1. Die Erklärung der Aufrechnung nach § 43 SGB II kann grundsätzlich mit der Aufhebungs- und Erstattungsverfügung verbunden werden. Eine Aufrechnungslage liegt in diesem Zeitpunkt vor, die Bestandskraft der geltend gemachten Erstattungsverfügung ist nicht erforderlich. Wird später Widerspruch erhoben, entsteht aufgrund der aufschiebenden Wirkung ein Schwebezustand. Solange dieser anhält, ist eine Vollziehung der Erstattungsverfügung ausgeschlossen.
2. Zur Anrechnung des Kindergeldes als Einkommen im Falle einer sog. Abzweigung bei mehr als zwei Kindern.
Die Beschwerde der Kläger gegen den Beschluss des Sozialgerichts Braunschweig, mit dem ihr Antrag auf Prozesskostenhilfe für das Klageverfahren S 50 AS 1787/19 abgelehnt wurde, wird zurückgewiesen.
Kosten des Beschwerdeverfahrens sind nicht zu erstatten.
Gründe
I.
Die Kläger wenden sich gegen einen die Bewilligung von Prozesskostenhilfe (PKH) ablehnenden Beschluss des Sozialgerichts (SG) Braunschweig. In der Sache ist die Aufhebung, Erstattung und Aufrechnung von Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts (LSL) nach dem Sozialgesetzbuch Zweites Buch (SGB II) für den Zeitraum Januar bis März 2019 streitig. In welchem Umfang sich die Kläger gegen die streitigen Bescheide des Beklagten wenden, ist unklar.
Die Klägerin zu 1) ist die Mutter der minderjährigen Kläger zu 2) bis 4) (geb. 12. Februar 2006, 17. Januar 2011 und 6. Januar 2014). Nach Aktenlage sind die Kläger zu 2) bis 4) das zweite, dritte und vierte Kind der Klägerin zu 1). Sie hat ein weiteres, nicht zur Bedarfsgemeinschaft gehörendes Kind, für das eine Kindergeldabzweigung in Höhe von 203,25 € - entsprechend einem Viertel des Gesamtkindergeldanspruchs der Klägerin zu 1) - vorgenommen wurde (S., vgl. die Ausführungen zur Kindergeldanrechnung im Widerspruchsbescheid vom 22. November 2019, Bl. 30 der Gerichtsakte - GA).
Folgender Sachverhalt ergibt sich aus den unwidersprochen gebliebenen Ausführungen des Beklagten im Widerspruchsbescheid vom 22. November 2019 (Bl. 26 der Gerichtsakte – GA):
Der Beklagte bewilligte den Klägern mit Bewilligungsbescheid vom 20. November 2018 und Änderungsbescheiden vom 24. November und 19. Dezember 2018 u. a. für den Zeitraum Januar bis März 2019 LSL in folgender monatlichen Höhe:
Klägerin zu 1): 796,79 €
Kläger zu 2): 249,15 €
Kläger zu 3): 317,15 €
Kläger zu 4): 311,15 €.
Dabei rechnete der Beklagte auf die Bedarfe der Kläger zu 2) bis 4) nur Unterhaltsvorschussleistungen an. Ab Januar 2019 erfolgten laufende Kindergeldzahlungen für die Kläger zu 2) bis 4). Eine Kindergeldnachzahlung für den Monat Dezember 2018 floss im Monat Januar 2019 zu. Im Hinblick darauf und auf die Erhöhung der Unterhaltsvorschussleistungen sowie auf die Einstellung der Unterhaltsvorschussleistungen für den Kläger zu 2) ab März 2019 erließ der Beklagte am 4. April 2019 einen bestandskräftigen Änderungsbescheid. Damit wurde die Bewilligung u. a. für den Monat März 2019 dahingehend geändert, dass den Klägern für März 2019 folgende Leistungen bewilligt wurden:
Klägerin zu 1): 796,79 € (wie bisher)
Kläger zu 2): 318,90 €
Kläger zu 3): 106,90 €
Kläger zu 4): 101,90 €.
Mit Schreiben vom 4. April 2019 hörte der Beklagte die Kläger über die Betreuerin der Klägerin zu 1) zu einer beabsichtigten Aufhebungs-, Erstattungs- und Aufrechnungsentscheidung unter Beifügung von Berechnungsbögen an. Eine Reaktion erfolgte nicht.
Mit Bescheid vom 13. August 2019 (Bl. 16 GA) hob der Beklagte die Bewilligung vom 20. November 2018 in der Fassung der Änderungsbescheide vom 24. November und 19. Dezember 2018 für die Monate Januar, Februar und auch März 2019 ganz bzw. teilweise auf. Gleichzeitig setzte er in Höhe der Aufhebungsbeträge folgende Erstattungsforderungen fest (Bl. 18f. GA):
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Insgesamt |
Januar 2019 |
Februar 2019 |
März 2019 |
Klägerin zu 1): |
334,05 € |
334,05 € |
|
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Kläger zu 2): |
461,40 € |
249,15 € |
212,25 € |
|
Kläger zu 3): |
737,65 € |
317,15 € |
210,25 € |
210,25 € |
Kläger zu 4): |
729,65 € |
311,15 € |
209,25 € |
209,25 € |
|
2.262,75 € |
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Zusätzlich erklärte der Beklagte in diesem Bescheid gegenüber den Klägern jeweils die Aufrechnung mit Beginn am 1. Oktober 2019 in Höhe von 10 % des jeweils maßgeblichen Regelbedarfs (Klägerin zu 1): 42,40 €, Kläger zu 2) und 3): jeweils 30,20 €, Kläger zu 4): 24,50 €). Dabei gab er an, dass er Ermessen ausgeübt habe und sich weder aus dem Vortrag der Kläger noch nach Aktenlage Anhaltspunkte ergäben, die gegen eine Aufrechnung sprächen. Dem Bescheid vom 13. August 2019 waren Berechnungsbögen für die Monate Januar bis März 2019 beigefügt (Bl. 22ff. GA).
Gegen den Bescheid vom 13. August 2019 erhoben die Kläger Widerspruch. Im Widerspruchsverfahren legitimierte sich der Prozessbevollmächtigte der Kläger, ohne in der Folge auf eine gesonderte Fristsetzung für eine Begründung des Widerspruchs zu reagieren (vgl. Bl. 29 GA).
Mit Widerspruchsbescheid vom 22. November 2019 (Bl. 26 GA) verwarf der Beklagte den Widerspruch als unzulässig, soweit es um die Aufhebungsentscheidung für den Monat März 2019 ging. Es liege bereits der bestandskräftige Bescheid vom 4. April 2019 vor. Gegenüber der Klägerin zu 1) hob er den Bescheid vom 13. August 2019 auf. Im Hinblick auf die Kläger zu 2) bis 4) änderte er den Aufhebungs-, Erstattungs- und Aufrechnungsbescheid vom 13. August 2019 in Bezug auf den Monat Januar 2019 dahingehend, dass keine bzw. niedrigere Aufhebungen und Erstattungen durchgeführt bzw. festgesetzt wurden. Für die Klägerin zu 1) ergab sich damit keine Aufhebung und Erstattung mehr, für die Kläger zu 2) bis 4) nun jeweils in Höhe von 189,92 €, 203,92 € und 227,91 €.
Im Übrigen wies der Beklagte den Widerspruch als unbegründet zurück. Die Herabsetzungen für den Monat Januar 2019 begründete er damit, dass die Kindergeldnachzahlung für Dezember 2018 nicht im Zuflussmonat Januar 2019, sondern als einmalige Einnahme nach § 11 Abs. 3 SGB II im Februar 2019 hätte angerechnet werden müssen. Deswegen sei eine Nachberechnung für den Monat Januar vorgenommen worden (Bl. 30 GA). Soweit es um den Monat März 2019 gehe, sei der Widerspruch unzulässig, denn der Bewilligungsbescheid sei insoweit bereits mit bestandskräftigem Bescheid vom 4. April 2019 teilweise aufgehoben worden. Für den Monat Februar 2019 blieb es für die Kläger zu 2) bis 4) ebenfalls bei den im Bescheid vom 13. August 2019 getroffenen Regelungen. Damit verblieben noch Erstattungsforderungen für die Kläger zu 2) bis 4) von jeweils 402,17 €, 624,42 € und 646,41 €.
Im Ergebnis rechnete der Beklagte im Zuge der Neuberechnung für den Monat Januar das Kindergeld bei den Klägern zu 2) bis 4) auf etwas andere Weise an als in den Monaten Februar und März 2019: Im Monat Januar 2019 berücksichtigte er die für das Kind S. vorgenommene Abzweigung derart, dass er den den Klägern zu 2) bis 4) jeweils individuell zustehenden Kindergeldbetrag um einen bestimmten Anteil reduzierte (Bl. 30 GA = Seite 5 des Widerspruchsbescheides); im Monat Februar (sowie im März 2019) erfolgte die Kindergeldanrechnung in Höhe des Durchschnittsbetrages, der sich ergibt, wenn man den gesamten, für alle vier Kinder bestehenden Kindergeldanspruch durch vier teilt (Seite 2 unten sowie Berechnungsbögen zum Bescheid vom 13. August 2019: Bl. 17, 24, 25 GA).
Gegen den Widerspruchsbescheid vom 22. November 2019 haben die Kläger am 20. Dezember 2019 Klage vor dem SG Braunschweig erhoben und die Bewilligung von PKH beantragt. Die Berechnungen auf Seite 4 und 5 des Widerspruchsbescheides erschlössen sich nicht. Fraglich sei auch, wie das Kindergeld angerechnet worden sei. Es sei richtig, dass das Kindergeld für Dezember erst im Februar anzurechnen sei. Eine weitere Begründung ist nicht erfolgt
Der Beklagte hat darauf hingewiesen, dass im Widerspruchsbescheid auf die Berechnungsbögen ausdrücklich Bezug genommen werde und es für die Monate Februar und März im Widerspruchsverfahren auch zu keiner Änderung mehr gekommen sei. Die Berechnung des Leistungsanspruchs für den Monat Januar 2019, insbesondere die Kindergeldanrechnung, sei auf Blatt 5 des Widerspruchsbescheides dargestellt.
Mit Beschluss vom 13. August 2020 hat das SG den Antrag auf Bewilligung von PKH abgelehnt und unter Bezugnahme auf den angefochtenen Widerspruchsbescheid auf fehlende Erfolgsaussichten der Klage verwiesen.
Gegen den am 14. August 2020 zugestellten Beschluss (Empfangsbekenntnis: Bl. 29 PKH-Heft) wenden sich alle vier Kläger mit ihrer am 14. September 2020 eingelegten Beschwerde. Die erklärte Aufrechnung sei rechtswidrig, da sie vor Bestandskraft des Bescheides verfügt worden sei. Außerdem erschlössen sich die Rückforderung, die Kindergeldaufteilung und die Begründung nicht.
Die Beklagte verweist demgegenüber auf den Beschluss des SG und weist darauf hin, dass hinsichtlich der Klägerin zu 1) schon deshalb keine Erfolgsaussichten bestehen dürften, weil der Aufhebungs-, Erstattungs- und Aufrechnungsbescheid in Bezug auf ihre Person aufgehoben worden und ihre Klage unzulässig sei. Im Übrigen sei der Bescheid rechtmäßig.
II.
Die Beschwerde hat keinen Erfolg.
Dabei geht der Senat zugunsten der Kläger davon aus, dass die Beschwerde trotz des nur punktuellen Vortrags und der fehlenden Beschwer der Klägerin zu 1) gem. §§ 172, 173 Sozialgerichtsgesetz (SGG) statthaft und zulässig ist.
Die Beschwerde ist unbegründet. Das SG hat die Bewilligung von PKH zu Recht abgelehnt.
Nach § 73a Abs. 1 SGG iVm § 114 der Zivilprozessordnung (ZPO) ist auf Antrag PKH zu bewilligen, soweit ein Antragsteller nach seinen persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnissen die Kosten der Prozessführung nicht, nur zum Teil oder nur in Raten aufbringen kann, die beabsichtigte Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung hinreichende Aussicht auf Erfolg bietet und nicht mutwillig ist. Bei der Beantwortung der Frage nach hinreichender Erfolgsaussicht kann sich das Gericht mit einer vorläufigen Prüfung begnügen (Hartmann, in: Baumbach u.a., ZPO, 73. Aufl. 2015, § 114 Rn 80); ein Erfolg muss also nicht gewiss sein. Es muss aber auf der Grundlage des Vorbringens der Beteiligten eine gewisse Wahrscheinlichkeit für ein Obsiegen der Rechtsschutzsuchenden bestehen (Schmidt, in: Meyer-Ladewig u.a., SGG, 13. Aufl. 2020, § 73a Rn 7a).
Gemessen hieran sind die Erfolgsaussichten der Klage zu verneinen.
I. Für die Klägerin zu 1) erweist sich die Klage bereits als unzulässig, nachdem der Beklagte im angefochtenen Widerspruchsbescheid den Aufhebungs-, Erstattungs- und Aufrechnungsbescheid vom 13. August 2019, soweit sie davon betroffen war, aufgehoben hat. Sie ist nicht mehr beschwert.
II. Die Klage der Kläger zu 2) bis 4) wird voraussichtlich unbegründet sein. Die Voraussetzungen für eine (teilweise) Aufhebung der Bewilligungsentscheidung für die Monate Januar bis März 2019 nach § 48 Abs. 1 Satz 2 Nr. 3 Sozialgesetzbuch Zehntes Buch (SGB X), § 330 Abs. 3 Sozialgesetzbuch Drittes Buch (SGB III) i. V. m. § 40 Abs. 1 Satz 1, Abs. 2 Nr. 3 SGB II haben nach der im PKH-Verfahren vorzunehmenden summarischen Prüfung vorgelegen.
Nach der Teilabhilfe im streitigen Widerspruchsbescheid sind noch Aufhebungen, Erstattungen und Aufrechnungen für folgende Kläger und Zeiträume streitig (Bl. 31 GA):
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Insgesamt |
Januar 2019 |
Februar 2019 |
März 2019 |
Kläger zu 2): |
402,17 € |
189,92 € |
212,25 € |
|
Kläger zu 3): |
624,42 € |
203,92 € |
210,25 € |
210,25 € |
Kläger zu 4): |
646,41 € |
227,91 € |
209,25 € |
209,25 € |
|
1.673,-- € |
|
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1. Die Erstattungen errechnen sich aus einer Gegenüberstellung der zustehenden Bedarfe und der zunächst bewilligten Leistungen. Die Bedarfe sind in den Berechnungsbögen zum Bescheid vom 13. August 2019 (Bl. 22ff. GA) für die Kläger zu 2) bis 4) für die drei streitigen Monate in jeweils gleicher Höhe unter Berücksichtigung der jeweils zutreffend ermittelten Regelbedarfe und eines Kopfteils der Kosten der Unterkunft (KdU) und Heizung wie folgt zugrundegelegt worden:
Kläger zu 2): 522,15 €
Kläger zu 3): 522,15 €
Kläger zu 4): 465,15 €.
2. Bei der Prüfung, ob und inwieweit die Bedarfe durch eigenes Einkommen der Kläger zu 2) bis 4) gedeckt werden (§ 11 SGB II), sind Kindergeld und Unterhaltsvorschuss zu berücksichtigen.
a) Unterhaltsvorschuss:
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Januar 2019 |
Februar 2019 |
März 2019 |
Kläger zu 2): |
282 € |
282 € |
0 |
Kläger zu 3): |
212 € |
212 € |
212 € |
Kläger zu 4): |
160 € |
160 € |
160 € |
b) Kindergeld:
Für die Kläger zu 2) bis 4) wurde in den drei Monaten der laufende Kindergeldbetrag und zusätzlich im Januar die Kindergeldnachzahlung für den Monat Dezember 2018 gezahlt. Wie sich aus dem angefochtenen Widerspruchsbescheid ergibt, wird für das erste, nicht zur Bedarfsgemeinschaft gehörende Kind der Klägerin zu 1) – S. - eine Kindergeldabzweigung durchgeführt, und zwar in Höhe von 203,25 €. Die Höhe der Abzweigung entspricht damit dem Betrag, der sich aus dem Kindergeldgesamtanspruch der Klägerin zu 1) als Kindergeldberechtigter geteilt durch die Anzahl der zum Bezug berechtigenden Kinder ergibt (§§ 74, 76 Einkommensteuergesetz – EStG; vgl. BFH, Urteil vom 28. April 2010 – II R 43/08, Rn. 16f.; BSG, B 11 AL 30/08 R, Rn. 21): Die Klägerin zu 1) war, wie sich aus den Angaben des Beklagten ergibt, kindergeldberechtigt in Höhe von insgesamt 813 € (Kindergeld für das 1. Kind – S. - und den Kläger zu 2): jeweils 194 €, für den Kläger zu 3): 200 € und für den Kläger zu 4): 225 €, vgl. § 66 EStG). Die Höhe der Abzweigung beläuft sich damit auf ein Viertel von 813 € entsprechend 203,25 €. Sie ist damit um 9,25 € höher als der eigentlich für das erste Kind (S.), für das die Abzweigung vorgenommen wird, zustehende Betrag.
Daraus ergeben sich Konsequenzen für die Anrechnungshöhe des Kindergeldeinkommens bei den Klägern zu 2) bis 4), denn für diese steht jetzt nicht mehr der an sich auf sie entfallende Anteil des Kindergeldanspruchs zur Verfügung:
aa) Januar 2019:
Die Differenz von 9,25 € hat der Beklagte bei der Anspruchsberechnung für den Monat Januar als „Fehlbetrag“ vom individuellen Kindergeldeinkommen der drei Kläger zu 2) bis 4) kopfteilig in Höhe von jeweils einem Drittel (3,08 € bzw. 3,09 €) vom für sie eigentlich individuell zu zahlenden Kindergeldbetrag abgezogen (Bl. 30 GA = Seite 5 des Widerspruchsbescheides) mit der Folge, dass bei den Klägern zu 2) – 4) Kindergeld in Höhe von 190,92 €, 196,92 € und 221,91 € angerechnet wurden. Dies würde den individuellen Kindergeldansprüchen Rechnung tragen.
Soweit für die Frage der Anrechnung von Kindergeld im Fall einer Abzweigung bei mehr als zwei Kindern (Anm.: Nur bei mehr als zwei Kindern stellt sich die Frage des Anrechnungsmodus, denn bei den ersten beiden Kindern ist der Kindergeldanspruch gleich hoch) auch vertreten wird, das Kindergeld in diesen Fällen bei allen Kindern in Höhe des Durchschnittsbetrages zu berücksichtigen, begründet dies keinen Anspruch auf PKH. Abgesehen davon, dass hierzu von Klägerseite nichts vorgetragen wurde, würde daraus im Ergebnis nur eine geringfügig andere Verteilung der Kindergeldanrechnung resultieren, die sich bei den Klägern zu 2) bis 4) dahingehend auswirken würde, dass bei den Klägern zu 2) und 3) ein etwas höherer Betrag und beim Kläger zu 4) ein etwas niedriger Betrag anzurechnen wäre. Aus den nachfolgend unter bb) dargelegten Gründen könnte sich dies im Ergebnis nicht einmal zugunsten des Klägers zu 4) auswirken, wenn man diesen isoliert betrachten würde. Unabhängig davon würde ein verständiger und vernünftiger Beteiligter, der keine PKH beansprucht und für die Kosten der Rechtsverfolgung selbst aufkommen müsste, in einem derartigen Fall von der Rechtsverfolgung absehen (vgl. Schmidt, in: Meyer-Ladewig u.a., SGG, 13. Auflage 2020, § 73a Rn. 8, zur Mutwilligkeit). Deshalb nur der Vollständigkeit halber:
In den „Fachlichen Weisungen“ der Bundesagentur für Arbeit wird für den Fall einer Abzweigung bei mehr als zwei Kindern befürwortet, das Kindergeld bei allen Kindern in Höhe des Durchschnittsbetrages zu berücksichtigen. Damit würde die Berücksichtigung des Kindergeldes bei den zur Bedarfsgemeinschaft gehörenden Kindern in gleicher Höhe erfolgen wie die Ermittlung des abgezweigten Betrages – also in Höhe des Gesamtbetrages des Kindergeldes geteilt durch die Anzahl aller Kinder (Fachliche Weisungen § 11 SGB II Rn. 11.47, darauf Bezug nehmend Mues in: Estelmann, SGB II, § 11 Rn. 54; Schmidt, SGB II, 5. Auflage 2021, § 11 Rn. 32).
Das würde dazu führen, dass bei dem Kläger zu 2) statt 190,92 €, beim Kläger zu 3) statt 196,92 und beim Kläger zu 4) statt 221,91 € jeweils der o.g. Durchschnittsbetrag von 203,25 € als Kindergeldeinkommen angerechnet würde. Welcher Berechnung es für den Monat Januar 2019 folgt, mag das SG im weiteren Verfahren noch nachprüfen, eine PKH-Gewährung rechtfertigt dies aus den o.g. Gründen im einen wie im anderen Fall aber nicht, zumal für die Kläger zu 2) und 3) daraus sogar ein höherer Anrechnungsbetrag resultieren würde und lediglich bei dem Kläger zu 4) rechnerisch eine etwas geringere Anrechnung von Kindergeld.
bb) Februar/März 2019:
Für die Monate Februar und März 2019 haben die Klagen aus anderen Gründen von vorneherein keine Erfolgsaussichten - völlig unabhängig davon, welche Methode der Kindergeldanrechnung vorgenommen wird. Auch wenn man im Zusammenhang mit der Anrechnung des Kindergeldes im Hinblick auf die stattgehabte Abzweigung die vom Beklagten für den Monat Januar angewandte Vorgehensweise zugrunde legen würde, die für die Kläger zu 2) und 3) zu niedrigeren Anrechnungsbeträgen führt (190,92 € bzw. 196,92 € statt jeweils 203,25 €), würde dies im Endeffekt nicht zu einem günstigeren Ergebnis führen. Zu berücksichtigen wäre nämlich jedenfalls als zusätzliches Einkommen die im Januar 2019 zugeflossene Kindergeldnachzahlung für den Monat Dezember 2018. Sie war, nachdem die SGB II-Leistungen für den Monat Januar 2019 vor ihrem Zufluss bereits erbracht worden waren, nach § 11 Abs. 3 Satz 3 SGB II im Monat Februar anzurechnen, hätte aber damit zu einem Entfallen des Leistungsanspruchs in diesem Monat geführt, denn ein nach Anrechnung von laufendem Kindergeld und Unterhaltsvorschuss verbleibender ungedeckter Bedarf wäre bei zusätzlicher Anrechnung des kompletten Nachzahlungsbetrages nicht geblieben:
|
Bedarf Februar |
Einkommen Kindergeld + Unterhaltsvorschuss |
Kindergeldnachzahlung |
Anspruch |
Kläger zu 2): |
522,15 € |
203,25 € (oder 190,92 €) + 282 € = 485,25 € (oder 472,92 €) |
203,25 € (oder 190,92 €) |
0 € |
Kläger zu 3): |
522,15 € |
203,25 € (oder 196,92 €) + 212 € = 415,25 € (oder 408,92 €) |
203,25 € (oder 196,92 €) |
0 € |
Kläger zu 4): |
465,15 € |
203,25 € (oder 221,91 €) + 160 € = 363,25 € (oder 381,91 €) |
203,25 € (oder 221,91 €) |
0 € |
Unabhängig von dem Modus der Berechnung der Kindergeldanteile für die Kläger zu 2) bis 4) im Zusammenhang mit der Abzweigung hätte damit eine Verteilung der Kindergeldnachzahlung auf sechs Monate nach § 11 Abs. 3 Satz 4 SGB II erfolgen müssen. Damit lag für die Monate Februar und März ein zusätzlich zu berücksichtigendes Einkommen in einer Größenordnung von jeweils mindestens 31,82 € vor (der vorliegend niedrigste individuell denkbare Kindergeldbetrag beläuft sich auf 190,92 €, verteilt auf 6 Monate ergibt sich eine monatliche Anrechnung von 31,82 €), das der Beklagte in seine Berechnungen überhaupt nicht eingestellt hat. Ein höherer Leistungsanspruch hätte sich damit in den Monaten Februar/März 2019 auch bei Veranschlagung eines um ca. 13 € bzw. 8 € niedrigeren laufenden Kindergeldeinkommens (bei den Klägern zu 2) und 3) in Höhe der für Januar vom Beklagten individuell angesetzten Beträge) keinesfalls ergeben. Erst recht gilt dies für den Kläger zu 4), für den der im Monat Januar gewählte Modus bei Anwendung auf die Monate Februar und März 2019 zu einem höheren Kindergeldeinkommen geführt hätte.
Insgesamt hätten die Aufhebungen und Erstattungen also höher ausfallen müssen als vom Beklagten in dem hier streitigen Bescheid angenommen, so dass sich die Frage der Anrechnung von Kindergeld im Monat Januar 2019 im Ergebnis ohnehin nicht zugunsten der Kläger (bzw. des Klägers zu 4) auswirken würde.
c) Andere Anhaltspunkte für eine Rechtswidrigkeit des angefochtenen Bescheides bestehen nicht. Nach derzeitigem Sachstand haben die Kläger nachträglich Kindergeldeinkommen und z. T. höheres Einkommen aus den Unterhaltsvorschussleistungen erzielt, das zum Wegfall oder zur Minderung ihres Leistungsanspruchs geführt hat. Es ist weder erkennbar noch vorgetragen, dass die Voraussetzungen für eine (teilweise) Aufhebung der Bewilligungsentscheidung für die Monate Januar bis März 2019 nach § 48 Abs. 1 Satz 2 Nr. 3 SGB X, § 330 Abs. 3 SGB III i. V. m. § 40 Abs. 1 Satz 1, Abs. 2 Nr. 3 SGB II nicht vorgelegen haben könnten. Dementsprechend dürfte auch die Festsetzung der Erstattungsforderungen nach § 50 Abs. 1 Satz 1 SGB X i. V. m. § 40 Abs. 1 Satz 1 SGB II rechtmäßig – jedenfalls nicht zuungunsten der Kläger rechtwidrig - sein.
Dass der Beklagte den Widerspruch gegen die Aufhebung für den Monat März 2019 unter Hinweis auf eine bereits mit Bescheid vom 4. April 2019 vorgenommene bestandskräftige Aufhebung als unzulässig verworfen hat, würde ebenfalls nicht zur Rechtswidrigkeit des streitigen Bescheides führen. Die darin erneut für März ausgesprochene Aufhebung wäre dann gegenstandslos, und in Bezug auf die Erstattungs- und Aufrechnungsverfügung ist der Bescheid nach dem Gesagten voraussichtlich rechtmäßig.
3. Auch die mit der Aufhebung und Erstattung verbundene Aufrechnungsverfügung ist voraussichtlich nicht zu beanstanden. Rechtsgrundlage für die Aufrechnungsverfügung in Höhe von 10 % des jeweils maßgeblichen Regelbedarfs ist § 43 Abs. 1 Nr. 1, Abs. 2 Satz 1 SGB II. Die Erklärung der Aufrechnung durfte auch im Bescheid über die Aufhebung und Erstattung erfolgen. Zur Überzeugung des Senats kann die bloße Erklärung der Aufrechnung - die von ihrer Durchführung zu unterscheiden ist - grundsätzlich zusammen mit der Aufhebungs- und Erstattungsentscheidung erfolgen (vgl. auch Kallert in: Gagel, SGB II/SGB III, Kommentar, § 43 SGB II Rn. 28; Loose in: Hohm, SGB II, Gemeinschaftskommentar zum SGB II, § 43 Rn. 37; Schütze in: Von Wulffen/Schütze, SGB X, Kommentar, 8. Auflage 2014, § 50 Rn. 30; Conradis in: Münder, SGB II, Kommentar, 6. Auflage 2017, § 43 Rn. 27; vgl. auch BSG, Urteil vom 9. März 2016 – B 14 AS 20/15 R, Rn. 15 am Ende). Die für die Aufrechnung erforderliche Aufrechnungslage hat nach derzeit bekannter Sachlage bestanden, denn den Hauptforderungen der Kläger auf Grundsicherungsleistungen standen im Zeitpunkt der Aufrechnungserklärung die wirksamen und fälligen Gegenforderungen aus den festgesetzten Erstattungen gegenüber (vgl. zur Aufrechnungslage Burkiczak in: Schlegel/Voelzke, jurisPK-SGB II, 5. Auflage, § 43 - Stand 24. August 2020 - Rn. 16ff.). Der streitige Bescheid und mit ihm die Erstattungsverfügungen wurden mit seiner Bekanntgabe wirksam (§ 39 Abs. 1 Satz 1 SGB X). Damit wurden die Erstattungsforderungen des Beklagten fällig (vgl. Pflüger in: Schlegel/Voelzke, jurisPK-SGB I, 3. Aufl. § 51 – Stand 13. Dezember 2019 - Rn. 42; vgl. auch Keller in: Meyer-Ladewig u.a., SGG, 13. Auflage 2020, § 86a Rn. 5). Nicht erforderlich für die Aufrechnungslage ist hingegen die Bestandskraft der geltend gemachten Erstattung (vgl. Burkiczak, a. a. O., Rn. 28; LSG Niedersachsen-Bremen, Urteil vom 13. März 2013 – L 13 AS 109/11, Rn. 37). Entscheidend ist vielmehr, dass im Zeitpunkt der Aufrechnungserklärung die o. g. Voraussetzungen vorlagen und noch kein Rechtsbehelf (Widerspruch) eingelegt war (Burkiczak, a. a. O., Rn. 26; vgl. auch Senatsurteil vom 17. Dezember 2019 – L 9 AS 238/19). Sobald die aufschiebende Wirkung des Widerspruchs eintritt, entsteht aber ein Schwebezustand, währenddessen eine Vollziehung der Erstattungsverfügung – etwa durch die Durchführung der zuvor erklärten Aufrechnung – ausgeschlossen ist (vgl. Keller, a. a. O.).
Soweit davon abweichend die Auffassung vertreten wird, dass schon die Erklärung der Aufrechnung bzw. die Aufrechnungslage als solche eine bestandskräftig festgestellte Gegenforderung voraussetze, folgt der Senat dieser Auffassung nicht (so aber LSG Thüringen, Beschluss vom 9. Februar 2015 – L 4 AS 1574/14 B; angedeutet auch noch in der „Begründung zum Entwurf eines Gesetzes zur Ermittlung von Regelbedarfen und zur Änderung des Zweiten und Zwölften Buches Sozialgesetzbuch“, BT-Drs. 17/3404, S. 117 - zu Absatz 4 -; wie hier dann aber im Gesetzentwurf der Bundesregierung „Entwurf eines Neunten Gesetzes zur Änderung des Zweiten Buches Sozialgesetzbuch – Rechtsvereinfachung“, BT-Drs. 18/8041, Seite 58 zu Absatz 4). Die abweichende Auffassung überzeugt nicht, denn bereits mit der Wirksamkeit eines Verwaltungsaktes – und nicht erst mit der Bestandskraft – kommen die für den Adressaten ungünstigen Regelungen zum Tragen und er muss die im Verfügungssatz getroffene Anordnung befolgen (Giesbert in: Schlegel/Voelzke, jurisPK-SGG, 1. Auflage, § 77 – Stand 15. Juli 2017 – Rn. 11). Diese belastende Wirkung kann - nur - durch Widerspruch und Klage und die damit einhergehende aufschiebende Wirkung suspendiert werden (vgl. Giesbert, a. a. O.). Dementsprechend ist vor der Einlegung eines Rechtsbehelfs die Fälligkeit der Gegenforderung und damit eine wesentliche Voraussetzung der Aufrechnungslage gegeben. Würde man der anderen Auffassung folgen, dann liefe die aufschiebende Wirkung von Widerspruch und Klage ins Leere (Kallert, a. a. O.).
Die Kostenentscheidung folgt aus § 127 Abs. 4 ZPO.
Dieser Beschluss ist nach Maßgabe des § 177 SGG unanfechtbar.