1. An die Eintragung oder die Nichteintragung in das Verzeichnis der Berufsausbildungsverhältnisse sind Gerichte, Behörden und Dritte gebunden.
2. Eine Überprüfung der inhaltlichen Übereinstimmung der betrieblichen Ausbildung mit den Vorschriften des Berufsbildungsgesetzes und der jeweiligen Ausbildungsordnung steht der Bundesagentur für Arbeit im Rahmen der Entscheidung über die Berufsausbildungsbeihilfe und damit den Sozialgerichten grundsätzlich nicht zu.
I. Auf die Berufung der Beklagten wird der Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Dresden vom 9. November 2017 aufgehoben und die Klage abgewiesen.
II. Außergerichtliche Kosten sind in beiden Instanzen nicht zu erstatten.
III. Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand
Die Beklagte wendet sich gegen einen Gerichtsbescheid, mit dem sie zur Gewährung von Berufsausbildungsbeihilfe für die Zeit vom 1. Juni 2014 bis zum 31. Juli 2015 verpflichtet wurde.
Der 1984 geborene Kläger legte im Jahr 2003 die allgemeine Hochschulreife ab. Nach seinem Zivildienst absolvierte er von August 2004 bis zum Mai 2005 eine Ausbildung zum staatlich geprüften Fremdsprachenkorrespondenten, die er nicht abschloss. In der Folge studierte er – jeweils ohne Studienabschluss – von Oktober 2005 bis März 2007 Germanistik und Anglistik an der Technischen Universität B.... und von Oktober 2008 bis März 2010 Japanologie an der Freien Universität Y….. Vom 2. Januar 2012 bis zum 13. Juni 2012 absolvierte er ein Praktikum bei der Sächsischen Staatsoper B.... (X....). Vom 29. Februar 2012 bis zum 14. März 2012, vom 15. Mai 2012 bis zum 27. Mai 2012 und vom 9. Juni 2012 bis zum 31. Juli 2012 absolvierte er mehrere Praktika bei der W.... Veranstaltungstechnik B..... Alle vorgenannten Praktika erfolgten auf der Grundlage von Praktikumsverträgen unter Beteiligung der Fortbildungsakademie der Wirtschaft gGmbH (FAW) im Rahmen des Projekts "Duale Qualifizierung durch Ausbildung/Umschulung für Arbeitslose ohne Berufsabschluss zu einem anerkannten Berufsabschluss" (QAB dual). Auf den weiteren Lebenslauf des Klägers im Übrigen wird Bezug genommen (Bl. 18 der Verwaltungsakte).
Am 27. Juli 2012 schloss der Kläger mit der W.... Veranstaltungstechnik B.... einen als solchen bezeichneten Umschulungsvertrag über eine betriebliche Umschulung zur Ausbildung im Ausbildungsberuf "Fachkraft für Veranstaltungstechnik". Für die Zeit vom 1. August 2012 bis zum 31. August 2014 wurde die Ausbildung im Rahmen der Maßnahme QAB dual gefördert. In dem Vertrag vom 27. Juli 2012 ist geregelt, dass die gesamte Umschulungszeit 36 Monate beträgt, am 1. August 2012 beginnt, am 31. Juli 2015 endet, die W.... Veranstaltungstechnik B.... ab dem 1. September 2014 die Ausbildung ohne das Projekt QAB dual weiterführt und dem Umschüler eine monatliche Vergütung in Höhe von 450,00 EUR brutto gewährt. Die Sächsische Industrie- und Handelskammer (IHK) trug den Vertrag am 8. August 2012 unter der Registrier-Nr. ..... in das Verzeichnis der Umschulungsverhältnisse ein. Der Kläger bezog während der Projektlaufzeit bis zum 31. August 2014 Arbeitslosengeld und im Rahmen des Projekts QAB dual eine Aufwandsentschädigung aus dem Europäischen Sozialfonds.
Am 26. Juni 2014 stellte der Kläger bei der Beklagten für den Zeitraum ab 1. Juni 2014 einen Antrag auf Berufsausbildungsbeihilfe bei Ausbildung für die Ausbildung zur Fachkraft für Veranstaltungstechnik.
Mit Bescheid vom 7. August 2014 lehnte die Beklagte den Antrag auf Berufsausbildungsbeihilfe ab. Es handle sich nicht um eine betriebliche oder außerbetriebliche Berufsausbildung in einem nach dem Berufsbildungsgesetz anerkannten Ausbildungsberuf, sondern um einen Umschulungsvertrag.
Mit seinem unter dem 6. September 2014 eingelegten Widerspruch machte der Kläger geltend, dass die Maßnahme als Erstausbildung zu werten sei, da er zuvor noch keinen Ausbildungsabschluss erworben habe.
Mit Widerspruchsbescheid vom 11. September 2014 wies die Beklagte den Widerspruch zurück. Der Kläger habe mit dem Ausbildungsbetrieb einen Umschulungsvertrag zur betrieblichen Umschulung, die nicht mit Berufsausbildungsbeihilfe förderfähig sei, geschlossen.
Der Kläger hat am 13. Oktober 2014 Klage erhoben. Die Umschulung sei für ihn eine Erstausbildung, da er bislang keine Berufsausbildung abgeschlossen habe und auch nicht über eine mehrjährige Vorbeschäftigungszeit in dem Berufsfeld eines Veranstaltungstechnikers verfüge. Maßgebend sei die konkrete Ausgestaltung des Bildungsangebots. Die Beklagte hat entgegnet, dass der Berufsausbildung ein Berufsausbildungsvertrag zugrunde liegen müsse. Dabei habe der Eintragungsvermerk der zuständigen Stelle nach § 34 des Berufsbildungsgesetzes (BBiG) Tatbestandswirkung. Ein ausdrücklich als Umschulungsverhältnis bewertetes Bildungsverhältnis könne nicht als Berufsausbildungsverhältnis behandelt werden. Ferner habe der Kläger das Projekt QAB dual der Fortbildungsakademie der Wirtschaft gGmbH im Rahmen einer Umschulung zur Fachkraft für Veranstaltungstechnik absolviert. Dem Informationsmaterial zu diesem Projekt sei zu entnehmen, dass die betriebliche Umschulung ein Weg des Projektes sei.
Das Sozialgericht hat eine Auskunft bei der Fortbildungsakademie der Wirtschaft gGmbH über die Ausgestaltung des Umschulungs-/Ausbildungsverhältnisses eingeholt. Auf die Auskunft vom 7. Juli 2017 einschließlich Anlagen wird Bezug genommen (Bl. 66 ff. der Gerichtsakte).
Mit Gerichtsbescheid vom 9. November 2017 hat das Sozialgericht die Beklagte unter Aufhebung des Bescheides vom 7. August 2014 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 11. September 2014 verpflichtet, dem Kläger für die Zeit vom 1. Juni 2014 bis zum 31. Juli 2015 Berufsausbildungsbeihilfe nach den gesetzlichen Vorschriften zu gewähren. Der Kläger habe gemäß §§ 56 ff. des Sozialgesetzbuches Drittes Buch – Arbeitsförderung – (SGB III) einen Anspruch gegen die Beklagte auf Gewährung von Berufsausbildungsbeihilfe. Entgegen der Auffassung der Beklagten handele es sich um eine förderungsfähige Berufsausbildung gemäß § 56 Abs. 1 Nr. 1, § 57 SGB III. Der Beruf Fachkraft für Veranstaltungstechnik sei ein anerkannter Ausbildungsberuf nach dem Berufsbildungsgesetz. Die Ausbildung sei als solche anerkannt und dementsprechend in das Verzeichnis der IHK eingetragen worden. Dabei sei die Eintragung entsprechend der Bezeichnung im Vertragsabschluss als Umschulungsvertrag erfolgt. Nach der Rechtsprechung des Bundessozialgerichtes komme eine Förderung als Ausbildungsmaßnahme in Betracht, wenn es sich um den ersten Berufsabschluss handele und die Maßnahme vom objektiven Charakter nach auch nicht zumindest auf bereits erworbenen Kenntnissen aufbaue (Hinweis auf BSG, Urteil vom 17. November 2005 – B 11a AL 23/05 R – juris Rdnr. 17). Hier handele es sich um die Erstausbildung gemäß § 57 Abs. 2 Satz 1 SGB III. Der Kläger habe weder eine Ausbildung beendet noch eine langandauernde Berufserfahrung gehabt. Bei dem Projekt QAB dual gebe es zwei mögliche Wege zum Berufsabschluss, nämlich als reguläre betriebliche Ausbildung oder als betriebliche Umschulung. Vorliegend entspreche die dreijährige Maßnahme einer Berufsausbildung gemäß § 1 BBiG, wozu auch die Umschulung gehöre. Die Ausbildung baue weder auf Vorkenntnissen noch auf eine angemessene Berufserfahrung auf, was auch der Bildungsträger bekundet habe. Ausgehend von einer Ausbildungsvergütung von 450,00 EUR monatlich sei der Gesamtbedarf nicht gedeckt. Das Einkommen der Eltern sei gemäß § 67 Abs. 5 SGB III nicht anzurechnen, da kein Unterhaltsanspruch gegen die Eltern bestehe.
Gegen den ihr am 20. November 2017 zugestellten Gerichtsbescheid hat die Beklagte am 6. Dezember 2017 Berufung eingelegt. Die IHK habe als die für die Berufsbildung nach dem Berufsbildungsgesetz zuständige Stelle den Umschulungsvertrag nach dem Projekt QAB dual in das Verzeichnis der Umschulungsverträge eingetragen. Damit habe sie signalisiert, dass es sich nicht um ein Berufsausbildungsverhältnis im Sinne des Berufsbildungsgesetzes gehandelt habe. Darüber hinaus dürften die im Hinblick auf Umschulungsverträge und Berufsausbildungsverträge geltenden unterschiedlichen Rechtsgrundlagen und Rechtsverhältnisse nicht unbeachtet bleiben. Unabhängig hiervon sei zu prüfen, ob die Auffassung des Sozialgerichtes zum fehlenden Unterhaltsanspruch gegen die Eltern tatsächlich zutreffe. Ein Anspruch auf Berufsausbildungsbeihilfe scheide überdies für die Zeit, in der sich der Kläger noch in der Maßnahme QAB dual befunden habe, aus. Das Sozialgericht habe die Beklagte bereits ab 1. Juni 2014 zur Leistung von Berufsausbildungsbeihilfe verurteilt;, eine Bewilligung käme jedoch frühestens ab 1. September 2014 in Betracht.
Die Beklagte beantragt,
den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Dresden vom 9. November 2017 aufzuheben und die Klage abzuweisen.
Der Kläger beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Er hält die erstinstanzliche Entscheidung für zutreffend.
Die Beteiligten haben sich mit einer Entscheidung ohne mündliche Verhandlung einverstanden erklärt.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach-und Streitverhältnisses wird auf den Inhalt der Gerichtsakten beider Instanzen sowie der Verwaltungsakte der Beklagten verwiesen. Die vorgenannten Akten haben bei der Entscheidung vorgelegen.
Entscheidungsgründe
I. Das Gericht entscheidet gemäß § 153 Abs. 1 in Verbindung mit § 124 Abs. 2 des Sozialgerichtsgesetzes (SGG) mit Einverständnis der Beteiligten ohne mündliche Verhandlung über die Berufung.
II. Die zulässige Berufung der Beklagten ist begründet.
Der Bescheid der Beklagten vom 8. August 2014 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 11. September 2014 ist rechtmäßig. Der der Klage stattgebende Gerichtsbescheid des Sozialgericht vom 9. November 2017 ist somit aufzuheben und die Klage abzuweisen.
Der Kläger hat ab 1. Juni 2014 keinen Anspruch auf Berufsausbildungsbeihilfe für eine Ausbildung zur Fachkraft für Veranstaltungstechnik. Denn hierbei handelt es sich nicht um eine förderungsfähige Ausbildung im Sinne von § 56 Abs. 1 Nr. 1 SGB III.
1. Der Anspruch auf Berufsausbildungsbeihilfe während einer beruflichen Ausbildung oder einer berufsvorbereitenden Maßnahme setzt gemäß § 56 Abs. 1 Nr. 1 SGB III unter anderem voraus, dass die berufliche Ausbildung oder die berufsvorbereitende Bildungsmaßnahme förderungsfähig ist. Gemäß § 57 Abs. 1 SGB III in der hier maßgebenden, vom 1. April 2012 bis zum 31. Dezember 2019 geltenden Fassung (Artikel 2 Nr. 18 des Gesetzes vom 20. Dezember 2011 [BGBl. I S. 2854 I. d. F. von Artikel 4 Abs. 1 Nr. 2 des Gesetzes vom 20. April 2013 [BGBl. I S. 868]) ist eine berufliche Ausbildung förderungsfähig, wenn sie in einem nach dem Berufsbildungsgesetz, der Handwerksordnung oder dem Seemannsgesetz (ab 1. August 2013: Seearbeitsgesetz) staatlich anerkannten Ausbildungsberuf betrieblich oder außerbetrieblich oder nach dem Altenpflegegesetz betrieblich durchgeführt wird und der dafür vorgeschriebene Berufsausbildungsvertrag abgeschlossen worden ist. Dabei ist es für einen Anspruch auf Berufsausbildungsbeihilfe nicht ausreichend, wenn das Ausbildungsziel ein anerkannter Ausbildungsberuf ist. Vielmehr wird nach der ständigen Rechtsprechung des Bundessozialgerichtes die Ausbildung in einem anerkannten Ausbildungsberuf nur dann gefördert wird, wenn sie auch in der durch das Berufsbildungsgesetz vorgeschriebenen Form geschieht (vgl. BSG, Urteil vom 23. Mai 1990 – 9b/7 RAr 18/89 – SozR 3-4100 § 40 Nr. 2 = juris Rdnr. 14; BSG, Urteil vom 18. August 2005 – B 7a/7 AL 100/04 – juris Rdnr. 17; BSG, Urteil vom 4. März 2021 – B 11 AL 7/19 R – SozR 4-4300 § 25 Nr. 4 = juris Rdnr. 17). Ein Berufsausbildungsverhältnis setzt den Abschluss eines Berufsausbildungsvertrages voraus, der bei Umschulungsverhältnissen nicht vorliegt (vgl. BSG, Urteil vom 4. März 2021, a. a. O., Rdnr. 19, 23).
2. Vorliegend handelt es sich bei der Ausbildung zur Fachkraft für Veranstaltungstechnik zwar um einen nach § 4 Abs.1 BBiG staatlich anerkannten Ausbildungsberuf. Die maßgebenden Regelungen fanden sich zunächst in der Verordnung über die Berufsausbildung zur Fachkraft für Veranstaltungstechnik vom 18. Juli 2002 (BGBl. I S. 2699) und findet sich seit dem 1. August 2016 in der Verordnung über die Berufsausbildung zur Fachkraft für Veranstaltungstechnik (Veranstaltungsfachkräfteausbildungsverordnung - VfAusbV) vom 3. Juni 2016 (BGBl. I S. 1307, zuletzt geändert durch Artikel 1 der Verordnung vom 14. Juni 2022 [BGBl. I S. 923]).
3. Grundlage für die Ausbildung des Klägers war jedoch nicht, wie § 57 Abs. 1 SGB III erfordert, ein Berufsausbildungsvertrag, sondern der Umschulungsvertrag vom 27. Juli 2012.
Dieser Umschulungsvertrag wurde durch die IHK in das Verzeichnis der Umschulungsverhältnisse und nicht in das Verzeichnis der Berufsausbildungsverhältnisse eingetragen. An diese Eintragung, beziehungsweise an die Nichteintragung als Berufsausbildungsverhältnis, sind die Beklagte und die Gerichte gebunden. Denn durch die Aufnahme des Berufsausbildungsverhältnisses in das nach § 34 BBiG zu führende Verzeichnis entscheidet die hierfür zuständige Stelle, ob eine Ausbildung der durch das Berufsbildungsgesetz vorgeschriebenen Form entspricht (vgl. BSG, Urteil vom 18. August 2005, a. a. O., Rdnr. 16 f.; Sächs. LSG, Urteil vom 10. November 2011 – L 3 AL 60/10 – juris Rdnr. 21). Wird das einer Ausbildung dienende Rechtsverhältnis, mithin der Berufsausbildungsvertrag, nicht in das Verzeichnis der Berufsausbildungsverhältnisse eingetragen, so bewirkt dies für Gerichte, andere Behörden und Dritte, dass die sich daraus ergebenden Rechtsfolgen für Sozialgerichte, die Beklagte und die Parteien des Ausbildungsverhältnisses bindend sind. Die Beklagte und die Gerichte sind an die Nichteintragung des Ausbildungsverhältnisses in das Verzeichnis nach § 34 BBiG gebunden. Eine Überprüfung der inhaltlichen Übereinstimmung der betrieblichen Ausbildung mit den Vorschriften des Berufsbildungsgesetzes und der jeweiligen Ausbildungsordnung steht der Beklagten im Rahmen der Entscheidung über die Berufsausbildungsbeihilfe und damit den Sozialgerichten grundsätzlich nicht zu (vgl. BSG, Beschluss vom 17. Januar 2002 – B 11 AL 250/01 B – juris Rdnr. 4; BSG, Urteil vom 18. August 2005, a. a. O. Rdnr. 16; Sächs. LSG, Urteil vom 10. November 2011, a. a. O., Rdnr. 21).
4. Nachdem das Umschulungsverhältnis des Klägers nicht nach § 56 Abs. 1 Nr. 1 SGB III förderungsfähig ist, konnte der Senat dahinstehen lassen, ob und gegebenenfalls in welcher Höhe dem Anspruch auf Berufsausbildungsbeihilfe ein etwaiger Unterhaltsanspruch der Eltern entgegenstand, und ob ein etwaiger Anspruch erst zum 1. September 2014 entstanden wäre.
III. Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.
IV. Gründe für die Zulassung der Revision (vgl. § 160 Abs. 2 SGG) liegen nicht vor.