1. Ein Gründungszuschuss dient nicht der Wirtschaftsförderung und Förderung der sozialen Strukturen im ländlichen Raum. Er dient auch nicht der Finanzierung eines Liquiditätsengpasses. Der Gründungszuschuss dient der aktiven Arbeitsmarktförderung des konkreten Arbeitslosen.
2. Dass der Vorrang der Vermittlung in die Ermessenserwägungen eingestellt wird, begegnet dem Grunde nach schon deshalb keinen Bedenken, weil es sich dabei um die Berücksichtigung einer gesetzlichen Vorgabe handelt.
I. Die Berufung der Klägerin gegen den Gerichtsbescheid des Sozialgerichtes Dresden vom 26. April 2021 wird zurückgewiesen.
II. Außergerichtliche Kosten der Klägerin sind nicht zu erstatten.
III. Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand
Im Streit ist der Anspruch der Klägerin auf Zahlung eines Gründungszuschusses.
Die 1979 geborene Klägerin ist von Beruf Friseurmeisterin. Ab dem 1. September 2009 war sie im Friseursalon "Z...." in Y.... beschäftigt und übte parallel eine selbständige Tätigkeit als Friseurin im Reisegewerbe mit einer wöchentlichen Stundenzahl von fünf bei einem voraussichtlichen Entgelt von 160,00 EUR netto monatlich aus. Das Arbeitsverhältnis im Friseursalon wurde arbeitgeberseitig mit Wirkung zum 15. Dezember 2015 betriebsbedingt beendet, nachdem die Inhaberin das Geschäft aus gesundheitlichen Gründen aufgab. Vom 21. Dezember 2015 bis zum 23. Dezember 2015 war die Klägerin im Salon erneut mit 15 Arbeitsstunden pro Kalenderwoche bei einem Bruttoentgelt von 165,00 EUR beschäftigt. Ab dem 1. Januar 2016 übernahm sie den Salon als Inhaberin.
Die Klägerin meldete sich am 23. September 2015 bei der Beklagten persönlich arbeitssuchend und mit Wirkung zum 15. Dezember 2015 arbeitslos und beantragte die Zahlung von Arbeitslosengeld.
Noch am 23. September 2015 schloss die Klägerin mit der Beklagten eine Eingliederungsvereinbarung zur Aufnahme einer versicherungspflichtigen Tätigkeit als Friseurin (regional) ab, die bis zum 31. Januar 2016 gelten sollte. Die Klägerin verpflichtete sich zur Bewerbung auf 6 bis 10 sozialversicherungspflichtige Stellen als Friseurin.
Am 20. Oktober 2015 teilte die Klägerin der Beklagten mit, dass sie sich ab dem 1. Januar 2016 selbstständig machen wolle, und fragte nach Möglichkeiten der Unterstützung.
Die Beklagte unterbreitete der Klägerin am 30. Oktober 2015 und 2. November 2015 jeweils einen Vermittlungsvorschlag und weitere Stellenangebote. Bewerbungen erfolgten nicht.
Im Rahmen einer persönlichen Vorsprache am 5. November 2015 teilte die Klägerin der Beklagten mit, dass sie überlege, das Geschäft der Arbeitgeberin zu übernehmen, da diese es aufgebe. Die Beklagte verwies auf den Vermittlungsvorrang, weshalb kein Gründungszuschuss gewährt werden könne. Im Rahmen einer weiteren persönlichen Vorsprache am 9. November 2015 erklärte die Klägerin, dass sie sich selbständig machen werde und keine Vermittlungsvorschläge mehr wünsche. Die Gewerbeanmeldung erfolgte am 13. November 2015.
Mit Schreiben vom 22. November 2015 beantragte die Klägerin bei der Beklagten die Bewilligung eines Gründungszuschusses. Ausweislich des vorgelegten Businessplans wurde der Klägerin aufgrund der Erkrankung der Inhaberin bereits ab dem 1. Januar 2015 die Leitung des Salons übertragen. Direkte Mitbewerber sind die Friseurgenossenschaft W.... B.... eG in V...., das Haaarstudio U.... in T...., S.... Friseursalon in R.... und der Salon Q.... in P..... Zwei Mitarbeiter des Geschäftes werden übernommen. Das Ladengeschäft befindet sich in einem sehr guten Zustand. Die im Rahmen der Übernahme notwendigen Gesamtmittel von 18.000,00 EUR (15.000,00 EUR Zahlung an Vorbesitzerin [beinhaltet die komplette Ladenausstattung und alle Material- und Warenbestände] und 3.000,00 EUR Ausstattung des Geschäftskontos) werden durch Eigenkapital finanziert, so dass eine Bankfinanzierung nicht benötigt wird. Die vorgelegte Rentabilitätsvorschau weist unter Berücksichtigung eines Waren- und Materialeinsatzes von 10.000,00 EUR, der Personalkosten, sonstiger Kosten und Abschreibungen auf Anlagegüter bereits im ersten Jahr einen Jahresüberschuss in Höhe von 20.687,00 EUR aus. Der Liquiditätsplan berücksichtigt im ersten Quartal neben den Eigenmitteln einen zunächst erwarteten geringeren Umsatz (15.000,00 EUR – ab dem zweiten Quartal 20.000,00 EUR), Investitionskosten in Höhe von 15.000,00 EUR und Privatentnahmen in Höhe von 2.595,00 EUR und weist einen Fehlbetrag in Höhe von 471,00 EUR aus. Für die folgenden Quartale werden Gewinne (zuletzt 2.081,00 EUR) ausgewiesen.
Die Stellungnahme der Handwerkskammer O…. – Wirtschaftsförderung – vom 27. November 2015 weist aus, dass die Gründerin ihren Lebensunterhalt aus der selbständigen Tätigkeit bestreiten kann, wenn der notwendige Mindestgewinn erzielt wird.
Mit Bescheid vom 8. Dezember 2015 lehnte die Beklagte den Antrag der Klägerin vom 9. November 2015 auf Gewährung eines Gründungszuschusses ab. Sie könne im Beruf Friseur vermittelt werden. Es seien ausreichend Stellen im zumutbaren Pendelbereich vorhanden. Die Vermittlung habe Vorrang.
Mit Bescheid vom 22. Dezember 2015 bewilligte die Beklagte der Klägerin Arbeitslosengeld im Umfang von 360 Kalendertagen aufgrund der Aufnahme der selbständigen Tätigkeit zum 1. Januar 2016 befristet vom 16. Dezember 2015 bis zum 31. Dezember 2015 in Höhe von monatlich 403,80 EUR.
Den Widerspruch der Klägerin gegen die Ablehnung des Gründungszuschusses wies die Beklagte mit Widerspruchsbescheid vom 15. Januar 2016 zurück. Zwar habe die Klägerin die Tatbestandsvoraussetzungen für die Bewilligung von Gründungszuschuss erfüllt. Die Gewährung stehe jedoch im Ermessen. Im Rahmen dessen seien die Interessen an der Förderung und die Interessen der Versichertengemeinschaft an einer sparsamen und zweckentsprechenden Verwendung der Mittel abzuwägen. Der Vermittlung in Arbeit sei grundsätzlich Vorrang vor der Gewährung von Leistungen der aktiven Förderung einzuräumen. Auf dem konkret in Betracht kommenden Arbeitsmarkt als Friseurin/Friseurmeisterin bestehe eine ausreichende Integrationsmöglichkeit in eine sozialversicherungspflichtige Beschäftigung. In diesem Bereich seien zum Zeitpunkt des anhängigen Widerspruchsverfahrens im Tagependelbereich (Umkreissuche mit einfacher Entfernung von 50 km vom Wohnort) 22 zu besetzende Arbeitsstellen gemeldet. Bereits vor Eintritt der Arbeitslosigkeit zum 16. Dezember 2015 seien mehrere Stellenangebote unterbreitet worden, auf die sich die Klägerin teilweise nicht beworben habe. Darüber hinaus würden Stellenbörsen, wie zum Beispiel die Jobbörse, weitere Beschäftigungsmöglichkeiten eröffnen. Eine belastbare negative Vermittlungsprognose könne erst nach einer gewissen Zeit der vergeblichen Vermittlungsbemühungen getroffen werden. Dies sei bei dem vorliegend maximal zu berücksichtigenden Zeitraum vom 23. September 2015 bis zum 31. Dezember 2015 nicht anzunehmen. Zudem diene die Gewährung eines Gründungszuschusses der Sicherung des Lebensunterhalts und der sozialen Absicherung in der Zeit nach der Existenzgründung. Es seien jedoch aus der selbstständigen Tätigkeit im ersten Geschäftsjahr Überschüsse von etwa 1.720,00 EUR monatlich nach den Auskünften in den Antragsunterlagen zu erwarten. Der Gründungszuschuss hätte demgegenüber allein 703,80 EUR betragen. Da die Rentabilitätsvorschau für das 2. und 3. Geschäftsjahr noch einen höheren Jahresüberschuss ausweise, könne der Lebensunterhalt nach der Existenzgründung selbst sichergestellt werden. Es werde ein seit Jahren eingeführter Friseursalon übernommen und fortgeführt, in dem die Klägerin seit September 2009 beschäftigt gewesen sei. Es seien keine Umstände erkennbar, die die Ertragslage des Unternehmens über marktübliche Schwankungen hinaus so beeinträchtigen würden, dass die Erträge nicht zur Abdeckung des Lebensunterhaltes und zur sozialen Sicherung ausreichen würden. Das persönliche Interesse an einer Förderung müsse nach alledem hinter den Interessen der Versichertengemeinschaft an einer zweckentsprechenden, bedarfsorientierten und sparsamen Verwendung der Beitragsmittel zurückstehen.
Die Verwaltungsakte der Beklagten enthält eine Vielzahl zum Zeitpunkt der Entscheidung über den Widerspruch vorliegende Stellenangebote und eine nochmals erfolgte Umkreissuche.
Die Klägerin hat am 12. Februar 2016 Klage erhoben. Sie hat geltend gemacht, dass es keinen generellen Vorrang der Vermittlung in Arbeit gebe und eine Einzelfallentscheidung zu treffen sei. Das Ermessen sei auf Null reduziert. Sie habe den Salon zuletzt quasi geführt, und ohne ihre Entscheidung wären weitere Mitarbeiter in die Arbeitslosigkeit gegangen. Maßgebend sei die Liquiditätsvorschau, und insofern sei ein geplanter Waren- und Materialeinsatz für das Jahr 2016 in Höhe von 10.000,00 EUR und die geplante Bankfinanzierung zu berücksichtigen. Der Erhalt des Geschäftes sei zudem für den kleinen Ort und die aus vielen alten Leuten bestehende Kundschaft wichtig.
Das Sozialgericht hat die Klage mit Gerichtsbescheid vom 26. April 2021 abgewiesen. Die Begründung des Widerspruchsbescheides sei durch den Sachvortrag der Klägerin im Verfahren nicht in Frage gestellt worden. Der Gründungszuschuss stelle keine Subvention zur Überbrückung fehlender Liquidität im Rahmen von Investitionen bei der Aufnahme der Tätigkeit dar. Er diene allein dem Lebensunterhalt in der ersten Phase der Existenzgründung.
Die Klägerin hat gegen den ihr am 28. April 2021 zugestellten Gerichtsbescheid am 27. Mai 2021 Berufung eingelegt. Das Sozialgericht habe fehlerhaft durch Gerichtsbescheid entschieden. Fraglich sei, ob er versehentlich in die Welt gesetzt worden sei, da neben fehlerhaften Datumsangaben auch der Korrekturhinweis "auch hier bitte Satzbau prüfen" nicht umgesetzt worden sei. In der Sache liege eine Ermessensreduzierung auf Null vor, da sich bis zur Aufnahme der selbstständigen Tätigkeit keine andere Vermittlung in eine unselbstständige Tätigkeit ergeben habe und eine solche auch nicht ersichtlich gewesen sei. Ohne die Klägerin hätte der Betrieb geschlossen werden müssen. Sie habe die Beschäftigungsverhältnisse der anderen angestellten Mitarbeiter gesichert. Das Ermessen sei durch die Beklagte jedenfalls fehlerhaft ausgeübt worden. Es gebe keinen generellen schrankenlosen Vorrang der Vermittlung von Arbeit. Es liege keine nachvollziehbar dokumentierte Einzelfallbetrachtung unter Einbeziehung der in der Person des Arbeitssuchenden liegenden Umstände, der bisherigen Vermittlungsbemühungen sowie der weiteren Umstände des Einzelfalles vor. Die Beklagte habe fehlerhaft die Zahl der offenen Stellen nicht in das Verhältnis zur Zahl derjenigen, die nach einer Beschäftigung im Zielberuf suchen würden, gesetzt. Dass sich die Klägerin auf einzelne Stellen erfolglos beworben habe, sei nicht gewertet worden. Gleichfalls fehle eine Einschätzung der persönlichen Eignung für die beabsichtigte selbstständige Tätigkeit.
Die Klägerin beantragt,
den Gerichtsbescheid des Sozialgerichtes Dresden vom 26. April 2021 aufzuheben sowie die Beklagte unter Aufhebung des Bescheides vom 8. Dezember 2015 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 15. Januar 2016 zu verurteilen, der Klägerin den beantragten Gründungszuschuss zu gewähren,
hilfsweise
die Beklagte unter Aufhebung des genannten Bescheides zu verurteilen, den Antrag der Klägerin auf Gewährung eines Gründungszuschusses unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichtes neu zu bescheiden,
hilfsweise,
die Beklagte zu verpflichten festzustellen, dass sie die Kosten des Widerspruchsverfahrens zu tragen hat, die Hinzuziehung der Bevollmächtigten im Vorverfahren notwendig gewesen ist und die Beklagte verpflichtet ist, die zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung notwendigen Aufwendungen der Klägerin, insbesondere die erstattungsfähigen Kosten des Verfahrens, zu erstatten.
Die Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Wegen der Einzelheiten des Sach-und Streitstandes wird auf den Inhalt des beigezogenen Verwaltungsvorgangs sowie der Gerichtsakten beider Instanzen verwiesen.
Entscheidungsgründe
I. Die zulässige Berufung ist unbegründet. Zu Recht hat das Sozialgericht die Klage abgewiesen. Der Bescheid der Beklagten vom 8. Dezember 2015 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 15. Januar 2016 ist rechtmäßig. Die Klägerin hat keinen Anspruch auf Gründungszuschuss für ihre am 1. Januar 2016 aufgenommene selbständige, hauptberufliche Tätigkeit.
1. Eine Zurückverweisung an das Sozialgericht kann erfolgen, wenn das Sozialgericht die Klage abgewiesen hat, ohne in der Sache selbst zu entscheiden (vgl. § 159 Abs. 1 Nr. 1 des Sozialgerichtsgesetzes [SGG]), oder das Verfahren an einem wesentlichen Mangel leidet und auf Grund dieses Mangels eine umfangreiche und aufwändige Beweisaufnahme notwendig ist (vgl. § 159 Abs. 1 Nr. 2 SGG). Das Gericht hat von Amts wegen nach Ermessen über die Frage der Zurückverwesung zu entscheiden. Dabei ist zwischen den Interessen der Beteiligten an einer möglichst schnellen Sachentscheidung einerseits und dem Verlust einer Instanz andererseits abzuwägen. Im Zweifel ist wegen des Ausnahmecharakters der Vorschrift die eigene Sachentscheidung durch das Landessozialgericht vorzugswürdig (vgl. BSG, Beschluss vom 14. Februar 2006 – B 9a SB 22/05 B – juris Rdnr. 7).
Die Klägerin hat die Zurückverweisung an das Sozialgericht nicht beantragt, jedoch zutreffend beanstandet, dass der Gerichtsbescheid Mängel aufweist. Sowohl die Unterschrift der Richterin als auch die Ausführungen in den Gründen belegen jedoch, dass sich die Richterin mit dem Sachverhalt befasst und die Entscheidung willentlich in die Welt gesetzt hat. Das Sozialgericht hat daher in der Sache entschieden. Ein wesentlicher Verfahrensmangel liegt nicht vor. Der eigenen Sachentscheidung durch das Landessozialgericht ist nach Abwägung der Interessen der Beteiligten vorliegend im Interesse einer zügigen Erledigung des Verfahrens der Vorrang einzuräumen.
2. Nach § 93 Abs. 1 des Sozialgesetzbuches Drittes Buch – Arbeitsförderung – (SGB III) (in der ab dem 1. April 2012 geltenden Fassung des Gesetzes vom 20. Dezember 2011 [BGBl. I, S. 2854]) können Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer, die durch Aufnahme einer selbständigen hauptberuflichen Tätigkeit die Arbeitslosigkeit beenden, zur Sicherung des Lebensunterhaltes und der sozialen Sicherung in der Zeit nach der Existenzgründung einen Gründungszuschuss erhalten. Nach § 93 Abs. 2 Satz 1 SGB III „kann“ ein Gründungszuschuss geleistet werden, wenn die Arbeitnehmerin oder der Arbeitnehmer
1. bis zur Aufnahme der selbständigen Tätigkeit einen Anspruch auf Arbeitslosengeld hat, dessen Dauer bei Aufnahme der selbständigen Tätigkeit noch mindestens 150 Tage beträgt und nicht allein auf § 147 Abs. 3 SGB III beruht,
2. der Agentur für Arbeit die Tragfähigkeit der Existenzgründung nachweist und
3. ihre oder seine Kenntnisse und Fähigkeiten zur Ausübung der selbständigen Tätigkeit darlegt.
Nach § 93 Abs. 2 Satz 2 Halbsatz 1 SGB III ist zum Nachweis der Tragfähigkeit der Existenzgründung der Agentur für Arbeit die Stellungnahme einer fachkundigen Stelle vorzulegen; fachkundige Stellen sind insbesondere die Industrie- und Handelskammern, Handwerkskammern, berufsständische Kammern, Fachverbände und Kreditinstitute (vgl. § 93 Abs. 2 Satz 2 Halbsatz 1 SGB III).
a) Die tatbestandlichen Voraussetzungen des Anspruchs auf Gründungszuschuss nach § 93 SGB III sind – auch nach Auffassung der Beklagten – erfüllt. Die Klägerin hat die Tragfähigkeit der Existenzgründung nachgewiesen und ihre Kenntnisse und Fähigkeiten zur Ausübung dargelegt. Die Klägerin stand im laufenden Bezug von Arbeitslosengeld. Auch betrug der Anspruch bei Aufnahme der selbständigen Tätigkeit noch mindestens 150 Tage und beruhte nicht allein auf § 147 Abs. 3 SGB III.
b) Der Anspruch steht jedoch im Ermessen ([1]) der Beklagten. Die Beklagte hat entgegen der Ansicht der Klägerin das ihr nach § 93 Abs. 1 SGB III zustehende Ermessen rechtmäßig ausgeübt. Die Klägerin hat mangels Ermessensreduzierung auf Null keinen Anspruch auf Zahlung ([2]) und mangels Ermessensfehler auch auf den Hilfsantrag hin keinen Anspruch auf Neuverbescheidung ihres Antrages vom 9. November 2015 ([3]).
(1) Für die Sozialgesetzbücher hat der Gesetzgeber in § 39 Abs. 1 Satz 1 des Sozialgesetzbuches Erstes Buch – Allgemeiner Teil – (SGB I) geregelt, dass in den Fällen, in denen der Leistungsträger ermächtigt ist, bei der Entscheidung über Sozialleistungen nach seinem Ermessen zu handeln, dieser verpflichtet ist, sein Ermessen entsprechend dem Zweck der Ermächtigung auszuüben und die gesetzlichen Grenzen des Ermessens einzuhalten. Der Versicherte hat gemäß § 39 Abs. 1 Satz 2 SGB I allein einen Anspruch auf eine pflichtgemäße Ausübung des Ermessens, nicht aber einen Rechtsanspruch auf eine bestimmte Leistung oder eine bestimmte Leistungshöhe.
Eine Ausnahme hiervon liegt nur im Fall einer sogenannten Ermessensreduzierung auf Null vor. Dies setzt voraus, dass es nach dem festgestellten Sachverhalt ausgeschlossen ist, dass Umstände vorliegen, die eine anderweitige Ausübung des Ermessens rechtsfehlerfrei zuließen. Welche Umstände insoweit in Betracht zu ziehen sind, richtet sich nach Sinn und Zweck der Ermessenseinräumung (vgl. BSG, Urteil vom 4. Februar 1988 – 11 RAr 26/87 – BSGE 63, 37 ff. = SozR 1300 § 45 Nr. 34 = juris Rdnr. 16, m. w. N....; Groth, in: Schlegel/Voelzke, jurisPK-SGB I [3. Aufl., Stand: 15. März 2021], § 39, Rdnr. 49 ff.; Just, in: Hauck/Noftz, SGB I [Stand: Erg.-Lfg. 11/21], § 39 Rdnr. 18, m. w. N....).
Abgesehen von dem Fall der Ermessensreduzierung auf Null, in dem es nur ein ermessensgerechtes Ergebnis gibt, hat der Gesetzgeber dem Leistungsträger somit mit der Einräumung von Ermessen eine Auswahlbefugnis hinsichtlich mehrerer gleichermaßen rechtmäßiger Entscheidungsmöglichkeiten auf der Rechtsfolgenseite eröffnet, einschließlich der Möglichkeit, von einer Leistungsversagung oder -entziehung abzusehen.
Zur prozessrechtlichen Absicherung dieses Entscheidungsspielraumes des Leistungsträgers hat der Gesetzgeber in § 54 Abs. 2 Satz 2 SGG festgelegt, dass die Überprüfung der Ermessensentscheidung durch die Gerichte nur eingeschränkt dahingehend zulässig ist, ob Ermessen überhaupt ausgeübt worden ist, ob die gesetzlichen Grenzen des Ermessens überschritten sind oder von dem Ermessen in einer dem Zweck der Ermächtigung nicht entsprechenden Weise Gebrauch gemacht worden ist (vgl. hierzu u. a. BSG, Urteil vom 18. März 2008 – B 2 U 1/07 R – BSGE 100, 124 ff. = SozR 4-2700 § 101 Nr. 1 = juris Rdnr. 14; BSG, Urteil vom 6. Mai 2009 – B 11 AL 11/08 R – BSGE 103, 134 ff. = SozR 4-4300 § 35 Nr. 1 = juris Rdnr. 14; BSG, Urteil vom 23. Juni 2016 - B 14 AS 46/15 R - juris Rdnr. 24 und BSG, Urteil vom 24. Juni 2020 - B 4 AS 12/20 R - juris Rdnr. 27; Groth, a. a. O., § 39, Rdnr. 35.1.; Just, a. a. O., § 39 Rdnr. 15, m. w. N.).
Welche Ermessensgesichtspunkte zu berücksichtigen sind, hängt wesentlich von der Ausgestaltung der Ermessensregelung (vgl. § 39 Abs. 1 Satz 1 Alt. 2 SGB I), dem Sinn und Zweck der Regelung (vgl. § 39 Abs. 1 Satz 1 Alt. 1 SGB I) sowie dem Regelungskontext ab.
Maßgebend für die Überprüfung der Ermessensentscheidung ist die Sach- und Rechtslage zum Zeitpunkt der letzten Verwaltungsentscheidung. Denn die Beklagte kann im Rahmen ihres Ermessens nur prüfen und abwägen, was ihr zu diesem Zeitpunkt bekannt war oder bekannt hätte sein können.
(2) Ein Fall der Ermessensreduzierung auf Null liegt nicht vor. Die Förderung von Existenzgründungen aus der Arbeitslosigkeit heraus gehört zu den Förderinstrumenten der aktiven Arbeitsmarktpolitik. Mit der Neufassung von § 93 SGB III ab dem Jahr 2012 und der Umwandlung des Gründungszuschusses in eine Ermessensleistung verfolgte der Gesetzgeber das Ziel der Haushaltskonsolidierung (BT-Drs. 17/6277, Seite 83). Die Förderung erfolgt mit dem Zielt, die bestehende Arbeitslosigkeit durch Aufnahme der selbstständigen Tätigkeit zu beenden, wobei der Gründungszuschuss den Berechtigten allein zur Sicherung ihres Lebensunterhalts und zu ihrer sozialen Sicherheit dient. Die Beklagte nimmt die Aufgaben der Arbeitsvermittlung als hoheitliche Aufgabe wahr und ist bei der Ausübung ihres pflichtgemäßen Ermessens gehalten, eine sozial gerechte, aber auch arbeitsmarkt- und beschäftigungspolitisch sinnvolle und sachgerechte Arbeitsvermittlung zu betreiben. Sie hat dabei vorrangig den Zielen zu entsprechen, wie sie in §§ 1, 2 SGB III programmatisch niedergelegt sind, nämlich unter anderem einen hohen Beschäftigungsstand zu gewährleisten, die Beschäftigungsstruktur ständig zu verbessern und die insofern zur Verfügung stehenden Mittel sparsam zu verwenden.
Der Gründungszuschuss dient daher, entgegen der wohl bestehenden Auffassung der Klägerin, nicht der Wirtschaftsförderung und Förderung der sozialen Strukturen im ländlichen Raum. Sie dient der aktiven Arbeitsmarktförderung des konkreten Arbeitslosen. Der Umstand, dass die Fortführung des Salons weitere Arbeitsplätze gesichert habe und ohne die Klägerin der Salon geschlossen worden wäre, führt daher bereits aus diesem Grund zu keiner Ermessensreduzierung auf Null. Der Gründungszuschuss dient auch nicht der Finanzierung eines Liquiditätsengpasses aufgrund des Verzichtes auf eine Bankfinanzierung, vorliegend hinsichtlich der Zahlung von 15.000,00 EUR an die Vorinhaberin für die Geschäftsübernahme, Ladenausstattung und Material- und Warenbestände. Es waren sogar bei Berücksichtigung der vollen Investitionskosten nach den eigenen Auskünften in den Antragsunterlagen bereits im ersten Geschäftsjahr Überschüsse von etwa 1.720,00 EUR monatlich zu erwarten, so dass die Existenz der Klägerin gesichert war. Unabhängig davon war die Klägerin zudem nur sehr kurze Zeit arbeitslos, es standen in nicht unerheblicher Zahl Stellen im Umkreis zur Verfügung und sie hat trotz Aufforderung des Gerichts nicht nachgewiesen, dass eigene Bewerbungsversuche auf zumutbare Stellen ohne Erfolg geblieben sind. Es ist daher vorliegend nichts dafür ersichtlich, dass die Bewilligung des Gründungszuschusses zur Beendigung der Arbeitslosigkeit notwendig war und jede andere Entscheidung ermessensfehlerhaft gewesen wäre.
(3) Die Beklagte hat ihre Pflicht zur Ermessensbetätigung erkannt, die gesetzlichen Grenzen des Ermessens nicht überschritten oder von dem Ermessen in einer dem Zweck der Ermächtigung entsprechenden Weise Gebrauch gemacht. Die Beklagte hat der Klägerin den Gründungszuschuss weder mündlich zugesagt noch sich im Wege der Eingliederungsvereinbarung auf eine selbständige Tätigkeit der Klägerin als Eingliederungsziel festgelegt.
Dass der Vorrang der Vermittlung in die Ermessenserwägungen eingestellt wird, begegnet dem Grunde nach schon deshalb keinen Bedenken, weil es sich dabei um die Berücksichtigung einer gesetzlichen Vorgabe handelt. Der Gründungszuschuss dient der möglichst frühzeitigen Reintegration des Arbeitslosen in den Arbeitsmarkt. Insoweit ist aber der allgemeine Vorrang der Vermittlung zu beachten, so dass der Gründungszuschuss als Ermessensleistung nur dann gewährt werden kann, wenn er für eine dauerhafte Eingliederung erforderlich ist (vgl. § 4 Abs. 2 SGB III), das heißt wenn die Vermittlung voraussichtlich nicht zu einer dauerhaften Eingliederung in den Arbeitsmarkt führt.
Nach § 4 Abs. 1 SGB III hat die Vermittlung in Ausbildung und Arbeit Vorrang vor den Leistungen zum Ersatz des Arbeitsentgeltes bei Arbeitslosigkeit. Der Vermittlungsvorrang gilt nach § 4 Abs. 2 SGB III auch im Verhältnis zu den sonstigen Leistungen der aktiven Arbeitsförderung, es sei denn, die Leistung ist für eine dauerhafte Eingliederung erforderlich. Leistungen der aktiven Arbeitsförderung sind nach § 3 Abs. 2 SGB III unter anderem Leistungen nach Maßgabe des Dritten Kapitels dieses Buches (§§ 29 bis 135 SGB III). Der Gründungszuschuss nach § 93 SGB III ist eine solche Leistung der aktiven Arbeitsförderung.
Diesen normativen Vorgaben entspricht es somit, wenn die Beklagte, wie im Falle der Klägerin geschehen, im Rahmen ihres Ermessens entscheidend darauf abstellt, ob eine möglichst nachhaltige Integration innerhalb des Arbeitslosengeldbezugszeitraums realistisch ist, ob sofort oder in absehbarer Zeit Stellenangebote unterbreitet werden können, oder ob Hemmnisse bestehen, die den Integrationserfolg behindern können.
Nach den vor Erlass des Widerspruchsbescheides durchgeführten Ermittlungen konnte die Beklagte davon ausgehen, dass die Klägerin auch ohne die Bewilligung eines Gründungszuschusses in den für sie in Betracht kommenden Arbeitsmarkt dauerhaft eingegliedert werden kann. Die Beklagte hat beanstandungsfrei in den angefochtenen Bescheiden dargelegt, dass auf den für die Klägerin fachlich und persönlich in Betracht kommenden regionalen Arbeitsmarkt ausreichend sozialversicherungspflichtige Beschäftigungen gemeldet sind. Die Erfolgsaussichten der Vermittlungsaktivitäten der Beklagten zur Erlangung einer sozialversicherungspflichtigen Beschäftigung der Klägerin sind daher folgerichtig als positiv eingeschätzt worden. Eine belastbare negative Vermittlungsprognose hat nachvollziehbar unter Berücksichtigung der kurzen Zeit der Vermittlungsmöglichkeit und der sehr kurzen Zeit der Arbeitslosigkeit von nur etwas mehr als zwei Wochen, der unterbliebenen Bewerbung auf die Vermittlungsvorschläge und dem fehlenden Nachweis hinreichender eigener Bemühungen nicht gestellt werden können, sodass eine nachvollziehbar dokumentierte Einzelfallbetrachtung unter Einbeziehung der in der Person des Arbeitsuchenden liegenden Umstände (Nahbereich/Umkreissuche/konkrete Vermittlungsvorschläge/kurze Zeit der Vermittlungsmöglichkeit) vorliegt und allein der Gesichtspunkt des Vermittlungsvorranges die Ermessensentscheidung trägt. Danach hat die Beklagte davon ausgehen dürfen und müssen, dass für die Klägerin hinreichende Vermittlungschancen bestanden haben. Denn andere Umstände, die einer Vermittlung der Klägerin in eine sozialversicherungspflichtige Beschäftigung offensichtlich entgegengestanden haben und der Beklagten zum Zeitpunkt der Entscheidung über den Widerspruch bekannt gewesen sind oder hätten bekannt sein können, liegen nicht vor. Dass die Klägerin die eigene selbständige Tätigkeit als die finanziell tragfähigere bewertet und zudem vorträgt, dass eine Vielzahl der im Stellensuchdurchlauf angegebenen Stellen unzumutbar sei, würde selbst bei Zutreffen dieser Behauptung keinen Ermessensfehler zur Folge haben. Zumutbar sind nach § 140 Abs. 1 SGB III alle der Arbeitsfähigkeit entsprechenden Beschäftigungen, soweit allgemeine oder personenbezogene Gründe der Zumutbarkeit nicht entgegenstehen. Die Klägerin hat nicht bestritten, dass Stellen zur Vermittlung zur Verfügung gestanden haben, die ihr zumutbar gewesen sind.
Im Ergebnis bestätigt ihre Bewertung der Tragfähigkeit ihrer eigenen selbständigen Tätigkeit jedoch die nach den eigenen Antragsunterlagen vorliegende Eigenleistungsfähigkeit der Klägerin, welche – wie unter (2) bereits ausgeführt – in diesem Zusammenhang daher auch in nicht zu beanstandender Weise durch die Beklagte ergänzend berücksichtigt worden ist. Der Gründungszuschuss dient nur der Sicherung des Lebensunterhaltes einschließlich der Erbringung von Versicherungsbeiträgen und nicht, worauf bereits das Sozialgericht zutreffend hingewiesen hat, der Verschaffung von Liquidität für Investitionen im Rahmen des selbstständigen Unternehmens. Der Aufbau einer Liquiditätsreserve mag sinnvoll sein, kann im Rahmen eines Gründungszuschusses aber nicht zu Lasten der Versichertengemeinschaft erfolgen (vgl. Sächs. LSG, Urteil vom 10. April 2014 – L 3 AL 141/12 – juris Rdnr. 36, 38). Es hätte der Klägerin freigestanden, die im Rahmen der Übernahme des Salons notwendigen Gesamtmittel von 15.000,00 EUR, die auch dem Erwerb von Sachanlagen dienten, nicht über Eigenkapital verbunden mit einer sofortigen Zahlungsverpflichtung, sondern über andere Fördermöglichkeiten oder einen Bankkredit zu finanzieren und so eine ausreichende Liquidität zu sichern.
2. Die Kostenentscheidung beruht auf den §§ 183, 193 SGG.
3. Die Revision wird nicht zugelassen, weil Gründe dafür (vgl. § 160 Abs. 2 SGG) nicht vorliegen.