L 7 AS 390/23 B

Land
Nordrhein-Westfalen
Sozialgericht
LSG Nordrhein-Westfalen
Sachgebiet
Grundsicherung für Arbeitsuchende
Abteilung
7
1. Instanz
SG Köln (NRW)
Aktenzeichen
S 37 AS 537/22
Datum
2. Instanz
LSG Nordrhein-Westfalen
Aktenzeichen
L 7 AS 390/23 B
Datum
3. Instanz
-
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Beschluss

Tenor:

Auf die Beschwerde der Klägerin wird der Beschluss des Sozialgerichts Köln vom 01.03.2023 geändert. Der Klägerin wird für das Klageverfahren Prozesskostenhilfe bewilligt und Rechtsanwalt A. R., E., beigeordnet.

 

Gründe:

Die Beschwerde ist statthaft, weil der Beschwerdestreitwert von mehr als 750 € (vgl. §§ 172 Abs. 3 Nr. 2b144 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 SGG) erreicht wird. Die Klägerin begehrt die Übernahme der Kosten aus dem Kostenfestsetzungsbeschluss des Amtsgerichts E. i.H.v. 1.559,60 € nebst Zinsen i.H.v. 5 % über dem Basiszinssatz nach § 247 BGB seit dem 26.08.2021.

Die auch im Übrigen zulässige Beschwerde ist begründet. Zu Unrecht hat das Sozialgericht die Bewilligung von Prozesskostenhilfe für das Klageverfahren mangels hinreichender Aussicht auf Erfolg (§§ 73a Abs. 1 Satz 1 SGG114 Abs. 1 Satz 1 ZPO) abgelehnt.

Es ist verfassungsrechtlich grundsätzlich unbedenklich, die Gewährung von Prozesskostenhilfe davon abhängig zu machen, dass die beabsichtigte Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung hinreichende Aussicht auf Erfolg hat und nicht mutwillig erscheint. Die Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung darf nicht unverhältnismäßig erschwert werden, was namentlich dann der Fall ist, wenn das Fachgericht die Anforderungen an die Erfolgsaussicht der beabsichtigten Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung überspannt und dadurch der Zweck der Prozesskostenhilfe, dem Unbemittelten den weitgehend gleichen Zugang zu Gericht zu ermöglichen, deutlich verfehlt wird (vgl. BVerfG, Beschluss vom 16.04.2019 – 1 BvR 2111/17 – juris, Rn. 20 f.; BVerfGE 81, 347 ˂359˃). Ein Rechtsschutzbegehren hat hinreichende Aussicht auf Erfolg, wenn die Entscheidung in der Hauptsache von der Beantwortung einer schwierigen bislang ungeklärten Rechts- oder Tatsachenfrage abhängt (vgl. BVerfG, Beschluss vom 22.03.2021– 2 BvR 353/21 –juris, Rn. 4). Die Prüfung der Erfolgsaussichten für die Bewilligung von Prozesskostenhilfe soll nicht dazu dienen, die Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung selbst in das summarische Verfahren der Prozesskostenhilfe zu verlagern und dieses an die Stelle des Hauptsacheverfahrens treten zu lassen. Prozesskostenhilfe ist auch zu bewilligen, wenn in der Hauptsache eine Beweisaufnahme erforderlich ist und keine konkreten und nachvollziehbaren Anhaltspunkte dafür vorliegen, dass diese mit großer Wahrscheinlichkeit zum Nachteil des Antragstellers ausgehen wird (BVerfG Beschlüsse vom 04.05.2015 – 1 BvR 2096/13 und vom 09.10.2014 – 1 BvR 83/12; ständige Rechtsprechung des Senats, vgl. nur Beschlüsse vom 16.01.2019 - L 7 AS 1085/18 und vom 15.02.2016 – L 7 AS 1681/15 B).

Ausgehend davon kann der Klage nicht jegliche Erfolgsaussicht abgesprochen werden. Gemäß § 22 Abs. 1 Satz 1 SGB II werden Bedarfe für Unterkunft und Heizung in Höhe der tatsächlichen Aufwendungen anerkannt, soweit diese angemessen sind. Als Annex zu den nach § 22 Abs. 1 Satz 1 SGB II bzw. nach § 22 Abs. 8 SGB II zu übernehmenden Kosten können auch die einem Leistungsberechtigten nach dem SGB II anfallenden Gerichtskosten eines Räumungsklageverfahren als einmalig anfallender Bedarf im Fälligkeitsmonat zählen. Entgegen der Einschätzung des Sozialgerichts bedarf es vorliegend der Ermittlung, ob ein Fall nach § 22 Abs. 8 SGB II (BSG, Urteil vom 17.06.2010 – B 14 AS 58/09 R–) oder aber nach § 22 Abs. 1 Satz 1 SGB II vorliegt. Es ist zu klären, ob seitens des Beklagten eine unrichtige Sachbehandlung vorliegt und die Klägerin die Räumungsklage nicht selbst verschuldet hat. Insoweit sind die VerfahrenS 3 AS 1304/21 ER und S 20 AS 2679/21 beizuziehen, auszuwerten und ergänzend der Betreuer der Klägerin, Herr X., zu befragen. Dies ermöglicht die Feststellung, ob die mehrmalige Einstellung der Leistungen und anschließende Wiederaufnahme der Zahlung der Bedarfe für Unterkunft und Heizung, die seit Ende 2020 direkt vom Beklagten an die Vermieterin erfolgte, rechtswidrig war (vgl. hierzu LSG Baden-Württemberg, Urteil vom 27.06.2017 – L 9 AS 1742/14 – Rn. 55 f.; Bay. LSG, Urteil vom 30.01.2014 – L 7 AS 676/13–) oder aber Mietschulden vorliegen.

Zudem ist entgegen der Rechtsauffassung des Sozialgerichts dem Sitzungsprotokoll des Amtsgerichts vom 04.08.2021 nicht eindeutig zu entnehmen, dass die Beteiligten der Klägerin im Vergleich „nur“ eine Frist für die Räumung der Wohnung bis zum 28.02.2022 einräumen wollten. Zwar ist dem Sozialgericht zuzustimmen, dass die Richterin darauf hingewiesen hat, dass die Räumungsklage aufgrund der letzten Kündigung im Schriftsatz vom 04.08.2021 begründet und das Mietverhältnis beendet sein dürfte. Auch haben die Beteiligten vergleichsweise vereinbart, dass die Klägerin ihre Wohnung spätestens bis 28.02.2022 herausgibt. Jedoch wird in die Überlegung, ob nicht doch eine Verlängerung des Mietverhältnisses vorliegt, einzubeziehen sein, dass die Vermieterin und die Kläger vergleichsweise ergänzend vereinbart haben, dass „sich die Parteien darüber einig sind, dass das Mietverhältnis dann mit der Räumung und Herausgabe der streitgegenständlichen Wohnung beendet ist“. Diese Regelung spricht unzweifelhaft für die von der Klägerin vertretene Auffassung, dass im Termin vom 04.08.2021 eine Verlängerung des Mietverhältnisses für mehr als vier Monate vergleichsweise erreicht werden konnte.

Kosten im Beschwerdeverfahren gegen die Ablehnung von Prozesskostenhilfe sind nicht erstattungsfähig (§§ 73a Abs. 1 Satz 1 SGG, 127 Abs. 4 ZPO).

Dieser Beschluss ist nicht mit der Beschwerde anfechtbar (§ 177 SGG).

Rechtskraft
Aus
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