Tenor:
Auf die Berufung der Beklagten wird das Urteil des Sozialgerichts Köln vom 11.10.2021 abgeändert. Die Klage wird abgewiesen.
Außergerichtliche Kosten sind in beiden Rechtszügen nicht zu erstatten.
Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand:
Streitig ist die Gewährung einer Witwerrente.
Der am 00.00.0000 geborene Kläger ist Witwer der am 00.00.0000 geborenen und am 00.00.0000 verstorbene Versicherten V. (nachfolgend: Versicherte).
Die Versicherte beantragte am 14.08.2019 Rente wegen voller Erwerbsminderung bei der Beklagten. Die Beklage zog das Vorerkrankungsverzeichnis der Krankenkasse der Versicherten, der T. E. bei, wonach u.a. im April und Mai 2014 eine bösartige Neubildung der Vulva und ein bösartiges Melanom der Haut sowie nachfolgend im Juli 2015 bösartige Neubildungen der Lymphknoten der unteren Extremitäten, im August 2015 des Bronchus und der Lunge und im Februar 2018 des Ösophagus diagnostiziert worden waren. Ausweislich des Bescheides des B. vom 18.11.2015 war bei der Versicherten ein Grad der Behinderung von 100 festgestellt worden. In einem Gutachten nach Aktenlage des MDK U. vom 08.08.2019 wurde ein Pflegegrad 4 festgestellt und ausgeführt, die Versicherte werde zu Hause von ihrem Lebensgefährten, einem Pflegedienst und einem Palliativarzt palliativ gepflegt und versorgt; sie sei überwiegend bettlägerig und werde lediglich auf einen Toilettenstuhl transferiert. In einem Tumorboard-Befund des CIO Hauttumorzentrums der Universitätsklinik M. vom 22.07.2019 (S.) wurde ein ulzeriertes malignes Melanom der Vulva diagnostiziert und u.a. von einer Hemivulvektomie mit Nachexzision im Mai 2014, folgender Bestrahlung, Auftreten eines Rezidivs im Januar 2018 an der Vaginalwand und Entfernung von Blase, Uterus, Adnexen und Vulva im Juni 2018 berichtet und eine Chemotherapie empfohlen. Der Tumor sei in der jetzigen Situation nicht mehr operabel. Die Neurologin und Psychiaterin F. diagnostizierte in einem Attest vom 26.06.2019 ein depressives Syndrom. Die Allgemeinmedizinerin Z. führte im Juli 2019 aus, inzwischen sei der Allgemeinzustand der Versicherten soweit reduziert, dass sie nicht weiter belastbar sei. Sie entwickele nun depressive Episoden und sei nicht mehr gehfähig.
Mit Bescheid vom 19.09.2019 gewährte die Beklagte der Versicherten Rente wegen voller Erwerbsminderung ab dem 01.08.2019 in Höhe von 1.159,71 € netto.
Am 10.09.2019 schlossen der Kläger und die Versicherte vor der Standesbeamtin P., Standesamt G. zu Hause die Ehe. Die Versicherte verstarb am 00.00.0000.
Der Kläger beantragte am 29.01.2020 die Gewährung von großer Witwerrente. In einem Begleitschreiben zur Anlage R0510 (Anlage zum Antrag auf Witwenrente / Witwerrente, wenn die Ehe / Eingetragene Lebenspartnerschaft nach dem 31.12.2001 geschlossen wurde und nicht mindestens ein Jahr gedauert hat) führte er aus, er habe die Versicherte im Januar 1994 kennen gelernt. Seit Spätsommer 1995 lebten sie in seinem Haus in einem gemeinsamen Haushalt in einer ehegleichen Lebensgemeinschaft. Mit den Jahren hätte sich der Blick auf die Ehe geändert und es sei der grundsätzliche Entschluss gefasst worden, ihre Partnerschaft auch amtlich dokumentieren zu lassen. Im Frühjahr 2014 sei bei der Versicherten schwarzer Hautkrebs in seiner aggressivsten Form diagnostiziert worden. Es sei der feste Entschluss gefasst worden, die Eheschließung endlich nachzuholen. Hätte die Eheschließung die primäre Zielsetzung gehabt, eine Versorgungsehe zu sein, wäre Frühjahr 2014 der ideale Zeitpunkt gewesen. Die langfristigen Überlebenschancen der Versicherten seien als eher klein einzustufen gewesen. Es seien mehrere Operationen und anschließende schwierige Therapien gefolgt. Den Heiratsplänen hätte auf einmal der angemessene Rahmen gefehlt. Er sei für sich zu der Überzeugung gekommen, das Thema Heirat gegenüber der Versicherten auszuklammern, da er es als vollkommen respektlos empfunden habe. Umso glücklicher sei er gewesen, als die Versicherte das Thema Heirat im Spätsommer 2019 angesprochen habe. Eine Versorgungsabsicht habe mitnichten eine Rolle gespielt. Seine monatlichen Alterseinkünfte betrügen derzeit 5.413,- € brutto (2.402,61 € von der Beklagten sowie 3.010,52 € private Rentenversicherung / Arbeitgeberversorgungswerk) und stünden maximal 637,84 € möglicher Witwerrente gegenüber. Die Beantragung der großen Witwerrente fuße auf der prinzipiellen Überlegung, dass die Lebensleistung der Versicherten in angemessener, respektvoller Weise gewürdigt werden solle. Er verwies auf eine schriftliche Erklärung der Versicherten vom 16.09.2019 mit der diese der Beklagten unter anderem die Heiratsurkunde vom 10.09.2019 übersandt und ausgeführt hatte, nach nunmehr 24-jährigem Zusammenleben in einem Haushalt sei seit der Erstdiagnose ihrer Krebserkrankung im Frühjahr 2014 der Entschluss gereift, ihre Lebenspartnerschaft endlich durch eine Heirat auch offiziell zu dokumentieren. Durch die erforderlich gewordenen Operationen und Therapien sei ihr bisheriges Leben derart auf den Kopf gestellt worden, dass zwischenzeitlich angedachte Heiratstermine immer wieder hätten verschoben werden müssen. Nachdem der Therapieverlauf zuletzt einen Augenblick des Verweilens gewährt habe, seien sie beide nun zufrieden, die Heirat, wenn auch spät, endlich vollzogen zu haben.
Mit Bescheid vom 08.04.2020 lehnte die Beklagte den Antrag auf Witwerrente ab. Zur Begründung führte sie aus, bei einer Dauer der Ehe von weniger als einem Jahr – wie vorliegend – gehe der Gesetzgeber in § 46 Abs. 2 a des Sechsten Buches des Sozialgesetzbuches – Gesetzliche Rentenversicherung (SGB VI) davon aus, dass der überwiegende Zweck der Eheschließung die Versorgung durch eine Hinterbliebenenrente sei. Diese Annahme könne von den Betroffenen widerlegt werden, wenn besondere Umstände gegen die gesetzliche Vermutung sprächen. Dies sei z.B. der Fall, wenn der Tod plötzlich durch ein unvorhersehbares Ereignis wie einen Unfall eingetreten sei oder zum Zeitpunkt der Eheschließung nicht absehbar gewesen sei, dass eine vorhandene Krankheit zum Tod führen würde. Der Kläger habe die gesetzliche Vermutung nicht widerlegen können. Im vorliegenden Fall sei zum Zeitpunkt der Eheschließung absehbar gewesen, dass die Krebserkrankung innerhalb eines Jahres zum Tode der Versicherten führen würde.
Dagegen legte der Kläger am 04.05.2020 Widerspruch ein. Er führte aus, offenbar würden seine erläuternden Ausführungen im Begleitschreiben ignoriert bzw. als irrelevant beurteilt. Wenn er die Ehe aus materiellen Gründen hätte herbeiführen wollen, wäre es in der Zeit von April 2014 bis Januar 2019 ein leichtes gewesen. Er fügte einen Tumorboard-Befund des CIO Hauttumorzentrums der M. vom 13.07.2015 bei mit den Diagnosen eines ulzerierten malignen Melanoms der Vulva und eines bösartigen Melanoms der Haut.
Mit Widerspruchsbescheid vom 01.09.2020 wies die Beklagte den Widerspruch zurück. Das Vorliegen einer Versorgungsehe werde nach § 46 Abs. 2a SGB VI vermutet, wenn ein Ehepartner innerhalb eines Jahres nach der Eheschließung versterbe. Zwar könne das Vorliegen einer Versorgungsehe im Einzelfall von dem Betroffenen widerlegt werden, unter anderem dann, wenn die tödlichen Folgen einer Krankheit bei der Eheschließung nicht vorhersehbar gewesen seien. Der Kläger habe die gesetzliche Annahme der Versorgungsehe nicht widerlegen können. Erst nach Feststellung der lebensbedrohlichen Erkrankung der Versicherten hätten sich die beiden entschlossen, zu heiraten. Im Zeitpunkt der Heirat am 10.09.2019 habe die Versicherte an einer lebensbedrohlichen Tumorerkrankung gelitten. Laut Tumorboard-Befund vom 22.07.2019 sei das maligne Melanom nicht mehr operabel gewesen. Seit dem 01.08.2019 sei der Pflegegrad 4 anerkannt gewesen. Nach dem Pflegegutachten habe eine palliative Situation mit metastasierender Tumorerkrankung vorgelegen. Dies bestätige die gesetzliche Annahme einer Versorgungsehe. Auch die Tatsache, dass der Kläger und die Versicherte 24 Jahre ohne Trauschein zusammengelebt hätten, spreche für das Vorliegen einer Versorgungsehe. Zudem werde die gesetzliche Vermutung nicht dadurch widerlegt, dass der Kläger seinen Lebensunterhalt aus eigenen Mitteln bestreiten könne. Die konkrete Bedarfslage dürfe bei der Frage der Widerlegung der gesetzlichen Vermutung nicht maßgeblich sein. Andernfalls würde dies dazu führen, dass finanziell gut abgesicherte Hinterbliebene der Annahme einer Versorgungsehe regelmäßig mit dem Hinweis auf ihre Einkommenslage entgegentreten könnten, während sich finanziell bedürftige Witwer bzw. Witwen ihren Bedarf entgegenhalten lassen müssten. Dieses Ergebnis könne der Gesetzgeber nicht gewollt haben.
Hiergegen hat der Kläger am 14.09.2019 vor dem Sozialgericht (SG) Köln Klage erhoben. Er hat auf seine vorgerichtlichen Ausführungen verwiesen und vorgetragen, im Jahre 2014 wäre der optimale Zeitpunkt gewesen, die Eheschließung umzusetzen, soweit die Motivation bestanden hätte, sich zusätzlich Versorgungsansprüche zu verschaffen. Die Versicherte und er hätten beide konkrete Vorstellungen für ihre Heiratspläne gehabt, dies sei nach der damaligen Lebenswirklichkeit aber nicht vorstellbar gewesen. Finanzielle Überlegungen seien zu keinem Zeitpunkt Motivation der Eheschließung gewesen. Die Anmeldung zur Eheschließung habe nicht auf normalem Weg über das Standesamt geführt werden können. Die Versicherte sei derart geschwächt gewesen, dass nur eine Eheschließung im häuslichen Umfeld möglich gewesen sei. Die Standesbeamtin P. (Standesamt G.) habe sich zunächst am 30.08.2019 ablehnend geäußert, weswegen er sich am 01.09.2019 an den Bürgermeister L. gewandt habe und in einer beigefügten E-Mail seine Gründe geschildert habe, wonach sich die Krankheit der Versicherten in einem zeitrafferartigen Tempo entwickele und es ein dringendes Bedürfnis sei, die bisher ausgebliebene Trauung vor dem finalen Ereignis zu vollziehen. Die Versicherte sei so sehr geschwächt gewesen, dass sie das Bett quasi nicht mehr verlassen könne. Die Trauung sei dann durch die Standesbeamte P. im häuslichen Umfeld vorgenommen worden.
Der Kläger hat beantragt,
die Beklagte unter Aufhebung des Bescheides vom 08.04.2020 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 01.09.2020 zu verurteilen, ihm ausgehend von einer Rentenantragstellung am 29.01.2020 eine Witwerrente nach Maßgabe der gesetzlichen Bestimmungen zu gewähren.
Die Beklagte hat beantragt,
die Klage abzuweisen.
Sie hat auf ihre Ausführungen im Verwaltungs- und Widerspruchsverfahren Bezug genommen. Die bisher vorgelegten Unterlagen ließen den Schluss zu, dass es sich sehr wohl um eine Versorgungsehe handele. So habe der Kläger beispielsweise im vorgelegten Begleitschreiben zum Antrag auf Witwerrente mitgeteilt, dass er die von der Versicherten in die Sozialsysteme eingezahlten Beiträge, so auch die Rentenversicherungsbeiträge, in angemessener, respektvoller Weise gewürdigt haben wolle. Bisher seien keine objektiven Nachweise vorgelegt worden, die einen früheren Heiratswillen erkennen lassen würden bzw. es sei nicht überzeugend dargelegt worden, weshalb dieser Heiratsentschluss nicht früher umgesetzt worden sei.
Das SG hat die Sammelakte des Standesamtes G. beigezogen und einen Befundbericht der Chirurgin K. beigezogen, die ausgeführt hat, während der Zeit der Behandlung von 2014 bis 2019 habe sich eine langsam schleichende Verschlechterung des Gesundheitszustandes der Versicherten ergeben. Schon mit der Diagnosestellung im Mai 2014 sei absehbar gewesen, dass die Versicherte sterben werde, das genaue Datum des Ablebens hätte natürlich nicht prognostiziert werden können. Der Verlauf sei bereits im August 2014 sowohl mit der Versicherten als auch dem Kläger hinlänglich besprochen worden. Im Frühsommer 2019 sei dann im Einverständnis mit der Versicherten die aktive Behandlung eingestellt worden.
Im Termin zur mündlichen Verhandlung am 11.10.2021 hat das SG den Kläger befragt sowie die Standesbeamtin P. und die Mutter der Versicherten Frau I. als Zeuginnen vernommen. Wegen des Ergebnisses der Beweisaufnahme wird auf die Sitzungsniederschrift verwiesen.
Mit Urteil vom 11.10.2021 hat das SG die Beklagte verurteilt, dem Kläger unter Aufhebung des Bescheides vom 08.04.2020 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 01.09.2020 Witwerrente nach Maßgabe der gesetzlichen Bestimmungen zu gewähren. In den Entscheidungsgründen hat es ausgeführt, die gesetzliche Vermutung über das Vorliegen einer Versorgungsehe sei hier entkräftet. Der Kläger habe glaubhaft bekundet, dass der Heiratsentschluss bereits vor 2014 gefasst worden und nach der Krebsdiagnose klar gewesen sei, dass der Entschluss der Heirat nun endlich vollzogen werde. Hauptbeweggrund sei gewesen, ihre Liebe und Verbundenheit über den Tod der Versicherten hinaus zu bekräftigen und nicht dem Kläger eine Versorgung zu verschaffen.
Gegen das ihr am 12.11.2021 zugestellte Urteil hat die Beklagte am 22.11.2021 Berufung eingelegt. Sie trägt vor, entgegen der Annahme des SG sei die gesetzliche Vermutung einer Versorgungsehe von dem Kläger nicht widerlegt worden. Bei Heirat eines zum Zeitpunkt der Eheschließung offenkundig bereits an einer lebensbedrohlichen Krankheit leidenden Versicherten sei in der Regel der Ausnahmetatbestand des § 46 Abs. 2a SGB VI nicht erfüllt. Das SG lege selbst ausführlich die objektiven Umstände dar, die sämtlich für das Vorliegen einer Versorgungsehe sprächen: Diagnose der lebensbedrohlichen Krebserkrankung im Jahr 2014, in der Folge Entwicklung von Metastasen, Verschlechterung des Gesundheitszustandes im Frühsommer 2019, Bettlägerigkeit seit Juli 2019, ausweislich des Tumorboards vom 22.07.2019 sei der Tumor nicht mehr operabel gewesen, ab diesem Zeitpunkt palliative Chemotherapie, Nottrauung im häuslichen Umfeld am 10.09.2019, Tod der Versicherten am 00.00.0000, also vier Monate nach der Nottrauung. Die Widerlegung der gesetzlichen Vermutung erfordere den vollen Beweis des Gegenteils. Vor dem Hintergrund der objektiven äußeren Umstände führe lediglich die eigene Bekundung des Klägers gegenüber dem SG, der Heiratsentschluss sei vor 2014 bereits gefasst worden, nicht zur Widerlegung der gesetzlichen Vermutung einer Versorgungsehe. Der Entschluss der Eheschließung sei als Folge der lebensbedrohlichen Erkrankung gefasst worden und sei durch keinerlei objektiven Umstand nach außen offenbar geworden. Hochzeitsplanungen könnten jedoch nur die Vermutung der Versorgungsehe widerlegen, wenn sie hinreichend konkret seien. Lediglich abstrakte Pläne zur Heirat ohne entsprechende Vorbereitungen und definitiv ins Auge gefassten Termin reichten nicht aus. Aus welchen Gründen emotionalen Gesichtspunkten ein größeres Gewicht beizumessen sein sollte als den objektiven äußeren Umständen, zeige das SG in keiner Weise auf. Eine eigene gute Versorgungslage des Klägers führe nicht zu einer Widerlegung der gesetzlichen Vermutung.
Die Beklagte beantragt,
das Urteil des Sozialgerichts Köln vom 11.10.2021 abzuändern und die Klage abzuweisen.
Der Kläger beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Er hält die angefochtene Entscheidung für zutreffend und übersendet eine handschriftliche Aufzeichnung der Versicherten, die diese im Angesicht des final nicht abwendbaren Todes für die Trauerfeier im Krankenbett verfasst habe und die gemeinsam mit ihm überarbeitet und der evangelischen Pastorin übergeben worden sei. Die Beschlussfassung laute: “Was mein Schatz für mich getan hat, könnte ich nie wiedergutmachen. Mir bleibt nur zu sagen: Ich liebe dich, über den Tod hinaus. Es gäbe sicher noch viel zu sagen, doch wo einen Anfang und ein Ende finden …“. Diese Erklärung bekräftige, dass die Beziehung zwischen der Versicherten und ihm der überwiegende Zweck der Eheschließung gewesen sei. Das Bundessozialgericht (BSG) habe klargestellt, dass auch bereits für offenkundig an einer lebensbedrohlichen Krankheit leidende Versicherte der Nachweis des Ausnahmetatbestandes nicht ausgeschlossen sei. Eine Beschränkung der Motive der Ehegatten sei nicht zulässig. Hierbei seien auch gerade subjektive Empfindungen wie Liebe von besonderer Bedeutung. Das Landessozialgericht (LSG) NRW habe in der Entscheidung vom 18.05.2009 (L 3 R 115/08) in einer ähnlichen Situation klargestellt, dass ein der Versorgungsehe entgegenstehendes Heiratsmotiv auch darin gesehen werden könne, dass die Witwe dem bereits todkranken Versicherten seinen letzten Wunsch, ihn zu heiraten, nicht habe abschlagen können. Wäre der Versorgungswunsch in irgendeiner Form wesentlich gewesen, hätte der Kläger als Versicherungsbetriebswirt mit 40-jähriger Berufspraxis in der Assekuranz nicht jahrelang zugewartet, obwohl er seit mehr als sechs Jahren gewusst habe, dass das finale Ereignis unabwendbar sei.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird Bezug genommen auf die Gerichtsakte und die Verwaltungsakte der Beklagten, die Gegenstand der mündlichen Verhandlung gewesen sind.
Entscheidungsgründe:
Die Berufung der Beklagten ist zulässig und begründet.
Das SG hat die Beklagte mit Urteil vom 11.10.2021 zu Unrecht verurteilt, dem Kläger Witwerrente nach Maßgabe der gesetzlichen Bestimmungen zu gewähren. Der Bescheid der Beklagten vom 08.04.2020 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 01.09.2020 ist rechtmäßig und verletzt den Kläger nicht in seinen Rechten (§ 54 Abs. 2 Satz 1 des Sozialgerichtsgesetzes [SGG]). Der Kläger hat keinen Anspruch auf die Gewährung einer Witwerrente.
Gem. § 46 Abs. 2 Satz 1 SGB VI haben Witwer, die nicht wieder geheiratet haben, nach dem Tod des versicherten Ehegatten, der die allgemeine Wartezeit erfüllt hat, Anspruch auf große Witwerrente, wenn sie
1. ein eigenes Kind oder ein Kind des versicherten Ehegatten, das das 18. Lebensjahr noch nicht vollendet hat, erziehen,
2. das 47. Lebensjahr vollendet haben oder
3. erwerbsgemindert sind.
Der am 00.00.0000 geborene Kläger ist Witwer der am 00.00.0000 geborenen Versicherten, sein Anspruch auf Witwerrente ist jedoch gem. § 46 Abs. 2a SGB VI ausgeschlossen. Nach dieser Vorschrift haben Witwer keinen Anspruch auf Witwerrente, wenn die Ehe nicht mindestens ein Jahr gedauert hat, es sei denn, dass nach den besonderen Umständen des Falles die Annahme nicht gerechtfertigt ist, dass es der alleinige oder überwiegende Zweck der Heirat war, einen Anspruch auf Hinterbliebenenversorgung zu begründen.
Die am 10.09.2019 geschlossene Ehe des Klägers mit der am 00.00.0000 verstorbenen Versicherten hat weniger als ein Jahr gedauert. Damit ist der Tatbestand des § 46 Abs. 2a Halbs. 1 SGB VI erfüllt. Der Regeltatbestand einer Versorgungsehe liegt
vor.
Zur Überzeugung des Senats sind die Voraussetzungen des Ausnahmetatbestandes des § 46 Abs. 2a Halbs. 2 SGB VI nicht im Sinne eines an Gewissheit nahekommenden Grades der Wahrscheinlichkeit nachgewiesen. Unter Abwägung des Gesamtergebnisses des Verfahrens lassen sich besondere Umstände für eine Widerlegung der gesetzlichen Vermutung nicht feststellen.
§ 46 Abs. 2a SGB VI enthält die gesetzliche Vermutung, dass eine innerhalb eines Jahres vor dem Tod eines Versicherten geschlossene Ehe ausschließlich oder überwiegend zu dem Zweck eingegangen wurde, einen Anspruch auf Hinterbliebenenrente zu begründen, und schließt deshalb den Anspruch auf Witwen- oder Witwerrente aus. Die sich aus der gesetzlichen Vermutung ergebende anspruchsvernichtende Rechtsfolge (Ausschluss des Anspruchs auf Witwenrente) kann jedoch durch das Vorliegen besonderer Umstände widerlegt werden. Der Begriff der besonderen Umstände, die geeignet sind, die Vermutung einer Versorgungsehe zu widerlegen, ist ein unbestimmter Rechtsbegriff, der von den Rentenversicherungsträgern und den Gerichten der Sozialgerichtsbarkeit mit einem bestimmten Inhalt ausgefüllt werden muss und dessen Beurteilungsspielraum der vollen richterlichen Kontrolle unterliegt (BSG, Urteil v. 05.05.2009 - B 13 R 55/08 R; Senatsurteil vom 15.12.2021 - L 3 R 693/14).
Als besondere Umstände i.S. des § 46 Abs. 2a SGB VI sind alle äußeren und inneren Umstände des Einzelfalls anzusehen, die auf einen von der Versorgungsabsicht verschiedenen Beweggrund für die Heirat schließen lassen. Dabei kommt es auf die (gegebenenfalls auch voneinander abweichenden) Beweggründe (Motive, Zielvorstellungen) beider Ehegatten an, es sei denn, dass der hinterbliebene Ehegatte den Versicherten beispielsweise durch Ausnutzung einer Notlage oder Willensschwäche zur Eheschließung veranlasst hat. Die „Annahme" des anspruchsausschließenden Vorliegens einer Versorgungsehe bei einer Ehedauer von nicht mindestens einem Jahr ist nach dem Ausnahmetatbestand des § 46 Abs. 2a Halbsatz 2 SGB VI nur dann nicht gerechtfertigt, wenn die Gesamtbetrachtung und Abwägung der Beweggründe beider Ehegatten für die Heirat ergibt, dass die von der Versorgungsabsicht verschiedenen Beweggründe insgesamt gesehen den Versorgungszweck überwiegen oder - da der Wortlaut auf den "alleinigen oder überwiegenden Zweck der Heirat" abhebt - zumindest gleichwertig sind. Es ist daher auch nicht zwingend, dass bei beiden Ehegatten andere Beweggründe als Versorgungsgesichtspunkte für die Eheschließung ausschlaggebend waren (BSG, 05.05.2009 - B 13 R 55/08 R -, Rn. 20, 21, m.w.N.).
Eine Beschränkung auf objektiv nach außen tretende Umstände bei der Ermittlung der Beweggründe für die Heirat bzw. ihres Zwecks darf nicht stattfinden, da dann die Möglichkeit des hinterbliebenen Ehegatten, die gesetzliche Vermutung einer Versorgungsehe zu entkräften, in unzulässiger Weise beschnitten würde. Allerdings sind von dem hinterbliebenen Ehegatten glaubhaft behauptete innere Umstände für die Heirat nicht isoliert zu betrachten, sondern vor dem Hintergrund der im Zeitpunkt der Eheschließung bestehenden äußeren Umstände in die Gesamtwürdigung einzustellen.
Eine gewichtige Bedeutung kommt hierbei stets dem Gesundheits- bzw. Krankheitszustand des Versicherten zum Zeitpunkt der Eheschließung zu. Ein gegen die gesetzliche Annahme einer Versorgungsehe sprechender (äußerer) Umstand im Sinne des § 46 Abs. 2a Halbs. 2 SGB VI ist dann anzunehmen, wenn der Tod des Versicherten ohne bisher bestehendes gesundheitliches Risiko plötzlich eingetreten ist. In diesem Fall kann nicht davon ausgegangen werden, dass es Zweck der Eheschließung war, dem Hinterbliebenen durch die Eheschließung eine Versorgung zu verschaffen. Demgegenüber wird bei einer Eheschließung zu einer Zeit, in der der Versicherte offenkundig bereits an einer lebensbedrohlichen Krankheit leidet, regelmäßig der Ausnahmetatbestand des § 46 Abs. 2a Halbs.2 SGB VI nicht erfüllt (BSG, Urteil vom 05.05.2009 - B 13 R 55/08 R -, Rn. 26 ff). Mit dem Grad der Lebensbedrohlichkeit einer Krankheit und dem Grad der Offenkundigkeit steigt zugleich der Grad des Zweifels an dem Vorliegen solcher vom hinterbliebenen Ehegatten zu beweisenden besonderen Umstände, die von diesem für die Widerlegung der gesetzlichen Vermutung einer Versorgungsehe bei einem Versterben des versicherten Ehegatten innerhalb eines Jahres nach Eheschließung angeführt werden. Bei der Gesamtbewertung müssen in diesen Fallgestaltungen daher die besonderen inneren und äußeren Umstände, die gegen eine Versorgungsehe sprechen, umso gewichtiger sein, je offenkundiger und je lebensbedrohlicher die Krankheit eines Versicherten im Zeitpunkt der Eheschließung gewesen ist.
Der Ausnahmetatbestand des § 46 Abs. 2a SGB VI ist nur erfüllt, wenn hinsichtlich des ausschließlichen oder überwiegenden Zwecks der Heirat, einen Anspruch auf Hinterbliebenenrente zu begründen, nach § 202 SGG i.V.m. § 292 Zivilprozessordnung (ZPO) der volle Beweis des Gegenteils erbracht wird (BSG, Urteil vom 05.05.2009, - B 13 R 55/08 R -, Rn. 26 ff). Hierbei muss sich das Gericht grundsätzlich die volle Überzeugung im Sinne einer an Gewissheit grenzenden Wahrscheinlichkeit vom Vorliegen oder Nichtvorliegen der Tatsachen verschaffen. Diese Voraussetzung ist gegeben, wenn in so hohem Maße wahrscheinlich ist, dass alle Umstände des Falles nach vernünftiger Abwägung des Gesamtergebnisses des Verfahrens und nach der allgemeinen Lebenserfahrung geeignet sind, die volle richterliche Überzeugung zu begründen. Die Darlegungs- und Beweislast für ihr Vorliegen als ein den Anspruch begründender Umstand und damit auch die Folgen eines nicht ausreichenden Beweises trägt nach dem Grundsatz der objektiven Beweislast derjenige, der den Witwen-/Witwerrentenanspruch geltend macht (BSG, Urteil vom 05.05.2009 – B 13 R 55/08 R –, Rn. 28).
Unter Berücksichtigung dieser rechtlichen Vorgaben sind zur Überzeugung des Senates die Voraussetzungen des Ausnahmetatbestandes des § 46 Abs. 2a Halbs. 2 SGB VI nicht im Sinne eines an Gewissheit nahekommenden Grades der Wahrscheinlichkeit nachgewiesen. Unter Abwägung des Gesamtergebnisses des Verfahrens lassen sich besondere Umstände für eine Widerlegung der gesetzlichen Vermutung nicht feststellen.
Vielmehr ist als ein die Annahme einer Versorgungsehe bestätigender äußerer Umstand anzusehen, dass die Versicherte zum Zeitpunkt der Eheschließung bereits erkennbar an einer lebensbedrohlichen Erkrankung gelitten hat.
Bei dieser wurden im April und Mai 2014 eine bösartige Neubildung der Vulva und ein bösartiges Melanom der Haut sowie nachfolgend im Juli 2015 bösartige Neubildungen der Lymphknoten der unteren Extremitäten, im August 2015 des Bronchus und der Lunge und im Februar 2018 des Ösophagus diagnostiziert. Es erfolgten eine Hemivulvektomie mit Nachexzision im Mai 2014, folgender Bestrahlung, Auftreten eines Rezidivs im Januar 2018 an der Vaginalwand und Entfernung von Blase, Uterus, Adnexen und Vulva im Juni 2018 sowie eine Chemotherapie. Der Zustand der Versicherten verschlechterte sich zunehmend, sie wurde bei Eheschließung nur noch palliativ gepflegt und versorgt und war überwiegend bettlägerig.
Andere schwerwiegende Gründe, die die Annahme einer Versorgungsehe widerlegen könnten, sind nicht ersichtlich. Soweit der Kläger vorträgt, dass gerade subjektive Empfindungen wie Liebe von besonderer Bedeutung gewesen seien will der Senat die Empfindungen des Klägers und der Versicherten nicht in Abrede stellen, dies vermag jedoch zur Überzeugung des Senates die hier erforderlichen gewichtigen besonderen Umstände nicht zu begründen. Das Eingehen der Ehe war für den Bestand der Liebe nach vierundzwanzigjährigem Zusammenleben nicht entscheidend. Insoweit hat der Kläger in der mündlichen Verhandlung vom 24.05.2023 auch nachvollziehbar dargelegt, dass die Versicherte und er „gefühlt praktisch innerlich miteinander verheiratet gewesen seien“.
Im Übrigen können Hochzeitsplanungen nur dann die Vermutung der Versorgungsehe widerlegen, wenn sie hinreichend konkret sind und sich als die konsequente Verwirklichung einer schon vor Bekanntwerden der Erkrankung gefassten Heiratsabsicht darstellen (vgl. LSG NRW, Urteil vom 25.08.2015 – L 18 KN 104/14 –, Rn. 34; Bayerisches LSG, Urteile vom 23.07.2003 - L 2 U 360/01 –, Rn. 28 und vom 20.02.2013 - L 1 R 304/11 –, Rn. 41; LSG Baden-Württemberg, Urteil vom 22.06.2010 - L 11 R 1116/08 –, Rn. 36). Lediglich abstrakte Pläne zur Heirat, ohne entsprechende Vorbereitungen und ohne definitiv ins Auge gefassten Termin reichen nicht aus, um einen bereits vor dem Bekanntwerden der lebensbedrohlichen Erkrankung gefassten Heiratsentschluss zu beweisen (vgl. LSG Baden-Württemberg, Urteil vom 16.10.2012 - L 11 R 392/11 –, Rn. 27; LSG NRW, Urteil vom 3.12.2013 - L 18 KN 29/13 –, Rn. 39). Ein derartiger konkreter Heiratsplan zu einem definitiven Datum ist jedoch weder dargelegt noch durch den Kläger nachgewiesen worden. Die Aussagen der Zeuginnen P. und A. in der mündlichen Verhandlung vor dem SG sind hierzu unergiebig gewesen. Vielmehr hat der Kläger sowohl bei seiner Befragung in der mündlichen Verhandlung vor dem SG als auch im Senatstermin vom 24.05.2023 dargelegt, dass kein konkreter Hochzeitstermin oder ein bestimmter Plan, der dann hätte abgesagt werden müssen, in der Zeit von 2014 bis 2019 vorgelegen habe. Eine Vergleichbarkeit mit dem durch den Kläger zitierten Urteil des Senates vom 18.05.2009, L 3 R 115/08, liegt insoweit gerade nicht vor, da dort entscheidend und durch Zeugenbeweis gestützt dargelegt worden war, dass zu einem Zeitpunkt, als die Lebensbedrohlichkeit der Erkrankung noch nicht bewusst gewesen war, ein fester Entschluss zur Hochzeit an einem konkreten Termin bereits gefasst worden war.
Weiterhin ist auch nicht darauf abzustellen, ob bei einer Eheschließung bereits im Jahre 2014 keine Versorgungsehe im Sinne des § 46 Abs. 2a SGB VI vorgelegen hätte, maßgeblich sind vielmehr die Umstände, die bei der tatsächlich erfolgten Eheschließung am 10.09.2019 vorgelegen haben.
Schließlich spricht auch das planmäßige Vorgehen des Klägers bei der Beantragung der Witwerrente für eine generelle, also auch die Witwerversorgung umfassende Versorgungsabsicht. Der Kläger ist sich jedenfalls bei Antragstellung den gesetzlichen Regelungen zum Ausschluss der Hinterbliebenenversorgung beim Vorliegen einer Versorgungsehe bewusst gewesen und hat hierzu ein Begleitschreiben „Andere Gründe“ gefertigt, welches die gesetzliche Vermutung zur Annahme einer Versorgungsehe aus seiner Sicht widerlegen sollte. Darin hat er eingeräumt, dass durch die Beantragung der großen Witwerrente die Lebensleistung der Versicherten, die ein Berufsleben lang in die Sozialsysteme, so auch die Rentenversicherung, eingezahlt hätte, in angemessener, respektvoller Weise gewürdigt werden sollte, mithin also die Rentenversicherungsbeiträge der Versicherten ihm als Versorgung zukommen sollten. Insoweit wird die Annahme einer Versorgungsehe auch nicht dadurch widerlegt, dass der Kläger nach den von ihm dargelegten Einkünften nicht zwingend auf die Witwerrente angewiesen ist, da diese ihm jedenfalls eine höhere wirtschaftliche Absicherung verschafft hätte.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 Abs. 1 Satz 1 SGG.
Gründe für die Zulassung der Revision bestehen nicht, § 160 Abs. 2 SGG.
Rechtsmittelbelehrung:
Dieses Urteil kann nur dann mit der Revision angefochten werden, wenn sie nachträglich vom Bundessozialgericht zugelassen wird. Zu diesem Zweck kann die Nichtzulassung der Revision durch das Landessozialgericht mit der Beschwerde angefochten werden.
Die Beschwerde ist von einem bei dem Bundessozialgericht zugelassenen Prozessbevollmächtigten innerhalb eines Monats nach Zustellung des Urteils schriftlich oder in elektronischer Form beim
Bundessozialgericht, Postfach 41 02 20, 34114 KasseloderBundessozialgericht, Graf-Bernadotte-Platz 5, 34119 Kassel
einzulegen.
Die Beschwerdeschrift muss bis zum Ablauf der Monatsfrist bei dem Bundessozialgericht eingegangen sein.
Die elektronische Form wird durch Übermittlung eines elektronischen Dokuments gewahrt, das für die Bearbeitung durch das Gericht geeignet ist und
- von der verantwortenden Person qualifiziert elektronisch signiert ist und über das Elektronische Gerichts- und Verwaltungspostfach (EGVP) eingereicht wird oder
- von der verantwortenden Person signiert und auf einem sicheren Übermittlungsweg gem. § 65a Abs. 4 Sozialgerichtsgesetz (SGG) eingereicht wird.
Weitere Voraussetzungen, insbesondere zu den zugelassenen Dateiformaten und zur qualifizierten elektronischen Signatur, ergeben sich aus der Verordnung über die technischen Rahmenbedingungen des elektronischen Rechtsverkehrs und über das besondere elektronische Behördenpostfach (Elektronischer-Rechtsverkehr-Verordnung -ERVV) in der jeweils gültigen Fassung. Weitergehende Informationen zum elektronischen Rechtsverkehr können über das Internetportal des Bundessozialgerichts (www.bsg.bund.de) abgerufen werden.
Als Prozessbevollmächtigte sind nur zugelassen
- jeder Rechtsanwalt,
- Rechtslehrer an einer staatlichen oder staatlich anerkannten Hochschule eines Mitgliedsstaates der Europäischen Union, eines anderen Vertragsstaates des Abkommens über den Europäischen Wirtschaftsraum oder der Schweiz, die die Befähigung zum Richteramt besitzen,
- selbständige Vereinigungen von Arbeitnehmern mit sozial- oder berufspolitischer Zwecksetzung für ihre Mitglieder,
- berufsständische Vereinigungen der Landwirtschaft für ihre Mitglieder,
- Gewerkschaften und Vereinigungen von Arbeitgebern sowie Zusammenschlüsse solcher Verbände für ihre Mitglieder oder für andere Verbände oder Zusammenschlüsse mit vergleichbarer Ausrichtung und deren Mitglieder,
- Vereinigungen, deren satzungsgemäße Aufgaben die gemeinschaftliche Interessenvertretung, die Beratung und Vertretung der Leistungsempfänger nach dem sozialen Entschädigungsrecht oder der behinderten Menschen wesentlich umfassen und die unter Berücksichtigung von Art und Umfang ihrer Tätigkeit sowie ihres Mitgliederkreises die Gewähr für eine sachkundige Prozessvertretung bieten, für ihre Mitglieder,
- juristische Personen, deren Anteile sämtlich im wirtschaftlichen Eigentum einer der vorgenannten Organisationen stehen, wenn die juristische Person ausschließlich die Rechtsberatung und Prozessvertretung dieser Organisation und ihrer Mitglieder oder anderer Verbände oder Zusammenschlüsse mit vergleichbarer Ausrichtung und deren Mitglieder entsprechend deren Satzung durchführt, und wenn die Organisation für die Tätigkeit der Bevollmächtigten haftet.
Die vorgenannten Vereinigungen, Gewerkschaften und juristischen Personen müssen durch Personen mit Befähigung zum Richteramt handeln. Behörden und juristische Personen des öffentlichen Rechts einschließlich der von ihnen zur Erfüllung ihrer öffentlichen Aufgaben gebildeten Zusammenschlüsse sowie private Pflegeversicherungsunternehmen können sich durch eigene Beschäftigte mit Befähigung zum Richteramt oder durch Beschäftigte mit Befähigung zum Richteramt anderer Behörden oder juristischer Personen des öffentlichen Rechts einschließlich der von ihnen zur Erfüllung ihrer öffentlichen Aufgaben gebildeten Zusammenschlüsse vertreten lassen.
Ein Beteiligter, der zur Vertretung berechtigt ist, kann sich selbst vertreten. Handelt es sich dabei um eine der vorgenannten Vereinigungen, Gewerkschaften oder juristischen Personen, muss diese durch Personen mit Befähigung zum Richteramt handeln.
Die Beschwerde ist innerhalb von zwei Monaten nach Zustellung des Urteils von einem zugelassenen Bevollmächtigten schriftlich oder in elektronischer Form zu begründen.
In der Begründung muss die grundsätzliche Bedeutung der Rechtssache dargelegt oder die Entscheidung des Bundessozialgerichts, des Gemeinsamen Senats der obersten Gerichtshöfe des Bundes oder des Bundesverfassungsgerichts, von der das Urteil abweicht, oder ein Verfahrensmangel, auf dem die angefochtene Entscheidung beruhen kann, bezeichnet werden. Als Verfahrensmangel kann eine Verletzung der §§ 109 und 128 Abs. 1 Satz 1 Sozialgerichtsgesetz nicht und eine Verletzung des § 103 Sozialgerichtsgesetz nur gerügt werden, soweit das Landessozialgericht einem Beweisantrag ohne hinreichende Begründung nicht gefolgt ist.
Für die Beschwerde gegen die Nichtzulassung der Revision kann ein Beteiligter, der nicht schon durch die oben genannten Vereinigungen, Gewerkschaften oder juristischen Personen vertreten ist, Prozesskostenhilfe zum Zwecke der Beiordnung eines Rechtsanwalts beantragen.
Der Beteiligte kann die Prozesskostenhilfe selbst beantragen. Der Antrag ist beim Bundessozialgericht entweder schriftlich oder in elektronischer Form einzureichen oder mündlich vor dessen Geschäftsstelle zu Protokoll zu erklären.
Dem Antrag sind eine Erklärung des Beteiligten über seine persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse (Familienverhältnisse, Beruf, Vermögen, Einkommen und Lasten) sowie entsprechende Belege beizufügen. Hierzu ist der für die Abgabe der Erklärung vorgeschriebene Vordruck zu benutzen. Der Vordruck kann von allen Gerichten oder durch den Schreibwarenhandel bezogen werden.
Wird Prozesskostenhilfe bereits für die Einlegung der Beschwerde begehrt, so müssen der Antrag und die Erklärung über die persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse - gegebenenfalls nebst entsprechenden Belegen - bis zum Ablauf der Frist für die Einlegung der Beschwerde (ein Monat nach Zustellung des Urteils) beim Bundessozialgericht eingegangen sein.
Mit dem Antrag auf Prozesskostenhilfe kann ein zur Vertretung bereiter Rechtsanwalt benannt werden.
Ist dem Beteiligten Prozesskostenhilfe bewilligt worden und macht er von seinem Recht, einen Anwalt zu wählen, keinen Gebrauch, wird auf seinen Antrag der beizuordnende Rechtsanwalt vom Bundessozialgericht ausgewählt.
Der Beschwerdeschrift und allen folgenden Schriftsätzen sollen Abschriften für die übrigen Beteiligten beigefügt werden.
Das Bundessozialgericht bittet darüber hinaus um je zwei weitere Abschriften.
Schriftlich einzureichende Anträge und Erklärungen, die durch einen Rechtsanwalt, durch eine Behörde oder durch eine juristische Person des öffentlichen Rechts einschließlich der von ihr zur Erfüllung ihrer öffentlichen Aufgaben gebildeten Zusammenschlüsse eingereicht werden, sind als elektronisches Dokument zu übermitteln. Ist dies aus technischen Gründen vorübergehend nicht möglich, bleibt die Übermittlung nach den allgemeinen Vorschriften zulässig. Die vorübergehende Unmöglichkeit ist bei der Ersatzeinreichung oder unverzüglich danach glaubhaft zu machen; auf Anforderung ist ein elektronisches Dokument nachzureichen. Gleiches gilt für die nach dem Sozialgerichtsgesetz vertretungsberechtigten Personen, für die ein sicherer Übermittlungsweg nach § 65a Abs. 4 Nr. 2 SGG zur Verfügung steht (§ 65d SGG).