In Krankenhausvergütungsstreitigkeiten kann der Krankenhausträger in der Regel nicht auf die Feststellung klagen, dass bezüglich der von der Krankenkasse bezahlten Abrechnung kein Rückforderungsanspruch besteht, selbst wenn sich die Krankenkasse eines solchen Rückforderungsanspruchs berühmt, aber diesen nicht gegen eine andere, noch offene Vergütungsforderung des Krankenhauses aufrechnet.
I. Die Klage wird abgewiesen.
II. Die Klägerin trägt die Kosten des Verfahrens.
T a t b e s t a n d :
Die Beteiligten streiten über die Vergütung von stationären Krankenhausleistungen nach dem Sozialgesetzbuch Fünftes Buch (SGB V).
Die bei der Beklagten Versicherte E. wurde vom 10.06.2021 bis zum 12.06.2021 in der Klinik der Klägerin stationär behandelt.
Die Rechnung der Klägerin vom 18.06.2021 über 4741,42 € ging am 19.06.2021 bei der Beklagten ein. Die Beklagte bezahlte die Rechnung vollständig.
Die Beklagte beauftragte am 04.10.2021 den Medizinischen Dienst (MD) Bayern mit der Prüfung der Abrechnung, dieser zeigte am 06.10.2021 der Klinik den Prüfauftrag an. Grund der Nachprüfung sei die Frage der sekundären Fehlbelegung (ob ein Tag statt zwei Tage ausgereicht hätten) und die Prüfung eines OPS-Codes.
Der MD Bayern bescheinigte in seinem Gutachten vom 14.02.2022, dass die Kodierung korrekt war, jedoch hätte ein einziger Tag als Behandlungsdauer ausgereicht.
Aufgrund dieses Gutachtens forderte die Beklagte am 18.02.2022 von der Klägerin einen Betrag in Höhe von 1468,13 € zurück.
Am 12.03.2022 verlangte die Klägerin ein Nachverfahren und brachte Argumente gegen das Begutachtungsergebnis vor.
Am 12.05.2022 hat die Klägerin beim Sozialgericht (SG) München Klage erhoben und zunächst beantragt,
die Beklagte zu verurteilen, 837,61 € nebst Zinsen hieraus in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit 02.07.2021 an die Klägerin zu zahlen.
Die Beklagte hat dagegen mit Schriftsatz vom 09.06.2022 eingewandt, dass sie den von ihr zurückgeforderten Betrag in Höhe von 1468,13 € nicht mit einer anderen Forderung verrechnet habe. Sie habe die Rechnung der Klägerin vollständig bezahlt.
Die Klägerin hat mit Schriftsatz vom 14.07.2022 eingeräumt, dass die Beklagte die Forderung bezahlt habe. Jedoch berühme sie sich eines teilweisen Rückforderungsanspruchs und habe die Klägerin bereits unter Fristsetzung zur Rückzahlung aufgefordert. Deshalb bestehe ein Feststellungsinteresse für eine negative Feststellungsklage. Die Klage werde dahingehend geändert, dass beantragt werde, festzustellen, dass der Beklagten kein entsprechender Rückzahlungsanspruch zustehe.
Das Gericht hat der Klägerin mit Schreiben vom 26.07.2022 mitgeteilt, dass zweifelhaft sei, ob die negative Feststellungsklage zulässig sei, insbesondere ob ein berechtigtes Interesse an der baldigen Feststellung im Sinne des § 55 Abs. 1 Halbs. 2 SGG bestehe. Wenn die Beklagte die streitige Forderung aufrechnen sollte, könne die Klägerin die Gegenforderung einklagen und einen Zahlungstitel erwirken.
Die Klägerin hat mit Schreiben vom 28.07.2022 mitgeteilt, dass sie ein rechtlich erhebliches Interesse an der Feststellung des Nichtbestehens eines Rechtsverhältnisses im Sinne eines Zahlungsanspruchs habe und dieses Ziel nicht durch eine grundsätzlich vorrangige Leistungsklage erreichen könne. Auf mehrere Urteile des BSG hat die Klägerin Bezug genommen. Insbesondere hat sie sich auf ein Urteil des BSG vom 04.03.2021 (Az. B 11 AL 5/20 R, BSGE 131,286, Rdnr. 20) berufen. Darin habe das BSG über eine dem gegenständlichen Verfahren ähnliche Situation entschieden. Mit Schriftsatz vom 12.12.2022 hat die Klägerin ein Schreiben der Beklagten vom 01.12.2022 vorgelegt, mit dem diese die Zahlung der von ihr berühmten Rückforderung hinsichtlich des streitgegenständlichen Falles in Höhe von 1468,13 € unter Fristsetzung angemahnt hat.
Die Klägerin beantragt,
festzustellen, dass der Beklagten kein Anspruch auf Rückzahlung betreffend der beklagtenseitig geleisteten Zahlung auf die Rechnung der Klägerin vom 18.06.2021, Rechnungs-Nr. 5105555, über die Behandlung der Versicherten E. vom 10.06.2021 bis 12.06.2021 bei der Klägerin zusteht.
Die Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen.
Zur Ergänzung des Tatbestands wird auf die Prozessakten sowie auf die beigezogene Akte der Beklagten, deren wesentlicher Inhalt Gegenstand der mündlichen Verhandlung gewesen ist, verwiesen.
E n t s c h e i d u n g s g r ü n d e :
Für die Entscheidung war das Sozialgericht München örtlich (§ 57 Sozialgerichtsgesetz - SGG) und sachlich (§ 8 SGG) zuständig.
Die Klage ist nicht zulässig. Es handelt sich um eine negative Feststellungsklage im Sinne des § 55 Abs. 1 Nr. 1 SGG, hier in der Form der vorbeugenden Feststellungsklage, die der Abwehr einer belastenden Maßnahme der Beklagten dient. Gemäß § 55 Abs. 1 Halbs. 2 SGG setzt die Zulässigkeit der Feststellungsklage voraus, dass der Kläger ein berechtigtes Interesse an der baldigen Feststellung hat. Im Falle der vorbeugenden Feststellungsklage muss ein berechtigtes Interesse gerade an einer baldigen vorbeugenden Feststellung, also ein spezielles, auf die Inanspruchnahme vorbeugenden Rechtsschutzes gerichtetes Interesse, bestehen (Meyer-Ladewig/ Keller/ Schmidt, SGG, 14.A. 2023, § 55 Rdnr. 8c). Dabei ist auch zu berücksichtigen, dass Feststellungsklagen grundsätzlich gegenüber Leistungsklagen subsidiär sind, weil ein Feststellungsurteil keinen vollstreckbaren Titel liefert und damit nicht in gleicher Weise der endgültigen Beilegung der Streitigkeit dient wie ein Leistungsurteil.
Ein spezielles, auf die Inanspruchnahme vorbeugenden Rechtsschutzes gerichtetes Interesse, dem auch die Subsidiarität der Feststellungsklage nicht entgegensteht, ist vorliegend nicht ersichtlich. Insbesondere besteht nicht die von der Klägerin mit Schriftsatz vom 28.07.2022 behauptete zeitlich unbegrenzt in die Zukunft wirkende Unsicherheit. Vielmehr verjähren die Ansprüche der Krankenkassen auf Rückzahlung von geleisteten Vergütungen gemäß § 109 Abs. 5 Satz 1 SGG in zwei Jahren nach Ablauf des Kalenderjahrs, in dem sie entstanden sind. Dies wäre vorliegend Ende 2023 der Fall. Bis dahin müsste die Beklagte ihren Erstattungsanspruch einklagen, um die Eintritt der Verjährung zu verhindern. Zwar könnte die Beklagte auch nach Ende 2023 noch gegen andere Forderungen nach § 215 BGB aufrechnen, die bereits 2023 bestanden und nicht verjährt waren, jedoch hat es die Klägerin in der Hand, die Bezahlung dieser Forderungen zügig einzufordern und - falls es gegenüber einer Forderung zur Aufrechnung kommt - diese auch einzuklagen.
In Krankenhausvergütungsstreitigkeiten kann der Krankenhausträger deshalb in der Regel nicht auf die Feststellung klagen, dass bezüglich der von der Krankenkasse bezahlten Abrechnung kein Rückforderungsanspruch besteht, selbst wenn sich die Krankenkasse eines solchen Rückforderungsanspruchs berühmt, aber diesen nicht gegen eine andere, noch offene Vergütungsforderung des Krankenhauses aufrechnet. Soweit sich die Klägerin auf die Rechtsprechung des BSG beruft, betrafen die zitierten Urteile Probleme der Verwaltungsvollstreckung, in denen die Kläger gegen die bestandskräftig festgestellten Forderungen im Vollstreckungsverfahren Einwendungen erhoben, die nachträglich entstanden waren, nämlich die Einrede der Verjährung (so in den Sachverhalten, die den Urteilen des BSG vom 09.02.1995 Az. 7 Rar 78/93 und vom 04.03.2021 Az. B 11 AL 5/20 R zugrunde lagen). Dort ist die negative Feststellung in der Tat das einzige mögliche Instrument, um dem von der Verwaltungsvollstreckung Bedrohten Rechtsschutz zu gewähren, weil die zugrunde liegenden Verwaltungsakte nicht mehr anfechtbar sind und kein anderer Rechtsbehelf zur Verfügung steht. Jene Situation ist jedoch mit der vorliegenden eines Krankenhausvergütungsstreits, in dem die Parteien im Gleichordnungsverhältnis zueinander stehen, nicht vergleichbar.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 197a SGG i.V.m. § 154 Abs. 1 VwGO.