L 9 BK 1/23 B

Land
Nordrhein-Westfalen
Sozialgericht
LSG Nordrhein-Westfalen
Sachgebiet
Kindergeld-/Erziehungsgeldangelegenheiten
Abteilung
9
1. Instanz
SG Dortmund (NRW)
Aktenzeichen
S 104 BK 10/22
Datum
2. Instanz
LSG Nordrhein-Westfalen
Aktenzeichen
L 9 BK 1/23 B
Datum
3. Instanz
-
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Beschluss

Tenor:

Die Beschwerde der Klägerin gegen den Beschluss des Sozialgerichts Dortmund vom 07.02.2023 wird zurückgewiesen.

 

Gründe

  • I.  

Die Klägerin begehrt im Hauptsacheverfahren Kinderzuschlag für ihre drei Kinder.

Die Klägerin ist die Mutter von drei in den Jahren 0000, 0000 und 0000 geborenen Kindern, die mit ihr und ihrem Ehemann in einem Haushalt leben. Ihren Antrag auf Kinderzuschlag vom 15.09.2021 lehnte die Beklagte mit Bescheid vom 28.09.2021 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 04.03.2022 (bekanntgegeben am 09.03.2022) ab. Im Monat der Antragstellung könne der Gesamtbedarf der Bedarfsgemeinschaft mit dem Kinderzuschlag, Kindergeld, Einkommen und Wohngeld nicht gedeckt werden. Deshalb bestehe gem. § 6a Abs. 1 Nr. 3 BKGG kein Anspruch auf Kinderzuschlag. Die Beklagte ging für September 2021 von einem Gesamtbedarf iHv 2.653 € (Regelbedarf 1.703 €, Wohnkosten 950 €), einem Elterneinkommen iHv 939,01 €, Kindergeld iHv 663 €, Wohngeld iHv 286 € und einem höchstmöglichen Kinderzuschlag iHv 615 € aus. Hierdurch verbleibe ein ungedeckter Bedarf von ca. 150 €. Das Elterneinkommen berechnete die Beklagte aus dem Einkommen des Ehemannes in den letzten sechs Monaten vor Beginn des Bewilligungszeitraums, d.h. von März 2021 bis August 2021. In diesem Zeitraum hatte der Ehemann Kurzarbeitergeld und Arbeitseinkommen iHv monatlich durchschnittlich 1.448,64 € bezogen. Unter Berücksichtigung der Absetzbeträge nach § 11b SGB II verblieb nach Berechnung der Beklagten der Betrag von 939,01 €. Im Widerspruchsbescheid wird ausgeführt: „Deswegen scheidet für den Monat September 2021 ein Anspruch auf Kinderzuschlag aus“.

Gegen diesen Bescheid richtet sich die am 05.04.2022 erhobene Klage, für deren Durchführung die Klägerin Prozesskostenhilfe beantragt hat. Der Einkommensverlust des Ehemannes sei aufgrund der Corona-Pandemie entstanden. Bei der Ermittlung des Durchschnittseinkommens müsse dieser Einkommensverlust unberücksichtigt bleiben.

Mit Beschluss vom 07.02.2023 hat das Sozialgericht die Bewilligung von Prozesskostenhilfe für das Klageverfahren abgelehnt, weil unter Berücksichtigung des gem. § 6a Abs. 8 BKGG maßgeblichen Einkommens der letzten sechs Monate vor dem Bewilligungszeitraum Hilfebedürftigkeit nach dem SGB II nicht vermieden werde.

Gegen den ihr am 16.02.2023 zugestellten Beschluss richtet sich die Beschwerde der Klägerin vom 16.03.2023. Es sei von einem Durchschnittseinkommen auszugehen, bei dessen Ermittlung die coronabedingten Einkommensverluste unberücksichtigt bleiben müssten.

II.

Die Beschwerde ist statthaft und auch im Übrigen zulässig. Sie ist nicht gem. § 172 Abs. 3 Nr. 2b) SGG ausgeschlossen. Nach dieser Vorschrift ist die Beschwerde ausgeschlossen gegen die Ablehnung von Prozesskostenhilfe, wenn in der Hauptsache die Berufung der Zulassung bedürfte. Zwar ist Regelungsgegenstand des angefochtenen Bescheides nur ein Anspruch auf Kinderzuschlag für den Monat September 2021 (dazu sogleich), jedoch begehrt die Klägerin nach ihrem nicht rechtsmissbräuchlich gestellten Antrag Kinderzuschlag auf ihren Antrag vom 15.09.2021 nach Maßgabe der gesetzlichen Bestimmungen. Gem. § 6a Abs. 7 Satz 1 BKGG in der für September 2021 maßgeblichen Fassung ist über den Gesamtkinderzuschlag jeweils für sechs Monate zu entscheiden (Bewilligungszeitraum). Der höchstmögliche Gesamtkinderzuschlag für drei Kinder liegt in diesem Zeitraum bei monatlich 615 €, sodass der Streitwert eines Berufungsverfahrens die Grenze von 750 € (§ 144 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 SGG) übersteigt.

Die Beschwerde ist unbegründet.

Gem. § 73a Abs. 1 Satz 1 SGG iVm § 114 ZPO erhält ein Beteiligter, der nach seinen persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnissen die Kosten der Prozessführung nicht, nur zum Teil oder nur in Raten aufbringen kann, auf Antrag Prozesskostenhilfe, wenn die beabsichtigte Rechtsverfolgung hinreichende Aussicht auf Erfolg bietet und nicht mutwillig erscheint. Dabei dürfen die Anforderungen an die Erfolgsaussichten nicht überspannt werden (BVerfG Beschluss vom 13.03.1990 – 2 BvR 94/88). Hinreichende Erfolgsaussichten sind grundsätzlich zu bejahen, wenn die Entscheidung in der Hauptsache von einer schwierigen, bisher ungeklärten Rechtsfrage abhängt oder wenn von Amts wegen weitere Ermittlungen durchzuführen sind, bevor die streiterheblichen Fragen abschließend beantwortet werden können, und keine konkreten und nachvollziehbaren Anhaltspunkte dafür vorliegen, dass die Ermittlungen mit großer Wahrscheinlichkeit zum Nachteil des Antragstellers ausgehen würden (vgl. BVerfG Beschluss vom 20.02.2001 – 1 BvR 1450/00; Beschlüsse des Senats vom 22.04.2021 – L 9 SO 418/20 B und vom 28.05.2013 – L 9 AS 541/13 B).

Das Sozialgericht hat unter Berücksichtigung dieser Maßstäbe die Bewilligung von Prozesskostenhilfe zu Recht und mit zutreffender Begründung verneint, soweit ein Anspruch auf Kinderzuschlag für den Monat September 2021 betroffen ist. Die Klägerin hat in diesem Monat unter Zugrundelegung der im Verfahren über die Prozesskostenhilfe maßgeblichen Prüfungsdichte keinen Anspruch auf Kinderzuschlag, weil durch diesen zusammen mit dem Einkommen, dem Wohngeld und dem Kindergeld Hilfebedürftigkeit nicht vermieden wird iSd § 6a Abs. 1 Nr. 3 BKGG. Für die Ermittlung des monatlich zu berücksichtigenden Einkommens ist gem. § 6a Abs. 8 Satz 1 BKGG der Durchschnitt des Einkommens aus den sechs Monaten vor Beginn des Bewilligungszeitraums maßgeblich, hier also der Durchschnitt des Einkommens für März 2021 bis August 2021. Gegen die von der Beklagten zugrunde gelegten Werte hat die Klägerin keine Einwendungen erhoben, Fehler sind nach Aktenlage nicht ersichtlich. Für eine abweichende Berechnung des maßgeblichen Einkommens gibt es keine Rechtsgrundlage. § 20 Abs. 6 BKGG, wonach in Reaktion auf die Corona-Krise abweichend von § 6a Abs. 8 Satz 1 BKGG bei der Ermittlung des monatlich zu berücksichtigenden Einkommens der Eltern nur das Einkommen aus dem letzten Monat vor Beginn des Bewilligungszeitraums maßgeblich ist, galt nur für Anträge, die in der Zeit vom 01.04.2020 bis zum 30.09.2020 eingegangen sind. Mit dieser Vorschrift hat der Gesetzgeber auf die plötzliche Einkommensveränderung durch die Corona-Krise reagiert (näher Kühl in JurisPK SGB II § 6a BKGG Rn. 115.1). Da der hier maßgebliche Antrag vom 15.09.2021 datiert, ist die vorübergehende Sonderregelung nicht relevant. Anhaltspunkte dafür, dass diese Rechtslage verfassungswidrig sein könnte, sieht der Senat nicht. Das Existenzminimum der Familie ist durch einen Leistungsanspruch nach dem SGB II gesichert gewesen.

Die Klägerin hat mit ihrem Antrag vom 15.09.2021 allerdings nicht nur Kinderzuschlag für den Monat September 2021 beantragt. Der Antrag auf Kinderzuschlag ist als mindestens auf den gesetzlichen sechsmonatigen Bewilligungszeitraum gerichtet auszulegen. Dies führt aber nicht zu einer Bejahung der Erfolgsaussichten der Klage. Ungeachtet des sechsmonatigen Bewilligungszeitraums ist die Wirkung eines Ablehnungsbescheides auf den Antragsmonat beschränkt. Im vorliegenden Fall entschied die Beklagte zudem ausdrücklich nur für den Monat September 2021. Entgegen einer missverständlichen Formulierung der Beklagten in ihrer „Durchführungsanweisung Kinderzuschlag“ (DA KiZ E.3 Abs. 1) zwingt die Erteilung eines Ablehnungsbescheides den Betroffenen aber nicht dazu, für den Folgemonat sogleich einen neuen Antrag zu stellen. Denn wenn der Antrag auf Kinderzuschlag aufgrund der Regelung des § 6a Abs. 7 Satz 1 BKGG auf sechs Monate bezogen und im Zweifel entsprechend auszulegen ist, der Ablehnungsbescheid aber nur für den Antragsmonat wirkt, sind die Folgemonate noch nicht beschieden. Zwar ist eine Klage deshalb – mangels einer anfechtbaren Verwaltungsentscheidung -  für die Folgemonate nicht zulässig (Böttiger in Fichte/Jüttner, SGG, 3. Aufl. § 54 Rn. 122). Die Beklagte hat aber, falls dies noch nicht geschehen ist, für die Folgemonate noch zu prüfen, ob ein Anspruch auf Kinderzuschlag zusteht und einen entsprechenden Bescheid zu erteilen. Die Stellung eines Neuantrags mag sich für den Betroffenen empfehlen, um einer Auseinandersetzung über die Antragswirkung zu entgehen, zwingend ist ein solcher Neuantrag nicht. Ein Anspruch auf Kinderzuschlag für Monate nach September 2021 erscheint möglich, da nach den Ausführungen der Beklagten im Widerspruchsbescheid ab Mai 2021 wieder gegenüber dem Kurzarbeitergeld höheres Arbeitseinkommen bezogen worden ist.

Kosten im Beschwerdeverfahren gegen die Ablehnung von Prozesskostenhilfe sind nicht erstattungsfähig (§ 73a Abs. 1 Satz 1 SGG, § 127 Abs. 4 ZPO).

Dieser Beschluss ist nicht mit der Beschwerde anfechtbar (§ 177 SGG).

Rechtskraft
Aus
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