L 15 U 478/20

Land
Nordrhein-Westfalen
Sozialgericht
LSG Nordrhein-Westfalen
Sachgebiet
Unfallversicherung
Abteilung
15
1. Instanz
SG Dortmund (NRW)
Aktenzeichen
S 18 U 69/19
Datum
2. Instanz
LSG Nordrhein-Westfalen
Aktenzeichen
L 15 U 478/20
Datum
3. Instanz
-
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil

Tenor:

Auf die Berufung des Klägers wird das Urteil des Sozialgerichts Dortmund vom 20.08.2020 geändert.

Der Bescheid vom 13.06.2018 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 03.01.2019 wird aufgehoben.

Die Beklagte hat die außergerichtlichen Kosten des Klägers für beide Rechtszüge zu erstatten.

Die Revision wird nicht zugelassen.

 

Tatbestand

Die Beteiligten streiten darüber, ob die Beklagte die dem Kläger wegen der Folgen des Unfalls vom 11.05.2013 gewährte Rente auf unbestimmte Zeit herabsetzen durfte.

Der 0000 geborene Kläger erlitt am 11.05.2013 als Mitarbeiter einer Gerüstbaufirma einen Arbeitsunfall, als er von einem aus größerer Höhe herabfallenden Gerüststück am Kopf getroffen wurde und sich hierbei neben multiplen Mittelgesichtsfrakturen und einer Augenverletzung ein Schädelhirntrauma mit Hirnödem und eine Myelonkontusion mit inkompletter Querschnittslähmung zuzog. Wegen der hierdurch bedingten neurogenen Harnblasenentleerungsstörung bestand bei der Entlassung aus der stationären Behandlung der Chirurgischen Klinik und Poliklinik des Berufsgenossenschaftlichen Universitätsklinikum D. in S. am 15.11.2013 weiterhin die Notwendigkeit zum intermittierenden Katheterismus viermal täglich.

Vom 10.06. bis zum 08.07.2014 befand der Kläger sich zu einer stationären neurologischen Rehabilitationsbehandlung im Rahmen der ganzzeitlichen Unfallnachsorge in der Klinik am H. in R.. Im Entlassungsbericht vom 07.08.2014 ist unter dem Punkt „Rehabilitationsergebnis“ vermerkt, der Kläger habe bei der Abschlussuntersuchung angegeben, von der Rehamaßnahme profitiert zu haben. Muskelkraft und Beweglichkeit hätten zugenommen, die Stimmung sowie Konzentration und Gedächtnis seien aus seiner Sicht zufriedenstellend. Es bestünden weiterhin Schmerzen in beiden Armen und im Bereich der rechten Thoraxseite, die insbesondere bei Kälte aufträten, sowie Muskelverspannungen im Abdomen beim Laufen, die sich unter der Therapie nicht verändert hätten. Das Wasserlassen sei weiterhin erschwert, etwa dreimal täglich benutze er einen Katheter. Er freue sich auf einen Urlaub in seiner J. Heimat.

Ausweislich eines Aktenvermerks der Beklagten vom 15.08.2014 teilte die Schwägerin des Klägers telefonisch mit, dass dieser bei der Einreise mit dem PKW in die W. am 13.07.2014 festgenommen worden sei. Er sei „für 12 Jahre verurteilt“ worden. Aufgrund einer Straftat in Deutschland sei er damals auf Bewährung freigekommen.

Zur Beurteilung der Minderung der Erwerbsfähigkeit (MdE) ließ die Beklagte das Aktenmaterial von ihrem Beratungsarzt Y., Chirurgische und Poliklinik des Berufsgenossenschaftlichen Universitätsklinikums D. in S., auswerten. Dieser führte in seiner Stellungnahme vom 29.09.2014 aus, unter Berücksichtigung des vorgelegten Aktenmaterials zeige sich, dass an Unfallfolgen eine inkomplette Tetraplegie bei Frakturen des dritten, vierten und fünften Halswirbelkörpers verblieben sei. In den vorliegenden Berichten sowohl des Klinikums S. als auch der Klinik am H. sei eine deutliche Gangunsicherheit mit inkompletter Tetraplegie und Ganglimitierung auf maximal 500 Meter sowie Blasen-/Mastdarmstörung beschrieben. Diese sei allein auf unfallchirurgischem Fachgebiet mit einer MdE zu bewerten. Weiterhin zeige sich in der Durchsicht des vorgelegten Aktenmaterials sowohl eine erhebliche Visusstörung eines Auges als Folge des Arbeitsunfalls als auch eine erlittene Mittelgesichtsfraktur. Hier empfehle er die Vorlage bei den entsprechenden Fachkollegen zur Bemessung einer MdE nach Aktenlage, da diese in der unfallchirurgischen MdE nicht miterfasst werde. Hierdurch könne sich eine Erhöhung der MdE, welche aktuell unfallchirurgisch mit 60 v. H. festzulegen sei, ergeben. Nach Eingang der entsprechenden Stellungnahmen bitte er um erneute Vorlage, um dann eine Gesamt-MdE festlegen zu können.

Mit Bescheid vom 16.12.2014 gewährte die Beklagte dem Kläger wegen der Folgen des Arbeitsunfalls vom 11.05.2013 ab 08.11.2014 eine Rente als vorläufige Entschädigung nach einer MdE von 60 v. H. Zur Begründung führte sie aus, der Arbeitsunfall habe zu nachstehenden gesundheitlichen Beeinträchtigungen geführt, die sie bei der Bewertung der MdE berücksichtigt habe: inkomplette, beinbetonte Querschnittslähmung (Tetraplegie) mit Harnblasenentleerungsstörung (Inkontinenz) bei Zustand nach Rückenmarkschädigung im Bereich der Halswirbelkörper 3 bis 5, multiple Gesichtsbrüche (Bruch des Jochbeins, des Orbitabodens und des Oberkiefers) mit Weichteilschaden und Hirnödem. Als unfallunabhängige Beeinträchtigungen nannte sie eine Blindheit rechts nach Verletzung im Kindesalter, eine rezidivierende mittelgradige depressive Störung und eine Angsterkrankung im Sinne einer Panikstörung.

Mit Schreiben vom 04.01.2016 bat die Beklagte ihren Beratungsarzt X., die Höhe der MdE für die Rente auf unbestimmte Zeit anhand der Aktenlage einzuschätzen, da eine Begutachtung zur Feststellung der Rente auf unbestimmte Zeit wegen der Inhaftierung des Klägers in der W. nicht möglich sei. X. vermerkte in seiner Stellungnahme vom 13.01.2016, dass auch ihm wie schon Y. eine Stellungnahme von gesichtschirurgischer und augenärztlicher Seite fehle, um die Gesamt-MdE einschätzen zu können. Außerdem warf er die Frage auf, woher die Information stamme, dass bei dem Kläger schon vor dem Ereignis ein Visusverlust rechts bestanden habe. Die Beklagte wandte sich anschließend mit Schreiben vom 04.02.2016 unter Bezugnahme auf die Stellungnahme von X. an ihren Beratungsarzt G. mit der Bitte um eine gesichtschirurgische Stellungnahme. Dieser führte unter dem 09.02.2016 aus, dass die Akte ihm irrtümlich zugegangen sein dürfte, da er auch nur Unfallchirurg und nicht Gesichtschirurg sei. Er habe sich die Akte trotzdem durchgesehen, leider ohne die entsprechenden Gutachten. Vielleicht könne auch auf die gesichtschirurgische Stellungnahme verzichtet werden. Denn wesentliche Unfallfolgen im Bereich Mund-/Kiefer-/Gesichtschirurgie habe er nicht finden könne, bis auf die wahrscheinlichen Narben nach Operation, die keine messbare MdE hinterlassen haben dürften. Der Augenverlust rechts sei sowieso vorbestehend und somit unfallunabhängig. Somit verblieben als Unfallfolgen wahrscheinlich die Folgen nach Querschnitt, die dann auch die Gesamt-MdE von 60 v. H. wie bisher begründeten. Eine wesentliche Änderung sei nicht zu erwarten.

Mit Bescheid vom 04.03.2016 teilte die Beklagte dem Kläger mit, dass sie ihm anstelle seiner bisherigen Rente als vorläufige Entschädigung eine Rente auf unbestimmte Zeit in gleicher Höhe weiterzahle. Die Rente betrage wie bisher monatlich 809,39 Euro. An die Stelle der vorläufigen Entschädigung trete eine Rente auf unbestimmte Zeit nach einer MdE von 60 v. H. Die MdE berücksichtige die nachstehenden Folgen des Arbeitsunfalls: inkomplette, beinbetonte Querschnittslähmung mit Harnblasenentleerungsstörung bei Zustand nach Rückenmarkschädigung im Bereich der Halswirbelkörper 3 bis 5, multiple Gesichtsbrüche (Bruch des Jochbeins, des Orbitabodens und des Oberkiefers) mit Weichteilschaden und Hirnödem. Als unfallunabhängig lägen eine Blindheit rechts nach Verletzung in Kindesalter, eine rezidivierende mittelgradige depressive Störung und eine Angsterkrankung im Sinne einer Panikstörung vor.

Am 07.03.2017 fand auf Bitten des Klägers ein Hausbesuch durch den Mitarbeiter der Beklagten L. statt. In dem Gespräch gab der Kläger an, dass er am 06.03. aus der W. angereist sei und am 19.03.2017 wieder zurück in die W. fliege. Es sei geplant, dass er ab dem 25. oder 26.06.2017 sich wieder dauernd in U. aufhalte. Ihm gehe es den Umständen entsprechend gut. Die Beweglichkeit der Wirbelsäule und das Gehen hätten abgenommen, hier benötige er Therapie. Mit dem Kläger wurde besprochen, dass er sich nach seiner Rückkehr aus der W. bei der Beklagten melden solle und dann gegebenenfalls ein Wiederholungsheilverfahren durchgeführt werden könne. Im Rahmen dieses Heilverfahrens könne dann eine Nachuntersuchung zur Überprüfung der Höhe der MdE und der Unfallfolgen erfolgen.

Vom 03. bis zum 24.08.2017 fand in der Klinik am H. in R. eine erneute stationäre Behandlung des Klägers im Rahmen der ganzheitlichen Unfallnachsorge statt. Anschließend erstattete der Chefarzt der Neurologischen Abteilung der Klinik am O. unter Mitwirkung der Fachärztin für Neurologie Q. mit Datum vom 13.09.2017 ein Gutachten auf nervenärztlichem Fachgebiet. Darin kam er zu dem Ergebnis, dass auf neurologischem Fachgebiet als Unfallfolge eine inkomplette und rechtsbetonte leichtgradige Lähmung aller vier Extremitäten sub C6 mit daraus resultierenden Koordinationsstörungen der Arme und Beine ohne Notwendigkeit des Einsatzes orthopädischer Hilfsmittel bei Zustand nach Rückenmarkschädigung von C3 bis C5 vorliege. Bei Vergleich der anlässlich der Untersuchung am 07.08.2017 in klinisch-funktioneller Hinsicht getroffenen Feststellungen mit den anerkannten Unfallfolgen/dem letzten dokumentierten neurologischen Untersuchungsbefund aus der Klinik am H. betreffend die stationäre BGSW-Maßnahme vom 10.06. bis zum 08.07.2014 sei eine wesentliche Änderung des Unfallfolgezustandes feststellbar. Zum damaligen Zeitpunkt hätten noch leichtgradige Lähmungen der oberen und unteren Extremitäten vorgelegen. Zum jetzigen Zeitpunkt hätten sich keine eindeutigen manifesten Lähmungen mehr gefunden, sondern vielmehr im Wesentlichen Koordinationsstörungen der Arme und Beine infolge einer Muskelspannungserhöhung nach Schädigung des Halsmarks. Insoweit liege auf neurologischem Fachgebiet eine Änderung im Sinne einer Besserung der Unfallfolgen vor. Auf urologischem Fachgebiet müsse noch eine gutachtliche Untersuchung erfolgen, da der Kläger bei der dortigen Untersuchung angegeben habe, keinerlei urologische Medikamente mehr einzunehmen und auch keine Selbstkatheterisierung mehr vorzunehmen. Unterstellt, dass im konkreten Fall eine Harnblasenentleerungsstörung in vergleichbarem Ausmaß vorliege, wie sie Grundlage des Bescheides vom 04.03.2016 gewesen sei, sei die unfallbedingte MdE auf urologischem und nervenärztlichem Fachgebiet mit 50 v. H. einzuschätzen. Soweit auf neuro-urologischem Fachgebiet eine wesentliche Änderung des Unfallfolgezustandes festzustellen sei, werde um Vorlage des Gutachtens zwecks Einschätzung der Gesamt-MdE gebeten.

Auf fachneuro-urologischem Gebiet erstattete auf Veranlassung der Beklagten E., leitender Arzt der Abteilung für Neuro-Urologie der Urologischen Klinik des F. Z., unter dem 16.03.2018 unter Mitwirkung der Oberärztin B. ein Zusatzgutachten. Darin wird ausgeführt, auf fachneuro-urologischem Gebiet bestehe derzeit die neurogene Blasenfunktionsstörung mit der Notwendigkeit der Einnahme einer anticholinergen Medikation in Kombination mit einem Alpha-1-Rezeptorenblocker. Vergleiche man die aktuellen Untersuchungsergebnisse mit den aus den Jahren 2013 und 2014 vorliegenden sei das entscheidenste Änderungsmerkmal, dass aktuell der intermittierende Selbstkatheterismus nicht mehr bzw. noch nicht wieder erforderlich sei. Allerdings sei die Fortführung einer anticholinergen Medikation zur Detrusordruckdämpfung weiterhin notwendig. Aktuell liege keine MdE-relevante neurogene Darmentleerungsstörung mehr vor, während in den Jahren 2013 und 2014 wohl noch täglich die Einnahme von Movicol zum regelmäßigen Abführen erforderlich gewesen sei. Die unfallbedingte MdE auf neuro-urologischem Fachgebiet sei zum Zeitpunkt der beratungsärztlichen Stellungnahme des Y. von 29.09.2014 bei ausgeprägter Detrusorüberaktivität mit der Notwendigkeit der Medikamenteneinnahme und des regelmäßigen intermittierenden Selbstkatheterismus bei gleichzeitig bestehender diskreter Darmentleerungsstörung mindestens mit 40 v. H. zu bewerten. Aktuell sei die unfallbedingte MdE auf neuro-urologischem Fachgebiet auf 20 v. H. einzuschätzen. Da der Kläger mehrere Jahre außer Landes gewesen sei und es keine Untersuchungen gegeben habe, bleibe hinsichtlich des Zeitpunktes der Änderung zunächst nur die anamnestische Angabe, dass seit dem Jahre 2015 kein intermittierender Selbstkatheterismus durchgeführt und auch keine blasenmodulierende Medikation mehr eingenommen worden sei. Die Einnahme der Medikation sei jedoch dauerhaft erforderlich gewesen. K. schätzte anschließend die Gesamt-MdE ab dem 16.03.2018 mit 40 v. H. ein.

Nach Anhörung des Klägers teilte ihm die Beklagte mit Bescheid vom 13.06.2018 mit, dass seine Rente ab 01.07.2018 auf monatlich 591,67 Euro herabgesetzt und die Gesamt-MdE ab 01.07.2018 mit 40 v. H neu festgestellt werde. Zur Begründung gab sie an, die dem Bescheid vom 04.03.2016 zu Grunde liegenden Verhältnisse hätten sich wesentlich geändert. Es sei insofern zu einer wesentlichen Besserung in den Unfallfolgen gekommen, als die inkomplette Querschnittslähmung nur noch leichtgradig vorhanden sei und er keinen Selbstkatheterismus mehr durchführe und auch keine blasenmodulierende Medikation mehr einnehme. Mit dem dagegen erhobenen Widerspruch machte der Kläger geltend, dass die zu Grunde gelegten Änderungsmerkmale bereits seit 2015 und damit vor Erlass des Bescheides vom 04.03.2016 vorhanden gewesen seien, sodass eine Änderung im Sinne einer wesentlichen Besserung seither nicht eingetreten sei. Mit Widerspruchsbescheid vom 03.01.2019 wies die Beklagte den Widerspruch des Klägers als unbegründet zurück. Sie blieb bei ihrer Auffassung, dass der notwendige Besserungsnachweis erbracht sei.

Der Kläger hat am 24.01.2019 beim Sozialgericht Dortmund Klage erhoben. Er hat vorgetragen, es werde nicht bestritten, dass eine Besserung seines Gesundheitszustandes im Laufe des Verfahrens eingetreten sei. Diese Besserung sei aber bereits vor Erlass des Bescheides vom 04.03.2016 eingetreten. Bei Erlass des Bescheides über die Bewilligung der Rente auf unbestimmte Zeit sei bereits berücksichtigt worden, dass eine Selbstkatheterisierung nicht mehr habe vorgenommen werden müssen bzw. vorgenommen werde. Grundlage des Bescheides sei die beratungsärztliche Stellungnahme des Unfallchirurgen G. vom 09.02.2016, der die verbliebenen Unfallfolgen zusammenfassend auf allen Gebieten weiterhin mit 60 v. H. einschätze und ausdrücklich darauf hinweise, dass eine wesentliche Änderung nicht zu erwarten sei. Zum Zeitpunkt dieser Feststellungen sei er – der Kläger – wegen einer Inhaftierung in der W. nicht greifbar gewesen, sodass eine körperliche Untersuchung nicht habe durchgeführt werden können. Dies sei der Beklagten sehr wohl bekannt gewesen. Ihr sei es jedoch ohne weiteres möglich gewesen, die endgültige Feststellung der Rente auf unbestimmte Zeit mit einem niedrigeren v. H.-Satz vorzunehmen. Dies habe die Beklagte nicht getan. Sie sei deshalb an die förmliche Entscheidung gebunden, da er insoweit Vertrauensschutz genieße und eine Abänderung nur unter den Voraussetzungen der §§ 45 ff. SGB X möglich sei. Der Wegfall der Selbstkatheterisierung, der nach den zugrundeliegenden Gutachten die Besserung der Verhältnisse darstelle, könne nicht herangezogen werden, da er bereits bei Erlass des Bescheides über die Bewilligung der Rente auf unbestimmte Zeit vorgelegen habe. Eine unzutreffende MdE-Einschätzung zum Zeitpunkt des Erlasses des Bescheides über die Rente auf unbestimmte Zeit könne nicht zu seinen Lasten gehen.

Die Beklagte ist auf ihrem Standpunkt verblieben.

Mit dem im Einverständnis der Beteiligten ohne mündliche Verhandlung ergangenen Urteil vom 20.08.2020 hat das Sozialgericht die Klage abgewiesen. Auf die Entscheidungsgründe wird Bezug genommen.

Gegen die seinen Prozessbevollmächtigten am 22.09.2020 zugestellte Entscheidung hat der Kläger am 12.10.2020 Berufung eingelegt. Er wiederholt im Wesentlichen sein bisheriges Vorbringen und ist weiterhin der Auffassung, dass die Beklagte den ihr obliegenden Besserungsnachweis nicht erbracht hat.

Der Kläger beantragt,

das Urteil des Sozialgerichts Dortmund vom 20.08.2020 zu ändern und den Bescheid vom 13.06.2018 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 03.01.2019 aufzuheben.

Die Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Sie hält die angefochtene Entscheidung für zutreffend.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die Gerichtsakten und die beigezogenen Verwaltungsakten der Beklagten Bezug genommen. Ihr wesentlicher Inhalt war Gegenstand der mündlichen Verhandlung.

Entscheidungsgründe

Die zulässige Berufung des Klägers ist begründet. Das Sozialgericht hat die zulässige Anfechtungsklage zu Unrecht abgewiesen, weil sie begründet ist. Der Kläger ist durch den Bescheid der Beklagten vom 13.06.2018 und den Widerspruchsbescheid vom 03.01.2019 im Sinne von § 54 Abs. 2 S. 1 SGG beschwert, denn die Bescheide sind rechtswidrig. Die Beklagte durfte mit den angefochtenen Bescheiden die dem Kläger gewährte Rente auf unbestimmte Zeit nicht herabsetzen.

Voraussetzung für eine Aufhebung der Bewilligung einer Verletztenrente ist nach § 48 Abs. 1 S. 1 SGB X eine wesentliche Änderung in den tatsächlichen oder rechtlichen Verhältnissen, die beim Erlass des die Verletztenrente bewilligenden Verwaltungsaktes vorgelegen haben (BSG Urteil vom 22.06.2004 – B 2 U 14/03 RBSGE 93, 63 = SozR 4-2700 § 56 Nr. 1). Diese Vorschrift wird für Renten der gesetzlichen Unfallversicherung durch § 73 SGB VII ergänzt. Nach § 73 Abs. 3 SGB VII ist eine Änderung im Sinne des § 48 Abs. 1 S. 1 SGB X hinsichtlich der Höhe der MdE nur wesentlich, wenn sie mehr als  5 v. H. beträgt.

Eine Änderung in den tatsächlichen Verhältnissen gemäß § 48 Abs. 1 S. 1 SGB X ist jede Änderung des für die getroffene Regelung relevanten Sachverhalts. In Betracht kommen für den Bereich der gesetzlichen Unfallversicherung insbesondere Änderungen im Gesundheitszustand des Betroffenen, wobei es auf die zum Zeitpunkt der letzten bindend gewordenen Feststellung tatsächlich bestehenden gesundheitlichen Verhältnisse ankommt, die ursächlich auf dem Unfall beruhen (BSG Urteil vom 06.10.2020 – B 2 U 10/19 R – juris Rn. 9). Diese hier durch Bescheid vom 04.03.2016 festgestellten tatsächlichen Umstände sind mit den unfallbedingten Gesundheitsverhältnissen zu vergleichen, die zum Zeitpunkt des Erlasses des Aufhebungsbescheides der Beklagten am 13.06.2018 (mit Wirkung ab 01.07.2018) vorgelegen haben (vgl. BSG Urteile vom 06.10.2020 – B 2 U 10/19 R – juris Rn. 9, vom 13.02.2013 – B 2 U 25/11 RNZS 2013, 464 m. w. N. und vom 22.06.2004 – B 2 U 14/03 RBSGE 93, 63SozR 4-2700 § 56 Nr. 1). Nach dem Bewilligungsbescheid vom 04.03.2016 lagen beim Kläger als Folgen des Arbeitsunfalls vom 11.05.2013 eine inkomplette, beinbetonte Querschnittslähmung mit Harnblasenentleerungsstörung bei Zustand nach Rückenmarkschädigung im Bereich der Halswirbelkörper 3 bis 5, multiple Gesichtsbrüche (Bruch des Jochbeins, des Orbitabodens und des Oberkiefers) mit Weichteilschaden und Hirnödem vor, die zu einer MdE in Höhe von 60 v. H. führten. Dass gegenüber dem Zustand am 04.03.2016 eine wesentliche Veränderung der maßgeblichen Verhältnisse im Sinne der § 48 Abs. 1 S. 1 SGB X i. V m. § 73 Abs. 3 SGB VII eingetreten ist, die es rechtfertigt, die Höhe der MdE mit Wirkung ab 01.07.2018 mit 40 v. H. neu festzustellen und die Verletztenrente entsprechend herabzusetzen, lässt sich nach dem ermittelbaren Sachverhalt nicht feststellen.

Das Vorliegen einer wesentlichen Änderung der tatsächlichen Verhältnisse kann nur beurteilt werden, wenn die zum Zeitpunkt der letzten bindend gewordenen Bewilligung konkret bestehenden gesundheitlichen Verhältnisse am 04.03.2016 mit denen zum Zeitpunkt des Erlasses des Herabsetzungsbescheides zum 01.07.2018 verglichen werden (vgl. BSG Urteil vom 06.10.2020 – B 2 U 10/19 R – juris Rn. 17). In dem Bescheid vom 04.03.2016 hat die Beklagte eine inkomplette, beinbetonte Querschnittslähmung mit Harnblasenentleerungsstörung bei Zustand nach Rückenmarksschädigung im Bereich der Halswirbelkörper 3 bis 5 und multiple Gesichtsbrüche (Bruch des Jochbeins, des Orbitabodens und des Oberkiefers) mit Weichteilschaden und Hirnödem als Folgen des Arbeitsunfalls vom 11.05.2013 anerkannt und bei der von ihr zu Grunde gelegten MdE von 60 v. H. berücksichtigt. Entscheidend für die Bewertung der MdE als Grundlage der Bemessung der Verletztenrente sind weniger medizinische Diagnosen oder die Feststellung bestimmter Krankheitsbilder, wenn diese auch deren Ausgangspunkt sind, sondern welche Funktionseinschränkungen sich daraus im entscheidungserheblichen Zeitraum ergeben (BSG Urteil vom 06.10.2020 – B 2 U 10/19 R – juris Rn. 19).

Welche durch die Unfallfolgen verursachten Funktionsbeeinträchtigungen am 04.03.2016 vorgelegen haben, ist nicht feststellbar. Der Bescheid vom 04.03.2016 enthält keine konkreten Feststellungen zu den Funktionsstörungen, die durch die anerkannten Unfallfolgen bewirkt wurden. Diese ergeben sich auch nicht aus den vor Erteilung des Bescheides vom 04.03.2016 von der Beklagten eingeholten Stellungnahmen ihrer Beratungsärzte X. und G., die sich Anfang 2016 für ihre Beurteilungen nur auf die Aktenlage stützen und mangels Kenntnis der damaligen gesundheitlichen Verhältnisse des Klägers auch gar nicht zu den damals bestehenden konkreten Funktionsbeeinträchtigungen des Klägers äußern konnten. Denn es kann keinesfalls als gesichert angesehen werden, dass die während des Reha-Aufenthaltes des Klägers im Juni/Juli 2014 festgestellten gesundheitlichen Verhältnisse und die seinerzeit durch die Unfallfolgen verursachten Funktionsbeeinträchtigungen unverändert auch noch zum Zeitpunkt der Feststellung der Rente auf unbestimmte Zeit vorgelegen haben. Weitere Befunde, die näheren Aufschluss über die Entwicklung des Gesundheitszustandes des Klägers und insbesondere seine gesundheitlichen Verhältnisse im März 2016 geben könnten, sind nach dem Reha-Aufenthalt des Klägers im Juni/Juli 2014 bis zur Entscheidung über die Rente auf unbestimmte Zeit aber nicht dokumentiert.

Die Unsicherheiten im Hinblick auf die tatsächlichen gesundheitlichen Verhältnisse des Klägers bei Erlass des Bescheides vom 04.03.2016 sind auch nicht durch die späteren Ermittlungen der Beklagten beseitigt worden. Die Feststellungen in den von der Beklagten vor Erteilung des Herabsetzungsbescheides veranlassten Gutachten erlauben keine gesicherten Rückschlüsse darauf, welche Funktionsbeeinträchtigungen beim Kläger bei Erlass des Bescheides vom 04.03.2016 unfallbedingt vorlagen. Auf neuro-urologischem Gebiet besteht nach den Ausführungen von E. in seinem Gutachten vom 16.03.2018 die wesentliche Änderung gegenüber den Befunden aus 2013 und 2014 darin, dass der intermittierende Selbstkatheterismus nicht mehr bzw. noch nicht wieder erforderlich ist. Hinsichtlich des Zeitpunkts dieser Änderung bleiben E. zufolge mangels entsprechender Untersuchungen nur die anamnestischen Angaben, dass seit 2015 kein Selbstkatheterismus mehr durchgeführt wurde. Angesichts dessen lässt sich jedenfalls nicht feststellen, dass bei Erlass des Bescheides vom 04.03.2016 der Selbstkatheterismus noch erforderlich war. Ebenso wenig lässt die von K. im Gutachten vom 13.09.2017 beschriebene Besserung auf neurologischem Fachgebiet gegenüber dem Befund aus 2014 gesicherte Rückschlüsse auf den neurologischen Befund und insbesondere die konkreten Funktionsbeeinträchtigungen im Bereich der oberen und unteren Extremitäten infolge der inkomplett ausgeprägten Halsmarkschädigung im März 2016 zu. Weitere Ermittlungsmöglichkeiten zur exakten Feststellung der Funktionsbeeinträchtigungen des Klägers im Zeitpunkt der Bewilligung der Rente auf unbestimmte Zeit sind nicht ersichtlich.

Lässt sich mithin nicht feststellen, welche gesundheitlichen Verhältnisse und welche durch die Unfallfolgen verursachten konkreten Funktionsbeeinträchtigungen beim Kläger am 04.03.2016 vorgelegen haben, kann auch ein Vergleich der bei der Herabsetzung der Verletztenrente zum 01.07.2018 (noch) vorliegenden Funktionsbeeinträchtigungen mit denen bei Erlass des Bescheides vom 04.03.2016 nicht vorgenommen werden. Ist dieser Vergleich aber nicht möglich, lässt sich auch eine (wesentliche) Änderung in den maßgeblichen Verhältnissen, die bei Erlass des Bescheides vom 04.03.2016 vorgelegen haben, nicht feststellen.

Die Folgen der fehlenden Feststellbarkeit einer (wesentlichen) Änderung hat die Beklagte zu tragen. Grundsätzlich trägt bei belastenden Aufhebungsentscheidungen die Behörde die Beweislast (Roos/Wahrendorf/Müller, SGG, 3. Auflage, § 103 Rn. 49 m. w. N.; Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer/Schmidt, SGG, 13. Auflage, § 103 Rn. 19d m. w. N; BSG SozR 4-1500 § 103 Nr. 5; BSGE 95, 57, 64; BSG SozR 4-1300 § 45 Rn. 5; BSG SozR 4-1300 § 45 Nr. 8). Eine Umkehr der Beweislast findet bei tatsächlichen Schwierigkeiten in der Beweisführung auch dann nicht statt, wenn sie von einem Verfahrensbeteiligten verursacht werden (Ross/Wahrendorf/Müller, a. a. O., § 128 Rn. 59 m. w. N.). Die tatsächlichen Schwierigkeiten der Beklagten, die für eine Herabsetzung der Verletztenrente notwendige wesentliche Änderung in den gesundheitlichen Verhältnissen des Klägers nachzuweisen, beruht im Übrigen auch nicht auf einer fehlenden Mitwirkung des Klägers oder Ähnlichem, sondern maßgeblich darauf, dass die Beklagte ausgehend von der Annahme, dass eine Begutachtung des Klägers wegen seiner Inhaftierung in der W. nicht möglich war, ohne genauere Kenntnis der gesundheitlichen Verhältnisse des Klägers und damit auf einer bewusst unsicheren Tatsachengrundlage einen Bescheid über die Rente auf unbestimmte Zeit erlassen hat. Hätte sie hiervon abgesehen, wäre die als vorläufige Entschädigung gewährte Rente nach Ablauf von drei Jahren nach dem Arbeitsunfall vom 11.05.2013 kraft Gesetzes zur Rente auf unbestimmte Zeit geworden (vgl. § 62 Abs. 2 S. 1 SGB VII) mit der Folge, dass maßgeblich für die Frage, ob eine wesentliche Änderung in den tatsächlichen Verhältnissen eingetreten ist, der Zeitpunkt des Bescheides, mit dem die Rente als vorläufige Entschädigung gewährt wurde, also der Zeitpunkt des Bescheides vom 16.12.2014 gewesen wäre (vgl. BSG SozR 1300 § 48 Nr. 5).

Ob die Feststellung der Rente auf unbestimmte Zeit auf der Basis einer bewusst unsicheren Tatsachengrundlage den Bescheid vom 04.03.2016 bereits rechtswidrig macht oder er aus anderen Gründen rechtswidrig ist und daher nur nach § 45 SGB X zurückgenommen werden durfte, kann offenbleiben. Denn eine Umdeutung des angefochtenen Bescheides in einen Bescheid nach § 45 SGB X kommt nicht in Betracht, weil die Voraussetzungen dieser Vorschrift nicht vorliegen. Eine Rücknahme des Bescheides vom 04.03.2016 hätte nur bis zum Ablauf von zwei Jahren nach seiner Bekanntgabe erfolgen können (vgl. § 45 Abs. 3 S. 1 SGB X). Der Bescheid vom 13.06.2018 ist aber erst nach Ablauf von zwei Jahren nach Bekanntgabe des Bescheides vom 04.03.2016 ergangen. Die Voraussetzungen für eine Verlängerung der Frist gemäß § 45 Abs. 3 S. 2 und 3 SGB X sind nicht gegeben, weil weder Wiederaufnahmegründe entsprechend § 580 ZPO vorliegen noch die Voraussetzungen des Absatzes 2 S. 3 Nr. 2 oder 3 gegeben sind und der Bescheid vom 04.06.2016 auch nicht mit einem zulässigen Vorbehalt des Widerrufst erlassen wurde. Im Übrigen ist in den angefochtenen Bescheiden auch keine Ermessensentscheidung erfolgt, wie sie bei einer Rücknahme nach § 45 SGB X grundsätzlich notwendig ist (Abs. 1 „darf“; s. hierzu BSG SozR 3-1300 § 45 Nr. 1 und 19; SozR4-7837 § 2 Nr. 27).

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.

Die Voraussetzungen für eine Zulassung der Revision (§ 160 Abs. 2 SGG) liegen nicht vor.

Rechtsmittelbelehrung:

Dieses Urteil kann nur dann mit der Revision angefochten werden, wenn sie nachträglich vom Bundessozialgericht zugelassen wird. Zu diesem Zweck kann die Nichtzulassung der Revision durch das Landessozialgericht mit der Beschwerde angefochten werden.

Die Beschwerde ist von einem bei dem Bundessozialgericht zugelassenen Prozessbevollmächtigten innerhalb eines Monats nach Zustellung des Urteils schriftlich oder in elektronischer Form beim

Bundessozialgericht, Postfach 41 02 20, 34114 KasseloderBundessozialgericht, Graf-Bernadotte-Platz 5, 34119 Kassel

einzulegen.

Die Beschwerdeschrift muss bis zum Ablauf der Monatsfrist bei dem Bundessozialgericht eingegangen sein.

Die elektronische Form wird durch Übermittlung eines elektronischen Dokuments gewahrt, das für die Bearbeitung durch das Gericht geeignet ist und

- von der verantwortenden Person qualifiziert elektronisch signiert ist und über das Elektronische Gerichts- und Verwaltungspostfach (EGVP) eingereicht wird oder

- von der verantwortenden Person signiert und auf einem sicheren Übermittlungsweg gem. § 65a Abs. 4 Sozialgerichtsgesetz (SGG) eingereicht wird.

Weitere Voraussetzungen, insbesondere zu den zugelassenen Dateiformaten und zur qualifizierten elektronischen Signatur, ergeben sich aus der Verordnung über die technischen Rahmenbedingungen des elektronischen Rechtsverkehrs und über das besondere elektronische Behördenpostfach (Elektronischer-Rechtsverkehr-Verordnung -ERVV) in der jeweils gültigen Fassung. Weitergehende Informationen zum elektronischen Rechtsverkehr können über das Internetportal des Bundessozialgerichts (www.bsg.bund.de) abgerufen werden.

Als Prozessbevollmächtigte sind nur zugelassen

-          jeder Rechtsanwalt,

-          Rechtslehrer an einer staatlichen oder staatlich anerkannten Hochschule eines Mitgliedsstaates der Europäischen Union, eines anderen Vertragsstaates des Abkommens über den Europäischen Wirtschaftsraum oder der Schweiz, die die Befähigung zum Richteramt besitzen,

-          selbständige Vereinigungen von Arbeitnehmern mit sozial- oder berufspolitischer Zwecksetzung für ihre Mitglieder,

-          berufsständische Vereinigungen der Landwirtschaft für ihre Mitglieder,

-          Gewerkschaften und Vereinigungen von Arbeitgebern sowie Zusammenschlüsse solcher Verbände für ihre Mitglieder oder für andere Verbände oder Zusammenschlüsse mit vergleichbarer Ausrichtung und deren Mitglieder,

-          Vereinigungen, deren satzungsgemäße Aufgaben die gemeinschaftliche Interessenvertretung, die Beratung und Vertretung der Leistungsempfänger nach dem sozialen Entschädigungsrecht oder der behinderten Menschen wesentlich umfassen und die unter Berücksichtigung von Art und Umfang ihrer Tätigkeit sowie ihres Mitgliederkreises die Gewähr für eine sachkundige Prozessvertretung bieten, für ihre Mitglieder,

-          juristische Personen, deren Anteile sämtlich im wirtschaftlichen Eigentum einer der vorgenannten Organisationen stehen, wenn die juristische Person ausschließlich die Rechtsberatung und Prozessvertretung dieser Organisation und ihrer Mitglieder oder anderer Verbände oder Zusammenschlüsse mit vergleichbarer Ausrichtung und deren Mitglieder entsprechend deren Satzung durchführt, und wenn die Organisation für die Tätigkeit der Bevollmächtigten haftet.

Die vorgenannten Vereinigungen, Gewerkschaften und juristischen Personen müssen durch Personen mit Befähigung zum Richteramt handeln. Behörden und juristische Personen des öffentlichen Rechts einschließlich der von ihnen zur Erfüllung ihrer öffentlichen Aufgaben gebildeten Zusammenschlüsse sowie private Pflegeversicherungsunternehmen können sich durch eigene Beschäftigte mit Befähigung zum Richteramt oder durch Beschäftigte mit Befähigung zum Richteramt anderer Behörden oder juristischer Personen des öffentlichen Rechts einschließlich der von ihnen zur Erfüllung ihrer öffentlichen Aufgaben gebildeten Zusammenschlüsse vertreten lassen.

Ein Beteiligter, der zur Vertretung berechtigt ist, kann sich selbst vertreten. Handelt es sich dabei um eine der vorgenannten Vereinigungen, Gewerkschaften oder juristischen Personen, muss diese durch Personen mit Befähigung zum Richteramt handeln.

Die Beschwerde ist innerhalb von zwei Monaten nach Zustellung des Urteils von einem zugelassenen Bevollmächtigten schriftlich oder in elektronischer Form zu begründen.

In der Begründung muss die grundsätzliche Bedeutung der Rechtssache dargelegt oder die Entscheidung des Bundessozialgerichts, des Gemeinsamen Senats der obersten Gerichtshöfe des Bundes oder des Bundesverfassungsgerichts, von der das Urteil abweicht, oder ein Verfahrensmangel, auf dem die angefochtene Entscheidung beruhen kann, bezeichnet werden. Als Verfahrensmangel kann eine Verletzung der §§ 109 und 128 Abs. 1 Satz 1 Sozialgerichtsgesetz nicht und eine Verletzung des § 103 Sozialgerichtsgesetz nur gerügt werden, soweit das Landessozialgericht einem Beweisantrag ohne hinreichende Begründung nicht gefolgt ist.

Für die Beschwerde gegen die Nichtzulassung der Revision kann ein Beteiligter, der nicht schon durch die oben genannten Vereinigungen, Gewerkschaften oder juristischen Personen vertreten ist, Prozesskostenhilfe zum Zwecke der Beiordnung eines Rechtsanwalts beantragen.

Der Beteiligte kann die Prozesskostenhilfe selbst beantragen. Der Antrag ist beim Bundessozialgericht entweder schriftlich oder in elektronischer Form einzureichen oder mündlich vor dessen Geschäftsstelle zu Protokoll zu erklären.

Dem Antrag sind eine Erklärung des Beteiligten über seine persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse (Familienverhältnisse, Beruf, Vermögen, Einkommen und Lasten) sowie entsprechende Belege beizufügen. Hierzu ist der für die Abgabe der Erklärung vorgeschriebene Vordruck zu benutzen. Der Vordruck kann von allen Gerichten oder durch den Schreibwarenhandel bezogen werden.

Wird Prozesskostenhilfe bereits für die Einlegung der Beschwerde begehrt, so müssen der Antrag und die Erklärung über die persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse - gegebenenfalls nebst entsprechenden Belegen - bis zum Ablauf der Frist für die Einlegung der Beschwerde (ein Monat nach Zustellung des Urteils) beim Bundessozialgericht eingegangen sein.

Mit dem Antrag auf Prozesskostenhilfe kann ein zur Vertretung bereiter Rechtsanwalt benannt werden.

Ist dem Beteiligten Prozesskostenhilfe bewilligt worden und macht er von seinem Recht, einen Anwalt zu wählen, keinen Gebrauch, wird auf seinen Antrag der beizuordnende Rechtsanwalt vom Bundessozialgericht ausgewählt.

Der Beschwerdeschrift und allen folgenden Schriftsätzen sollen Abschriften für die übrigen Beteiligten beigefügt werden.

Das Bundessozialgericht bittet darüber hinaus um je zwei weitere Abschriften.

Schriftlich einzureichende Anträge und Erklärungen, die durch einen Rechtsanwalt, durch eine Behörde oder durch eine juristische Person des öffentlichen Rechts einschließlich der von ihr zur Erfüllung ihrer öffentlichen Aufgaben gebildeten Zusammenschlüsse eingereicht werden, sind als elektronisches Dokument zu übermitteln. Ist dies aus technischen Gründen vorübergehend nicht möglich, bleibt die Übermittlung nach den allgemeinen Vorschriften zulässig. Die vorübergehende Unmöglichkeit ist bei der Ersatzeinreichung oder unverzüglich danach glaubhaft zu machen; auf Anforderung ist ein elektronisches _  Dokument nachzureichen. Gleiches gilt für die nach dem Sozialgerichtsgesetz vertretungsberechtigten Personen, für die ein sicherer Übermittlungsweg nach § 65a Abs. 4 Nr. 2 SGG zur Verfügung steht (§ 65d SGG).

Rechtskraft
Aus
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