Die Beklagte hat dem Kläger seine notwendigen außergerichtlichen Kosten zu erstatten.
Gründe
Gemäß § 193 Abs. 1 S. 3 Sozialgerichtsgesetz (SGG) hat das Gericht, wenn das Verfahren anders als durch Urteil oder einem Urteil gleichgestellten Beschluss endet, auf Antrag durch Beschluss zu entscheiden, ob und in welchem Umfang die Beteiligten einander Kosten zu erstatten haben. Vorliegend wurde die Untätigkeitsklage nach Erlass des Widerspruchbescheides vom 10.05.2023 durch Erklärung des Prozessbevollmächtigten des Klägers vom 11.05.2023 beendet und ein entsprechender Kostenantrag gestellt.
Die Entscheidung über die Kostentragungsverpflichtung erfolgt dabei nach billigem Ermessen.
Grundsätzlich hat das Gericht zur Ausfüllung des Begriffs des „billigen Ermessens“ im konkreten Einzelfall den gesamten bisherigen Sach- und Streitstand zu bewerten. Dabei kommt im Wesentlichen den Bewertungskriterien der Erfolgsaussicht der Klage sowie des sogenannten „Veranlassungsprinzips“ Bedeutung zu. Entsprechend dem Rechtsgedanken des § 91a ZPO gilt, dass derjenige die Kosten zu tragen hat, der in dem Rechtsstreit unterliegt, bzw. wenn keine streitige Entscheidung zu treffen war, derjenige, der im Falle der streitigen Entscheidung unterlegen wäre (Erfolgsaussicht) (vgl. Leitherer, in: Meyer-Ladewig/ Keller/Leitherer, SGG, 13. Auflage 2020, § 193, Rn. 12a; Hessisches Landessozialgericht, Beschluss vom 28. September 2001, Az: L 14 B 94/97). Bei Ungewissheit der Erfolgsaussichten der Klage kommt eine Kostenteilung in Betracht. Dies gilt auch dann, wenn der Rechtsstreit schwierige Rechtsfragen aufwirft, die den Ausgang des Verfahrens offen erscheinen lassen. Da jedoch alle Umstände des Falles zu berücksichtigen sind, sind außerdem die Gründe für die Klageerhebung bzw. Antragstellung und die Erledigung zu prüfen. Grundlage für die Heranziehung des sogenannten „Veranlassungsprinzips“ als Ermessensgesichtspunkt ist die Vorstellung, dass die Kosten des Gerichtsverfahrens demjenigen aufzuerlegen sind, der Anlass für den Rechtsstreit gegeben hat (vgl. Hessisches Landessozialgericht, Beschlüsse vom 30. Januar 1996, Az: L 4 B 24/95, vom 13. Mai 1996, Az: L 5 B 64/94 sowie vom 28. September 2001, Az: L 14 B 94/97; Schmidt, in: Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer/Schmidt, SGG, 13. Auflage 2020, § 193, Rn. 12b). Es gilt also zu prüfen, ob es sich etwa um einen von vornherein vermeidbaren oder überflüssigen Prozess gehandelt hat und wem dieses ggf. zur Last zu legen ist. Insoweit kommt es insbesondere darauf an, ob im Verlaufe des Verwaltungsverfahrens der Leistungsträger seiner Amtsermittlungspflicht und der Leistungsberechtigte seiner Mitwirkungspflicht in hinreichendem Maße nachgekommen ist. Auch bei einer Änderung der Sach- oder Rechtslage zugunsten des Klägers ist das Veranlassungsprinzip zu berücksichtigen. Wenn der Verwaltungsträger einer Veränderung unverzüglich nach Kenntnis Rechnung trägt, z. B. anerkennt, kann es der Billigkeit entsprechen, eine Kostenerstattungspflicht zu verneinen. Bleibt bei der unstreitigen Beendigung des Rechtsstreits offen, ob der Leistungsträger Anlass für den Rechtsstreit gegeben hat, weil beispielsweise nicht feststellbar ist, wann der Leistungsfall eingetreten ist, der Leistungsberechtigte sich jedoch letztendlich mit seinem ursprünglichen Begehren, wenn auch erst ab einem anderen als dem beantragten Zeitpunkt bzw. erst nach Klageerhebung durchsetzen kann, entspricht es in Abwägung des Erfolgs- und Veranlassungsprinzips im Allgemeinen billigem Ermessen, eine Kostenquotelung vorzunehmen (vgl. insg. Hessisches Landessozialgericht, Beschluss vom 7. Februar 2003, Az: L 12 B 93/02 RJ).
Unter Beachtung dieser Grundsätze sind die notwendigen außergerichtlichen Kosten des Klägers von der Beklagten zu tragen.
Dabei hat die Kammer berücksichtigt, dass der Kläger im Ergebnis das erreicht hat, was beantragt worden war, nämlich die Bescheidung seines Widerspruchs vom 28.11.2022. Auch wurde berücksichtigt, dass bei Erhebung der Untätigkeitsklage am 30.03.2023 die 3-Monatsfrist des § 88 Abs. 2 SGG bereits abgelaufen war. Ebenfalls ist ein zureichender Grund für die Entscheidung über den Widerspruch nach Ablauf der Frist gemäß § 88 Abs. 2 SGG von der Beklagten nicht hinreichend vorgetragen und aus den Akten ersichtlich. Im Falle einer streitigen Entscheidung wäre dem Klagantrag des Klägers stattgegeben worden.
Soweit die Beklagte darauf verweist, dass der Widerspruch nicht begründet wurde und nach der Eingangsbestätigung der Beklagten vom 28.11.2022 kein weiterer Schriftverkehr seitens des Prozessbevollmächtigten des Klägers in dieser Sache erfolgt, führt dies nicht zu einer abweichenden Betrachtung. Denn eine Pflicht zur Nachfrage des Sachstands ergibt sich nur in besonderen Fallkonstellationen (vgl. hierzu auch zuletzt: BVerfG, Beschluss vom 08.02.2023, Az.: 1 BvR 311/22, juris), welche vorliegend nichtersichtlich sind. Nichts anderes folgt aus dem Gesichtspunkt, dass die Beklagte einen „hochfrequenten Kontakt mit dem Prozessbevollmächtigten hinsichtlich diverser Mandate“ beschreibt. Es wäre für die Beklagte insoweit ohne großen Aufwand möglich gewesen, eine Begründung des Widerspruchs anzufordern, sofern sie diese für erforderlich hält. Eine solche ist zwar grundsätzlich wünschenswert und für das Verfahren förderlich, jedoch gesetzlich nicht zwingend vorgeschrieben. Die Beklagte kann sich daher zur Überzeugung der Kammer nicht darauf berufen, dass sie daher davon ausgehen habe dürfen, dass der Prozessbevollmächtigte Abstand von der Weiterverfolgung des Widerspruchs genommen hätte. Tatsächliche Anhaltspunkte sind hierfür nicht ersichtlich.
Von der Kostentragung durch die Beklagte aufgrund des Erfolgsprinzips war vorliegend auch nicht aufgrund von Veranlassungsgesichtspunkten oder Verschuldensgesichtspunkten abzuweichen (vgl. Jaritz, in: Roos/Wahrendorf, SGG, § 88 Rn. 95) abzusehen. Anhaltspunkte dafür, dass hier ausnahmsweise der Beklagten (teilweise) keine Kostentragung aufzuerlegen sind, obwohl sie die Entscheidungsfrist ohne Ankündigung/Mitteilung an den Kläger ohne zureichenden Grund hat verstreichen lassen, sind nicht ersichtlich. Als solche sind z.B. in der Literatur und Rechtsprechung Fälle diskutiert, in denen die Behörde dem Antragsteller/Widerspruchsführer mitgeteilt hat, dass noch weitere Ermittlungen notwendig sind oder dieser davon Kenntnis hat, die Beteiligten sich aufgrund besonderer Umstände einig sind, die Entscheidung über den Antrag/Widerspruch vorläufig zurückzustellen und daher eine sofortige Klageerhebung den Grundsatz von Treu und Glauben widerspricht oder wenn zwischen Einlegung des Widerspruchs und Erhebung der Untätigkeitsklage ein längerer Zeitraum liegt. Eine entsprechende Fallkonstellation war vorliegend nicht gegeben.
Die Beschwerde gegen diesen Beschluss ist ausgeschlossen § 172 Abs. 3 Nr. 3 Sozialgerichtsgesetz (SGG).