Tenor:
Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Sozialgerichts Köln vom 27.06.2022 wird zurückgewiesen.
Kosten sind auch im Berufungsverfahren nicht zu erstatten.
Die Revision wird zugelassen.
Tatbestand
Der Kläger begehrt Insolvenzgeld nach einer Beschäftigung bei einem Schweizer Unternehmen.
Der 0000 geborene Kläger war seit November 2018 als „Senior Scientist“ bei der Fa. Z.-G.-AG mit Sitz in O./W. (V.) beschäftigt. Sein Bruttolohn betrug 12.300 CHF. Der Anstellungsvertrag vom 25.10.2018 bestand mit der Z.-G.-AG und verwies auf einen Gesamtarbeitsvertrag der jeweiligen Schweizer Arbeitgeber- und Arbeitnehmerverbände. Der Lohn wurde in Schweizer Franken ausgezahlt, Gerichtsstand war Andelfingen (W./V.). Der Kläger war an zwei Tagen in der Woche im Homeoffice tätig. Der Kläger wohnte auch während seiner Beschäftigung in der W. in Deutschland (N01 Y.). Die Tätigkeit im Homeoffice verrichtete er an seinem deutschen Wohnort. Dem Kläger wurde eine „A1-Bescheinigung über die Anwendung der Rechtsvorschriften der sozialen Sicherheit“ ausgestellt, danach unterlag er während der Beschäftigung bei der Z.-G.-AG deutschen Rechtsvorschriften über die Sozialversicherung. Er zahlte während der Beschäftigung Beiträge zur deutschen Sozialversicherung.
Am 30.06.2020 eröffnete das Konkursamt F.-T. über das Vermögen der Z.-G.-AG den Konkurs. Dies ist auch der Tag der vollständigen Beendigung der Betriebstätigkeit. Der Kläger kündigte sein Beschäftigungsverhältnis bereits mit Schreiben vom 26.05.2020 zum 30.09.2020. Er erhielt nur bis einschließlich Mai 2020 Arbeitsentgelt; für Juni 2020 sind Arbeitsentgeltansprüche offen. Der V. lehnte mit Bescheid vom 13.08.2020 einen Antrag des Klägers auf schweizerische Insolvenzentschädigung ab.
Der Kläger beantragte am 21.08.2020 bei der Beklagten Insolvenzgeld. Er machte rückständiges Arbeitsentgelt für Juni 2020 iHv insgesamt 17.273,74 € geltend (Bruttolohn sowie anteiliges 13. Monatsgehalt für Juni 2020 sowie „Vergütung Arbeitszeitguthaben“). Mit Bescheid vom 15.12.2020 lehnte die Beklagte den Antrag ab. Ein ausländisches Insolvenzereignis löse einen Anspruch auf Insolvenzgeld nur aus, wenn es sich um ein inländisches Beschäftigungsverhältnis handele. Dies sei nach dem Anstellungsvertrag nicht der Fall, es handele bei dem Arbeitsverhältnis zur Z.-G. AG um eine Beschäftigung in der W.. Gegen diesen Bescheid legte der Kläger am 17.12.2020 Widerspruch ein. Er machte geltend, er habe als Grenzgänger iSd VO (EG) 883/2004 während seiner Beschäftigung in der W. Beiträge zur Sozialversicherung in Deutschland gezahlt. Beiträge zur Sozialversicherung in der W. seien nicht gezahlt worden, weshalb ein Anspruch auf Insolvenzentschädigung in der W. nicht bestehe. Mit Widerspruchsbescheid vom 29.12.2020 wies die Beklagte den Widerspruch zurück. Es handele sich nicht um ein deutsches Beschäftigungsverhältnis. Die Abführung von Sozialversicherungsbeiträgen in Deutschland könne zwar ein Indiz dafür sein, sei jedoch nicht in jedem Fall ausschlaggebend. Aufgrund der weiteren Umstände der Beschäftigung (Arbeitsort, Gerichtsstand, Währung des Arbeitsentgelts) sei das Beschäftigungsverhältnis als schweizerische Beschäftigung zu würdigen, die Ermöglichung von Homeoffice ändere daran nichts.
Hiergegen hat der Kläger am 27.01.2021 Klage erhoben. Er hat geltend gemacht, aufgrund der Zahlung von Sozialversicherungsbeiträgen in Deutschland und der Nichtzahlung von Sozialversicherungsbeiträgen in der W., die dort zu einer Ablehnung einer Insolvenzentschädigung geführt habe, müsse ihm in Deutschland ein Anspruch auf Insolvenzgeld zustehen. Es könne nicht sein, dass Arbeitnehmern in seiner Lage in keinem der beteiligten Länder ein Anspruch auf Insolvenzentschädigung zustehe.
Der Kläger hat beantragt,
die Beklagte unter Aufhebung des Ablehnungsbescheides vom 15.12.2020 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 29.12.2020 zu verurteilen, ihm Insolvenzgeld nach Maßgabe der gesetzlichen Bestimmungen zu gewähren.
Die Beklagte hat beantragt,
die Klage abzuweisen.
Sie hat ergänzend geltend gemacht, aus der Zahlung von Sozialversicherungsbeiträgen in Deutschland ergebe sich keine Verpflichtung zur Zahlung von deutschem Insolvenzgeld. Das Insolvenzgeld werde gem. § 358 SGB III aus einer gesonderten Umlage finanziert. Der ausländische Arbeitgeber habe keine Umlagebeiträge entrichtet.
Mit Urteil vom 27.06.2022 hat das Sozialgericht die Klage abgewiesen. Bei dem Beschäftigungsverhältnis bei der Z.-G.-AG habe es sich nicht um ein inländisches Beschäftigungsverhältnis iSd § 165 Abs. 1 Satz 3 SGB III gehandelt. Der rechtliche und tatsächliche Schwerpunkt der Beschäftigung habe sich in der W. befunden. Die Abführung von Sozialversicherungsbeiträgen in Deutschland allein aufgrund der A1-Bescheinigung führe nicht zu einer anderen Bewertung.
Gegen das ihm am 02.07.2022 zugestellte Urteil hat der Kläger am 30.07.2022 Berufung eingelegt. Aus der A1-Bescheinigung folge die Anwendung deutschen Rechts. Dies sei auch aufgrund der VO (EG) 883/2004 und der VO (EG) 987/2009 geboten. Eine Ablehnung seines Anspruchs würde bedeuten, dass ihm gar keine Absicherung seines Arbeitsentgelts bei Insolvenz des schweizerischen Arbeitgebers zustehe. Dies könne nicht rechtmäßig sein.
Der Kläger beantragt schriftsätzlich sinngemäß,
das Urteil des Sozialgerichts Köln vom 27.06.2022 zu ändern und die Beklagte unter Aufhebung des Ablehnungsbescheides vom 15.12.2020 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 29.12.2020 zu verurteilen, ihm Insolvenzgeld nach Maßgabe der gesetzlichen Bestimmungen zu zahlen.
Die Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Sie macht ergänzend geltend, die vom Kläger in Bezug genommenen europarechtlichen Vorschriften hätten für das Insolvenzgeld keine Geltung (Bezugnahme auf BSG Urteil vom 08.02.2001 – B 11 AL 30/00 R und EuGH Urteil vom 15.12.1976 – 39/76).
Die Beteiligten haben ihr Einverständnis mit einer Entscheidung ohne mündliche Verhandlung erklärt.
Hinsichtlich der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die gewechselten Schriftsätze und die übrige Gerichtsakte sowie die beigezogene Verwaltungsakte verwiesen.
Entscheidungsgründe
Die Berufung ist statthaft und auch im Übrigen zulässig. Der Kläger macht einen Anspruch auf Insolvenzgeld geltend, der mit 17.273,74 € den für die Statthaftigkeit der Berufung erforderlichen Streitwert (§ 144 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 SGG) überschreitet. Der Kläger verfolgt den Anspruch zutreffend mit der Anfechtungs- und Leistungsklage (§ 54 Abs. 4 SGG), die auf den Erlass eines Grundurteils (§ 130 Abs. 1 Satz 1 SGG) gerichtet ist. Daher kann der Senat die genaue Höhe des offenen Arbeitsentgeltanspruchs, die noch nicht abschließend geklärt ist, offenlassen.
Die Berufung ist nicht begründet. Zu Recht hat das Sozialgericht die Klage abgewiesen. Der angefochtene Ablehnungsbescheid ist nicht rechtswidrig. Der Kläger hat keinen Anspruch auf Insolvenzgeld wegen des in der W. erfolgten Konkurses seiner ehemaligen Arbeitgeberin Z.-G.-AG.
Der Anspruch richtet sich nach § 165 SGB III. Nach § 165 Abs. 1 SGB III haben Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer Anspruch auf Insolvenzgeld, wenn sie im Inland beschäftigt waren und bei einem Insolvenzereignis für die vorausgegangenen drei Monate des Arbeitsverhältnisses noch Ansprüche auf Arbeitsentgelt haben. Als Insolvenzereignis gilt 1. die Eröffnung des Insolvenzverfahrens über das Vermögen des Arbeitgebers, 2. die Abweisung des Antrags auf Eröffnung des Insolvenzverfahrens mangels Masse oder 3. die vollständige Beendigung der Betriebstätigkeit im Inland, wenn ein Antrag auf Eröffnung des Insolvenzverfahrens nicht gestellt worden ist und ein Insolvenzverfahren offensichtlich mangels Masse nicht in Betracht kommt. Auch bei einem ausländischen Insolvenzereignis haben im Inland beschäftigte Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer einen Anspruch auf Insolvenzgeld (§ 165 Abs. 1 Satz 3 SGB III).
Gem. § 324 Abs. 3 Satz 1 SGB III ist Insolvenzgeld innerhalb einer Ausschlussfrist von zwei Monaten nach dem Insolvenzereignis zu beantragen. Der Kläger hat das Insolvenzgeld am 21.08.2020 innerhalb von zwei Monaten nach Eintritt des Insolvenzereignisses (30.06.2020, dazu sogleich) beantragt.
Er hat offene Arbeitsentgeltansprüche für Juni 2020. Damit macht er Ansprüche geltend, die insolvenzgeldfähig sind und in den Drei-Monatszeitraum des § 165 Abs. 1 SGB III fallen. Das Insolvenzereignis datiert vom 30.06.2020. Die Konkurseröffnung in der W. ist ein ausländisches Insolvenzereignis iSd § 165 Abs. 1 Satz 3 SGB III. Die ausländischen Insolvenzereignisse orientieren sich an den für das Inland gem. § 165 Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 und 2 SGB III geltenden Tatbeständen. Bei diesen Insolvenzereignissen genügt es, dass das im Ausland sich vollziehende Verfahren in seinen wesentlichen Grundsätzen dem inländischen Recht entspricht (Voelzke in Hauck/Noftz, SGB III, § 165 Rn. 202). Dies ist nach den schweizerischen Verfahrensschritten (Eröffnung eines Konkurses durch ein Gericht nach festgestellter Überschuldung der AG, Möglichkeiten zur Forderungsanmeldung, Prüfung von Insolvenzentschädigung für Arbeitnehmer) der Fall, weshalb eine Konkurseröffnung in der W. einer Eröffnung des Insolvenzverfahrens über das Vermögen des Arbeitgebers iSd § 165 Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 SGB III gleichzusetzen ist. Auf die problematische Frage, wann eine Einstellung der Betriebstätigkeit im Ausland einem inländischen Insolvenzereignis iSd § 165 Abs. 1 Satz 2 Nr. 3 SGB III gleichsteht (hierzu eingehend Voelzke, in Hauck/Noftz, SGB III § 165 Rn. 203), kommt es vorliegend nicht an.
Der Anspruchszeitraum Juni 2020 liegt bis zum 29.06.2020 innerhalb von drei Monaten vor diesem Ereignis (zur Berechnung des Insolvenzgeld-Zeitraums bei einem bestehenden Arbeitsverhältnis vergl. nur Voelzke in Hauck/Noftz, SGB III, § 165 Rn. 91; Kühl in Brand, SGB III, 9. Aufl., § 165 Rn. 33). Bis zu diesem Zeitpunkt sind Ansprüche auf Arbeitsentgelt (für Juni 2020) noch offen iSd § 165 Abs. 1 Satz 1 SGB III.
Der Kläger ist jedoch kein im Inland beschäftigter Arbeitnehmer iSd § 165 Abs. 1 Satz 3 SGB III gewesen.
Die Auslegung dieses Tatbestandsmerkmals hat vor dem Hintergrund der Entstehungsgeschichte der Bestimmung zu erfolgen. Vor der Einfügung der Regelung über das Insolvenzgeld bei Auslandsberührung durch das Job-AQTIV-Gesetz vom 10.12.2001 (BGBl I 3443) war unstreitig, dass sich im Ausland vollziehende Insolvenzereignisse im Rahmen der Insolvenzgeld-Versicherung ohne unmittelbare Bedeutung waren. Die Eröffnung eines Insolvenzverfahrens im Ausland konnte der Eröffnung eines Insolvenzverfahrens im Inland nicht gleichgestellt werden (BSG Urteil vom 29.06.2000 - B 11 AL 75/99 R). Diese Rechtslage ist geändert worden durch das JobAQTIV-Gesetz vom 10.12.2001 (BGBl I, 3443). Sinn der Neuregelung war klar zu stellen, dass es für den Anspruch auf Insolvenzgeld darauf ankommt, ob der Arbeitnehmer in Deutschland beschäftigt war und dass auch ausländische Insolvenzereignisse einen Anspruch auf Insolvenzgeld begründen können (BT-Drs. 14/7347, S. 73). Der Gesetzgeber hat damit eine Regelung geschaffen, die in Übereinstimmung mit der später in Kraft getretenen Richtlinie 2008/94/EG über den Schutz der Arbeitnehmer bei Zahlungsunfähigkeit des Arbeitgebers steht (Voelzke in: Hauck/Noftz SGB III, § 165, Rn. 221) nach der in Deutschland nach deutschem Recht beschäftigten Arbeitnehmer eines ausländischen Arbeitgebers bei Insolvenz dieses Arbeitgebers Leistungen aus der deutschen Insolvenzgeldsicherung erhalten (Art. 9 der Richtlinie 2008/94 EG; E. Schneider in JurisPK SGB III § 165 Rn. 58). Die Vorgängernorm zu § 165, der § 183 SGB III, wurde dementsprechend in Satz 1 um die Worte „im Inland beschäftigt waren“ und um einen neuen Satz 2 „Ein ausländisches Insolvenzereignis begründet einen Anspruch auf Insolvenzgeld für im Inland beschäftigte Arbeitnehmer“ ergänzt. Beide Neuregelungen gelten noch heute gem. § 165 Abs. 1 SGB III in der Fassung des EinglVerbG vom 20.12.2011 (BGBl I, 2854). Mittelbare Auswirkungen auf einen Insolvenzgeld-Anspruch in Deutschland konnte auch zuvor ein ausländisches Insolvenzereignis allerdings über das Insolvenzereignis „vollständige Einstellung der Betriebstätigkeit im Inland“ erhalten. Voraussetzung für ein derartiges (inländisches) Insolvenzereignis war, dass im Inland ein Betrieb im Sinne einer organisatorischen Einheit vorhanden war (BSG Urteile vom 08.02.2001 – B 11 AL 30/00 R und vom 29.06.2000 - B 11 AL 75/99 R). Bei einem hiernach gegebenen inländischen Insolvenzereignis konnte ein Anspruch auf Insolvenzgeld gleichwohl wegen der tatsächlichen Beschäftigung des Arbeitnehmers im Ausland zu verneinen sein. Zur Abgrenzung stellte die Rechtsprechung darauf ab, ob „erhebliche Berührungspunkte zur deutschen Rechtsordnung bestehen oder bestehen geblieben sind, aus denen zu folgern ist, dass der Schwerpunkt der rechtlichen und tatsächlichen Verhältnisse des Arbeitnehmers im Inland lag“ (BSG Urteile vom 29.02.1984 - 10 RAr 20/82 und vom 21.09.1983 - 10 RAr 6/82). Seit der Neuregelung durch das Job-AQTIV-Gesetz können damit zwar auch ausländische Insolvenzereignisse einen Anspruch auf Insolvenzgeld auslösen, es kommt für den Anspruch aber – wie bei der vormalig allein relevanten vollständigen Einstellung der Betriebstätigkeit im Inland - ausdrücklich weiterhin darauf an, ob der Arbeitnehmer in Deutschland beschäftigt war (BT-Drucks. 14/7347 S. 73). Damit kann zur Auslegung der Frage, wann eine Inlandsbeschäftigung vorliegt, auf die Rechtsprechung zurückgegriffen werden, die schon vor dem Job-AQTIV-Gesetz für das Insolvenzereignis „vollständige Einstellung der Betriebstätigkeit im Inland“ und der Abgrenzung zu der nicht versicherten Auslandsbeschäftigung galt. Maßgeblich ist damit weiterhin, ob erhebliche Berührungspunkte zur deutschen Rechtsordnung bestehen oder bestehen geblieben sind, aus denen zu folgern ist, dass der Schwerpunkt der rechtlichen und tatsächlichen Verhältnisse des Arbeitnehmers im Inland lag (so BSG Urteile vom 29.02.1984 - 10 RAr 20/82 und vom 21.09.1983 - 10 RAr 6/82).
Ob der Schwerpunkt des Beschäftigungsverhältnisses im Inland liegt, ist anhand der das Arbeitsverhältnis prägenden Umstände zu beurteilen. Hierzu gehören zB der tatsächliche Ort der Beschäftigung, der Inhalt des Arbeitsvertrages, die Vereinbarung deutschen oder ausländischen Arbeitsrechts, eine Gerichtsstandsvereinbarung und die Art und Weise der Entgeltzahlung (Voelzke in Hauck/Noftz, SGB III, § 165 Rn. 197 mwN). Das BSG hat ein inländisches Arbeitsverhältnis angenommen für Arbeitsverträge, die einen von einem deutschen Arbeitgeber mit einer deutschen Gewerkschaft geschlossenen Tarifvertrag zum Inhalt hatten und bei denen ein deutscher Gerichtsstand vereinbart war (BSG Urteil vom 21.09.1983 -10 RAr 6/82).
Die relevanten Umstände stehen im vorliegenden Fall einem inländischen (deutschen) Arbeitsverhältnis entgegen. Es galt schweizerisches Arbeitsrecht, maßgeblich war ein Schweizer Tarifvertrag, das vereinbarte Entgelt war arbeitsvertraglich in Franken ausgedrückt und der überwiegende Teil der Arbeitszeit musste in der W. verbracht werden. Der Umstand, dass dem Kläger an zwei Tagen in der Woche die Arbeit im deutschen Homeoffice gestattet war, ändert an der Bewertung nichts. Bei Arbeit im Homeoffice handelt es sich nicht um eine in Deutschland zu verrichtende Tätigkeit (wie etwa bei der Betreuung von in Deutschland wohnenden Kunden oder von in Deutschland durchgeführten Projekten; so der Sachverhalt bei LSG Baden-Württemberg Urteil vom 17.03.2015 – L 13 AL 2443/14, das in einer im Übrigen vergleichbaren Konstellation eine Inlandsbeschäftigung bejaht hatte), sondern um die Nutzung der Vorteile der Digitalisierung zur Ermöglichung der Verrichtung der Arbeit von einem anderen Ort. Dieser muss nicht zwingend in Deutschland sein.
Nach der Literatur kommt allerdings eine starke Indizwirkung dem Umstand zu, in welchem Land für den Arbeitnehmer Sozialversicherungsbeiträge entrichtet worden sind. In Zweifelsfällen soll entscheidend sein, ob die Beschäftigung der Versicherungspflicht nach deutschem Recht unterliegt (Voelzke in Hauck/Noftz, SGB III, § 165 Rn. 197). Dies gilt aber jedenfalls dann nicht, wenn die Beitragspflicht zur deutschen Sozialversicherung – wie hier – auf der Anwendung der VO (EG) 883/2004, die auf die Schweiz anwendbar ist (dazu näher Beschluss des Senats vom 25.10.2022 – L 9 AL 109/22 B ER), beruht. Die Bejahung einer deutschen Sozialversicherungspflicht nach dieser Rechtsgrundlage trifft keine Aussage darüber, ob das zu beurteilende Arbeitsverhältnis im Übrigen deutschen oder ausländischen Rechtsvorschriften unterliegt.
Eine richtlinienkonforme Auslegung des Tatbestandsmerkmales „im Inland beschäftigt“ in § 165 Abs. 1 SGB III führt zu keinem anderen Ergebnis. Zwar ist die Schweiz nicht Mitglied der Europäischen Union und sind vorliegend nicht die auch für die Schweiz geltenden Vorschriften des VO (EG) 883/2004 betroffen, weil deren sachlicher Geltungsbereich (Art. 3 VO (EG) 883/2004) nicht eröffnet ist, sondern die Regelungen der Richtlinie 2008/94/EG über den Schutz der Arbeitnehmer bei Zahlungsunfähigkeit des Arbeitgebers. Indem der Gesetzgeber § 165 Abs. 1 Satz 3 SGB III aber generell für ausländische Beschäftigungsverhältnisse – nicht nur solche innerhalb der Europäischen Union – hat gelten lassen, kann die Rechtsprechung des EuGH zur Richtlinie 2008/94/EG zur Auslegung von § 165 Abs. 1 Satz 3 SGB III herangezogen werden (zur richtlinienkonformen Auslegung von innerstaatlichem Recht, das über den Normbefehl des Gemeinschaftsrechts hinausgeht BGH Urteil vom 23.02.2021 – II ZR 65/19). Nach Art. 9 der Richtlinie 2008/94/EG ist für die Befriedigung der nicht erfüllten Arbeitnehmeransprüche die Einrichtung desjenigen Mitgliedstaats zuständig, in dessen Hoheitsgebiet die betreffenden Arbeitnehmer ihre Arbeit gewöhnlich verrichten oder verrichtet haben, wenn ein Unternehmen, das im Hoheitsgebiet mindestens zweier Mitgliedstaaten tätig ist, zahlungsunfähig ist. Diese Vorschrift ist nach der Rechtsprechung des EuGH (Urteil des EuGH vom 16.02.2023 – C-710/21) dahin auszulegen, dass „bei der Bestimmung des Mitgliedstaats, dessen Garantieeinrichtung für die Befriedigung nicht erfüllter Arbeitnehmeransprüche zuständig ist, davon auszugehen ist, dass der Arbeitgeber, der zahlungsunfähig ist, nicht im Sinne dieser Bestimmung im Hoheitsgebiet mindestens zweier Mitgliedstaaten tätig ist, wenn nach dem Arbeitsvertrag des betreffenden Arbeitnehmers dessen Arbeitsschwerpunkt und gewöhnlicher Arbeitsort im Sitzmitgliedstaat des Arbeitgebers liegen, der Arbeitnehmer aber seine Aufgaben zu einem ebenso großen Teil seiner Arbeitszeit aus der Ferne von einem anderen Mitgliedstaat aus verrichtet, in dem sich sein Hauptwohnsitz befindet.“ Hiermit hat der EuGH zum Ausdruck gebracht, dass allein die Möglichkeit, einen Teil seiner Arbeit im Homeoffice zu verrichten, für einen Anspruch gegen den Träger des Wohnsitzes - hier die Beklagte - zu verrichten, jedenfalls dann nicht ausreicht, wenn die Tätigkeit im Home-Office sich - wie im Fall des Klägers - nicht auf unmittelbare Aktivitäten des Unternehmens in Deutschland bezog (eingehend hierzu Cranchaw in JurisPR-InsR 6/2023 Anm. 1).
Im Gegensatz zur Auffassung des Klägers kann er einen Anspruch auf Insolvenzgeld gegen die Beklagte schließlich nicht daraus ableiten, dass ihm eine Absicherung seines Entgelts gegen Insolvenzereignisse zustehen müsse und die Schweizer Behörde einen Anspruch abgelehnt habe. Es bedarf keiner Entscheidung, ob dem Kläger nach Schweizer Rechtsvorschriften ein Anspruch auf Insolvenzentschädigung zustand (dazu Informationen des Kantons Zürich, https://www.zh.ch/de/wirtschaft-arbeit/stellensuche-arbeitslosigkeit/arbeitslosenentschaedigung/entschaedigung-insolvenz-arbeitgeber.html). Denn eine Ablehnungsentscheidung des Schweizer Trägers begründet keinen Anspruch gegen die Beklagte (in diese Sinne auch BSG Urteil vom 08.02.2001 – B 11 AL 30/00 R).
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.
Der Senat hat die Revision wegen grundsätzlicher Bedeutung der Rechtssache (§ 160 Abs. 2 Nr. 1 SGG) zugelassen.
Rechtsmittelbelehrung:
Dieses Urteil kann mit der Revision angefochten werden.
Die Revision ist von einem bei dem Bundessozialgericht zugelassenen Prozessbevollmächtigten innerhalb eines Monats nach Zustellung des Urteils schriftlich oder in elektronischer Form beim
Bundessozialgericht, Postfach 41 02 20, 34114 KasseloderBundessozialgericht, Graf-Bernadotte-Platz 5, 34119 Kassel
einzulegen.
Die Revisionsschrift muss bis zum Ablauf der Monatsfrist bei dem Bundessozialgericht eingegangen sein.
Die elektronische Form wird durch Übermittlung eines elektronischen Dokuments gewahrt, das für die Bearbeitung durch das Gericht geeignet ist und
- von der verantwortenden Person qualifiziert elektronisch signiert ist und über das Elektronische Gerichts- und Verwaltungspostfach (EGVP) eingereicht wird oder
- von der verantwortenden Person signiert und auf einem sicheren Übermittlungsweg gem. § 65a Abs. 4 Sozialgerichtsgesetz (SGG) eingereicht wird.
Weitere Voraussetzungen, insbesondere zu den zugelassenen Dateiformaten und zur qualifizierten elektronischen Signatur, ergeben sich aus der Verordnung über die technischen Rahmenbedingungen des elektronischen Rechtsverkehrs und über das besondere elektronische Behördenpostfach (Elektronischer-Rechtsverkehr-Verordnung -ERVV) in der jeweils gültigen Fassung. Weitergehende Informationen zum elektronischen Rechtsverkehr können über das Internetportal des Bundessozialgerichts (www.bsg.bund.de) abgerufen werden.
Als Prozessbevollmächtigte sind nur zugelassen
- jeder Rechtsanwalt,
- Rechtslehrer an einer staatlichen oder staatlich anerkannten Hochschule eines Mitgliedsstaates der Europäischen Union, eines anderen Vertragsstaates des Abkommens über den Europäischen Wirtschaftsraum oder der W., die die Befähigung zum Richteramt besitzen,
- selbständige Vereinigungen von Arbeitnehmern mit sozial- oder berufspolitischer Zwecksetzung für ihre Mitglieder,
- berufsständische Vereinigungen der Landwirtschaft für ihre Mitglieder,
- Gewerkschaften und Vereinigungen von Arbeitgebern sowie Zusammenschlüsse solcher Verbände für ihre Mitglieder oder für andere Verbände oder Zusammenschlüsse mit vergleichbarer Ausrichtung und deren Mitglieder,
- Vereinigungen, deren satzungsgemäße Aufgaben die gemeinschaftliche Interessenvertretung, die Beratung und Vertretung der Leistungsempfänger nach dem sozialen Entschädigungsrecht oder der behinderten Menschen wesentlich umfassen und die unter Berücksichtigung von Art und Umfang ihrer Tätigkeit sowie ihres Mitgliederkreises die Gewähr für eine sachkundige Prozessvertretung bieten, für ihre Mitglieder,
- juristische Personen, deren Anteile sämtlich im wirtschaftlichen Eigentum einer der vorgenannten Organisationen stehen, wenn die juristische Person ausschließlich die Rechtsberatung und Prozessvertretung dieser Organisation und ihrer Mitglieder oder anderer Verbände oder Zusammenschlüsse mit vergleichbarer Ausrichtung und deren Mitglieder entsprechend deren Satzung durchführt, und wenn die Organisation für die Tätigkeit der Bevollmächtigten haftet.
Die vorgenannten Vereinigungen, Gewerkschaften und juristischen Personen müssen durch Personen mit Befähigung zum Richteramt handeln. Behörden und juristische Personen des öffentlichen Rechts einschließlich der von ihnen zur Erfüllung ihrer öffentlichen Aufgaben gebildeten Zusammenschlüsse sowie private Pflegeversicherungsunternehmen können sich durch eigene Beschäftigte mit Befähigung zum Richteramt oder durch Beschäftigte mit Befähigung zum Richteramt anderer Behörden oder juristischer Personen des öffentlichen Rechts einschließlich der von ihnen zur Erfüllung ihrer öffentlichen Aufgaben gebildeten Zusammenschlüsse vertreten lassen.
Ein Beteiligter, der zur Vertretung berechtigt ist, kann sich selbst vertreten. Handelt es sich dabei um eine der vorgenannten Vereinigungen, Gewerkschaften oder juristischen Personen, muss diese durch Personen mit Befähigung zum Richteramt handeln.
Die Revisionsschrift muss das angefochtene Urteil bezeichnen.
Die Revision ist innerhalb von zwei Monaten nach Zustellung des Urteils von einem zugelassenen Bevollmächtigten schriftlich oder in elektronischer Form zu begründen.
Die Begründung muss einen bestimmten Antrag enthalten, die verletzte Rechtsnorm und, soweit Verfahrensmängel gerügt werden, die Tatsachen bezeichnen, die den Mangel ergeben.
Die Revision kann nur darauf gestützt werden, dass das angefochtene Urteil auf der Verletzung einer Vorschrift des Bundesrechts oder einer sonstigen im Bezirk des Berufungsgerichts geltenden Vorschrift beruht, deren Geltungsbereich sich über den Bezirk des Berufungsgerichts hinaus erstreckt.
Für die Revision vor dem Bundessozialgericht kann ein Beteiligter, der nicht schon durch die oben genannten Vereinigungen, Gewerkschaften oder juristischen Personen vertreten ist, Prozesskostenhilfe zum Zwecke der Beiordnung eines Rechtsanwalts beantragen.
Der Beteiligte kann die Prozesskostenhilfe selbst beantragen. Der Antrag ist beim Bundessozialgericht entweder schriftlich oder in elektronischer Form einzureichen oder mündlich vor dessen Geschäftsstelle zu Protokoll zu erklären.
Dem Antrag sind eine Erklärung des Beteiligten über seine persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse (Familienverhältnisse, Beruf, Vermögen, Einkommen und Lasten) sowie entsprechende Belege beizufügen. Hierzu ist der für die Abgabe der Erklärung vorgeschriebene Vordruck zu benutzen. Der Vordruck kann von allen Gerichten oder durch den Schreibwarenhandel bezogen werden.
Wird Prozesskostenhilfe bereits für die Einlegung der Revision begehrt, so müssen der Antrag und die Erklärung über die persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse - gegebenenfalls nebst entsprechenden Belegen - bis zum Ablauf der Frist für die Einlegung der Revision (ein Monat nach Zustellung des Urteils) beim Bundessozialgericht eingegangen sein.
Mit dem Antrag auf Prozesskostenhilfe kann ein zur Vertretung bereiter Rechtsanwalt benannt werden.
Ist dem Beteiligten Prozesskostenhilfe bewilligt worden und macht er von seinem Recht, einen Anwalt zu wählen, keinen Gebrauch, wird auf seinen Antrag der beizuordnende Rechtsanwalt vom Bundessozialgericht ausgewählt.
Der Revisionsschrift und allen folgenden Schriftsätzen sollen Abschriften für die übrigen Beteiligten beigefügt werden.
Das Bundessozialgericht bittet darüber hinaus um je zwei weitere Abschriften.
Schriftlich einzureichende Anträge und Erklärungen, die durch einen Rechtsanwalt, durch eine Behörde oder durch eine juristische Person des öffentlichen Rechts einschließlich der von ihr zur Erfüllung ihrer öffentlichen Aufgaben gebildeten Zusammenschlüsse eingereicht werden, sind als elektronisches Dokument zu übermitteln. Ist dies aus technischen Gründen vorübergehend nicht möglich, bleibt die Übermittlung nach den allgemeinen Vorschriften zulässig. Die vorübergehende Unmöglichkeit ist bei der Ersatzeinreichung oder unverzüglich danach glaubhaft zu machen; auf Anforderung ist ein elektronisches _ Dokument nachzureichen. Gleiches gilt für die nach dem Sozialgerichtsgesetz vertretungsberechtigten Personen, für die ein sicherer Übermittlungsweg nach § 65a Abs. 4 Nr. 2 SGG zur Verfügung steht (§ 65d SGG).