- Zur Zeitgeringfügigkeit einer Beschäftigung unter Berücksichtigung eines zuvor im selben Kalenderjahr beendeten Freiwilligendienstes (hier Freiwilliges Soziales Jahr). Eine Zusammenrechnung beider Zeiten findet nicht statt.
- Die Arbeitshilfe der Minijobzentrale zur Prüfung der Berufsmäßigkeit und die Geringfügigkeitsrichtlinien der Sozialversicherungsträger sind mit § 8 Abs. 1 Nr. 2 SGB IV zum Teil nicht vereinbar. Sie sind als bloße Verwaltungsvorschriften für die gerichtliche Prüfung nicht bindend.
- Eine kurzfristige Beschäftigung zwischen einem Freiwilligendienst und einem Hochschulstudium im selben Kalenderjahr ist insbesondere dann nicht berufsmäßig im Sinne des § 8 Abs. 1 Nr. 2 SGB IV, wenn kein innerer Zusammenhang zwischen der ausgeübten Tätigkeit (hier Kioskverkauf) und dem Studiengang (hier Rechtswissenschaft) besteht.
Der Bescheid vom 25.01.2021 in Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 28.04.2021 wird aufgehoben.
Die Beklagte trägt die Kosten des Verfahrens.
Der Streitwert wird auf 1.307,44 € festgesetzt.
Tatbestand
Der Kläger wendet sich gegen die bei einer Betriebsprüfung festgestellte Versicherungspflicht der Beigeladenen in allen Zweigen der Sozialversicherung im Zeitraum 01.08.2018 bis 30.09.2018 und eine Nachforderung von Gesamtsozialversicherungsbeiträgen in Höhe von 1.307,44 €.
Der Kläger betreibt einen Kiosk. Vom 01.08.2018 bis 30.09.2018 beschäftigte er die damals 19-jährige Beigeladene gegen ein Entgelt von insgesamt 3.129,36 € für diesen, von vornherein befristeten Zeitraum. Die Beigeladene hatte am 30.06.2017 ihr Abitur abgelegt und im Anschluss vom 04.09.2017 bis 31.07.2018 ein Freiwilliges Soziales Jahr (FSJ) abgeleistet. Während des FSJ beim D in F erhielt die Beigeladene eine monatliche Aufwandsentschädigung von 200,- € und ein monatliches Taschengeld von 190,- €. In der Zwischenzeit bis zur Aufnahme ihres Studiums zum 01.10.2018 (vgl. Immatrikulationsbescheinigung der Universität H vom 29.08.2018, Verwaltungsakte Bl. 7) übte die Beigeladene für 2 Monate die streitbefangene Beschäftigung aus, für die der Kläger Pauschalbeiträge an die Minijob-Zentrale zahlte.
Am 22.01.2021 führte die Beklagte beim Kläger eine Betriebsprüfung zum Prüfzeitraum 01.01.2017 bis 31.12.2020 durch. Im Rahmen einer Schlussbesprechung hörte die Beklagte den Kläger zu den beabsichtigten Feststellungen mündlich an.
Mit Bescheid vom 25.01.2021 stellte die Beklagte fest, dass die von der Beigeladenen vom 01.08.2018 bis 30.09.2018 ausgeübte Tätigkeit keine kurzfristige Beschäftigung gewesen sei, weil sie berufsmäßig ausgeübt worden sei. Die Tätigkeit unterliege daher der Versicherungspflicht in der Kranken-, Pflege-, Arbeitslosen- und Rentenversicherung. Die Beklagte stellte eine Nachforderung von Gesamtsozialversicherungsbeiträgen und Umlagen in Höhe von 1.307,44 € als Differenz zu den bereits an die Minijobzentrale entrichteten Beiträgen fest. Eine versicherungsfreie kurzfristige Beschäftigung liege nach § 8 Abs. 1 Nr. 2 SGB IV vor, wenn die Beschäftigung innerhalb eines Kalenderjahres auf längstens drei Monate oder 70 Arbeitstage nach ihrer Eigenart begrenzt zu sein pflegt oder im Voraus vertraglich begrenzt sei. Eine kurzfristige Beschäftigung liege nicht mehr vor, wenn die Beschäftigung berufsmäßig ausgeübt werde und das Arbeitsentgelt aus dieser Beschäftigung 450,- € monatlich überschreite. Berufsmäßig werde eine Beschäftigung ausgeübt, wenn sie für die beschäftigte Person nicht von untergeordneter wirtschaftlicher Bedeutung sei. Beschäftigungen, die nur gelegentlich ausgeübt würden, seien grundsätzlich von untergeordneter wirtschaftlicher Bedeutung und daher als nicht berufsmäßig anzusehen. Wiederholen sich allerdings solche Beschäftigungen, sei Berufsmäßigkeit ohne weitere Prüfung anzunehmen, wenn die Beschäftigungszeiten im Laufe eines Kalenderjahres insgesamt mehr als drei Monate oder 70 Arbeitstage betrügen. Der von der Beigeladenen im Rahmen eines Freiwilligen Sozialen Jahres bis zum 31.07.2018 abgeleistete Dienst sei sozialversicherungsrechtlich ebenso wie freiwillig ausgeübter Wehr- oder Zivildienst als ein Beschäftigungsverhältnis anzusehen. Jugendfreiwilligendienst, Bundesfreiwilligendienst, freiwilliger Wehrdienst und freiwilliger Zivildienst seien sozialversicherungsrechtlich gleich zu behandeln. Alle diese Dienste seien als Hauptbeschäftigung im sozialversicherungsrechtlichen Sinne anzusehen. Das bedeute, dass eine kurzfristige Beschäftigung zwischen dem Ende der Schulausbildung und der Teilnahme an einem Freiwilligendienst als berufsmäßig anzusehen sei, selbst wenn nach dem Dienst ein Studium beabsichtigt sei. Gleiches gelte für kurzfriste Beschäftigungen im Anschluss an ein freiwillig soziales Jahr und vor Beginn des Studiums.
Mit Schreiben vom 25.01.2021 legte der Kläger Widerspruch ein. Zur Begründung zitierte er aus dem angefochtenen Bescheid und einer ihm von der Beklagten zur Verfügung gestellten „Arbeitshilfe zur Prüfung der Berufsmäßigkeit unter Berücksichtigung verschiedener Fallgestaltungen“ der Minijob-Zentrale (vollständiger Abdruck mit Stand Juli 2019 in der Verwaltungsakte Bl. 107 ff.; aktuelle Fassung mit Stand Oktober 2022 abrufbar unter: https://www.minijob-zentrale.de/SharedDocs/Downloads/DE/Schaubilder/gewerblich/Entscheidung_Berufsmaessigkeit.pdf, Auszug mit unbekanntem Stand zur Akte gereicht in der mündlichen Verhandlung am 27.09.2023). Der Kläger beanstandete, dass die Beklagte ihre eigene, im angefochtenen Bescheid ausgeführte Begründung nicht vollständig beachtet habe. Denn gemäß der in der Arbeitshilfe genannten Fußnote Nr. 1 seien Vorbeschäftigungen unbeachtlich, die mit einem Arbeitsentgelt von bis zu 450,- € geringfügig entlohnt seien. Die Beigeladene habe während ihres Sozialen Jahres monatlich eine Festvergütung von 200,- € und ein Taschengeld von 190,- € erhalten. Das FSJ sei außerdem keine herkömmliche Beschäftigung, weil es dem Gemeinwohl diene und nicht zur Gewinnerzielung abgeleistet werde. Dies habe auch das Landessozialgericht Niedersachsen-Bremen so gesehen (Urteil vom 11.03.2015, Az. L 13 AS 10/14).
Mit Widerspruchsbescheid vom 28.04.2021 wies die Beklagte den Widerspruch zurück. Freiwilligendienste seien versicherungspflichtigen Beschäftigungen gleichgestellt. Hierzu zähle auch das Freiwillige Soziale Jahr. Diese Dienste würden wie (Haupt-) Beschäftigungen behandelt. Es handele sich beim FSJ nicht um eine geringfügige Beschäftigung, auch wenn nur Zahlungen unter 450,- € geleistet werden. Dies lasse sich auch aus den Entgeltabrechnungen ersehen, in denen die sozialversicherungspflichtigen Bruttoentgelte aufgeführt seien. Bei einer geringfügigen Beschäftigung handele es sich nicht um eine sozialversicherungspflichtige, sondern um eine sozialversicherungsfreie Beschäftigung. Daher sei das FSJ als Vorbeschäftigung anzurechnen. Die Grenze von drei Monaten oder 70 Arbeitstagen im Kalenderjahr werde damit überschritten.
Am 22.05.2021 hat der Kläger beim Sozialgericht Freiburg Klage erhoben. Zur Begründung wiederholt und vertieft er sein Vorbringen aus dem Widerspruchsverfahren. Er ist der Ansicht, dass die streitbefangene Beschäftigung zeitgeringfügig gemäß § 8 Abs. 1 Nr. 2 SGB IV und daher wie bereits erfolgt nur als (gewerblicher) Minijob zu verbeitragen sei. Nach der ständigen Rechtsprechung des BSG werde eine zeitlich befristete Beschäftigung berufsmäßig ausgeübt, „wenn der Betreffende durch sie seinen Lebensunterhalt überwiegend oder doch in einem solchen Umfang erwirbt, dass seine wirtschaftliche Stellung zu einem erheblichen Teil auf der Beschäftigung beruht, damit diese von nicht nur untergeordneter wirtschaftlicher Bedeutung ist.“ Beschäftigungen, die nur gelegentlich, z.B. in einer Übergangszeit zwischen Ende der Schulausbildung und dem Beginn eines Studiums oder der Aufnahme einer auf Dauer gerichteten Beschäftigung ausgeübt würden, seien grundsätzlich von untergeordneter wirtschaftlicher Bedeutung und damit nicht als berufsmäßig anzusehen. Auch mit einer weiteren Entscheidung habe das LSG Niedersachsen-Bremen bestätigt, dass es sich bei FSJ-Kräften nicht um Arbeitnehmer handele und dass das gewährte Taschengeld schon im Ansatz keinen Rückschluss auf den Wert der Arbeitsleistung auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt zulasse (Urteil vom 15.07.2015, Az. L 2 R 47/15).
Der Kläger beantragt,
den Bescheid vom 25.01.2021 in Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 28.04.2021 aufzuheben.
Die Beklagte beantragt unter Verweis auf die Gründe des Widerspruchsbescheids und die Arbeitshilfe der Minijobzentrale,
die Klage abzuweisen.
Sie ist der Ansicht, dass die streitbefangene Beschäftigung bereits deshalb berufsmäßig ausgeübt worden sei, weil das FSJ und die Beschäftigung beim Kläger zusammen zu betrachten seien und daraus die Berufsmäßigkeit folge.
Die Beigeladene stellt keinen Antrag.
Wegen der weiteren Einzelheiten und des übrigen Vorbringens der Beteiligten wird auf die Gerichtsakte und die beigezogene Verwaltungsakte der Beklagten Bezug genommen.
Entscheidungsgründe
Die als Anfechtungsklage statthafte und zulässige Klage ist begründet. Der angefochtene Bescheid vom 25.01.2021 in Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 12.05.2021 ist rechtswidrig und verletzt den Kläger in seinen Rechten. Er ist daher aufzuheben.
1. Die streitbefangene Beschäftigung der Beigeladenen unterliegt als zeitgeringfügige Beschäftigung im Sinne des § 8 Abs. 1 Nr. 2 SGB IV nicht der Sozialversicherungspflicht, sondern als gewerblicher Minijob nur den dafür geltenden und vom Kläger (unstreitig) beachteten Melde- und Beitrags- bzw. Umlagepflichten.
Nach § 8 Abs. 1 SGB IV liegt eine geringfügige Beschäftigung vor, wenn das Arbeitsentgelt aus dieser Beschäftigung (regelmäßig die Geringfügigkeitsgrenze nicht übersteigt – hier nicht einschlägig – oder) wenn die Beschäftigung innerhalb eines Kalenderjahres auf längstens drei Monate oder 70 Arbeitstage (…) im Voraus vertraglich begrenzt ist, es sei denn, dass die Beschäftigung berufsmäßig (hier: streitig) ausgeübt wird und die Geringfügigkeitsgrenze übersteigt (hier: unstreitig der Fall).
a) Die Prüfung des § 8 Abs. 1 Nr. 2 SGB IV gliedert sich entsprechend dem Aufbau der Vorschrift in 3 separate Schritte, wobei Schritt 1 dem 1. Halbsatz der Nr. 2 (drei Monate bzw. 70 Arbeitstage) entspricht und der zweite und dritte Prüfungsschritt den beiden kumulativen Tatbestandsmerkmalen („übersteigt“ und „berufsmäßig“) der Ausnahmereglung in Halbsatz 2 der Nr. 2 („es sei denn, dass…) entspricht.
b) Das Vorgehen und die Argumentation der Beklagten weicht von dieser Prüfungsabfolge zum Teil ab. Auch die von der Beklagten zugrunde gelegte „Arbeitshilfe“ der Minijobzentrale und die „Richtlinien für die versicherungsrechtliche Beurteilung von geringfügigen Beschäftigungen (Geringfügigkeits-Richtlinien)“ der Sozialversicherungsträger (GKV-Spitzenverband, Deutsche Rentenversicherung Bund, Deutsche Rentenversicherung Knappschaft-Bahn-See, Bundesagentur für Arbeit) weichen hier ab, soweit dort die Prüfung der Zeitgeringfügigkeit (Schritt 1) und diejenige der Berufsmäßigkeit (Schritt 3) vermengt und aus einer vermeintlichen Überschreitung der drei Monate bzw. 70 Arbeitstage durch ein Zusammenrechnen unmittelbar auf das Tatbestandsmerkmal Berufsmäßigkeit geschlossen wird. Der vorliegenden Entscheidung stehen diese Vorgaben der Arbeitshilfe und der Richtlinien nicht entgegen. Denn Verwaltungsvorschriften sind wie die Rechtsauffassung der Beteiligten nicht Maßstab, sondern Gegenstand der gerichtlichen Prüfung (BeckOGK/Zieglmeier, 15.2.2023, SGB IV § 8 Rn. 4 mit Verweis auf BSG 5.12.2017 – B 12 R 10/15 R, NZS 2018, 625).
c) Ob und wie ein Überschreiten der drei Monate bzw. 70 Arbeitstage (Schritt 1) aufgrund mehrerer Beschäftigungen durch deren Zusammenrechnen eintritt, richtet sich allein nach § 8 Abs. 2 SGB IV und hat mit der Frage, ob das Tatbestandsmerkmal Berufsmäßigkeit vorliegt, nichts zu tun. Unter den in § 8 Abs. 2 näher bestimmten Voraussetzungen und Ausnahmen sind nur geringfügige Beschäftigungen und diese nur innerhalb derselben Kategorie im Sinne der Nummern 1 oder 2 des Absatzes 1 in einem Kalenderjahr zusammenzurechnen (vgl. hierzu BeckOGK/Zieglmeier, 15.2.2023, SGB IV § 8 Rn. 77). Eine Zusammenrechnung nach § 8 Abs. 2 SGB IV scheidet daher (u.a.) aus, wenn es sich wie hier um eine kurzfristige und eine nicht (gleich ob zeit- oder entgelt-)geringfügige Beschäftigung handelt.
(1) Dies scheinen zumindest im Ansatz auch die Geringfügigkeits-Richtlinien zu beachten. Denn deren Fallbeispiel Nr. 48 (Verwaltungsakte Bl. 129) über eine 105 Kalender- bzw. 75 Arbeitstage dauernde Vorbeschäftigung und eine nur 38 Kalender- bzw. 27 Arbeitstage dauernde zu prüfenden Beschäftigung enthält unter Verweis auf Abschnitt B 2.2.2 den zutreffenden Hinweis, dass eine „Zusammenrechnung der beiden Beschäftigungszeiten [aus]scheidet“. Abschnitt B 2.2.2 erläutert die Regelungen zum Zusammenrechnen aus § 8 Abs. 2 SGB IV zutreffend dahin, dass ein Zusammenrechnen nur innerhalb der Kategorien des § 8 Abs. 1 Nr. 1 und 2 SGB IV möglich ist. Die Versionsunterschiede zwischen der von der Beklagten verwendeten Vorauflage vom 12.11.2014 (Verwaltungsakte Bl. 129) und der aktuellen Fassung vom 16.08.2022 (dort Seite 154, abrufbar unter https://www.deutsche-rentenversicherung.de/DRV/DE/Ueber-uns-und-Presse/ Presse/Meldungen/2022/220817_minijob_geringf_richtlininen.html) sind nur redaktionell.
(2) Ungeachtet der in § 8 Abs. 2 SGB IV für ein Zusammenrechnen mehrerer geringfügiger Beschäftigungen gesetzten Grenzen laufen die Vorgaben der Arbeitshilfe und der Geringfügigkeits-Richtlinien auf ein Zusammenrechnen mehrerer Beschäftigungen bei der Prüfung des Tatbestandsmerkmals „berufsmäßig“ hinaus, ohne dass hierfür eine gesetzliche Regelung ähnlich derjenigen in § 8 Abs. 2 SGB IV ersichtlich wäre. Auch die Beklagte hat hierfür auf Nachfrage in der mündlichen Verhandlung keine Rechtsgrundlage benannt, sondern allein auf die Arbeitshilfe der Minijobzentrale verwiesen. Diesem Ansatz folgt das Gericht nicht (dazu siehe im Einzelnen Prüfungsschritt 3. unten).
(3) Bei näherer Betrachtung zeigt sich außerdem, dass die Beklagte noch über die Vorgaben der der Arbeitshilfe und der Geringfügigkeits-Richtlinien zulasten des Klägers hinausgegangen ist, wie der Kläger mit seiner Widerspruchsbegründung zutreffend einwendet. Denn sowohl in dem bereits genannten Fallbeispiel Nr. 48 der Geringfügigkeits-Richtlinien als auch in der vom Kläger geltend gemachten Fußnote 1 der Arbeitshilfe wird für eine Begründung der Berufsmäßigkeit durch eine mehr als 3 Kalendermonate oder 70 Arbeitstage im selben Kalenderjahr dauernde Vorbeschäftigung (wie von der Beklagten wegen des FSJ hier bejaht) ausdrücklich – so jedenfalls die a.a.O. gebildeten Fallbeispiele – vorausgesetzt, dass diese Vorbeschäftigung oberhalb der Geringfügigkeitsschwelle vergütet wurde. Daran fehlt es vorliegend ungeachtet der von der Beklagten hervorgehobenen Tatsache, dass das FSJ der Beigeladenen in allen Zweigen sozialversichert war (siehe hierzu im Einzelnen Prüfungsschritt 3. unten).
d) Nach diesem Maßstab ist die geprüfte Tätigkeit (zeit)geringfügig im Sinne des § 8 Abs. 1 Nr. 2 SGB IV (1). Dies ist nicht ausgeschlossen nach § 8 Abs. 1 Nr. 2, 2. Halbsatz SGB IV. Zwar übersteigt das Entgelt die Geringfügigkeitsgrenze (2), jedoch ist die kumulativ erforderliche Voraussetzung einer berufsmäßigen Ausübung (3) nicht erfüllt.
(1) Die abhängige Beschäftigung der Beigeladenen im Kiosk des Klägers war von vornherein auf den Zeitraum 01.08.2018 bis 30.09.2018 und damit sowohl auf weniger als drei Monate als auch auf weniger als 70 Arbeitstage im Kalenderjahr 2018 begrenzt. Weitere, nach § 8 Abs. 2 SGB IV hinzuzurechnende kurzfristige Beschäftigungen im Kalenderjahr 2018 hat die Beigeladene nicht ausgeübt. Das im Jahr 2018 abgeleistete FSJ ist hier nicht mitzuzählen. Denn bei ihm handelt es sich jedenfalls nicht um eine weitere zeitgeringfügige Beschäftigung.
(2) Das erste der beiden kumulativen Tatbestandsmerkmale des § 8 Abs. 1 Nr. 2, 2. HS SGB IV ist erfüllt, da die Beschäftigung im Kiosk des Klägers (unstreitig) mit einem Arbeitsentgelt oberhalb der (damals geltenden) Geringfügigkeitsgrenze vergütet wurde.
(3) Die Beigeladene hat die geprüfte Beschäftigung im Kiosk des Klägers nicht berufsmäßig im Sinne des § 8 Abs. 1 Nr. 2, 2. HS ausgeübt. Eine Berufsmäßigkeit in diesem Sinne kann im (vorbestehenden) Status der Person begründet sein oder sich aufgrund ihres (weiteren) Erwerbsverhaltens ergeben. Entscheidend ist, ob die Vergütung der zu prüfenden Tätigkeit für die beschäftigte Person nur von untergeordneter wirtschaftlicher bzw. einer nur vorübergehenden Bedeutung ist, oder ob sie prägend für das Erwerbsleben dieser Person und die Bestreitung ihres Lebensunterhalts ist.
Die Beschäftigung im Kiosk war für die Beigeladene nur von untergeordneter wirtschaftlicher Bedeutung in diesem Sinn und diente nur der Überbrückung der Zeit zwischen dem Schulabschluss und dem Beginn des Hochschulstudiums. Das zwischen dem Schulabschluss und der kurzfristigen Beschäftigung abgeleistete FSJ ändert daran entgegen der Ansicht der Beklagten im Ergebnis aus den folgenden Gründen nichts.
aa) Das von der Beigeladenen abgeleistete FSJ mag wie das weitere in § 4 Jugendfreiwilligendienstegesetz (JFDG) genannte Freiwillige Ökologische Jahr und die weiteren in § 32 Abs. 4 Satz 1 Nr. 2 d) EStG genannten Freiwilligendienste dem in der sozialgerichtlichen Rechtsprechung sehr weit gefassten Beschäftigungsbegriff des § 7 Abs. 1 SGB IV unterfallen (vgl. hierzu etwa BeckOK SozR/Rittweger, 69. Ed. 1.6.2023, SGB IV § 7 Rn. 4 – 4.2 m.w.N.) und entweder bereits dadurch oder durch besondere gesetzliche Anordnung (siehe § 2 Abs. 1 Nr. 1, Abs. 1a, Abs. 3 Nr. 2b und c SGB VII) Versicherungspflicht in den verschiedenen Zweigen der Sozialversicherung auslösen (vgl. BeckOGK/Zieglmeier, 15.8.2023, SGB IV § 7 Rn. 294.1 und die Hinweise des Bundesamts für Familie und zivilgesellschaftliche Aufgaben auf https://www.fsj-zentralstelle.de/info-zum-fsj sowie des Vereins für soziales Leben e.V. auf https://www.bundes-freiwilligendienst.de/fsj-freiwilliges-soziales-jahr/sozial-kranken-versicherung/). Auch in der arbeits- und beitragsrechtlichen Umsetzung unterliegt der Freiwilligendienst FSJ jedenfalls aufgrund der gesetzlichen Anordnung in § 9 JFDG in großem Umfang denselben Vorschriften wie eine abhängige Beschäftigung.
Dies ändert jedoch nichts an wesentlichen Unterschieden, die für die Prüfung des Tatbestandsmerkmals „berufsmäßig“ zum Tragen kommen. Das Ableisten eines FSJ erfolgt im Gegensatz zu einer Erwerbstätigkeit nicht in Erwerbsabsicht (§ 2 Abs. 1 Nr. 1 JFDG), sondern dient dem Gemeinwohl insbesondere in Einrichtungen der Wohlfahrtspflege, der Kinder- und Jugendhilfe, der Gesundheitspflege, in Einrichtungen der Kultur und der Denkmalpflege oder Einrichtungen des Sports (§ 3 Abs. 1 JFDG) sowie der Stärkung des Verantwortungsbewusstseins für das Gemeinwohl (§ 3 Abs. 2 JFDG). Zudem stehen bei einem FSJ anders als bei einer Erwerbstätigkeit die erbrachte Tätigkeit und das gezahlte Arbeitsentgelt bzw. Taschengeld nicht in einem synallagmatischen Austausch, wie der Kläger zutreffend geltend macht. Während ein vereinbartes oder tariflich bestimmtes Arbeitsentgelt prinzipiell dem Wert der geleisteten Tätigkeit entspricht oder jedenfalls entsprechen soll, werden dem Freiwilligen eines FSJ gemäß § 2 Abs. 1 Nr. 3 JFDG lediglich ein der Höhe nach gedeckeltes „Taschengeld“ und Sachleistungen für Unterkunft, Verpflegung, Arbeitskleidung oder Geldersatzleistungen erbracht. Aus diesem Grund erlaubt die Höhe des gezahlten Taschengeldes und ggf. solcher Geldersatzleistungen auch keinen Rückschluss auf den wirtschaftlichen Wert der geleisteten Tätigkeit (ebenso Landessozialgericht Niedersachsen-Bremen, Urt. v. 15.07.2015, Az. L 2 R 47/15). Die im Rahmen eines FSJ erbrachte Tätigkeit ist daher ungeachtet ihrer Sozialversicherungspflicht anders als eine sozialversicherungspflichtige herkömmliche abhängige Beschäftigung kaum geeignet, den Status eines „berufsmäßig“ Erwerbstätigen zu begründen (aus ähnlichen Erwägungen im Ergebnis ebenso aber in anderem Zusammenhang: Landessozialgerichts Niedersachsen-Bremen vom 11.03.2015, Az. L 13 AS 10/14).
bb) Dies gilt jedenfalls dann, wenn dem Freiwilligen wie vorliegend nur ein Taschengeld und Geldersatzleistungen gezahlt werden, die unterhalb der Geringfügigkeitsgrenze des § 8 Abs. 1a SGB IV liegen. Entgegen der Ansicht der Beklagten, ist aus dem Umstand, dass ein FSJ keine geringfügige Beschäftigung ist, nicht der Schluss gerechtfertigt, dass es deshalb prägende für die Beurteilung der Berufsmäßigkeit sei (während es geringfügig entlohnte Beschäftigungen nicht seien). Ganz im Gegenteil muss für ein FSJ angesichts seiner nicht erwerbs- sondern gemeinwohlorientierten Ausrichtung (s.o.) erst recht gelten, dass eine Tätigkeit, für die nur ein Arbeitsentgelt bzw. hier ein Taschengeld unterhalb der Geringfügigkeitsgrenze gezahlt wird, gerade nicht geeignet ist, einen Erwerbstätigenstatus zu begründen. Daran ändert die Sozialversicherungspflicht des FSJ nichts. Denn wie oben erläutert setzt die Prüfung des Tatbestandsmerkmals „berufsmäßig“ nicht an der sozialversicherungsrechtlichen Absicherung an, sondern an der wirtschaftlichen Bedeutung für den konkreten Beschäftigten. So wie die Beklagte die Vorgaben der Fußnote 1) der Arbeitshilfe interpretiert und umsetzt, behandelt sie Freiwilligendienste wie das FSJ ohne ersichtlichen Grund als stärker berufsprägend als es für eine herkömmliche, auf Erwerbsabsicht zielende Erwerbstätigkeit gilt. Denn während die Beklagte letztere zur Begründung der Berufsmäßigkeit nur heranzieht, wenn ein Arbeitsentgelt über der Geringfügigkeitsgrenze erzielt wird (so Widerspruchsbescheid Seite 4 unten und Geringfügigkeits-Richtlinien Fallbeispiel Nr. 48 zu Ziff. B 2.3.3.2 [Vorauflage der Beklagten aus 2014] bzw. Ziff. B 2.3.3.3 [aktuelle Fassung]), spricht sie ausgerechnet Freiwilligendiensten mit deren nicht berufsorientierter Zielsetzung dieses Privileg allein mit der weder im Widerspruchsbescheid (dort Seite 5 oben) noch auf Nachfrage in der mündlichen Verhandlung begründeten These ab, dass alle Freiwilligendienste im Rahmen der Berufsmäßigkeitsprüfung wie sozialversicherungspflichtige Beschäftigungen zu behandeln seien. Dies überzeugt nicht.
cc) Berufsmäßigkeit lässt sich vorliegend auch nicht aus dem weiteren Erwerbsverhalten der Beigeladenen ableiten. Denn die geprüfte Tätigkeit im Kiosk des Klägers diente der Beigeladenen nicht etwa zur Vorbereitung einer einschlägigen Berufsausbildung (z.B. zur Einzelhandelskauffrau), sondern ausschließlich der Überbrückung der Zwischenzeit bis zum Beginn ihres Hochschulstudiums zum 01.10.2018.
2. Die Kostenentscheidung beruht auf § 197a Abs. 1 Satz 1 SGG i.V.m. § 161 Abs. 1 Verwaltungsgerichtsordnung (VwGO). Sie entspricht dem Ergebnis des Rechtsstreits in der Hauptsache (§ 197a Abs. 1 Satz 1 SGG, § 154 Abs. 1 VwGO).
3. Die Streitwertfestsetzung beruht auf § 52 GKG. Keiner der Hauptbeteiligten des Rechtsstreits war kostenprivilegiert nach § 183 SGG. Der Streitwert ist anhand des wirtschaftlichen Interesses des Klägers an der Klage zu bestimmen. Gegenstand des vom Kläger als potentieller Beitragsschuldner eingeleiteten Rechtsstreits war eine Nachforderung von Beiträgen in Höhe von 1.307,44 €. Der Streitwert ist daher in dieser Höhe festzusetzen, nachdem die Beteiligten hierzu in der mündlichen Verhandlung angehört wurden.