L 7 AS 98/23 B ER L 7 AS 99/23 B

Land
Nordrhein-Westfalen
Sozialgericht
LSG Nordrhein-Westfalen
Sachgebiet
Grundsicherung für Arbeitsuchende
Abteilung
7
1. Instanz
SG Duisburg (NRW)
Aktenzeichen
S 2 AS 2625/22 ER
Datum
2. Instanz
LSG Nordrhein-Westfalen
Aktenzeichen
L 7 AS 98/23 B ER L 7 AS 99/23 B
Datum
3. Instanz
-
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Beschluss

Tenor:

Die Beschwerde der Antragsteller gegen den Beschluss des Sozialgerichts Duisburg vom 18.01.2023 wird zurückgewiesen.

Kosten sind auch im Beschwerdeverfahren nicht zu erstatten.

Prozesskostenhilfe für das Beschwerdeverfahren wird abgelehnt.

 

Gründe:

I.

Die Antragsteller wenden sich mit ihrer Beschwerde gegen einen Beschluss des Sozialgerichts Duisburg, das ihren Antrag auf Übernahme von Stromschulden im Wege der einstweiligen Anordnung sowie die Bewilligung von Prozesskostenhilfe für dieses Verfahren abgelehnt hat.

Die Antragsteller beziehen Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nach dem SGB II vom Antragsgegner. Der 0000 geborene Antragsteller zu 1) und die 0000 geborene Antragstellerin zu 2) sind die Eltern der 0000 geborenen Antragstellerinnen zu 3) und zu 4). Der Antragsteller zu 1) ist schwerbehindert und bezieht eine Erwerbsminderungsrente in Höhe von 466,31 € monatlich. Die Antragstellerinnen zu 3) und zu 4) gehen zur Schule und beziehen Kindergeld i.H.v. jeweils 219,00 €. Die Antragsteller bewohnen zwei miteinander verbundene Wohnungen mit einer Wohnfläche von insgesamt 149,50 m² zu einer Kaltmiete von 666,00 €, Heizkostenvorauszahlungen i.H.v. 150,00 € und Betriebskostenvorauszahlungen i.H.v. 250,00 € monatlich. Der Antragsgegner übernimmt die vollen Unterkunftskosten, weil er davon ausgeht, dass dem Antragsteller zu 1) ein Umzug nicht zumutbar ist. Auf den Weiterbewilligungsantrag vom 10.01.2022 hin bewilligte der Antragsgegner mit Bescheid vom 20.01.2022 in der Fassung der Änderungsbescheide vom 07.06.2022 und 18.07.2022 Leistungen nach dem SGB II von Februar 2022 bis Juli 2022 i.H.v. 1.873,14 €, im August 2022 i.H.v.1.930,43 € und von September 2022 bis Januar 2023 i.H.v. 1.923,51 € monatlich. Dabei berücksichtigte er durchgehend einen Mehrbedarf für dezentrale Warmwassererzeugung i.H.v. 29,10 € monatlich.

Die Antragsteller beziehen Strom von der O. GmbH (im Folgenden: O.) unter den Kundenummern X N01 und X N02. Mit Bescheid vom 22.03.2022 bewilligte der Antragsgegner ein Darlehen i.H.v. 1.408,37 € für Stromschulden der Antragsteller aus den Jahresabrechnungen der O. vom 06.10.2021 für den Zeitraum August 2020 bis August 2021, welches die Antragsteller ab Mai 2022 durch Aufrechnung zurückzahlen.

Für den Zeitraum vom 24.08.2021 bis 14.09.2022 erhielten die Antragsteller zwei weitere Jahresabrechnungen der O. vom 06.10.2022. Aus der einen ergab sich eine Forderung i.H.v. 830,70 €, wobei die Kosten für den Stromverbrauch sich auf1.022,32 € (bei einem Stromverbrauch von 3.203 kwh) abzüglich 269,82 € Abschlagszahlungen beliefen. Die weiteren Kosten bestanden aus einem offenen Abschlag i.H.v. 30 € sowie Mahnpauschalen, Verzugszinsen und Rücklastschriften. Aus der anderen Jahresabrechnung vom 06.10.2022 ergab sich eine Förderung i.H.v. 1.095,06 €, wobei die Kosten für den Stromverbrauch sich auf 1.318,28 € (bei einem Verbrauch von 4267 kwh) abzüglich 298,43 € beliefen. Die weiteren Kosten bestanden aus einem offenen Abschlag i.H.v. 30 € sowie Mahnpauschalen, Verzugszinsen und Rücklastschriften.

Am 27.10.2022 und 10.11.2022 beantragten die Antragsteller erneut die Übernahme von Stromschulden beim Antragsgegner und wiesen darauf hin, dass eine Energieliefersperre drohe. Aufgrund des desolaten gesundheitlichen Zustands des Antragstellers zu 1) seien die zusätzlichen Sozialgelder zuschussweise und nicht nur als Darlehen zu bewilligen.

Mit Zahlungsaufforderungen vom 30.10.2022 bezifferte O. die derzeit bestehenden Stromkostenausstände auf 1.095,06 € sowie 801,80 € (jeweils fällig 24.10.2022) und wies darauf hin, dass eine Stromsperre alsbald erfolgen werde.

Mit Bescheid vom 14.11.2022 lehnte der Antragsgegner die Übernahme der Stromschulden unter Verweis auf § 20 Abs. 1 SGB II ab. Nachzahlungen aufgrund von Abrechnungen im Haushaltsstrom seien aus dem laufenden Regelbedarf zu zahlen. In der Vergangenheit sei bereits ein Darlehen für Stromschulden gewährt worden. Die Weiterleitung der monatlichen Stromabschläge liege in der Verantwortung der Antragsteller. Es bestehe auch nicht die Gefahr des Verlusts der Wohnung. Hiergegen haben die Antragsteller am 21.11.2022 Widerspruch eingelegt.

Die Antragsteller haben am 15.11.2022 einen Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung gestellt mit dem Begehren, den Antragsgegner zu verpflichten, ihnen Arbeitslosengeld II in Höhe von 1.896,86 € nach § 22 Abs. 8 SGB II zu gewähren. Hilfsweise haben sie den Erlass einer angemessenen einstweiligen Anordnung beantragt. Mit Schreiben vom 13.12.2022 haben sie ihren Antrag dahingehend konkretisiert, Arbeitslosengeld II i.H.v. 1.953,66 € als Zuschuss und hilfsweise darlehensweise zu begehren.

Die Antragsteller haben geltend gemacht, dass die Energiekosten zuletzt exorbitant gestiegen seien und dass der tatsächliche Preisanfall bei der Regelsatzberechnung für das Jahr 2022 nicht berücksichtigt worden sei. Sie seien ein atypischer Fall, der einen Zuschuss rechtfertige. Sie verfügten über keinerlei Vermögen oder finanzielle Rücklagen und müssten bereits die Verrechnungen wegen übernommener Mietschulden monatlich in Höhe von 80,20 € tragen. Die Rückzahlung weiterer Darlehen sei nicht zumutbar. Dies gelte umso mehr, als der Antragsteller zu 1) „zu 100% schwerbehindert“ sei und erhöhte Kosten für Diabetikerbedarf und besonders gesunde Ernährung habe.

Der Antragsgegner hat beantragt, den Antrag abzulehnen. Eine zuschussweise Gewährung komme nach § 22 Abs. 8 Satz 4 SGB II nicht in Betracht. Dies würde unzulässigerweise die Hauptsache vorwegnehmen. Ein Darlehen hätten die Antragsteller trotz Aufforderung, einen entsprechenden Antrag einzureichen, nicht beantragt. Es fehle das Rechtsschutzbedürfnis. Zudem könnten nach den internen Weisungen rückständige Zahlungen für Haushaltsenergie nur darlehensweise übernommen werden, wenn die Sperrung der Energieversorgung bereits erfolgt sei. Sei dies noch nicht geschehen, komme eine Übernahme nur nach § 24 Abs. 1 SGB II in Betracht. Außerdem sei den Antragstellern bereits im März 2022 ein Darlehen für Stromschuldeni.H.v. 1.408,37 € gewährt worden. Die Antragsteller seien offenbar nicht zu einem anderen Verbrauchsverhalten veranlasst worden. Die Übernahme der Energierückstände wäre deshalb auch nicht geeignet, die bisherige Wohnung der Antragsteller dauerhaft zu sichern.

Mit Schreiben vom 22.11.2022 hat O. die Einstellung der Energieversorgung angedroht. Bis zum 29.11.2022 könne die Forderung aus der Jahresabrechnungi.H.v. 1.092,96 € beglichen werden. Andernfalls werde der Netzbetreiber unverzüglich beauftragt, die Energieversorgung vorübergehend einzustellen. Mit Mahnung vom 22.11.2022 hinsichtlich einer weiteren Forderung i.H.v. 830,70 € hat O. mitgeteilt, dass die angekündigte Liefersperre bereits eingeleitet worden sei.

Mit Schreiben vom 02.01.2023 haben die Antragsteller bei O. beantragt, von der Vollziehung der Stromsperre abzusehen. O. hat mit Schreiben vom 05.01.und17.01 2023 mitgeteilt, dass ein Ratenplan nicht beantragt worden sei und ihrerseits wegen der schlechten Zahlungsmoral der Antragsteller auch abgelehnt worden wäre. Ein Vorkassenzähler werde derzeit nicht angeboten. Der Antragsteller zu 1) habe den Stromabschlag in den vergangenen Jahren immer selbstständig von den gerechtfertigten 99 € auf 30 € abgesenkt. Bei allem Verständnis für die gesundheitlichen Einschränkungen des Antragstellers zu 1) sei sie ein Wirtschaftsunternehmen.

Auf Nachfrage des Sozialgerichts zu diversen Bargeldeinzahlungen auf den Kontoauszügen des Antragstellers zu 1) hat dieser angegeben, dass er die eingehenden Sozialleistungen vom Konto abhebe und sie dann im Verlauf des Monats wieder einzahle. Die Gebührenfreiheit seines Bankkontos hänge davon ab, dass monatlich Zahlungseingänge von 1.200,00 € zu verzeichnen seien.

Mit Beschluss vom 18.01.2023 hat das Sozialgericht die Anträge auf Erlass einer einstweiligen Anordnung und auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe abgelehnt. Ein Anordnungsanspruch sei nicht glaubhaft gemacht. Es sei für das Gericht angesichts der vorliegenden Kontoauszüge hinreichend wahrscheinlich, dass die Antragsteller über vorrangig einsetzbares Einkommen bzw. Vermögen verfügten, aus denen eine Schuldentilgung möglich wäre. Den Antragstellern seien Ende November 2022 für Dezember 2022 736,91 € Arbeitslosengeld II, 316,00 € Pflegegeld und 466,31 Erwerbsminderungsrente zugeflossen sowie im Dezember die Energiepauschale i.H.v. 300,00 €. Außerdem sei am 14.11.2022 ein Entlastungsbetrag auf dem Konto eingegangeni.H.v. 1.800,00 €. Zusätzlich seien den Kontoauszügen allein in der ersten Hälfte des Monats Dezember 2022 Bargeldeinzahlungen i.H.v. 593,00 € zu entnehmen. Die Erklärung der Antragsteller, diese seien für die Kostenfreiheit des Kontos erforderlich, verfange nicht. Denn dafür reichten nach Internetrecherche 700,00 € aus. Zudem dürfte es sich nicht um Sozialleistungen handeln. Vielmehr ließen diese Einzahlungen auf weitere Einkommensquellen der Antragsteller schließen, die bisher nicht offengelegt worden seien. Aufgrund der zeitnahen Abhebungen der Kontoeingänge sei es auch wahrscheinlich, dass die Antragsteller über weiteres, nicht offengelegtes Barvermögen verfügten. Darüber hinaus hätten die Antragsteller nicht alle ihnen zumutbaren Selbsthilfeobliegenheiten ausgeschöpft. Der Leistungsträger solle nicht zum Ausfallbürgen der Energieversorgungsunternehmen werden. Weder hätten die Antragsteller sich zwecks Ratenzahlung an O. gewandt noch nach einem anderen Stromanbieter gesucht. Auch ein Anordnungsgrund sei nicht glaubhaft gemacht worden. Der Zeitpunkt der von O. angekündigten Stromunterbrechung sei bereit verstrichen, ohne dass die Antragsteller eine tatsächliche Unterbrechung mitgeteilt hätten. Telefonisch habe O. dies auch bestätigt.

Gegen den ihrem Prozessbevollmächtigten am 22.01.2023 zugestellten Beschluss des Sozialgerichts Duisburg haben die Antragsteller am 22.01.2023 Beschwerde eingelegt.

Die Antragsteller beantragen in der Sache,

den Antragsgegner im Wege der einstweiligen Anordnung zu verpflichten, ihnen ergänzende Sozialleistungen nach § 22 Abs. 8 SGB II i.H.v. (zuletzt) 1.983,66 € zuschussweise – hilfsweise darlehnsweise – zu gewähren.

Sie machen geltend, dass entgegen der Internetrecherche des Sozialgerichts jeden Monat 1.200,00 € Zahlungen auf dem Konto eingehen müssten. Das Konto sei schon alt. Der Antragsteller zu 1) versuche durch die Einzahlung variabler Barbeträge zu verschleiern, dass er die Voraussetzungen für die Gebührenfreiheit nicht erfülle. Die 1.800,00 € seien ein Entlastungsbetrag für Nachbarschaftshilfe, die Frau L. zu Gunsten des Antragstellers zu 1) im vorvergangenen Jahr geleistet habe. Das Geld sei in bar an diese ausgezahlt worden. Die monatlichen Zahlungseingänge reichten nicht aus, um die Stromschulden zu tilgen. O. habe mit Schreiben vom 07.02.2023 mitgeteilt, dass die angekündigte Liefersperre bereits eingeleitet worden sei. Sie hätten nicht versucht, einen alternativen Stromanbieter zu suchen. Die Stromschulden seien nicht durch ihr Verschulden entstanden, sondern weil die Regelleistung den tatsächlichen Bedarf wegen der steigenden Preise nicht decke. Zudem bewohnten sie insgesamt 150 m². Ein Auszug sei nicht zumutbar. Ein Wechsel des Stromanbieters wäre zudem mit erheblichen Preissteigerungen verbunden. O. offeriere momentan noch recht günstige Tarife für ältere Vertragsinhaber. Sie zahlten momentan 24 ct/kwh; bei einem Neuvertrag müssten sie 94 ct/kwh zahlen. Sie erachteten es als rechtswidrig, ihnen einfach anzuraten, den Stromanbieter zu wechseln und sich nicht um die Zahlungsverpflichtungen zu kümmern. O. habe auch mit Schriftsatz vom 28.02.2023 erneut die Zahlung der offenen Forderungen angemahnt und die Kündigung des Stromvertrages angedroht.

II.

Die fristgerecht erhobene und auch im Übrigen zulässige Beschwerde ist unbegründet. Zu Recht hat das Sozialgericht die Verpflichtung des Antragsgegners sowohl zur zuschussweisen als auch zur darlehensweisen Übernahme der Energiekostenrückstände bei O. auf der Grundlage von § 22 Abs. 8 Satz 1 SGB II sowie die Bewilligung von Prozesskostenhilfe abgelehnt.

Einstweilige Anordnungen sind nach § 86b Abs. 2 Satz 2 SGG zur Regelung eines vorläufigen Zustands in Bezug auf ein streitiges Rechtsverhältnis zulässig, wenn eine solche Regelung zur Abwendung wesentlicher Nachteile nötig erscheint (Regelungsanordnung). Die Erfolgsaussichten in der Hauptsache (Anordnungsanspruch) und die Eilbedürftigkeit der erstrebten einstweiligen Regelung (Anordnungsgrund) sind glaubhaft zu machen (§ 86b Abs. 2 Satz 4 SGG i.V.m. § 920 Abs. 2 ZPO). Die Anforderungen an das Vorliegen eines Anordnungsanspruchs dürfen, gemessen an der drohenden Rechtsverletzung, nicht überspannt werden (vgl. BVerfG, Beschluss vom 08.07.2020 – 1 BvR 932/20 – juris, Rn. 10). Die Entscheidungen dürfen sowohl auf eine Folgenabwägung als auch auf eine summarische Prüfung der Erfolgsaussichten in der Hauptsache gestützt werden. Hierbei ist dem Gewicht der in Frage stehenden und gegebenenfalls miteinander abzuwägenden Grundrechte Rechnung zu tragen, um eine etwaige Verletzung von Grundrechten nach Möglichkeit zu verhindern (vgl. BVerfGE 126, 1 ˂27 f.˃). Je gewichtiger die drohende Grundrechtsverletzung und je höher ihre Eintrittswahrscheinlichkeit ist, desto intensiver hat die tatsächliche und rechtliche Durchdringung der Sache bereits im Verfahren des vorläufigen Rechtsschutzes zu erfolgen. Indessen dürfen sich die Gerichte, wenn ohne die Gewährung vorläufigen Rechtsschutzes schwere und unzumutbare, anders nicht abwendbare Beeinträchtigungen entstehen können, die durch das Hauptsacheverfahren nicht mehr zu beseitigen wären, nur dann an den Erfolgsaussichten der Hauptsache orientieren, wenn sie die Sach- und Rechtslage nicht nur summarisch, sondern abschließend prüfen können. Eine solche abschließende Prüfung kommt allerdings nur in Betracht, wenn eine vollständige Aufklärung der Sach- und Rechtslage im Eilverfahren möglich ist. Andernfalls ist eine Folgenabwägung durchzuführen (vgl. BVerfG, Beschluss vom 08.07.2020, a.a.O., Rn. 11 m.w.N.).

Der Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung ist unbegründet. Die Antragsteller haben keinen Anordnungsanspruch im Hinblick auf die von ihnen begehrte Gewährung eines Zuschusses – hilfsweise eines Darlehens – für die Energiekostenrückstände glaubhaft gemacht.

Sofern Arbeitslosengeld II/Bürgergeld für den Bedarf für Unterkunft und Heizung erbracht wird, können auch Schulden übernommen werden, soweit dies zur Sicherung der Unterkunft oder zur Behebung einer vergleichbaren Notlage gerechtfertigt ist. Sie sollen übernommen werden, wenn dies gerechtfertigt und notwendig ist und sonst Wohnungslosigkeit einzutreten droht. Vermögen nach § 12 Abs. 2 Satz 1 undAbs. 4 Satz 1 SGB II ist vorrangig einzusetzen. Geldleistungen sollen als Darlehen erbracht werden (§ 22 Abs. 8 SGB II).

Diese Voraussetzungen liegen nicht vor. Die Antragsteller beziehen zwar Leistungen nach dem SGB II inklusive Kosten für Unterkunft und Heizung von dem Antragsgegner. Dieser hat zuletzt mit Bescheid vom 30.01.2023 Leistungen nach dem SGB II von Februar bis Juni 2023 i.H.v. 2.051,60 € bewilligt. Die Antragsteller haben auch einen entsprechenden Antrag bei dem Antragsgegner gestellt, so dass ihnen das erforderliche Rechtsschutzbedürfnis nicht fehlt. Bei den bei O. aufgelaufenen Rückständen der Antragsteller handelt es sich auch um übernahmefähige Schulden i.S.d.§ 22 Abs. 8 Satz 1 SGB II (vgl. zur Abgrenzung von laufenden Leistungen BSG, Urteil vom 22.03.2010 – B 4 AS 62/09 R – juris, Rn 17). Dass auch Energieschulden von§ 22 Abs. 8 Satz 1 SGB II wegen einer vergleichbaren Notlage wie bei Mietschulden erfasst werden, ist in Rechtsprechung und Literatur anerkannt (vgl. LSG Berlin-Brandenburg, Beschluss vom 22.01.2008 – L 28 B 53/08 AS ER – juris, Rn. 2; Hessischen LSG, Urteil vom 17.05.2010 – L 9 AS 69/09 – juris, Rn. 39; LSG Rheinland-Pfalz, Beschluss vom 27.12.2010 – L 3 AS 557/10 B ER – juris, Rn. 31; Schleswig-Holsteinisches LSG, Beschluss vom 02.05.2011 – L 6 AS 241/10 B ER – juris, Rn. 29;LSG NRW, Beschluss vom 08.10.2012 – L 12 AS 1442/12 B ER – Rn. 18 f.; LSG NRW, Beschluss vom 25.02.2019 – L 19 AS 272/19 B ER –; LSG Sachsen-Anhalt, Urteil vom 17.06.2020 – L 4 AS 712/15 – juris, Rn. 31; Luik in: Eicher/Luik/Harich, SGB II, 5. Aufl. 2021, § 22 Rn. 329; Berlit in: Münder/Geiger, SGB II, 7. Aufl. 2021, § 22 Rn. 266).

Die Übernahme der Schulden ist jedoch nicht zur Behebung einer mit drohender Wohnungslosigkeit vergleichbaren Notlage notwendig und gerechtfertigt. Zwar hat O. bereits mit Schreiben vom 22.11.2022 die Einstellung der Energieversorgung angedroht und mitgeteilt, dass die Liefersperre bereits eingeleitet worden sei. Die Antragsteller sind auch auf eine funktionierende Stromversorgung zur Deckung ihrer Grundbedürfnisse angewiesen. Die Antragsteller konnten auch nicht darauf verwiesen werden, die ihnen zugeflossenen, aber zum Lebensunterhalt erforderlichen Gelder (736,91 € Arbeitslosengeld II, 466,31 € Erwerbsminderungsrente) gänzlich zur Schuldentilgung zu verwenden. Auch haben sie ohne weitergehende Glaubhaftmachung, dass der ihnen am 14.11.2022 zugeflossene „Entlastungsbetrag“ i.H.v. 1.800,00 € Frau A. und damit nicht ihnen zur Verfügung zustand. Dass die verbleibenden Einnahmen – unabhängig von der Frage, ob es sich dabei um weitere Einkommensquellen oder lediglich um wieder eingezahlte Sozialleistungen handelt – nicht ausreichen, um die bestehenden Forderungen bei O. zu begleichen, scheint insoweit plausibel.

Bevor jedoch öffentliche Leistungen wie die Gewährung eines Darlehens zur Schuldentilgung in Anspruch genommen werden, müssen Hilfsbedürftige zuvor alle zumutbaren Selbsthilfemöglichkeiten erfolglos ausgeschöpft haben. Nach § 2 Abs. 1 Satz 1 SGB II müssen Leistungsberechtigte alle Möglichkeiten zur Beendigung oder Verringerung ihrer Hilfebedürftigkeit ausschöpfen. Der Selbsthilfegrundsatz ist zur Auslegung und zur Ermittlung der Reichweite der Obliegenheiten der leistungsberechtigten Person bei der Ausfüllung von Anspruchsvoraussetzungen heranzuziehen (vgl. Kador in: Eicher/Luik/Harich, SGB II, 5. Aufl. 2021, § 2 Rn. 5). Dies gilt auch für die Übernahme von Energiekostenrückständen i.S.v. § 22 Abs. 8 Satz 1 SGB II, da der Leistungsträger sonst zum „Ausfallbürgen der Energieversorgungsunternehmen“ würde. Entsprechend hat der Leistungsbezieher sich sowohl ernsthaft um Ratenzahlungsvereinbarungen mit dem bisherigen Energieversorger als auch um einen Vertragsschluss mit einem anderen Stromanbieter zu bemühen (vgl. LSG NRW, Beschluss vom 08.10.2012 – L 12 AS 1442/12 B ER – juris, Rn. 20; Beschluss vom 24.04.2014 –L 7 AS 629/14 B ER – juris, Rn. 17; Beschluss vom 01.10.2015 – L 2 AS 1522/15 B ER – juris, Rn. 5; Beschluss vom 25.02.2019 – L 19 AS 272/19 B ER –).

Die Antragsteller haben keine Ratenzahlung bei O. für ihre offenen Forderungen beantragt; O. hat jedoch mit Schreiben vom 17.01.2023 mitgeteilt, dass eine solche ohnehin ihrerseits wegen der schlechten Zahlungsmoral der Antragsteller abgelehnt worden wäre. Hierauf können die Antragsteller im Rahmen ihrer Selbsthilfemöglichkeit somit nicht mehr zumutbar verwiesen werden.

Es war den Antragstellern aber zumutbar, sich um einen anderen Stromanbieter zu bemühen. Der Versuch eines Lieferantenwechselns ist eine zumutbare Selbsthilfemaßnahme, um eine baldige Wiederaufnahme der Stromversorgung zu erreichen. Ein Lieferantenwechsel ist auch bei bestehenden Zahlungsrückständen gegenüber dem bisherigen Energielieferanten und sogar wegen einer deswegen erfolgten Anschlusssperre zulässig. Denn die Sperrung erfolgt zwar technisch gem. § 24 Niederspannungsanschlussverordnung durch den Netzbetreiber; sie geschieht aber im Auftrag und wirtschaftlichem Interesse des Lieferanten, der weiteren Energiebezug ohne adäquate Gegenleistung verhindern möchte. Die Berechtigung zur Aufrechterhaltung einer Anschlusssperrung endet, wo die Sperrung des ehemals beauftragten Lieferanten nicht mehr für die Belieferung der Entnahmestelle zuständig ist, wie z.B. bei einem Lieferantenwechsel (vgl. Beschluss der Bundesnetzagentur vom 30.06.2009 –BK 6-08-065 –; vgl. zu der Thematik: Senatsbeschlüsse vom 26.08.2021 –L 7 AS 884/21 B ER – und – L 7 AS 967/21 B ER –; LSG NRW, Beschluss vom 25.02.2019 – L 19 AS 272/19 B ER –, vom 01.10.2015 – L 2 AS 1522/15 B ER – und vom 08.10.2012 – L 12 AS 1442/12 B ER –; LSG Berlin-Brandenburg, Beschluss vom 23.03.2018 – L 29 AS 428/18 B ER –). Die Antragsteller haben abgelehnt, sich auch nur um einen Lieferantenwechsel zu bemühen. Ihren Vortrag, dass sie momentan noch einen recht günstigen Vertrag mit 24 ct/kwh hätten, bei einem Neuvertrag jedoch 94 ct/kwh zahlen müssten, haben sie nicht glaubhaft gemacht. Im Übrigen setzen sie sich damit zu ihrem eigenen Vortrag in Widerspruch, nachdem aufgrund der steigenden Preise im Energiesektor der Regelbedarf die tatsächlichen Kosten nicht mehr abdecken und es deshalb zu den Stromschulden gekommen sei. Unabhängig von der Frage, dass es auf den Grund der Entstehung der Nachforderung hier nicht entscheidend ankommt, ist die Höhe der entstandenen Nachzahlungen maßgeblich darauf zurückzuführen, dass die Antragsteller lediglich Abschläge i.H.v. insgesamt 568,25 € – mithin durchschnittlich 47,35 € – gezahlt haben; im Regelbedarf 2022 – der im Wesentlichen in dem Zeitraum der Entstehung der hier relevanten Forderung galt – waren hingegen für Wohnen, Energie und Instandhaltung für Bezieher der Regelbedarfsstufe 2 (Partner) jeweils 34,22 €, sowie für Bezieher der Regelbedarfsstufe 4 (Jugendliche) jeweils 20,42 € vorgesehen und die Antragsteller haben zusätzlich 29,10 € Mehrbedarf für die Warmwasseraufbereitung durch Strom erhalten. Auch aus der Tatsache, dass die Antragsteller eine unangemessen große Wohnung bewohnen, für die der Grundsicherungsträger aufgrund besonderer Umstände in der Person des Antragstellers zu 1) dennoch die tatsächlichen Unterkunftskosten übernimmt, erschließt sich dem Gericht nicht, weshalb daraus ein höherer Stromverbrauch folgen sollte. Der Versuch eines Lieferantenwechsels ist den Antragstellern jedenfalls nicht deshalb unzumutbar, weil – wie sie meinen – es rechtswidrig sei, ihnen zu empfehlen, sich nicht um die Zahlungsverpflichtungen zu kümmern. Die Antragsteller werden lediglich darauf verwiesen Maßnahmen zu ergreifen, um ihre aktuell benötigte Stromversorgung sicherzustellen. Es ist nicht Sinn der Grundsicherung, für Verbindlichkeiten der Leistungsberechtigten aufzukommen, sondern die aktuellen Grundbedürfnisse zu decken. Auch der soziale Rechtsstaat ist darauf angewiesen, dass Mittel der Allgemeinheit, die zur Hilfe für deren bedürftige Mitglieder bestimmt sind, nur in Fällen in Anspruch genommen werden, in denen aktuell Bedürftigkeit vorliegt (vgl. BVerfG, Beschluss vom 28.04.2022 –1 BvL 12/20 – juris, Rn. 22).

Aus den dargelegten Gründen fehlt es auch an einer hinreichenden Erfolgsaussicht der Beschwerde, sodass der Antrag auf Prozesskostenhilfe für das Beschwerdeverfahren abzulehnen ist (§ 73a Abs. 1 Satz 1 SGG i.V.m § 114 Abs. 1 Satz 1 ZPO).

Bei dieser Sachlage sind Ausführungen dazu, ob eine (erneute) Darlehensgewährung angesichts des Zahlungs- und Verbrauchsverhaltens der Antragsteller geeignet wäre, die Energieversorgung dauerhaft zu sichern, entbehrlich.

Die Kostenentscheidung beruht auf einer entsprechenden Anwendung von§ 193 SGG. Kosten des gegen die Versagung von Prozesskostenhilfe gerechneten Beschwerdeverfahrens sind nicht zu erstatten (§ 73a Abs. 1 Satz 1 SGG i.V.m.§ 127 Abs. 4 ZPO).

Dieser Beschluss ist nicht mit der Beschwerde anfechtbar (§ 177 SGG).

Rechtskraft
Aus
Saved