner Erwerbstätigkeit nach. Die Antragsteller zu 3) bis 4) besuchen noch nicht die Schule; dem Antragsteller zu 2) ist noch kein Schulplatz zugewiesen worden.

Am 30.11.2022 beantragten die Antragsteller beim Antragsgegner Leistungen nach dem SGB II. Der Antragsgegner lehnte den Antrag mit Bescheid vom 31.01.2023 ab. Die Antragstellerin zu 1) habe lediglich ein Aufenthaltsrecht zum Zweck der Arbeitssuche und sei damit vom Leistungsausschluss gemäß § 7 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 SGB II erfasst. Die Antragsteller zu 2) bis 4) seien gehalten, sich an das Sozialamt wenden. Die Antragsteller erhoben am 15.02.2023 Widerspruch gegen den Bescheid vom 31.01.2023. Sie unterfielen nicht dem Leistungsausschluss. Der Beklagte wies den Widerspruch mit Widerspruchsbescheid vom 07.03.2023 als unbegründet zurück. Hiergegen haben die Antragsteller Klage erhoben(SG C. – S 87 AS 810/23 –).

Am 03.03.2023 haben die Antragsteller beim Sozialgericht Dortmund beantragt, den Antragsgegner im Wege der einstweiligen Anordnung zur Leistungszahlung zu verpflichten und ihnen Prozesskostenhilfe unter Beiordnung ihrer Bevollmächtigten zu bewilligen. Sie haben dem Sozialgericht einen Kontoauszug vorgelegt, wonach der Kontostand der Antragstellerin zu 1) sich am 13.01.2023 auf - 4,51 € belief.

Die Antragsteller haben vorgetragen, die Antragstellerin zu 1) trage die Hauptsorge für die Erziehung der Antragsteller zu 2) bis 4). Zwei Kinder seien krank und benötigten daher besondere Fürsorge. Hierfür sei die Anwesenheit beide Elternteile notwendig. Da die Antragsteller zu 2) bis 4) ursprünglich mit der Antragstellerin zu 1) in G. gelebt hätten, hätten sie zu dieser ein inniges Verhältnis. Eine Trennung sei besonders schwierig, vor allem auch wegen der gesundheitlichen Einschränkungen. Das Verfahren sei eilig, denn sie könnten ihren Lebensunterhalt nicht aus eigenem Einkommen oder Vermögen bestreiten. Lediglich Herr B. habe Einkommen. Die Antragsteller zu 2) bis 4) hätten einen Antrag auf Hilfe zum Lebensunterhalt bei der Stadt C. gestellt, der noch nicht beschieden sei. Sie seien auch freizügigkeitsberechtigt gemäß § 11 Abs. 14 Satz 1 FreizügG/EU i.V.m. § 28 Abs. 1 Nr. 3 AufenthG analog. Die Analogie sei aufgrund des Diskriminierungsverbots von EU-Bürgern nach Art. 18 AEUV vorzunehmen.

Der Antragsgegner hat zur Begründung seines Ablehnungsantrags vorgetragen: Eine analoge Anwendung von § 11 Abs. 14 Satz 1 Freizüg/EU i.V.m. § 28 Abs. 1 Nr. 3 AufenthG komme aufgrund des Wortlauts der Norm nicht in Betracht. Der Gesetzgeber habe den Leistungsausschluss nicht leichtfertig beschlossen. Angehörige anderer EU-Staaten sollten nicht vom ersten Tag ihres Aufenthalts in Deutschland berechtigt sein, Transferleistungen zu beziehen.

Mit Beschluss vom 19.04.2023 hat das Sozialgericht Dortmund den Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung sowie die Bewilligung von Prozesskostenhilfe abgelehnt. Es bestehe kein materieller Leistungsanspruch der Antragstellerin zu 1). Diese sei nach § 7 Abs. 1 Satz 2 SGB II von Leistungen ausgeschlossen, denn sie besitze kein Freizügigkeitsrecht nach dem FreizügG/EU. Die Antragstellerin zu 1) gehe keiner Beschäftigung nach, weshalb ein Freizügigkeitsrecht als Arbeitnehmerin ausscheide. Sie könne auch keinen Anspruch von ihrem Partner ableiten, denn sie sei nicht mit diesem verheiratet. Da weder sie noch ihr Partner arbeiteten, komme auch ein Aufenthaltsrecht der Kinder aus Art. 10 VO/EU 492/2022 nicht in Betracht. Die Kinder seien noch nicht in Deutschland zur Schule gegangen, als der Vater noch gearbeitet habe. Die Voraussetzungen des § 28 Abs. 1 Nr. 3 AufenthG sei nicht erfüllt, da weder die Antragsteller noch der Partner der Antragstellerin zu 1) Deutsche seien. Eine analoge Anwendung komme unter Verweis auf LSG NRW, Beschluss vom 27.07.2017 – L 21 AS 782/18 B ER – nicht in Betracht. Die Antragstellerin zu 1) befinde sich auch nicht seit fünf Jahren im Bundesgebiet, womit auch kein Leistungsanspruch nach § 7 Abs. 1 Satz 4 SGB II bestehe. Die Antragsteller zu 2) bis 4) seien unter 15 Jahre alt und könnten weder von Ihrem Vater noch von der Antragstellerin zu 1) einen Leistungsanspruch ableiten. Der Antrag auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe sei abzulehnen, weil das Verfahren nicht die erforderliche hinreichende Erfolgsaussicht habe.

Gegen den ihrer Prozessbevollmächtigten am 02.05.2023 zugestellten Beschluss des Sozialgerichts C. haben die Antragsteller am 22.04.2023 Beschwerde eingelegt. Die Beteiligten wiederholen ihren erstinstanzlichen Vortrag. Die Antragsteller zu 2) bis 4) haben ihre Beschwerde gegen die Ablehnung des Antrags auf Erlass einer einstweiligen Anordnung mit Schreiben vom 19.05.2023 zurückgenommen. Die Stadt C. zahle inzwischen Leistungen nach dem SGB XII.

II.

Beteiligte des gegen die Ablehnung des Antrags auf Erlass einer einstweiligen Anordnung gerichteten Beschwerde ist nur noch die Antragstellerin zu 1). Deren fristgerecht erhobene und auch im Übrigen zulässige Beschwerde ist begründet. Zu Unrecht hat das Sozialgericht eine Verpflichtung des Antragsgegners zur Zahlung von Leistungen an die Antragstellerin zu 1) im Wege der einstweiligen Anordnung abgelehnt.

Einstweilige Anordnungen sind nach § 86b Abs. 2 Satz 2 SGG zur Regelung eines vorläufigen Zustands in Bezug auf ein streitiges Rechtsverhältnis zulässig, wenn eine solche Regelung zur Abwendung wesentlicher Nachteile nötig erscheint (Regelungsanordnung). Die Erfolgsaussichten in der Hauptsache (Anordnungsanspruch) und die Eilbedürftigkeit der erstrebten einstweiligen Regelung (Anordnungsgrund) sind glaubhaft zu machen (§ 86b Abs. 2 Satz 4 SGG i.V.m. § 920 Abs. 2 ZPO). Die Anforderungen an das Vorliegen eines Anordnungsanspruchs dürfen, gemessen an der drohenden Rechtsverletzung, nicht überspannt werden (vgl. BVerfG, Beschluss vom 08.07.2020 – 1 BvR 932/20 – juris, Rn. 10). Die Entscheidungen dürfen sowohl auf eine Folgenabwägung als auch auf eine summarische Prüfung der Erfolgsaussichten in der Hauptsache gestützt werden. Hierbei ist dem Gewicht der in Frage stehenden und gegebenenfalls miteinander abzuwägenden Grundrechte Rechnung zu tragen, um eine etwaige Verletzung von Grundrechten nach Möglichkeit zu verhindern (vgl. BVerfGE 126, 1 ˂27 f.˃). Je gewichtiger die drohende Grundrechtsverletzung und je höher ihre Eintrittswahrscheinlichkeit ist, desto intensiver hat die tatsächliche und rechtliche Durchdringung der Sache bereits im Verfahren des vorläufigen Rechtsschutzes zu erfolgen. Indessen dürfen sich die Gerichte, wenn ohne die Gewährung vorläufigen Rechtsschutzes schwere und unzumutbare, anders nicht abwendbare Beeinträchtigungen entstehen können, die durch das Hauptsacheverfahren nicht mehr zu beseitigen wären, nur dann an den Erfolgsaussichten der Hauptsache orientieren, wenn sie die Sach- und Rechtslage nicht nur summarisch, sondern abschließend prüfen können. Eine solche abschließende Prüfung kommt allerdings nur in Betracht, wenn eine vollständige Aufklärung der Sach- und Rechtslage im Eilverfahren möglich ist. Andernfalls ist eine Folgenabwägung durchzuführen (vgl. BVerfG, Beschluss vom 08.07.2020, a.a.O., Rn. 11 m.w.N.).

Der Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung ist begründet. Nach der im einstweiligen Rechtsschutzverfahren gebotenen summarischen Prüfung hat die Antragstellerin zu 1) einen Anordnungsanspruch auf die Gewährung von Leistungen nach dem SGB II sowie einen Anordnungsgrund glaubhaft gemacht. Sie erfüllt die Voraussetzungen für den Bezug von Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nach § 7 Abs. 1 Satz 1 SGB II. Die 41jährige Antragstellerin hat das 15. Lebensjahr vollendet und die Altersgrenze des § 7a SGB II noch nicht erreicht (Nr. 1) sowie ihren gewöhnlichen Aufenthalt in C. und damit in der Bundesrepublik (Nr. 4). Es gibt keine Anhaltspunkte, die gegen ihre Erwerbsfähigkeit i.S.v. § 7 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2, 8 SGB II sprechen. Sie ist auch hilfebedürftig i.S.v. § 7 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3, 9 SGB II, weil sie weder über Einkommen noch über Vermögen verfügt. Ihr Kontostand belief sich am 13.01.2023 auf - 4,51 €. Die Rente und die Grundsicherungsleistungen ihres Partners Herrn B. reichen nicht aus, um ihren Bedarf zu decken.

Die Leistungsausschlüsse nach § 7 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 SGB II i.d.F. vom 09.12.2020 greifen nicht zu Ungunsten der Antragstellerin zu 1). Danach sind von Leistungsanspruch ausgenommen Ausländerinnen und Ausländer, die kein Aufenthaltsrecht haben (Nr. 2a)) oder deren Aufenthaltsrecht sich allein aus dem Zweck der Arbeitssuche ergibt (Nr. 2b)). Ein Leistungsausschluss gemäß § 7 Abs. 1 Satz 2 SGB II greift dann nicht ein, wenn die betroffene Person über eine materielle Freizügigkeitsberechtigung nach dem FreizügG/EU oder über ein materielles Aufenthaltsrecht nach dem AufenthaltsG verfügt (BSG, Urteil vom 27.01.2021 – B 14 AS 25/20 R – juris, Rn. 15; Urteil vom 12.05.2021 – B 4 AS 34/20 R – juris, Rn. 15; Urteil vom 03.12.2015 – B 4 AS 44/15 R – juris, Rn. 19).

Die Antragstellerin zu 1) ist Ausländerin. Sie kann sich im hier für den Erlass einer einstweiligen Anordnung maßgeblichen Zeitraum ab März 2023 jedoch auf ein materielles Aufenthaltsrecht berufen. Zwar verfügt die Antragstellerin zu 1) nicht über eine unionsrechtliche Freizügigkeitsberechtigung. Die Antragstellerin übt keine abhängige oder selbstständige Tätigkeit aus (§ 2 Abs. 2 Nr. 1, 2 FreizügG/EU); sie hält sich auch nicht zum Zweck der Erbringung oder Inanspruchnahme von Dienstleistungen in Deutschland auf (§ 2 Abs. 2 Nr. 3, 4 FreizügG/EU); sie hat auch nicht vorgetragen, sich überhaupt um Arbeit zu bemühen (§ 2 Abs. 2 Nr. 1a FreizügG/EU).Offensichtlich verfügt sie nicht über ausreichende Existenzmittel um ihren Lebensunterhalt und Krankenversicherungsschutz selbst zu decken (§ 2 Abs. 2 Nr. 5 i.V.m. § 4 FreizügG/EU) und sie ist auch nicht mit Herrn B. verheiratet oder verpartnert und damit dessen Familienangehörige (§ 2 Abs. 2 Nr. 6 i.V.m. § 3 FreizügG/EU). Für die im September 2022 eingereiste Antragstellerin zu 1) greift auch nicht das Daueraufenthaltsrecht (§ 2 Abs. 2 Nr. 7 i.V.m. § 4a FreizügG/EU), so dass sie die Voraussetzungen keines dieser Freizügigkeitsrechte erfüllt. Die Antragsteller zu 2) bis 4) sind als minderjährige Kinder des Herrn B. dessen Verwandte in gerader absteigender Linie und unter 21. Jahren alt (vgl. Legaldefinition in § 1 Abs. 2 Nr. 3 c) FreizügG/EU). Als solche sind sie freizügigkeitsberechtigt gemäß § 2 Abs. 2 Nr. 6 i.V.m. § 3 Abs. 1 FreizügG/EU analog, weil sie die Familienangehörigen des Herrn B. sind, der Inhaber eines Daueraufenthaltsrechts nach § 4a Abs. 1 Satz 1 FreizügG/EU ist und dem die Antragsteller zu 2) bis 4) nachgezogen sind (vgl. zur Anwendbarkeit dieser Norm auch für den Familiennachzug zu Daueraufenthaltsberechtigten nach Nr. 7: Dienelt in: Bergmann/Dienelt, Ausländerrecht, 14. Aufl. 2022, § 4a FreizügG/EU Rn. 46; Oberhäuser in: Hofmann, Ausländerrecht, 3. Aufl. 2023, § 3 FreizügG/EU, Rn. 14. Zudem heißt es in den Allgemeinen Verwaltungsvorschriften zum FreizügG/EU vom 03.02.2016, Nr. 41.0.2, hierzu: „Es fehlt jedoch eine Regelung für den Erwerb eines Aufenthaltsrechts, wenn der Unionsbürger, zu dem der Nachzug erfolgen soll, bereits ein Daueraufenthaltsrecht erlangt hat, der Familienangehörige die Voraussetzungen für den Daueraufenthalt selbst aber noch nicht erfüllt. Da Familienangehörige von freizügigkeitsberechtigten, aber noch nicht daueraufenthaltsberechtigten Unionsbürgern ein Aufenthaltsrecht haben, muss dies erst recht für Familienangehörige von daueraufenthaltsberechtigten Unionsbürger gelten. Letztere haben eine stärkere aufenthaltsrechtliche Position als „gewöhnliche“ freizügigkeitsberechtigte Unionsbürger“). Von den Antragstellern zu 2) bis 4) kann die Antragstellerin zu 1) jedoch nach § 3 FreizügG/EU kein Freizügigkeitsrecht ableiten, weil diese selbst lediglich als Familienangehörige abgeleitet freizügigkeitsberechtigt sind.

Die Antragstellerin zu 1) kann sich nach der im einstweiligen Rechtsschutzverfahren gebotenen summarischen Prüfungsdichte dennoch auf ein materielles Aufenthaltsrecht berufen. Entscheidend ist hierbei nicht, ob sie tatsächlich Inhaberin eines entsprechenden Aufenthaltstitels war, sondern, ob ein solcher Titel zu erteilen gewesen wäre (vgl. BSG, Urteil vom 30.01.2013 – B 4 AS 54/12 R – juris; LSG Baden-Württemberg, Urteil vom 25.01. 2023 – L 3 AS 3922/20 – juris, Rn. 68; LSG NRW, Beschluss vom 01.08.2017 – L 19 AS 1131/17 B ER – juris, Rn. 41; Leopold in: Schlegel/Voelzke, jurisPK-SGB II, 5. Aufl., § 7 SGB II ˂Stand: 29.11.2021˃, Rn. 122.2).

Gem. § 11 Abs. 14 Satz 1 FreizügG/EU findet das Aufenthaltsgesetz auch dann Anwendung, wenn es eine günstige Rechtsstellung vermittelt als das FreizügigG/EU. Diese Auffangklausel stellt sicher, dass es nicht zu einer Schlechterstellung von Unionsbürgern gegenüber sonstigen Ausländern kommen kann. Dabei handelt es sich um eine Meistbegünstigungsklausel, die auf einem allgemeinen Grundsatz des Freizügigkeitsrechts beruht, wonach günstigere innerstaatliche Vorschriften durch die Freizügigkeitsregelungen nicht verdrängt werden, sondern auch für den Unionsbürger und seine Angehörigen gelten, um Diskriminierungen gegenüber der aufenthaltsrechtlichen Position von Drittstaatsangehörigen zu vermeiden (vgl. LSG NRW, Urteil vom 23.11.2022 –L 12 AS 452/20 – juris, Rn. 73 f. m.w.N.). Damit ergibt sich für die Antragstellerin zu 1) ein materielles Aufenthaltsrecht aus § 11 Abs. 14 Satz 1 FreizügG/EU i.V.m.§ 28 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 AufenthG i.V.m. Art. 18 Abs. 1 AEUV. Auch die Allgemeinen Verwaltungsvorschriften zum FreizügG/EU vom 03.02.2016, Nr. 41.0.2. geht – unter explizitem Verweis auf § 28 AufenthG – von einer entsprechenden Anwendung des Aufenthaltsgesetzes auf minderjährige Unionsbürger aus.

Nach § 28 Abs. 1 AufenthG ist dem ausländischen Ehegatten eines Deutschen (Nr. 1), dem minderjährigen ledigen Kind eines Deutschen (Nr. 2) sowie dem Elternteil eines minderjährigen ledigen Deutschen zur Ausübung der Personensorge (Nr. 3) die Aufenthaltserlaubnis zu erteilen, wenn der Deutsche seinen gewöhnlichen Aufenthalt im Bundesgebiet hat. In den Fällen des Satzes 1 Nr. 2 und 3 ist die Aufenthaltserlaubnis abweichend von § 5 Abs. 1 Nr. 1 AufenthG auch ohne Sicherung des Lebensunterhalts zu erteilen.

Nach dem unmittelbar anwendbaren Art. 18 Abs. 1 AEUV (Epiney in: Callies/Ruffert, Art. 18 AEUV, 6. Aufl. 2022, Rn. 1) ist unbeschadet besonderer Bestimmungen der Verträge jede Diskriminierung aus Gründen der Staatsangehörigkeit in ihrem Anwendungsbereich verboten. Aufenthaltsrechte fallen in den Anwendungsbereich des EU-Vertrages, weil Art. 21 Abs. 1 AEUV das Recht von EU-Bürgern regelt, sich in den Hoheitsgebieten der Mitgliedstaaten aufzuhalten. Auch der 20. Erwägungsgrund der Richtlinie 2004/28/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 29.04.2004 statuiert erneut, dass das Verbot der Diskriminierung aus Gründen der Staatsangehörigkeit erfordere, dass alle Unionsbürger und ihre Familienangehörigen, die sich aufgrund dieser Richtlinie in einem Mitgliedstaat aufhalten, in diesem Mitgliedstaat in den Anwendungsbereichen des Vertrages vorbehaltlich spezifischer und ausdrücklicher im Vertrag und im abgeleiteten Recht vorgesehener Bestimmungen die gleiche Behandlung wie Inländer genießen. Dies spricht dafür, dass § 28 Abs. 1 Satz 1 AufenthG auf minderjährige Unionsbürger und ihre Eltern entsprechend Anwendung findet (vgl. hierzu Beschluss des Senats vom 25.02.2019 – L 7 AS 136/19 B ER – ebenso: LSG NRW, Urteil vom 23.11.2022 – L 12 AS 452/20 – juris, Rn. 82; Sächsisches LSG, Urteil vom 06.12.2022 – L 4 AS 939/20 – juris, Rn. 131; LSG NRW, Beschluss vom 01.08.2017 – L 19 AS 1131/17 B ER – juris, Rn. 41; Beschluss vom 30.10.2018 – L 19 AS 1472/18 B ER – juris, Rn. 30; Saarländisches LSG, Beschluss vom 07.09.20121 –L 4 AS 23/20 WA – juris, Rn. 29 ff.; im Ergebnis auch LSG Baden-Württemberg, Urteil vom 25.01.2023 – L 3 AS 3922/20 – juris, Rn. 75; Dienelt in: Bergmann/Dienelt, Ausländerrecht, 14. Aufl. 2022, § 11 FreizügG/EU Rn. 103; vgl. auch Brinkmann in: Huber/Mantel, Aufenthaltsgesetz, 3. Aufl. 2021, § 11 FreizügG/EU, Rn. 37; Oberhäuser in: Hofmann, Ausländerrecht, 3. Aufl. 2023, § 11 FreizügG/EU Rn. 76; andere Ansicht z.B.: LSG Berlin-Brandenburg, Beschluss vom 07.04.2022 – L 18 AS 312/22 B ER – juris, Rn. 8; LSG NRW, Beschluss vom 27.07.2017 – L 21 AS 782/17 B ER – juris, Rn. 43 ff.; Hessisches LSG, Beschluss vom 29.07.2021 – L 6 AS 209/ 2 B ER – juris, Rn. 140 ff.).

Eine Anwendung des § 28 AufenthG dergestalt, dass ein die Unionsbürgerschaft besitzendes aufenthaltsberechtigtes Kind verlangen kann, so gestellt zu werden, wie ein deutsches Kind, ist darüber hinaus jedenfalls aus grundrechtlichen Erwägungen geboten. Denn bei der Beantwortung der Frage, ob dem sorgeberechtigten Elternteil eines wegen der Begleitung des anderen Elternteils freizügigkeitsberechtigten minderjährigen Unionsbürgers ein Aufenthaltsrecht nach § 28 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 AufenthG vermittelt werden kann, müssen die Wertungen von Art. 6 GG und Art. 8 EMRK berücksichtigt werden (vgl. BVerfGE, Beschlüsse vom 04.10.2019 – 1 BvR 1719/18 – juris, Rn. 13; vom 07.07.2020 – 1 BvR 932/20 – juris, Rn. 15; vom 08.07.2020 – 1 BvR 1094/20 – juris, Rn. 15). Der Senat zieht bei Auslegung einer Norm diejenige vor, die mit dem Grundgesetz in Einklang steht (vgl. BVerfG, Beschluss vom 07.12.2021 – 2 BvL 2/15 – juris, Rn. 41, 70).

Ausgehend davon sieht der Senat die Voraussetzungen für eine Aufenthaltsberechtigung der Antragstellerin zu 1) bei Abwägung der Umstände des Einzelfalls unter Berücksichtigung der in Art. 6 Abs. 1 GG und Art. 8 EMRK garantierten Rechte der Antragsteller zu 2) bis 4) als erfüllt an.

Die Verweigerung existenzsichernder Leistungen an den nichtehelichen, das Sorgerecht wahrnehmende Elternteil der im Inland leistungsberechtigten Kinder wäre zur Überzeugung des Senats mit dem grundrechtlich statuierten Schutz der Familie aus Art. 6 GG nicht vereinbar. Zwar folgt aus Art. 6 Abs. 1 GG für Ausländer regelmäßig kein subjektives Recht, die eheliche bzw. familiäre Gemeinschaft gerade in Deutschland zu verwirklichen, weshalb für sie ein grundrechtsunmittelbarer Anspruch auf Erteilung einer Aufenthaltsgenehmigung oder auf Familiennachzug zu ihren berechtigterweise in Deutschland lebenden Familienangehörigen grundsätzlich nicht besteht. Der Pflicht des Staates, die Familie zu schützen, entspricht jedoch ein Anspruch der Träger der Grundrechte ausArt. 6 Abs. 1 GG darauf, dass Behörden und Gerichte bei ihren Entscheidungen die bestehenden familiären Bindungen an im Bundesgebiet lebende Personen in einer Weise berücksichtigen, die der großen Bedeutung entspricht, welche das Grundgesetz dem Schutz der Familie beimißt (vgl. BVerfG, Beschluss vom 12.05.1987 – 2 BvR 1226/83 – juris; Uhle in Epping/Hillgruber, Grundgesetz, 54 Ed. ˂Stand 15.02.2023˃, Art. 6 Rn. 44). Art. 6 GG ist eine wertentscheidende Grundsatznorm. Art. 6 Abs. 1 GG schützt die Familie als tatsächliche Lebens- und Erziehungsgemeinschaft von Kindern und Eltern. Das Schutzgebot des Art. 6 Abs. 1 GG verpflichtet den Staat, die familiäre Gemeinschaft aus Kind und Eltern sowohl im Hinblick auf deren persönliche Beziehung als auch im wirtschaftlichen Bereich zu respektieren und ihren Zusammenhalt zu fördern (vgl. BVerfG, Beschluss vom 12.10.2010 – 1 BvL 14/09 – juris, Rn. 59). Familie umfasst dabei auch eine bestehende Gemeinschaft zwischen nicht miteinander verheirateten Eltern und Kindern sowie das Verhältnis des Kindes zu seinen nicht verheirateten Eltern (vgl. Heiderhoff in: von Münch/Kunig, GG, 7. Aufl. 2021, Art. 6 Rn. 69). Von der Schutzpflicht des Staates ist vor allem die Rechtsposition der betroffenen Kinder sowie deren Anspruch auf Ermöglichung bzw. Aufrechterhaltung eines familiären Bezugs zu beiden Elternteilen betroffen (vgl. LSG NRW, Urteil vom 23.11.2022 – L 12 AS 452/20 – juris, Rn. 71 m.w.N.). Der Schutzbereich ist nicht auf rein inlandbezogene Ehen und Familien beschränkt; er umfasst das Recht auf familiäres Zusammenleben (vgl. BVerfG, Beschluss vom 12.05.1987 – 2 BvR 1226/83 u.a. – juris). Die Antragstellerin zu 1) lebt mit ihrem Lebensgefährten Herrn B. sowie mit den gemeinsamen Kindern, den Antragstellern zu 2) bis 4) zusammen in einem Haushalt. Gerade aufgrund der gesundheitlichen Einschränkungen der drei noch sehr kleinen Kinder benötigen diese Pflege und Erziehung im häuslichen Zusammenleben mit beiden ihren Elternteilen. Ihr familiäres Zusammenleben ist verfassungsrechtlich geschützt. Die Antragstellerin zu 1) kann auch nicht darauf verwiesen werden, die familiäre Einheit in G. herzustellen. Dies würde voraussetzen, dass die im Bundesgebiet lebenden Antragsteller zu 2) und zu 3) sowie ihr Lebensgefährte (im Übrigen allesamt U. und nicht V. Staatsangehörige) in ihr Heimatland zurückkehren, und sich aus ihrer errichteten wirtschaftlichen und sozialen Stellung sowie aus möglichen sozialen Bindungen lösen müssten. Diese Belastungen mögen sich für die Antragsteller zu 2) bis 4) angesichts ihrer erst vor kurzem erfolgten Einreise in die Bundesrepublik Deutschland in Grenzen halten; der daueraufenthaltsberechtigte Vater der Antragsteller zu 2) bis 4) und Lebensgefährte der Antragstellerin zu 1) lebt indes bereits seit 1978 und damit seit weit über 30 Jahren in Deutschland und hat hier über lange Zeit ein selbstständiges Gewerbe ausgeübt. Der durch die Verneinung eines Aufenthaltsrecht – und damit die Ablehnung existenzsichernder Leistungen – zu Lasten der Antragstellerin zu 1) entstehende mittelbare Zwang, eine räumliche Trennung von ihren Angehörigen hinnehmen und die Bundesrepublik verlassen zu müssen oder zu einer dauerhaften Unterdeckung des Existenzminimums aller Mitglieder der Bedarfsgemeinschaft beizutragen, beeinträchtigt das Familienleben und den Schutzgehalt des Art. 6 Abs. 1 GG. Entweder die Antragstellerin zu 1) oder sie gemeinsam mit den Kindern müsste Deutschland verlassen, weil sie ihren Lebensunterhalt nicht aus eigenem Einkommen oder Vermögen sichern kann (vgl. hierzu auch LSG NRW, Urteil vom 23.11.2022 – L 12 AS 452/20 – juris, Rn. 87). Die Antragsteller zu 2) bis 4) müssten sich von einem Elternteil trennen. Der Zwang, für längere Zeit eine räumliche Trennung von Familienangehörigen hinzunehmen und das Bundesgebiet zu verlassen, beeinträchtigt das Familienleben, welches unter dem besonderen Schutz des Grundgesetzes steht, erheblich. Diesen verfassungsrechtlich geschützten familiären Belangen der Antragsteller stehen auch keine gegenläufigen öffentlichen Belange gegenüber, denen Vorrang einzuräumen wäre (vgl. BVerfG, Beschluss vom 12.05.1987 – 2 BvR 1226/83 u.a. – juris). Solche könnten vorliegend lediglich fiskalische Interessen des Antragsgegners in Form der Gewährung existenzsichernder Leistungen sein.

Dieses Ergebnis steht auch in Einklang mit dem europäischen Grundrechtsschutz. Auch Art. 8 Abs. 1 EMRK ebenso wie Art. 7 GRCh schützen das Familienleben. Dabei unterscheidet der EGMR nicht zwischen ehelichen und nichtehelichen Familien, sondern stellt auf das tatsächlich bestehende Familienleben ab. Besonders geschützt wird auch die Beziehung zwischen Eltern und Kindern (vgl. EGMR, Elzholz v. Germany, Urteil vom 13.07.2000, Beschwerdenummer 25735/94). Dies entspricht dem Familienverständnis des Art. 6 GG (vgl. Hofmann in: BeckOK, Ausländerrecht, 36. Ed. ˂Stand 01.07.2022˃, Art. 8 EMRK, Rn. 16 ff.). Zwar garantiert auch die EMRK im Grundsatz kein Recht auf Einreise oder Aufenthalt (vgl. EGRM, M.A. v. Dänemark, Urteil vom 09.07.2021, Beschwerdenummer 66997/18, Rn. 142), unter bestimmten Umständen kann aber die positive Pflicht der Vertragsstaaten bestehen, zur Familienzusammenführung Aufenthaltsgenehmigungen zu erteilen (vgl. m.w.N. Hofmann in: BeckOK, Ausländerrecht, 36. Ed. ˂Stand 01.07.2022˃, Art. 8 EMRK, Rn. 27 ff.; Nusser in: Bermann/Dienelt, Ausländerrecht, 14. Aufl. 2022, Art. 8 EMRK, Rn. 24.).

Ausgehend davon ergibt sich für die Antragstellerin zu 1) ein materielles Aufenthaltsrecht aus § 11 Abs. 14 Satz 1 FreizügG/EU i.V.m. § 28 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 AufenthG i.V.m. Art. 18 Abs. 1 AEUV. Sie hat die elterliche Sorge für die Antragsteller zu 2) bis 4) inne und übt diese auch aus. Damit kann sie von den Antragstellern zu 2) bis 4) ein Aufenthaltsrecht ableiten, denn die Antragsteller zu 2) bis 4) waren selbst freizügigkeitsberechtigt (siehe oben). Ausgehend davon waren auch die Antragsteller zu 2) bis 4) als Kinder der Antragstellerin zu 1) und Mitglieder der Bedarfsgemeinschaft leistungsberechtigt gemäß § 7 Abs. 2 Satz 1, Abs. 3 Nr. 4 SGB II.

Der Anordnungsgrund ergibt sich aus dem existenzsichernden Charakter der begehrten Leistungen.

Bezüglich der Höhe der Leistungen legt der Senat den maßgeblichen Regelbedarf der Antragstellerin zu 1) gemäß § 20 SGB II i.H.v. 451 € zuzüglich der kopfanteiligen tatsächlichen Kosten der Unterkunft und Heizung gemäß § 22 Abs. 1 SGB II i.H.v. 127,80 € zugrunde, zusammen 580,80 €. Um die Hauptsache nicht vorwegzunehmen und nachteilige Folgen auf Seiten des Antragsgegners zu beschränken, ist die einstweilige Anordnung zeitlich zu begrenzen. Beginn der Leistungsgewährung ist März 2023 (Eingang des Antrags bei Gericht). Die Dauer der Leistungen wurde in Anlehnung an § 41 Abs. 3 Satz 2 Nr. 1 SGB II bis zum 30.09.2023 und somit auf sechs Monate befristet (vgl. hierzu Beschluss des Senats vom 16.03.2020 – L 7 AS 37/20 B ER –).

Der Antragstellerin zu 1) ist Prozesskostenhilfe für die Beschwerde zu bewilligen. Unbeschadet der erst während des Beschwerdeverfahrens erfolgten Zahlung von Leistungen nach dem SGB XII und der zwischenzeitlichen Rücknahme der Beschwerde ist auch den Antragstellern zu 2) bis 4) Prozesskostenhilfe zu bewilligen, denn das Verfahren hatte ursprünglich auch für diese hinreichende Aussicht auf Erfolg i. S. d. §§ 73a Abs. 1 Satz 1 SGG114 Abs. 1 Satz 1 ZPO. Die Frage, ob § 28 Abs. 1 S 1 Nr. 3 AufenthG i.V.m. Art 18 Abs. 1 AEUV dem sorgeberechtigten Elternteil eines minderjährigen Unionsbürgers, das wegen der Begleitung des anderen Elternteils freizügigkeitsberechtigt ist, ein Aufenthaltsrecht vermitteln kann, und inwiefern hieraus Rechtsfolgen für die minderjährigen Unionsbürger abzuleiten sind, ist wegen der vorzunehmenden verfassungsrechtlichen und europarechtlichen Wertungen weiterhin umstritten und schwierig (so explizit zu dieser Frage: BVerfG, Beschluss vom 04.10.2019 – 1 BvR 1710/18 – juris, Rn. 12 ff.). Es ist mit dem Anspruch auf effektiven Rechtsschutz aus Art. 19 Abs. 4 GG aber nicht vereinbar, schwierige, bislang ungeklärte Rechtsfragen im Prozesskostenhilfeverfahren zu entscheiden (vgl. BVerfG, Beschluss vom 07.07.2020 – 1 BvR 2447/19 – juris, Rn. 7; BVerfG, Beschluss vom 16.04.2019 – 1 BvR 2111/17 – juris, Rn. 20 f.; BVerfGE 81, 347 ˂359˃).

Aufgrund der vorstehenden Ausführungen ist den Antragstellern auf ihre Beschwerde auch für das erstinstanzliche Verfahren S 87 AS 571/23 B ER Prozesskostenhilfe unter Beiordnung ihrer Bevollmächtigten zu bewilligen.

Die Kostenentscheidung beruht auf einer entsprechenden Anwendung von § 193 SGG und berücksichtigt – auch unter Veranlassungsgesichtspunkten –, dass das Verfahren für alle Antragsteller ursprünglich Aussicht auf Erfolg hatte. Kosten im Beschwerdeverfahren gegen die Ablehnung von Prozesskostenhilfe sind nicht erstattungsfähig(§§ 73a Abs. 1 Satz 1 SGG, 127 Abs. 4 ZPO).

Dieser Beschluss ist nicht mit der Beschwerde anfechtbar (§ 177 SGG).

Rechtskraft
Aus
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