Tenor:
Die Berufung der Beklagten gegen das Urteil des Sozialgerichts Gelsenkirchen vom 25. Februar 2021 wird zurückgewiesen.
Die Beklagte trägt auch die Kosten des Berufungsverfahrens.
Die Revision wird nicht zugelassen.
Der Streitwert wird auch für das Berufungsverfahren auf 1.649,54 Euro festgesetzt.
Tatbestand:
Streitig ist die Vergütung von Krankenhausbehandlung.
Die 0000 geborene Versicherte T. ist bei der Beklagten versichert. Sie wurde in der Zeit vom 1. April 2018 bis zum 5. April 2018 in dem gem. § 108 Fünftes Buch Sozialgesetzbuch - Gesetzliche Krankenversicherung - (SGB V) zur Versorgung gesetzlich Krankenversicherter zugelassenen Krankenhaus der Beklagten stationär behandelt.
Die Versicherte wurde von Notfallsanitätern zuhause auf der Couch liegend angetroffen und klagte über plötzlich einsetzenden Schüttelfrost und Gliederschmerzen sowie Kaltschweißigkeit. Sie wurde sodann notfallmäßig im Krankenhaus der Beklagten aufgenommen. Bei der Aufnahme wurde Fieber (39,8° C) festgestellt. Nachdem das Fieber am 2. April 2018 zurückgegangen war, allerdings erhöhte CRP-Werte mit steigender Tendenz vorlagen, begann das Krankenhaus eine antibiotische Therapie. Am 5. April 2018 wurde die Versicherte entlassen.
Für die Behandlung der Versicherten stellte das Krankenhaus der Beklagten am 24. April 2018 unter Zugrundelegung der Diagnosis Related Group (DRG) T60E („Sepsis ohne komplizierende Konstellation, außer bei Zustand nach Organtransplantation, ohne komplexe Diagnose, ohne äußerst schwere CC, Alter ˃ 9 Jahre, ohne intensivmed. Komplexbeh. ˃ 196 / 184 / - Aufwandsp., mehr als ein Belegungstag“) einen Betrag von 3.762,97 Euro in Rechnung. Die Beklagte beglich die Rechnung vollständig unter Vorbehalt und beauftragte am 2. Mai 2018 den Sozialmedizinischen Dienst (SMD) mit der Durchführung einer Krankenhausfallprüfung. Der Prüfgegenstand war mit „Kodierprüfung“ bezeichnet. Nachdem der SMD weitere Unterlagen von dem Krankenhaus angefordert hatte (Entlassungsbericht, ärztlicher Anamnese- und Aufnahmebefund, Fieberkurve, Verlaufsdokumentation ärztlicher Anordnungen, Pflegedokumentation und Pflegebericht, Laborbefund(e), BGA, Dokumentation der Sequential organ failure assessment score ˂SOFA˃-Kriterien), kam er in seinem Gutachten vom 15. Juni 2018 (geschrieben am 14. September 2018) zu dem Ergebnis, dass die Voraussetzungen einer Sepsis als lebensbedrohliche Organfunktionseinschränkung nicht dokumentiert seien, insbesondere gebe es keinen Hinweis auf positive SOFA-Kriterien. Die Hauptdiagnose A41.9 („Sepsis“) sei deswegen nicht korrekt, richtig sei die Hauptdiagnose K83.0 („Cholangitis“). Es ergebe sich die DRG H64Z („Erkrankungen von Gallenblase und Gallenwegen“).
Das Krankenhaus (Frau G., Medizincontrollerin und Chirurgin) widersprach dem Ergebnis des Gutachtens mit Schreiben vom 29. Oktober 2018 und machte geltend, dass weder die International Statistical Classification of Diseases and Related Health Problems (ICD) noch die Deutschen Kodierrichtlinien (DKR) bislang eine Änderung der Kodierung im Sinne der SOFA-Kriterien erfahren hätten. Maßgeblich sei unverändert das Systemic Inflammatory Response Syndrome (SIRS) ohne Organdysfunktion. Die DKR verbiete weiterhin eine Kombination der Diagnose R65.0 („Systemisches inflammatorisches Response-Syndrom [SIRS] infektiöser Genese ohne Organkomplikationen“) mit einer beliebigen Infektion. Das Deutsche Institut für Medizinische Dokumentation und Information (DIMDI) verweise in seiner FAQ 1007 auf die SIRS-Definition vom 1. Januar 2007. Die Voraussetzungen der Sepsis im Sinne der SIRS-Definition seien erfüllt: Temperatur bei Aufnahme 38,9° C (gemeint: 39,8° C), Herzfrequenz 100, Atemfrequenz 28 und 14.000 Leukozyten.
Der SMD folgte den Einwänden nicht, was die Beklagte dem Krankenhaus mitteilte.
Am 24. September 2018 verrechnete die Beklagte per Sammelavis einen Betrag von 1.649,54 Euro gegen nicht näher benannte andere und unstreitige Forderungen der Klägerin.
Die Klägerin hat am 16. Dezember 2019 Klage zum Sozialgericht (SG) Gelsenkirchen erhoben und geltend gemacht, dass die Kodierung des Krankenhauses zutreffend sei.
Die Klägerin hat beantragt,
die Beklagte zu verurteilen, an die Klägerin 1649,54 € nebst 2 Prozentpunkten Zinsen über dem jeweiligen Basiszinssatz seit dem 24. September 2018 zu zahlen.
Die Beklagte hat beantragt,
die Klage abzuweisen.
Sie hat auf die Ausführungen des SMD Bezug genommen.
Das SG hat sodann Beweis erhoben durch Einholung eines schriftlichen Sachverständigengutachtens. W., Facharzt für Innere Medizin, Hämatologie und internistische Onkologie, hat sein Gutachten nach Aktenlage am 24. September 2020 erstattet und ausgeführt:
Bei der Versicherten habe ein infektiöses SIRS ohne Organkomplikationen im Rahmen einer Cholangiosepsis bei wegen eines Gallenwegkarzinoms im Gallengang liegenden Stents vorgelegen. Bei der Versicherten seien alle vier SIRS-Kriterien erfüllt gewesen: Körpertemperatur von 39,8 °C, Herzfrequenz zwischen 90 und 100 pro Minute, Atemfrequenz von 24-28 pro Minute und Leukozytose von 14.000 pro Mikroliter. Organkomplikationen im Rahmen der Sepsis seien bei der Versicherten während des stationären Aufenthaltes zu keinem Zeitpunkt aufgetreten. Als Hauptdiagnose sei A41.9 („Sepsis, nicht näher bezeichnet“) anzusehen. Dabei müsse nach dem Kode für die Sepsis bzw. die eine SIRS nichtinfektiöser Genese auslösende Grundkrankheit ein Kode aus R65.-! angegeben werden, hier R65.0! für eine Sepsis ohne Organkomplikationen. Die weiteren Nebendiagnosen hätten für den stationären Aufenthalt keine wesentliche Rolle gespielt. Würde K83.0 („Cholangitis, Gallenwegsinfektion“) als Hauptdiagnose angesehen, wie die Beklagte meine, würde das SIRS nicht berücksichtigt.
Für die Beurteilung des Vorliegens der Sepsis komme es auf die ab dem 1. Januar 2007 gültige Definition von SIRS an. Danach sei von einer Sepsis auszugehen, wenn mindestens zwei von vier Kriterien für ein SIRS vorlägen und ein positiver Keimnachweis in der Blutkultur gelinge. Ohne positiven Erregernachweis müssten alle vier Kriterien vorliegen, was bei der Versicherten der Fall gewesen sei. Die dem zugrunde liegende Definition der Sepsis sei 1992 im Rahmen einer US-amerikanischen Konsensuskonferenz festgelegt worden und auch in Deutschland akzeptiert worden. Die Definition der Sepsis sei im Fluss. Im Jahr 2016 sei im Rahmen einer Konsensuskonferenz in den USA eine andere Definition festgelegt worden (Sepsis-3). Diese sei erst Ende 2018 in die neue deutsche S3-Leitlinie aufgenommen worden, die seit Anfang 2020 in Kraft sei. Bei dieser neuen Definition komme es auf den Nachweis des Vorliegens von mindestens einer Organdysfunktion an, zu deren Erfassung der SOFA-Score angewendet werde. Nach diesem Score finde sich bei der Versicherten keine Organdysfunktion. Eine Anpassung der ICD-10-GM-Klassfikation an die Sepsis-3-Definition sei im Übrigen erst 2020 erfolgt.
Die Klägerin hat sich durch das Gutachten bestätigt gesehen. Die Beklagte hat an ihrer Auffassung festgehalten, dass es auf die SOFA-Kriterien ankomme. Dazu hat sie auf die Ausführungen eines Sachverständigen in einem anderen Rechtsstreit verwiesen (Gutachten des Prof. Bauer vom 11. April 2019 in dem Rechtsstreit S 17 KR 944/18, SG Gelsenkirchen).
Die Beteiligten haben ihr Einverständnis mit einer Entscheidung ohne mündliche Verhandlung erklärt.
Das SG hat der Klage mit Urteil ohne mündliche Verhandlung vom 25. Februar 2021 stattgegeben und die Beklagte antragsgemäß zur Zahlung weiterer Krankenhausvergütung in Höhe von 1.649,54 Euro nebst Zinsen in Höhe von 2 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit dem 24. September 2018 verurteilt: Der Vergütungsanspruch der Klägerin sei nicht durch Aufrechnung erloschen. Ein Erstattungsanspruch bestehe nicht. Die Klägerin habe zu Recht nach der DRG T60E abgerechnet und die dafür erforderliche Diagnose A41.9 („Sepsis, nicht näher bezeichnet“) kodiert. Maßgeblich sei die Sepsis-2-Definition, deren Voraussetzungen erfüllt seien. Auf die weiteren Entscheidungsgründe wird Bezug genommen.
Gegen das ihr am 12. März 2021 zugestellte Urteil richtet sich die am 8. April 2021 bei dem SG eingegangene Berufung der Beklagten. Mit dieser macht sie geltend, dass mit der Sepsis-2-Definition ein veralteter Beurteilungsmaßstab herangezogen worden sei. Für die Kodierung seien weder Leitlinien noch die FAQ des DIMDI verbindlich. Maßgebend seien allein Regelungen im ICD-10-GM und den DKR. Dort finde sich bezogen auf das Jahr 2020 und früher keine Definition der Sepsis. Die auch vom Sachverständigen angeführte Änderung der ICD-10-GM 2020 habe sich auf die Entkopplung von Sepsis und SIRS infektiöser Genese bezogen, und zwar auf die Kodierbarkeit von SIRS bezogen, nicht einer Sepsis. Die Definition der Sepsis sei an anderer Stelle außerhalb des DRG-Systems erfolgt, nämlich in medizinischen Fachveröffentlichungen. Hier sei mit der Sepsis-3-Definition auf internationaler Ebene eine Änderung der Definition erfolgt, und zwar bereits im Jahr 2016 im Rahmen einer Konsensuskonferenz. Spätestens ab 2017 hätten deutsche Mediziner daher im klinischen Alltag auf diese Definition zurückgreifen müssen. Die Sepsis-3-Definition sei bereits am 24. Februar 2016 im Deutschen Ärzteblatt (DÄ) publiziert worden, eine weitere Publikation sei 2017 erfolgt. Die Deutsche Sepsis-Gesellschaft (DSG) stelle ebenfalls auf die Konsensuskonferenz 2016 ab. Schließlich habe auch das Robert-Koch-Institut (RKI) in seinem Epidemiologischen Bulletin vom 14. September 2017 auf die Änderung der Definition im Jahr 2016 hingewiesen. Seit der Konsensuskonferenz 2016 habe unzweifelhaft in Deutschland medizinischer Konsens bzgl. der Sepsis-3-Definition bestanden. Es bedürfe keiner „Ratifizierung“ im Sinne einer Leitlinie. Diese werde im Übrigen turnusmäßig überarbeitet, unabhängig vom Zeitpunkt einer Konsentierung. Das SG habe zudem den Sachverständigen unzulässigerweise zur Beantwortung einer Rechtsfrage herangezogen.
Die Beklagte beantragt,
das Urteil des Sozialgerichts Gelsenkirchen vom 25. Februar 2021 aufzuheben und die Klage abzuweisen.
Die Klägerin beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Die Beklagte verkenne, dass sich konsensfähige medizinische Erkenntnisse in der Regel erst aus einschlägigen medizinischen Leitlinien ableiten ließen. Medizinische Fachdiskussionen in den USA begründeten keinen in der Praxis verbreiteten medizinischen Standard (Verweis auf Bundessozialgericht ˂BSG˃, Urteil vom 13. Dezember 2005, B 1 KR 21/04 R, BSGE 81, 182, 187 f.). Es liege nahe, entsprechende Leitlinien zur Konkretisierung von Standards heranzuziehen. In Deutschland sei der Prozess der Evidenz- und Konsensfindung in Bezug auf die Konsensuskonferenz 2016 erst im Dezember 2018 abgeschlossen gewesen. Anzumerken sei, dass die deutsche S3-Leitlinie in einigen Punkten von der internationalen Leitlinie der Surviving Sepsis Campaign abweiche mit dem Verweis darauf, dass dies im Einklang mit der aktuellen wissenschaftlichen Evidenz stehe. Das belege, dass die Leitlinie die aktuelle wissenschaftliche Evidenz wiedergebe. Es sei zwar zutreffend, dass die geänderte Sepsis-Definition nach 2016 eine zunehmende Akzeptanz gefunden habe. Der darauf gerichtete „Implementierungsprozess“ sei aber erst mit der Überarbeitung der S3-Leitlinie zum 31. Dezember 2018 und der Überführung der neuen Sepsis-Kriterien in den ICD-10-GM 2020 abgeschlossen gewesen.
Abrechnungsbestimmungen seien überdies eng am Wortlaut auszulegen. Insoweit bestimmten die DKR (2018) D013f, dass die Sepsis mit einem passenden Kode z.B. aus Tabelle 1 kodiert werde. In dieser Tabelle finde sich u.a. nach ICD-10-GM A41.- Sonstige Sepsis. Die DKR 2018 enthielten zudem den Zusatz, dass zunächst ein Kode für die Sepsis oder die ein SIRS nichtinfektiöser Genese auslösende Grundkrankheit anzugeben sei, gefolgt von einem Kode aus R65.-! (SIRS). Zur Angabe von Organkomplikationen, Erregern und deren Resistenzlage seien zusätzliche Schlüsselnummern zu verwenden. Der Code R65.-! beschreibe 2018 die klinische Entität des SIRS infektiöser und nichtinfektiöser Genese jeweils und ohne Organversagen. Die DKR 2018 stellten damit hinsichtlich der Sepsis-Definition auf das SIRS-Konzept ab.
Das DIMDI habe noch im Jahr 2019 in einer Stellungnahme ausgeführt, dass die Definition von SIRS bis auf weiteres unverändert für die Klassifikation nach ICD-10-GM weitergelte. Erst im Kommentar zur ICD-10-GM 2020 sei dieser Hinweis ausdrücklich für gegenstandslos erklärt worden.
Das SG habe im Übrigen lediglich den medizinischen Sachverhalt durch den Sachverständigen aufbereiten lassen und darauf seine rechtliche Beurteilung gestützt.
Der Senat hat die DSG um Stellungnahme gebeten, welche Definition der Sepsis nach dem Stand der Wissenschaft für eine Behandlung im April 2018 zugrunde zu legen gewesen ist. Die DSG hat mit Schreiben vom 13. Juni 2022 mitgeteilt, dass die im Februar 2016 erstmals publizierte neue Definition der Sepsis große Beachtung gefunden habe und davon auszugehen sei, dass diese vielen Ärzten bekannt gewesen sei. Breite Akzeptanz habe sie in Deutschland jedoch erst nach Veröffentlichung der Leitlinie, also nach dem 31. Dezember 2018, gefunden.
Die Klägerin hat sich durch die Stellungnahme in ihrer Auffassung bestätigt gesehen. Die Beklagte hat eingewandt, dass es auszuschließen sei, dass die praxisrelevante Sepsis-3-Definition von 2016 verantwortlich fortgebildeten Ärzten im Jahr 2016 entgangen sei. Die geänderte Definition habe sowohl medizinisch-praktische Auswirkungen als auch Konsequenzen für die Kodierung gehabt.
Die Klägerin hat sodann unter Bezugnahme auf eine Stellungnahme des MDK ausgeführt, dass „spätestens seit 2017 (…) die Sepsis-3-Definition (SOFA) praktische Relevanz für die korrekte Kodierung der Sepsis“ habe und für die praktische Kodierung von Behandlungsfällen ab 2017 zugrunde zu legen sei (Verweis auf DKR 0104 [2022]).
Auf Anforderung des Senats hat die Klägerin die ihr zugegangene Aufrechnungserklärung der Beklagten vom 19. September 2016 übersandt. Die Beklagte hat zudem die diesem Schreiben beigefügten Hinweise übersandt (Hinweisschreiben „Abrechnung von Leistungen der stationären Krankenhausbehandlung“ sowie „Merkblatt zur Aufrechnung“ vom 1. Februar 2018).
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts sowie des Vorbringens der Beteiligten im Übrigen wird auf die Gerichtsakten, die von der Klägerin übersandte Patientenakte sowie die Verwaltungsakte der Beklagten Bezug genommen.
Entscheidungsgründe:
Die Berufung bleibt ohne Erfolg.
A. Die am 8. April 2021 schriftlich eingelegte Berufung der Beklagten gegen das ihr am 12. März 2021 zugestellte Urteil des SG Gelsenkirchen vom 25. Februar 2021 ist zulässig, insbesondere ohne Zulassung statthaft (§§ 143, 144 Sozialgerichtsgesetz ˂SGG˃) sowie form- und fristgerecht eingelegt worden (§ 151 Abs. 1, Abs. 3, § 64 Abs. 1, Abs. 2, § 63 SGG).
B. Die Berufung der Beklagten ist unbegründet. Das SG hat der Klage zu Recht stattgegeben. Die auf Zahlung von 1.649,54 Euro nebst Zinsen in Höhe von zwei Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit dem 24. September 2018 gerichtete Klage ist zulässig und begründet.
I. Die Klage ist zulässig. Für den im vorliegenden Fall verfolgten Zahlungsanspruch eines Krankenhausträgers auf Zahlung von weiteren Behandlungskosten ist die (echte) Leistungsklage (§ 54 Abs. 5 SGG) statthaft (Bundessozialgericht ˂BSG˃, Urteil vom 16. Dezember 2008 - B 1 KN 1/07 KR R - SozR 4-2500 § 109 Nr. 13). Es handelt sich um einen Beteiligtenstreit im Gleichordnungsverhältnis, in dem eine Regelung durch Verwaltungsakt nicht in Betracht kommt, kein Vorverfahren durchzuführen und auch eine Klagefrist nicht zu beachten ist (vgl. u.a. BSG, Urteil vom 23. Juli 2002 - B 3 KR 64/01 R - SozR 3-2500 § 112 Nr. 3). Die Klägerin hat den Zahlungsanspruch auch konkret beziffert (vgl. zur Notwendigkeit der Bezifferung des Klageantrags BSG, Urteil vom 28. Januar 1999 - B 3 KR 4/98 R - SozR 3-2500 § 37 Nr. 1; BSG, Urteil vom 13. Mai 2004 - B 3 KR 18/03 R - SozR 4-2500 § 39 Nr. 2).
II. Die Klage ist auch begründet.
1. Streitgegenstand in der Hauptsache ist der sich nach der Verrechnung ergebende offene Vergütungsanspruch aus den zwischen den Beteiligten nicht umstrittenen Behandlungsfällen (hierzu BSG, Urteil vom 30. Juli 2019 - B 1 KR 31/18 R – juris-Rn. 9; Urteil vom 23. Juni 2015 - B 1 KR 13/14 R - SozR 4-5560 § 17b Nr. 6, juris-Rn. 8; jeweils m.w.N.). Dieses bringt die Klägerin mit der Klageschrift zum Ausdruck, in der sie die Verrechnung eines angeblichen Erstattungsanspruchs der Beklagten „gegen nicht näher benannte Forderungen der Klägerin“ vorträgt und ausführt, dass der aus diesen Behandlungsfällen erwachsene Vergütungsanspruch der Klägerin nicht wirksam durch Aufrechnung mit einem Erstattungsanspruch der Beklagten aus dem Behandlungsfall der Versicherten erloschen sei.
2. Der Vergütungsanspruch der Klägerin aus dem unstreitigen Behandlungsfall ist nicht durch Aufrechnung mit einem öffentlich-rechtlichen Erstattungsanspruch der Beklagten erloschen.
a) Die Zulässigkeit der Aufrechnung richtet sich nach § 10 der Prüfverfahrensvereinbarung (PrüfvV) 2016 vom 3. Februar 2016.
Die PrüfvV 2016 erfasst Krankenhausaufnahmen ab dem 1. Januar 2017 und ist deshalb zeitlich anwendbar. Sie ist auch sachlich anwendbar. Dem steht nicht entgegen, dass hier mit der Prüfung der Kodierung einer Diagnose keine Wirtschaftlichkeitsprüfung betroffen ist, sondern die Prüfung der sachlich-rechnerischen Richtigkeit. Denn gem. § 2 PrüfvV 2016 gilt die Vereinbarung nach § 275 Absatz 1c Satz 4 SGB V für jede Prüfung der Abrechnung eines Krankenhauses nach § 275 Absatz 1c Satz 1 SGB V, mit der die Krankenkasse den MDK beauftragt und die eine Datenerhebung durch den MDK beim Krankenhaus erfordert. Davon ist hier auszugehen. Insbesondere war eine Datenerhebung beim Krankenhaus erforderlich, wie die Anforderung von verschiedenen medizinischen Unterlagen zeigt (u.a. Entlassungsbericht, Anamnese- und Aufnahmebefund, Fieberkurve, Laborbefund).
b) Nach der PrüfvV 2016 kann die Krankenkasse einen nach Beendigung des Vorverfahrens einvernehmlich als bestehend festgestellten oder nach § 8 mitgeteilten Erstattungsanspruch mit einem unstreitigen Leistungsanspruch des Krankenhauses aufrechnen (Satz 1), wobei der Leistungsanspruch und der Erstattungsanspruch genau zu benennen sind (Satz 2). Gem. § 8 Satz 1 PrüfvV hat die Krankenkasse dem Krankenhaus ihre abschließende Entscheidung zur Wirtschaftlichkeit der Leistung oder zur Korrektur der Abrechnung und den daraus folgenden Erstattungsanspruch mitzuteilen. Wenn die Leistung nicht in vollem Umfange wirtschaftlich oder die Abrechnung nicht korrekt war, sind dem Krankenhaus die wesentlichen Gründe darzulegen (Satz 2). Die Mitteilungen nach Satz 1 und 2 haben innerhalb von 11 Monaten nach Übermittlung der Prüfanzeige nach § 6 Absatz 3 zu erfolgen (Satz 3).
Die Beklagte hat der Klägerin ihre abschließende Entscheidung zur Korrektur der Abrechnung und den daraus folgenden Erstattungsanspruch und die dafür wesentlichen Gründe mitgeteilt. Dies erfolgte auch innerhalb der Frist von 11 Monaten nach Übermittlung der Prüfanzeige (der MDK wurde am 2. Mai 2018 beauftragt, das Prüfergebnis lag am 14. September 2018 vor und wurde an die Klägerin übermittelt).
Die Beklagte hat auch Leistungsanspruch (unstreitige Vergütungsforderung) und Erstattungsanspruch (Erstattungsanspruch aus dem Behandlungsfall T.) genau bezeichnet. Ausreichend ist hierfür, dass innerhalb eines Zahlungsavis die Erstattungsforderung dem Leistungsanspruch gegenübergestellt wurde, etwa indem die Erstattungsforderung diesem in einer tabellarischen Auflistung nachfolgt (vgl. insofern die Anforderungen für die Aufrechnungserklärung nach § 388 BGG: BSG, Urteil vom 30. Juli 2019 - B 1 KR 31/18 R - BSGE 129, 1 ff., juris-Rn. 17).
Diese Voraussetzungen sind erfüllt. In dem Sammelavis vom 24. September 2018 wird der nach Auffassung der Beklagten überzahlte Betrag als Negativposition bestehenden Vergütungsansprüchen gegenübergestellt, wobei die Rechnungsposten durch die angeführte Belegnummer und das Belegdatum eindeutig zugeordnet werden können. Dies entspricht der von der Beklagten in ihren Hinweisen und dem Merkblatt beschriebenen Vorgehensweise, auf die in der Aufrechnungserklärung Bezug genommen wurde. Auch die Beteiligten liegen darüber nicht im Streit.
c) Aufgrund der Anwendbarkeit der PrüfvV 2016 kommt das landesvertragliche Aufrechnungsverbot (§ 15 Abs. 1 Satz 4 LV NRW) nicht zur Anwendung. Die auf den §§ 275 bis 283 SGB V beruhende PrüfvV 2016 geht insoweit als jüngere und bundeseinheitliche Regelung den landesvertraglichen Bestimmungen nach § 112 Abs. 2 Nr. 2 SGB V vor; eine entsprechende Regelung trifft § 12 PrüfvV 2016 (vgl. für die PrüfvV 2014: Landessozialgericht für das Land Nordrhein-Westfalen, Urteil vom 3. Dezember 2020 - L 16 KR 505/17 - juris-Rn. 30).
d) Der Beklagten stand jedoch kein öffentlich-rechtlicher Erstattungsanspruch in Höhe der noch streitigen Klageforderung gegen die Klägerin zur Seite.
Der im öffentlichen Recht seit langem anerkannte öffentlich-rechtliche Erstattungsanspruch setzt voraus, dass im Rahmen eines öffentlichen Rechtsverhältnisses Leistungen ohne rechtlichen Grund erbracht oder sonstige rechtsgrundlose Vermögensverschiebungen vorgenommen worden sind (vgl. BSG, Urteil vom 8. November 2011 - B 1 KR 8/11 R - BSGE 109, 236 ff., juris-Rn. 11 m.w.N.). Seine Anspruchsvoraussetzungen und Rechtsfolgen entsprechen, soweit sie nicht spezialgesetzlich geregelt sind, denen des zivilrechtlichen Bereicherungsanspruchs; ein Rückgriff auf die zivilrechtlichen Normen scheidet aber aus, soweit der vom öffentlichen Recht selbstständig entwickelte Erstattungsanspruch reicht (vgl. BSG, Urteil vom 16. Juli 1974 - 1 RA 183/73 - BSGE 38, 46 ff., juris-Rn. 12).
Ein Erstattungsanspruch der Beklagten setzt voraus, dass sie ohne Rechtsgrund Krankenhausvergütung an die Klägerin gezahlt hat, was der Fall wäre, wenn die Behandlung nicht nach der von der Klägerin zugrunde gelegten DRG T60E, sondern aus einer niedriger vergüteten DRG, insbesondere nach der DRG H64Z, abzurechnen wäre, wie die Beklagte geltend macht, weil die einzig umstrittene Diagnose A41.9 nicht zu kodieren war.
(1) Rechtsgrundlage der von der Klägerin geltend gemachten und von der Beklagten gezahlten Vergütung sind § 109 Abs. 4 Satz 3 SGB V i.V.m. § 7 Satz 1 Krankenhausentgeltgesetz und § 17b Krankenhausfinanzierungsgesetz (KHG), die Vereinbarung zum Fallpauschalensystem für Krankenhäuser für das Jahr 2018 und die von den Vertragsparteien auf Bundesebene getroffene Vereinbarung zu den DKR für das Jahr 2018. Die von der Krankenkasse zu zahlende Vergütung errechnet sich im Wesentlichen nach der mithilfe einer zertifizierten Software (Grouper) ermittelten DRG. Für die Zuordnung eines Behandlungsfalles zu einer DRG sind maßgebliche Kriterien die Hauptdiagnose, die Nebendiagnosen, eventuell den Behandlungsverlauf wesentlich beeinflussende Komplikationen, die im Krankenhaus durchgeführten Prozeduren sowie weitere Faktoren (Alter, Geschlecht etc.). Die Diagnosen werden mit einem Kode gemäß dem im vorliegend streitigen Zeitraum vom DIMDI (seit dem 26. Mai 2020 vom Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizinprodukte ˂BfArM˃) im Auftrag des Bundesministeriums für Gesundheit herausgegebenen ICD-10 verschlüsselt. Die Prozeduren werden nach dem ebenfalls vom DIMDI (nunmehr vom BfArM) herausgegebenen OPS kodiert. Aus diesen Kodes wird dann zusammen mit den weiteren für den Behandlungsfall maßgeblichen Faktoren unter Verwendung eines Groupers die entsprechende DRG ermittelt (sogenannte Groupierung), anhand derer die von der Krankenkasse zu zahlende Vergütung errechnet wird (ausführlich dazu BSG, Urteil vom 8. November 2011 - B 1 KR 8/11 R - BSGE 109, 236 ff., juris-Rn 14 ff.).
(2) Dass die Grundvoraussetzungen eines Anspruchs auf Krankenhausvergütung erfüllt sind, steht zwischen den Beteiligten nicht im Streit. Die Zahlungsverpflichtung einer Krankenkasse entsteht - unabhängig von einer Kostenzusage - unmittelbar mit Inanspruchnahme der Leistung durch den Versicherten kraft Gesetzes, wenn die Versorgung - wie hier - in einem zugelassenen Krankenhaus durchgeführt wird und i.S. von § 39 Abs. 1 Satz 2 SGB V erforderlich ist (ständige Rechtsprechung des BSG, vgl. etwa BSGE 70, 20, 22, SozR 3-2500 § 39 Nr. 1 S. 3). Von der Erforderlichkeit der Krankenhausbehandlung gehen beide Beteiligte aus. Anlass, daran zu zweifeln, besteht vor dem Hintergrund der notfallmäßigen Aufnahme der damals 88jährigen Versicherten, die über plötzlich einsetzenden Schüttelfrost und Gliederschmerzen klagte, nicht.
(3) Die Klägerin rechnete die stationäre Behandlung der Versicherten zutreffend nach der DRG T60E ab.
(a) Die Beteiligten sind sich darüber einig, dass der Anspruch auf die von der Klägerin mit der Rechnung vom 24. April 2018 geltend gemachte Vergütung voraussetzt, dass die DRG T60E abzurechnen war und die Abrechnung dieser DRG von der Kodierung der Diagnose A41.9 abhängt. Wenn Rechnungsposten von (normen-)vertraglichen Vereinbarungen zahlenförmigen Inhalts mit abhängen und beide Beteiligte insoweit eine besondere professionelle Kompetenz aufweisen, bedarf es keiner weiteren Ermittlungen, wenn die Berechnungsergebnisse keinem Streit zwischen den Beteiligten ausgesetzt sind und sonstige konkrete Umstände keine Anhaltspunkte für eine fehlerhafte Berechnung ergeben (vgl. BSG, Urteil vom 19. Juni 2018 - B 1 KR 38/17 R - juris-Rn. 9, m.w.N.). Davon ist hier auszugehen, weshalb es nur auf die Voraussetzungen der Diagnose A41.9 ankommt.
(b) Die Voraussetzungen zur Kodierung der Diagnose A41.9 lagen vor.
(aa) Die Anwendung der DKR und der FPV-Abrechnungsbestimmungen einschließlich des ICD-10-GM und des OPS erfolgt eng am Wortlaut orientiert und unterstützt durch systematische Erwägungen; Bewertungen und Bewertungsrelationen bleiben außer Betracht. Nur dann kann eine Vergütungsregelung, die für die routinemäßige Abwicklung von zahlreichen Behandlungsfällen vorgesehen ist, ihren Zweck erfüllen. Da das DRG-basierte Vergütungssystem vom Gesetzgeber als jährlich weiter zu entwickelndes (§ 17b Abs. 2 Satz 1 KHG) und damit „lernendes“ System angelegt ist, sind bei zutage tretenden Unrichtigkeiten oder Fehlsteuerungen in erster Linie die Vertragsparteien berufen, diese mit Wirkung für die Zukunft zu beseitigen (vgl. zum Ganzen BSG, Urteil vom 23. Juni 2015 - B 1 KR 13/14 R - SozR 4-5560 § 17b Nr. 6, juris-Rn. 15, m.w.N.).
Die Klassifikationssysteme können Begriffe entweder ausdrücklich definieren oder deren spezifische Bedeutung kann sich ergänzend aus der Systematik der Regelung ergeben. Ferner kann der Wortlaut ausdrücklich oder implizit ein an anderer Stelle normativ determiniertes Begriffsverständnis in Bezug nehmen. Fehlt es an solchen normativen definitorischen Vorgaben, gilt der Grundsatz, dass medizinische Begriffe im Sinne eines faktisch bestehenden, einheitlichen wissenschaftlich-medizinischen Sprachgebrauchs zu verstehen sind. Ergeben sich danach keine eindeutigen Ergebnisse, ist der allgemeinsprachliche Begriffskern maßgeblich (vgl. zu Vorstehendem BSG, Urteil vom 22. Juni 2022 - B 1 KR 31/21 R - BSGE (vorgesehen), SozR 4-5560 § 19 Nr. 1 (vorgesehen), juris-Rn. 12 mit zahlreichen Nachweisen aus der Rechtsprechung des BSG). Hinsichtlich der im IDC-10-GM enthaltenen Diagnosekriterien ist der diesbezügliche aktuelle wissenschaftliche Erkenntnisstand maßgeblich (BSG, Urteil vom 27. Juni 2017 - B 2 U 17/15 R - juris-Rn. 17).
(bb) Davon ausgehend ergibt sich Folgendes:
(aaa) Der Wortlaut des Kodes A41.9 des ICD-10-GM (2018; „Sepsis, nicht näher bezeichnet“) enthält keine weiteren Hinweise für dessen Verständnis.
(bbb) Auch aus dem Hinweis zu Beginn der Subkategorie A41.- („Sonstige Sepsis“) des ICD-10-GM (2018; „Für den Gebrauch dieser Kategorie in der stationären Versorgung sind die Deutschen Kodierrichtlinien heranzuziehen“) ergibt sich keine eindeutige Bestimmung des Begriffs der Sepsis.
Maßgeblich ist insoweit die Kodierregel in DKR (2018) 0103f (Deutsche Kodierrichtlinien, Version 2018, S. 65, herausgegeben von der Deutschen Krankenhausgesellschaft, dem GKV-Spitzenverband, dem Verband der privaten Krankenversicherung sowie dem Institut für das Entgeltsystem im Krankenhaus ˂InEK GmbH˃).
Die Kodierregel DKR (2018) 0103f enthält Vorgaben für die Kodierung einer Bakteriämie (bakterielle Infektion), einer Sepsis, einer Neutropenie und eines SIRS. Nach der Kodierregel wird Sepsis „im Gegensatz [zur Bakteriämie] mit einem passenden Sepsis-Kode z.B. aus Tabelle 1 kodiert“. Die Tabelle 1 enthält u.a. die Subkategorie A41.- („Sonstige Sepsis“), die auch den hier umstrittenen Kode A41.9 („Sepsis, nicht näher bezeichnet“) enthält. Zur Frage, wann eine Sepsis vorliegt, verhält sich die DKR (2018) 0103f nicht.
(ccc) Der weiteren Systematik des ICD-10-GM (2018) sind allenfalls Anhaltspunkte dafür zu entnehmen, dass für die Diagnosevoraussetzungen einer Sepsis im Sinne des Kodes A41.9 das Vorliegen eines SIRS von Bedeutung ist.
In den Blick zu nehmen ist hier die Subkategorie R65.-! des ICD-10-GM (2018; „Systemisches inflammatorisches Response-Syndrom [SIRS] infektiöser Genese ohne Organkomplikationen“). Der dortige Kode R65.0! („Systemisches inflammatorisches Response-Syndrom [SIRS] infektiöser Genese ohne Organkomplikationen“) führt die Sepsis ohne Organkomplikationen sowie die Sepsis o.n.A. als sog. Inklusivum auf. Nach der Kodierregel D013c ("Im Systematischen Verzeichnis verwendete formale Vereinbarungen") der DKR (2018) sind die innerhalb der drei- und vierstelligen Rubriken aufgeführten anderen Diagnosebezeichnungen Inklusiva, die ergänzend zum Titel als Beispiele für diagnostische Feststellungen angegeben sind, die in dieser Rubrik zu klassifizieren sind. Sie können sich auf verschiedenartige Zustände beziehen oder Synonyme sein. Das schließt es nicht aus, dass jedenfalls die hier vorliegende SIRS infektiöser Genese (vgl. das Gutachten, S. 11, 12, 13, wonach bei der Versicherten eines infektiösen SIRS vorlag und Ursache dafür eine Infektion der Gallenwege gewesen sei; zur SIRS im Übrigen weiter unten) nach der Systematik des ICD-10-GM auch die Merkmale einer Sepsis im Sinne des ICD-10-GM (2018) erfüllt.
(ddd) Sind die Voraussetzungen der Diagnose A41.9 Wortlaut und Systematik des ICD-10-GM (2018) nicht eindeutig zu entnehmen, ist maßgeblich der (bezogen auf den Behandlungsfall) aktuelle wissenschaftliche Erkenntnisstand. Zu berücksichtigen ist hierbei, dass bei der Feststellung des allgemein anerkannten Standes der wissenschaftlichen Erkenntnisse den Stellungnahmen der einschlägigen Fachgesellschaften besondere Bedeutung zukommt, insbesondere, wenn sich diese bereits in ärztlichen Leitlinien und Empfehlungen niedergeschlagen haben und auf diese Weise geeignet sind, medizinische „Standards“ zu definieren (vgl. BSG, Urteil vom 16. August 2021 - B 1 KR 18/20 R - BSGE 133, 24 ff., juris-Rn. 25, m.w.N.; vgl. auch BSG, Urteil vom 27. Juni 2017 - B 2 U 17/15 R - juris-Rn. 17 zur Heranziehung der einschlägigen Leitlinie für die Bestimmung von Diagnosekriterien im Rahmen des ICD-10-GM).
Davon ausgehend kann vorbehaltlich geänderter medizinischer Erkenntnisse bis zum 1. Februar 2015 auf die Leitlinie (S2) „Prävention, Diagnose, Therapie und Nachsorge der Sepsis“ der Deutschen Sepsis-Gesellschaft und der Deutschen Interdisziplinären Vereinigung für Intensiv- und Notfallmedizin abgestellt werden. Danach ist Sepsis eine komplexe systemische inflammatorische Wirtsreaktion auf eine Infektion. Nach der Leitlinie gibt es keinen Parameter, der allein zur Diagnose der Sepsis führen kann. Sepsis, schwere Sepsis und septischer Schock definieren nach dieser Leitlinie ein Krankheitskontinuum, das über eine Kombination aus Vitalparametern, Laborwerten, hämodynamischen Daten und Organfunktionen definiert wird. Für die Diagnose einer Sepsis enthält die Leitlinie entsprechend den Konsensusempfehlungen der ACCP/SCCM (American College of Chest Physicians/Society of Critical Care) bestimmte Diagnosekriterien, die erfüllt sein müssen. Danach kann eine Sepsis diagnostiziert werden, wenn die Diagnose einer Infektion über den mikrobiologischen Nachweis oder durch klinische Kriterien (also auch bei nur vermuteter Infektion, vgl. Landessozialgericht ˂LSG˃ Baden-Württemberg, Urteil vom 22. Januar 2019 – L 11 KR 1049/18 - juris-Rn. 24 ff. mit Verweis auf Hagel/Pletz/Brunkhorst/Seifert/Kern, Bakteriämie und Sepsis, Der Internist 2013, 399) gestellt werden kann und zusätzlich mindestens zwei der sog. SIRS-Kriterien erfüllt sind. Diese SIRS-Kriterien sind nach der Leitlinie:
- Fieber (≥38°C) oder Hypothermie (≤36°C) bestätigt durch eine rektale oder intravasale oder -vesikale Messung
- Tachykardie: Herzfrequenz ≥90 /min
- Tachypnoe (Frequenz ≥20/min) o. Hyperventilation (PaCO2 ≤4.3 kPa/ ≤33 mmHg)
- Leukozytose (≥12000/mm3) oder Leukopenie (≤4000/mm3) oder ≥10% unreife Neutrophile im Differentialblutbild.
Bei der Versicherten lagen während des stationären Aufenthalts sämtliche dieser Kriterien vor. Wie der Sachverständige ausgeführt hat (Gutachten, S. 10, 11) lagen bei der Versicherten eine Körpertemperatur von 39,8° C, eine Herzfrequenz zwischen 90 und 100 pro Minute, eine Atemfrequenz von 24-28 pro Minute und eine Leukozytose von 14.000 pro Mikroliter vor. Das Vorliegen dieser Befunde ist zwischen den Beteiligten unstreitig. Damit sind die von der S 2-Leitlinie geforderten Voraussetzungen für den Nachweis und die Diagnose einer Sepsis erfüllt.
(eee) Entgegen der Auffassung der Beklagten ist auch für den hier betroffenen Behandlungsfall von der o.g. Definition der Sepsis auszugehen.
(aaaa) Die Kriterien, die zum Nachweis bzw. der Diagnose einer Sepsis führen, wurden überarbeitet. Nach der 2016 verabschiedeten neuen sog. Sepsis-3-Definition (die erste Sepsis-Definition wurde 1992, die zweite 2001 veröffentlicht) steht nunmehr das lebensbedrohliche Organversagen im Mittelpunkt. Sepsis wird darin als eine „lebensbedrohliche Organdysfunktion verursacht durch eine fehlgeleitete Wirtsantwort auf eine Infektion“ definiert. Die neue, „lebensbedrohliche“ Organdysfunktion wird durch einen Anstieg des Sequential Sepsis-related Organ Failure Assessment (SOFA)-Scores um ≥2 Punkte operationalisiert (vgl. „Neue internationale Sepsis-Leitlinien 2021 – Was ist neu – was bleibt gleich?“, Anästhesiologie & Intensivmedizin 2022, 123, 124, abrufbar unter https://www.ai-online.info/images/ai-ausgabe/2022/03-2022/AI_03-2022_Sonderbeitrag_Schmoch.pdf; vgl. auch DÄ 2017 „Sepsis 2017: Eine neue Definition führt zu neuen Konzepten“, 114 ˂29-30˃: A-1424 / B-1196 / C-1170). Eine solche Situation lag bei der Versicherten nicht vor. Wie der Sachverständige ausgeführt hat, sind bei ihr zu keinem Zeitpunkt des stationären Aufenthalts Organkomplikationen aufgetreten. Unter Zugrundelegung der neuen Sepsis-Definition (Sepsis-3) hätte eine Sepsis nicht diagnostiziert werden dürfen, worauf auch der Sachverständige zutreffend hinweist (Gutachten, S. 13: „Nach dem SOFA-Score finden sich (…) keine Hinweise für eine Organdysfunktion“).
(bbbb) Dieser veränderte Begriffsinhalt der Sepsis hat seinen Niederschlag in der neuen Leitlinie (S3) „Sepsis – Prävention, Diagnose, Therapie und Nachsorge“ der Deutschen Sepsis Gesellschaft e. V. gefunden:
„Eine Sepsis ist eine akut lebensbedrohliche Organdysfunktion, hervorgerufen durch eine inadäquate Wirtsantwort auf eine Infektion. Für die Diagnose einer Sepsisassoziierten Organdysfunktion ist eine Veränderung des Sequential Organ Failure Assessment (SOFA) Score um ≥ 2 Punkte zu verwenden.“
(vgl. „S3-Leitlinie Sepsis – Prävention, Diagnose, Therapie und Nachsorge“, abrufbar unter https://register.awmf.org/assets/guidelines/079-001l_S3_Sepsis-Praevention-Diagnose-Therapie-Nachsorge_2020-03_01.pdf, S. 9 „Definition der Sepsis“).
Die Leitlinie beansprucht Gültigkeit jedoch erst für die Zeit ab dem 31. Dezember 2018, während der Behandlungsfall 8 Monate zuvor, im April 2018, liegt.
(cccc) Die Heranziehung der geänderten Sepsis-Definition (Sepsis-3) auf den hier betroffenen Behandlungsfall, der vor der Veröffentlichung der überarbeiteten Leitlinie liegt, käme nur dann in Betracht, wenn sich bereits zu diesem Zeitpunkt ein medizinischer Konsens über die Heranziehung der neuen Definition gebildet hätte. Das ist nicht anzunehmen.
Dagegen spricht bereits der Umstand, dass die Überarbeitung der Leitlinie erst im Dezember 2018 formal abgeschlossen war. Wie sich aus dem Leitlinienreport ergibt, war die Änderung der deutschen Leitlinie aufgrund der internationalen Leitlinie im Oktober 2017 Gegenstand der 5. Konsensuskonferenz, anlässlich derer eine Diskussion in Arbeitsgruppen stattfand (abrufbar unter https://register.awmf.org/de/leitlinien/detail/079-001). Im Juni 2018 erfolgte die Konsentierung des die Sepsis-Definition betreffenden Kapitels der Leitlinie, wobei sich aus der Leitlinie eine Konsensstärke von 100% ergibt. Vor dem Hintergrund, dass der Leitlinie der einschlägigen Fachgesellschaft (hier: DSG) bei der Feststellung des allgemein anerkannten Standes der wissenschaftlichen Erkenntnisse besonderes Gewicht zukommt (vgl. BSG, Urteil vom 16. August 2021 - B 1 KR 18/20 R - BSGE 133, 24 ff., juris-Rn. 25, m.w.N.), spricht die Konsentierung im Juni 2018 dafür, dass frühestens zu diesem Zeitpunkt ein medizinischer Konsens anzunehmen war, nicht jedoch zum Zeitpunkt der Behandlung im April 2018.
Auch allgemein zugängliche Veröffentlichungen sprechen dafür, dass die Übernahme der geänderten Definition der Sepsis ein Prozess war, der frühestens mit Abschluss der Arbeit an der neuen Leitlinie, ggfls. erst mit deren Umsetzung vollzogen war (vgl. DÄ 2017 „Sepsis 2017: Eine neue Definition führt zu neuen Konzepten“, 114 ˂29-30˃: A-1424 / B-1196 / C-1170, Abschnitt „Strategien zur Umsetzung der neuen Definition“: „Das Verständnis der Sepsis unterliegt derzeit einem Paradigmenwechsel“; ausdrücklich wird dabei auf die Notwendigkeit der „Änderungen der Richtlinien“ für die „Umsetzung der neuen Sepsisdefinition im klinischen Alltag“ hingewiesen ˂DÄ 2017, a.a.O.˃). Zu berücksichtigen ist auch, dass es jedenfalls Ende 2017, wenige Monate vor dem hier betroffenen Behandlungsfall, noch Einwände hinsichtlich der Eignung der neuen Definition im Bereich der Intensiv- und Notfallmedizin gab, weil die „inzwischen gut etablierten SIRS-Kriterien“ ersetzt würden und „die Kliniker nicht mit dem neuen Screeninginstrument vertraut seien“ (vgl. das Epidemiologische Bulletin Nr. 37 des RKI vom 14. September 2017, S. 417, abrufbar unter https://www.rki.de/DE/Content/Infekt/EpidBull/Archiv/2017/Ausgaben/37_17.html). Aus diesem Grund wurde die Anwendung der SIRS-Kriterien – auch wenn sie nicht mehr Teil der Sepsisdefinition seien – weiterhin für sinnvoll erachtet, um Patienten mit einer Infektion frühzeitig zu identifizieren, solange der Mangel an Sensitivität und Spezifizität beachtet werde (Epidemiologisches Bulletin Nr. 37 des RKI vom 14. September 2017, a.a.O.).
(cccc) Dem entspricht auch der Inhalt der vom Senat eingeholten Stellungnahme der DSG vom 13. Juni 2022, in der diese – vertreten durch ihren Generalsekretär – ausgeführt hat, dass der aus der Fachöffentlichkeit stammende Vorschlag, die SIRS-Kriterien nicht mehr für die Definition der Sepsis heranzuziehen, mit der Leitlinie (S3) „Sepsis – Prävention, Diagnose, Therapie und Nachsorge“ mit Gültigkeit ab dem 31. Dezember 2018 aufgegriffen und erst am 20. Februar 2020 die deutsche Sepsis-Kodierung im ICD-10-GM geändert worden sei. Das Einholen einer Stellungnahme der einschlägigen Fachgesellschaft ist eine naheliegende Möglichkeit, um den allgemein anerkannten Stand der wissenschaftlichen Erkenntnisse zu beurteilen (vgl. BSG, Urteil vom 13. Dezember 2005 - B 1 KR 21/04 R - SozR 4-2500 § 18 Nr. 5, juris-Rn. 32). Ihr kommt deshalb maßgebliche Bedeutung zu.
(dddd) Nur ergänzend ist darauf hinzuweisen, dass auch die ICD-10-GM-Klassifikation in der für das Jahr 2018 geltenden Fassung sowie die DKR den o.g. „Paradigmenwechsel“ noch nicht nachvollzogen hatten. Erst mit dem ICD-10-GM für das Jahr 2020 wurde der Definitionsänderung Rechnung getragen, indem in den Kodes der Subkategorie R65.-! („Systemisches inflammatorisches Response-Syndrom [SIRS]“) der Verweis auf die Sepsis vollständig entfallen ist. In den DKR ist ein Hinweis auf die geänderte Sepsis-Definition im Rahmen der Kodierregel 0130u („Bakteriämie, Sepsis, SIRS und Neutropenie“) erstmalig im Jahr 2022 enthalten (Deutsche Kodierrichtlinien, Version 2022, S. 77, abrufbar unter https://www.dkgev.de/fileadmin/default/DKR_2022.pdf), in dem auf „die seit 2017 gültige Sepsis-Definition (Sepsis 3)“ verwiesen und bestimmt wird, dass bei der Kodierung des Kodes R65.0! („Systemisches inflammatorisches Response-Syndrom [SIRS]“) dieser nicht mehr mit der auslösenden Grundkrankheit Sepsis zu kombinieren ist. Soweit die Beklagte auf diese Ergänzung der DKR verweist, lässt sie außer Betracht, dass für die Kodierung stets die für das Behandlungsjahr geltenden DKR heranzuziehen sind.
Hinzuweisen ist zudem auf die „FAQ“ des DIMDI. Dort wird unter Nr. 1007 und der Überschrift „Was versteht man unter SIRS (Systemisches inflammatorisches Response-Syndrom)?“ (abzurufen unter https://www.dimdi.de/dynamic/de/klassifikationen/kodierfrage/Was-versteht-man-unter-SIRS-Systemisches-inflammatorisches-Response-Syndrom-ICD-10-GMnbspNr.nbsp1007/; Abruf am 11. Januar 2023) für die Fassungen des ICD-10-GM in den Jahren 2016 bis 2019 – also auch für das hier betroffene Jahr 2018 – ausgeführt:
„Die ab dem 01.01.2007 gültige Definition von SIRS der DIVI und DSG (s. Link) gilt bis auf Weiteres unverändert für die Anwendung der Klassifikation.
Die dort erteilten Hinweise beruhen ersichtlich auf den in der S2-Leitlinie festgehaltenen (früheren) Konsensus-Empfehlungen (vgl. LSG Baden-Württemberg, Urteil vom 22. Januar 2019 - L 11 KR 1049/18 - juris-Rn. 24 ff.). Allerdings sind die Hinweise rechtlich nicht verbindlich und keine Klarstellungen oder Änderungen gemäß § 301 Absatz 2 Satz 4 SGB V und § 295 Absatz 1 Satz 6 SGB V, wie sich aus dem entsprechenden Internetangebot des jetzt zuständigen BfArM ergibt (https://www.bfarm.de/DE/Kodiersysteme/Klassifikationen/Hinweise-zu-Kodierfragen/_node.html).
(ddd) Davon ausgehend sind die Voraussetzungen der Diagnose A41.9 nach ICD-10-GM (2018) erfüllt. Eine alternative Kodierung der Diagnose K83.0 (“Cholangitis”), wie die Beklagte meint, kommt vor diesem Hintergrund nicht in Betracht. Die bloße Kodierung einer Gallengangsentzündung würde außer Acht lassen, dass bei der Versicherten ein SIRS vorgelegen hat.
(c) Die Diagnose A41.9 ist auch als Hauptdiagnose der Kodierung zugrunde zu legen. Die Hauptdiagnose wird von DKR (2018) D002f definiert als die Diagnose, die nach Analyse als diejenige festgestellt wurde, die hauptsächlich für die Veranlassung des stationären Krankenhausaufenthaltes des Patienten verantwortlich ist. Entscheidend ist die ursächliche Auslösung des stationären Behandlungsgeschehens, ohne dass es auf nach Aufnahme in das Krankenhaus hinzugetretene Diagnosen ankommt (vgl. BSG, Urteil vom 21. April 2015 – B 1 KR 9/15 R – juris-Rn. 16). Hier liegt mit der Durchführung der antibiotischen Therapie und der Blutuntersuchung der Schwerpunkt der durchgeführten Maßnahmen auf der Behandlung der Sepsis.
3. Auch die Verurteilung der Beklagten zur Zahlung von Zinsen erfolgte zu Recht.
Bei Leistungsbeschaffungsbeziehungen von Krankenkassen können grundsätzlich Verzinsungsansprüche in entsprechender Anwendung zivilrechtlicher Vorschriften bestehen (vgl. BSG, Urteil vom 8. September 2009 - B 1 KR 8/09 R - SozR 4-2500 § 69 Nr. 7, Rn. 14 zu § 69 Satz 3 SGB V a.F.). Für die Rechtsbeziehungen der Krankenkassen zu den Krankenhäusern gelten deshalb die Zinsvorschriften des BGB entsprechend, soweit nicht in den Verträgen nach § 112 SGB V etwas anderes geregelt ist (BSG, Urteil vom 8. September 2009 - B 1 KR 8/09 R - SozR 4-2500 § 69 Nr. 7, juris-Rn. 23; Landessozialgericht für das Land Nordrhein-Westfalen, Urteil vom 24. Januar 2019 - L 5 KR 213/18 - juris-Rn. 66 mit Verweis auf BSG, Urteil vom 17. Dezember 2013 - B 1 KR 61/12 R - juris-Rn. 24; nachgehend BSG, Urteil vom 16. Juli 2020, B 1 KR 16/19 R).
Davon ausgehend hat die Klägerin Anspruch auf Zinsen nach § 15 Abs. 1 S. 4 des LV NRW nach § 112 Abs. 2 S. 1 Nr. 1 SGB V i.V.m. §§ 286, 288 BGB in Höhe von 2 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz ab Überschreitung des Zahlungsziels von 15 Kalendertagen nach Eingang der Rechnung in Betracht (§ 15 Abs. 1 Satz 1 LV NRW). Die Klägerin macht Zinsen in vertragsgemäßer Höhe ab dem 24. September 2018 geltend. Ausgehend von dem Rechnungsdatum 24. April 2018 ist der Beginn des Zinsanspruchs zutreffend bezeichnet. Die Beklagte ist dem nicht entgegengetreten.
C. Die Kostenentscheidung beruht auf § 197a Abs. 1 Satz 1 SGG i.V.m. § 154 Abs. 1 Verwaltungsgerichtsordnung.
D. Gründe, die Revision zuzulassen (§ 160 Abs. 2 SGG), liegen nicht vor.
E. Der Streitwert für das Berufungsverfahren folgt aus § 197a Abs. 1 Satz 1 SGG i.V.m. §§ 63 Abs. 2, 52 Abs. 1 und 3 Gerichtskostengesetz.
Rechtsmittelbelehrung:
Dieses Urteil kann nur dann mit der Revision angefochten werden, wenn sie nachträglich vom Bundessozialgericht zugelassen wird. Zu diesem Zweck kann die Nichtzulassung der Revision durch das Landessozialgericht mit der Beschwerde angefochten werden.
Die Beschwerde ist von einem bei dem Bundessozialgericht zugelassenen Prozessbevollmächtigten innerhalb eines Monats nach Zustellung des Urteils schriftlich oder in elektronischer Form beim
Bundessozialgericht, Postfach 41 02 20, 34114 KasseloderBundessozialgericht, Graf-Bernadotte-Platz 5, 34119 Kassel
einzulegen.
Die Beschwerdeschrift muss bis zum Ablauf der Monatsfrist bei dem Bundessozialgericht eingegangen sein.
Die elektronische Form wird durch Übermittlung eines elektronischen Dokuments gewahrt, das für die Bearbeitung durch das Gericht geeignet ist und
- von der verantwortenden Person qualifiziert elektronisch signiert ist und über das Elektronische Gerichts- und Verwaltungspostfach (EGVP) eingereicht wird oder
- von der verantwortenden Person signiert und auf einem sicheren Übermittlungsweg gem. § 65a Abs. 4 Sozialgerichtsgesetz (SGG) eingereicht wird.
Weitere Voraussetzungen, insbesondere zu den zugelassenen Dateiformaten und zur qualifizierten elektronischen Signatur, ergeben sich aus der Verordnung über die technischen Rahmenbedingungen des elektronischen Rechtsverkehrs und über das besondere elektronische Behördenpostfach (Elektronischer-Rechtsverkehr-Verordnung -ERVV) in der jeweils gültigen Fassung. Weitergehende Informationen zum elektronischen Rechtsverkehr können über das Internetportal des Bundessozialgerichts (www.bsg.bund.de) abgerufen werden.
Als Prozessbevollmächtigte sind nur zugelassen
- jeder Rechtsanwalt,
- Rechtslehrer an einer staatlichen oder staatlich anerkannten Hochschule eines Mitgliedsstaates der Europäischen Union, eines anderen Vertragsstaates des Abkommens über den Europäischen Wirtschaftsraum oder der Schweiz, die die Befähigung zum Richteramt besitzen,
- selbständige Vereinigungen von Arbeitnehmern mit sozial- oder berufspolitischer Zwecksetzung für ihre Mitglieder,
- berufsständische Vereinigungen der Landwirtschaft für ihre Mitglieder,
- Gewerkschaften und Vereinigungen von Arbeitgebern sowie Zusammenschlüsse solcher Verbände für ihre Mitglieder oder für andere Verbände oder Zusammenschlüsse mit vergleichbarer Ausrichtung und deren Mitglieder,
- Vereinigungen, deren satzungsgemäße Aufgaben die gemeinschaftliche Interessenvertretung, die Beratung und Vertretung der Leistungsempfänger nach dem sozialen Entschädigungsrecht oder der behinderten Menschen wesentlich umfassen und die unter Berücksichtigung von Art und Umfang ihrer Tätigkeit sowie ihres Mitgliederkreises die Gewähr für eine sachkundige Prozessvertretung bieten, für ihre Mitglieder,
- juristische Personen, deren Anteile sämtlich im wirtschaftlichen Eigentum einer der vorgenannten Organisationen stehen, wenn die juristische Person ausschließlich die Rechtsberatung und Prozessvertretung dieser Organisation und ihrer Mitglieder oder anderer Verbände oder Zusammenschlüsse mit vergleichbarer Ausrichtung und deren Mitglieder entsprechend deren Satzung durchführt, und wenn die Organisation für die Tätigkeit der Bevollmächtigten haftet.
Die vorgenannten Vereinigungen, Gewerkschaften und juristischen Personen müssen durch Personen mit Befähigung zum Richteramt handeln. Behörden und juristische Personen des öffentlichen Rechts einschließlich der von ihnen zur Erfüllung ihrer öffentlichen Aufgaben gebildeten Zusammenschlüsse sowie private Pflegeversicherungsunternehmen können sich durch eigene Beschäftigte mit Befähigung zum Richteramt oder durch Beschäftigte mit Befähigung zum Richteramt anderer Behörden oder juristischer Personen des öffentlichen Rechts einschließlich der von ihnen zur Erfüllung ihrer öffentlichen Aufgaben gebildeten Zusammenschlüsse vertreten lassen.
Ein Beteiligter, der zur Vertretung berechtigt ist, kann sich selbst vertreten. Handelt es sich dabei um eine der vorgenannten Vereinigungen, Gewerkschaften oder juristischen Personen, muss diese durch Personen mit Befähigung zum Richteramt handeln.
Die Beschwerde ist innerhalb von zwei Monaten nach Zustellung des Urteils von einem zugelassenen Bevollmächtigten schriftlich oder in elektronischer Form zu begründen.
In der Begründung muss die grundsätzliche Bedeutung der Rechtssache dargelegt oder die Entscheidung des Bundessozialgerichts, des Gemeinsamen Senats der obersten Gerichtshöfe des Bundes oder des Bundesverfassungsgerichts, von der das Urteil abweicht, oder ein Verfahrensmangel, auf dem die angefochtene Entscheidung beruhen kann, bezeichnet werden. Als Verfahrensmangel kann eine Verletzung der §§ 109 und 128 Abs. 1 Satz 1 Sozialgerichtsgesetz nicht und eine Verletzung des § 103 Sozialgerichtsgesetz nur gerügt werden, soweit das Landessozialgericht einem Beweisantrag ohne hinreichende Begründung nicht gefolgt ist.
Für die Beschwerde gegen die Nichtzulassung der Revision kann ein Beteiligter, der nicht schon durch die oben genannten Vereinigungen, Gewerkschaften oder juristischen Personen vertreten ist, Prozesskostenhilfe zum Zwecke der Beiordnung eines Rechtsanwalts beantragen.
Der Beteiligte kann die Prozesskostenhilfe selbst beantragen. Der Antrag ist beim Bundessozialgericht entweder schriftlich oder in elektronischer Form einzureichen oder mündlich vor dessen Geschäftsstelle zu Protokoll zu erklären.
Dem Antrag sind eine Erklärung des Beteiligten über seine persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse (Familienverhältnisse, Beruf, Vermögen, Einkommen und Lasten) sowie entsprechende Belege beizufügen. Hierzu ist der für die Abgabe der Erklärung vorgeschriebene Vordruck zu benutzen. Der Vordruck kann von allen Gerichten oder durch den Schreibwarenhandel bezogen werden.
Wird Prozesskostenhilfe bereits für die Einlegung der Beschwerde begehrt, so müssen der Antrag und die Erklärung über die persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse - gegebenenfalls nebst entsprechenden Belegen - bis zum Ablauf der Frist für die Einlegung der Beschwerde (ein Monat nach Zustellung des Urteils) beim Bundessozialgericht eingegangen sein.
Mit dem Antrag auf Prozesskostenhilfe kann ein zur Vertretung bereiter Rechtsanwalt benannt werden.
Ist dem Beteiligten Prozesskostenhilfe bewilligt worden und macht er von seinem Recht, einen Anwalt zu wählen, keinen Gebrauch, wird auf seinen Antrag der beizuordnende Rechtsanwalt vom Bundessozialgericht ausgewählt.
Der Beschwerdeschrift und allen folgenden Schriftsätzen sollen Abschriften für die übrigen Beteiligten beigefügt werden.
Das Bundessozialgericht bittet darüber hinaus um je zwei weitere Abschriften.
Schriftlich einzureichende Anträge und Erklärungen, die durch einen Rechtsanwalt, durch eine Behörde oder durch eine juristische Person des öffentlichen Rechts einschließlich der von ihr zur Erfüllung ihrer öffentlichen Aufgaben gebildeten Zusammenschlüsse eingereicht werden, sind als elektronisches Dokument zu übermitteln. Ist dies aus technischen Gründen vorübergehend nicht möglich, bleibt die Übermittlung nach den allgemeinen Vorschriften zulässig. Die vorübergehende Unmöglichkeit ist bei der Ersatzeinreichung oder unverzüglich danach glaubhaft zu machen; auf Anforderung ist ein elektronisches _ Dokument nach-
zureichen. Gleiches gilt für die nach dem Sozialgerichtsgesetz vertretungsberechtigten Personen, für die ein sicherer Übermittlungsweg nach § 65a Abs. 4 Nr. 2 SGG zur Verfügung steht (§ 65d SGG).
Im Urteil des Senates vom 18. Januar 2023 wird auf S. 8 zweiter Absatz erste Zeile das Wort „Klägerin“ ersetzt durch „Beklagte“.
Dieser Beschluss beruht wegen offenbarer Unrichtigkeit des Urteils auf § 138 Satz 1 und 2 Sozialgerichtsgesetz (SGG). Er kann nicht mit der Beschwerde zum Bundessozialgericht angefochten werden (§ 177 SGG).