Tenor:
Die Berufung der Klägerin gegen den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Münster vom 23. Dezember 2020 wird zurückgewiesen.
Außergerichtliche Kosten sind auch im Berufungsverfahren nicht zu erstatten.
Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand:
Die Klägerin begehrt die Versorgung mit dem Behandlungskonzept „X.“ der N. GmbH – Zentrum für Prävention und Rehabilitation der Uniklinik S. (N.) als Sachleistung.
Die am 00.00.0000 geborene Klägerin ist im Rahmen der Familienversicherung bei der Beklagten versichert. Sie leidet unter einer zentralen Bewegungsstörung im Sinne einer infantilen Cerebralparese nach Extremfrühgeburt bei Notkaiserschnitt in der 26. Schwangerschaftswoche bei einem Geburtsgewicht von 265g. Es kam zu einer intraventrikulären Blutung, die die rechte wie linke Hemisphäre betraf. Aufgrund der Schwere der linksseitigen Einblutung zeigt sich eine rechtsseitig akzentuierte Tetraparese mit spastischer Betonung der unteren Extremitäten. Es besteht ein auffälliges Gangbild mit einer Beinlängenverkürzung sowie einer Hüftdysplasie rechts. Der rechte Arm und das rechte Bein sind muskulär schwächer und im Vergleich zu den Extremitäten auf der linken Seite auch im Umfang gemindert. Die motorische Entwicklung der Klägerin ist infolge der Hirnblutung verzögert. Sie erhält seit Februar 2017 Leistungen der Pflegekasse der VIACTIV bei einem Pflegegrad 3. Bei ihr sind ein Grad der Behinderung (GdB) von 70 sowie die Merkzeichen „G“ und „B“ festgestellt.
Seit dem Jahr 2006 bieten die Kliniken der Universität zu S. eine Therapieeinrichtung speziell für Kinder und Jugendliche im Alter von vier bis 25 Jahren, die in ihrer Mobilität stark eingeschränkt oder auf den Rollstuhl angewiesen sind. Aufbauend auf medizinischen Erkenntnissen aus dem Bereich der Muskel- und Knochenforschung in Verbindung mit Therapien aus den Sportwissenschaften und der Physiotherapie wird ein Behandlungsangebot beworben. Das Behandlungskonzept besteht aus einer mehrwöchigen Intensivtherapie, Kontrolluntersuchungen und der Möglichkeit, sechs Monate zu Hause mit dem Ganzkörpervibrationssystem „S. Steh- und Gehtrainer“ zu trainieren. Im Übrigen wird auf die Beschreibung des beigezogenen Behandlungskonzeptes „X.“ Bezug genommen.
Die Klinik und Poliklinik für Allgemeine Kinderheilkunde der Universität zu S. hat zusammen mit der N. im Rahmen der besonderen Versorgung für dieses Behandlungskonzept mit verschiedenen Krankenkassen bundesweite Verträge nach § 140a Sozialgesetzbuch Fünftes Buch (SGB V) abgeschlossen. Die Beklagte gehört nicht zu diesen Krankenkassen. Ferner besteht auch kein Vertrag nach § 111c SGB V.
Am 11. September 2019 stellte die Mutter der Klägerin bei der Beklagten einen Antrag auf Versorgung der Klägerin mit dem Behandlungskonzept „X.“. Die Beklagte lehnte mit Bescheid vom 23. September 2019 den Antrag ab, da mit der Einrichtung kein Versorgungsvertrag nach § 140a SGB V bestehe.
Dagegen erhob die Klägerin, vertreten durch ihre Mutter, am 9. Oktober 2019 Widerspruch. Die Kosten könnten nicht alleine getragen werden und es sei davon auszugehen, dass sie von dieser Maßnahme profitieren könne. Der behandelnde Neuroorthopäde befürworte die Behandlung. So die Chance bestünde, ihrer Tochter – der Klägerin – eine spastische Hemiparese zu ersparen, sollte diese ergriffen werden. Sie fügte dem Widerspruchsschreiben noch zwei Stellungnahmen des Kinder- und Jugendarztes, Physiotherapeuten und Neonatologen V. sowie des behandelnden Orthopäden, Physio- und Probandtherapeuten T. vom 4. und 17. Oktober 2019 bei, auf deren Inhalt Bezug genommen wird.
Mit Widerspruchsbescheid vom 19. Februar 2020 wies die Beklagte den Widerspruch der Klägerin als unbegründet zurück. Es bestehe weiterhin kein Versorgungsvertrag nach § 140a SGB V. Auch im Rahmen einer Einzelfallentscheidung komme eine Übernahme nicht in Betracht. Für das Behandlungskonzept „X.“ habe der Gemeinsame Bundessausschuss (GBA) bisher noch keine positive Empfehlung getroffen.
Dagegen hat sich die Klägerin, gesetzlich vertreten durch ihre Eltern, am 12. März 2020 mit ihrer Klage zum Sozialgericht (SG) Münster gewandt. Die Anspruchsgrundlage des § 27 Abs. 1 Satz 1 SGB V sei erfüllt, denn durch die beantragte Behandlung könnten die bestehenden gesundheitlichen Beeinträchtigungen verbessert und weitere Einschränkungen verhindert werden. Bei ihr bestünden eine inkomplette Lähmung der rechten Körperseite, ein auffälliges Gangbild und eine muskuläre Schwäche an Teilen der Extremitäten. Bei dem gewünschten Behandlungskonzept handele es sich um eine Intensivtherapie, welche vorwiegend auf eine nachhaltige Verbesserung der Motorik, des Gangbildes und der Mobilität abziele. Gleichzeitig solle sie sich im Alltag besser zurechtfinden. Die Behandlung werde individuell ausgerichtet, zu Hause fortgeführt und kontrolliert.
Die Klägerin hat schriftsätzlich beantragt,
die Beklagte unter Aufhebung des Bescheides vom 23. September 2019 in der Fassung des Widerspruchsbescheides vom 19. Februar 2020 zu verurteilen, die Kosten für die Behandlung „X.“ zu übernehmen.
Die Beklagte hat schriftsätzlich beantragt,
die Klage abzuweisen.
Sie hat zur Begründung auf ihre Bescheide Bezug genommen. Nach Eingang der Befundberichte und der daraus ersichtlichen umfangreichen ambulanten Therapiemaßnahmen und Hilfsmittelversorgung erschließe sich die medizinische Notwendigkeit der Maßnahme nicht.
Das SG hat eine Übersicht der gewährten Heil- und Hilfsmittel angefordert, eine Anfrage an das Zentrum für Kinderrehabilitation der Uniklinik S. (N.) gestellt sowie Befund- und Behandlungsberichte des Kinder- und Jugendarztes V. und des Facharztes für Kinder- und Jugendmedizin F. eingeholt. Auf den Inhalt der Unterlagen wird jeweils Bezug genommen. Am 3. Dezember 2020 hat das SG einen Termin zur Erörterung des Sachverhaltes mit den Beteiligten durchgeführt. Auf den Inhalt der Sitzungsniederschrift wird Bezug genommen.
Nach Anhörung der Beteiligten hat das SG mit Gerichtsbescheid vom 23. Dezember 2020 die Klage abgewiesen. Auf die dortige Begründung wird gleichfalls Bezug genommen.
Gegen den am 30. Dezember 2020 zugestellten Gerichtsbescheid hat sich die Klägerin mit ihrer am 30. Dezember 2020 bei dem Landessozialgericht Nordrhein-Westfalen (LSG NRW) eingegangenen Berufung gewandt. Sie wiederholt und vertieft ihren erstinstanzlichen Vortrag. Ergänzend trägt sie vor, dass während der Corona-Pandemie wochen- bzw. monatelang die Therapien ausgefallen seien. Zwischenzeitlich sei die Eingangsuntersuchung für das Konzept „X.“ mit dem Ergebnis durchgeführt worden, dass die Therapie für sie befürwortet werde.
Die Klägerin beantragt,
den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Münster vom 23. Dezember 2020 zu ändern und die Beklagte unter Aufhebung des Bescheides vom 23. September 2019 in der Fassung des Widerspruchsbescheides vom 19. Februar 2020 zu verurteilen, sie mit dem Behandlungskonzept „X.“ der N. GmbH - Zentrum für Prävention und Rehabilitation der Uniklinik S. – zu versorgen.
Die Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Sie hält den erstinstanzlichen Gerichtsbescheid für zutreffend.
Der Senat hat den Bericht der N. über die Eingangsuntersuchung beigezogen, am 17. Juni 2022 einen Termin zur Erörterung des Sachverhaltes mit den Beteiligten durchgeführt, auf dessen Sitzungsniederschrift Bezug genommen wird und den GBA bzgl. des streitbefangenen Konzepts befragt. Dieser hat mitgeteilt, dass weder er oder seine Rechtsvorgänger eine Empfehlung nach § 135 Abs. 1 SGB V zur konkreten Behandlungsform der Vibrationstherapie ausgesprochen hätten noch dazu ein Methodenbewertungsverfahren durchgeführt worden sei oder werde. Auf Nachfrage des Senats hat N. mitgeteilt, dass es sich bei dem vorliegenden Konzept regelhaft um eine ambulante Rehabilitationsmaßnahme handele.
Die Beklagte hat eine sozialmedizinische Bewertung des streitgegenständlichen Behandlungskonzeptes durch den Medizinischen Dienst der Krankenversicherung (MDK) vom 1. Oktober 2020, eine Begutachtung der Klägerin nach Aktenlage durch den Medizinischen Dienst Westfalen-Lippe (MD) vom 8. September 2022 sowie eine Leistungsübersicht zu den Akten gereicht. Auf deren Inhalt wird jeweils Bezug genommen.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den Inhalt der Streitakten und der Verwaltungsakte der Beklagten Bezug genommen, die jeweils Gegenstand der mündlichen Verhandlung gewesen sind.
Entscheidungsgründe:
Die Berufung der Klägerin hat keinen Erfolg. Sie ist zulässig (dazu unter A.), aber unbegründet (dazu unter B.).
A. Die schriftlich eingelegte Berufung der durch ihre Eltern gesetzlich vertretenen (§ 1629 Bürgerliches Gesetzbuch) Klägerin gegen den ihr am 30. Dezember 2021 zugestellten Gerichtsbescheid des SG Münster vom 23. Dezember 2021 ist zulässig, insbesondere gemäß §§ 143, 144 SGG ohne gerichtliche Zulassung statthaft sowie form- und fristgerecht eingelegt worden (§ 151 Abs. 1, Abs. 3; § 64 Abs. 1, Abs. 2; § 63 Sozialgesetzbuch ˂SGG˃). Der Zulässigkeit steht insbesondere nicht entgegen, dass der Eingang der Berufung beim LSG NRW ggf. bereits vor Zustellung des Gerichtsbescheids an den damaligen Prozessbevollmächtigten erfolgt ist. Zwar ist eine zu früh eingelegte Berufung grundsätzlich unzulässig, ohne dass eine Heilungsmöglichkeit besteht (Leitherer in: Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer/Schmidt, 13. Auflage, Vor § 143 Rn. 3c). Hier ist allerdings nicht mehr aufklärbar, ob die Berufungseinlegung tatsächlich vor der Zustellung des Gerichtsbescheids an den Prozessbevollmächtigten erfolgt ist. Die Feststellungs- und Beweislast für diese ihr günstige Tatsache trägt die Beklagte.
B. Die Berufung der Klägerin ist jedoch unbegründet, denn das SG hat die Klage zu Recht als zulässig (dazu unter I.), aber unbegründet (dazu unter II.) erachtet.
I. Da die Klägerin sich die begehrte Leistung nicht selbst beschafft hat und ihr insofern keine Aufwendungen entstanden sind, scheidet ein Erstattungsbegehren von vornherein aus (vgl. § 99 Abs. 3 Nr. 3 SGG; ferner z.B. Bundessozialgericht ˂BSG˃, Urteil vom 26. Februar 2019 – B 1 KR 24/18 R – BSGE 127, 240 – juris, Rn 8). Zulässige Klageart ist mithin die mit der Anfechtungsklage verbundene Leistungsklage (§ 54 Abs. 1, 4 SGG). Gegenstand der Leistungsklage ist demnach nicht die Kostenübernahme, sondern die Versorgung mit der Behandlung im Sinne eines Sachleistungsanspruchs. Die Klage ist auch im Übrigen zulässig, insbesondere fristgerecht am 12. März 2020 binnen eines Monats nach Bekanntgabe des Widerspruchsbescheides vom 19. Februar 2020 erhoben worden (§ 87 Abs. 1 Satz 1, Abs. 2; § 90; § 78 Abs. 1 Satz 1; § 85 Abs. 3 Satz 1 SGG).
II. Die Klage ist unbegründet, denn der Klägerin steht unter keinem Gesichtspunkt ein Sachleistungsanspruch zu. Die streitbefangenen Bescheide der Beklagten erweisen sich insofern als rechtmäßig und verletzen die Klägerin nicht in ihren Rechten (§ 54 Abs. 2 Satz 1 SGG). Es besteht kein Anspruch über eine besondere Versorgung nach § 140a SGB V (dazu unter 1.). Ein Anspruch folgt auch weder aus § 27 Abs. 1 Satz 1, 2 SGB V noch aus einem Systemversagen, der Qualifizierung als Seltenheitsfall, aus § 27 Abs. 1 Satz 1 SGB V i.V.m. § 2 Abs. 1a Satz 1 SGB V noch aus § 40 Abs. 1 SGB V (dazu unter 2.). Ein Anspruch nach § 13 Abs. 3a SGB V kommt gleichfalls nicht in Betracht (dazu unter 3.).
1. Ein Anspruch auf Leistungen im Rahmen der besonderen Versorgung i.S.d. § 140a SGB V scheitert bereits daran, worauf das SG bereits zu Recht hingewiesen hat, dass die Beklagte mit der Versorgungseinrichtung unstreitig einen für die Leistungsbeanspruchung erforderlichen Vertrag nicht abgeschlossen hat. Die Gerichte sind auch nicht befugt, die Krankenkassen zum Abschluss eines Vertrages nach § 140a SGB V zu verurteilen (vgl. Sächsisches LSG, Urteil vom 13. März 2018 – L 9 KR 253/13 – juris, Rn. 46).
2. Der Klägerin stehen auch weder Ansprüche aus § 27 Abs. 1 Satz 1, 2 SGB V i.V.m. § 28 Abs. 1 Satz 1 SGB V bzw. § 32 Abs. 1 SGB V, aus einem Systemversagen, aus einem Seltenheitsfall oder aus § 27 Abs. 1 Satz 1 SGB V i.V.m. § 2 Abs. 1a Satz 1 SGB V noch aus § 40 Abs. 1 SGB V zu. Damit kann der Senat es offen lassen, ob es sich bei dem beantragten Konzept um eine Behandlungs- oder eine Rehabilitationsmaßnahme handelt (eingestuft als Behandlungsmethode: BSG, Beschluss vom 13. Januar 2021 – B 3 KR 42/20 B – juris, Rn. 11, Vorinstanz: LSG Berlin-Brandenburg, Urteil vom 26. Juni 2020 – L 9 KR 62/18 – juris, Rn. 29; LSG Berlin-Brandenburg, Urteil vom 31. August 2020 – L 9 KR 114/19 – juris, Rn. 27; BSG, Beschluss vom 12. September 2019 – B 3 KR 84/18 B – juris). Unstreitig zwischen den Beteiligten ist jedenfalls, dass die begehrte Maßnahme ambulant durchgeführt wird. Dies bestätigt sich zudem sowohl aus der Auskunft des Leistungserbringers als auch der sozialmedizinischen Bewertung des MDK.
a) So steht der Klägerin ein Sachleistungsanspruch auf Durchführung einer Behandlungsmaßnahme nicht zu.
aa) Ein Anspruch nach § 27 Abs. 1 Satz 1 SGB V besteht nicht. Danach haben Versicherte Anspruch auf Krankenbehandlung, wenn sie notwendig ist, um eine Krankheit zu erkennen, zu heilen, ihre Verschlimmerung zu verhüten oder Krankheitsbeschwerden zu lindern. Die Krankenbehandlung umfasst u.a. die ärztliche Behandlung (§ 27 Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 SGB V). Der Anspruch eines Versicherten auf Krankenbehandlung nach § 27 Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 SGB V unterliegt den sich aus § 2 Abs. 1 und § 12 Abs. 1 SGB V ergebenden Einschränkungen. Er umfasst nur Leistungen, die zweckmäßig und wirtschaftlich sind und deren Qualität und Wirksamkeit dem allgemein anerkannten Stand der medizinischen Erkenntnisse entsprechen.
(1) Dies ist bei neuen Untersuchungs- und Behandlungsmethoden in der vertragsärztlichen Versorgung gemäß § 135 Abs. 1 Satz 1 SGB V nur dann der Fall, wenn der GBA in Richtlinien nach § 92 Abs. 1 Satz 2 Nr. 5 SGB V eine positive Empfehlung über den diagnostischen und therapeutischen Nutzen der Methode abgegeben hat. Durch Richtlinien nach § 92 Abs. 1 Abs. 1 Satz 2 Nr. 5 i.V.m. § 135 Abs. 1 SGB V wird nämlich nicht nur geregelt, unter welchen Voraussetzungen die zur vertragsärztlichen Versorgung zugelassenen Leistungserbringer (Ärzte, Zahnärzte usw.) neue Untersuchungs- und Behandlungsmethoden zu Lasten der Krankenkassen erbringen und abrechnen dürfen. Vielmehr wird durch diese Richtlinien auch der Umfang der den Versicherten von den Krankenkassen geschuldeten ambulanten Leistungen verbindlich festgelegt (z.B. BSG, Urteil vom 7. November 2006 – B 1 KR 24/06 R – BSGE 97, 190; BSG, Urteil vom 16. Dezember 2008 – B 1 KR 11/08 R – SozR 4-2500 § 13 Nr. 19, jeweils m.w.N.; Senat, Urteil vom 12. Juli 2017 – L 11 KR 28/16 – juris). Ärztliche "Behandlungsmethoden" im Sinne der GKV sind medizinische Vorgehensweisen, denen ein eigenes theoretisch-wissenschaftliches Konzept zugrunde liegt, das sie von anderen Therapieverfahren unterscheidet und das ihre systematische Anwendung in der Behandlung bestimmter Krankheiten rechtfertigen soll. "Neu" ist eine Methode, wenn sie zum Zeitpunkt der Leistungserbringung nicht als abrechnungsfähige ärztliche Leistung im Einheitlichen Bewertungsmaßstab für vertragsärztliche Leistungen (EBM) enthalten ist (vgl. BSG, Urteil vom 27. September 2005 – B 1 KR 28/03 R – juris; BSG, Urteil vom 16. Dezember 2008 – a.a.O.). An einer entsprechenden Empfehlung für das spezifische Behandlungskonzept wie für die Vibrationstherapie fehlt es vorliegend jedoch.
(2) Auch wenn der Senat nicht das Behandlungskonzept im Ganzen, sondern allein den Einsatz des Ganzkörpervibrationssystems betrachtet und ihn als Heilmittel bewertet, fehlt es an einer diesbezüglich gleichfalls erforderlichen Empfehlung des GBA nach § 138 SGB V. Denn nach § 138 SGB V dürfen die an der vertragsärztlichen Versorgung teilnehmenden Ärzte neue Heilmittel nur verordnen, wenn der GBA zuvor ihren therapeutischen Nutzen anerkannt und in den Richtlinien nach § 92 Abs. 1 Satz 2 Nr. 6 Empfehlungen für die Sicherung der Qualität bei der Leistungserbringung abgegeben hat. Die Entscheidungen des GBA legen für Leistungserbringer, Krankenkassen und Versicherte grundsätzlich verbindlich fest, welche Heilmittel zum Leistungskatalog der GKV gehören. Die Vorschrift dient der Sicherung der Qualität der Leistungserbringung bei der Einführung neuer Heilmittel. Sie beinhaltet den Schutz der Versicherten vor etwaigen gesundheitlichen Risiken sowie der Versichertengemeinschaft vor unwirtschaftlichen Behandlungen (Ihle in: jurisPK-SGB V, 4. Aufl., § 138 Rn. 9 m.w.N.).
bb) Es kann auch kein Fall eines Systemversagens angenommen werden. Ungeachtet des in § 135 Abs. 1 SGB V statuierten Verbots mit Erlaubnisvorbehalt kann nach der Rechtsprechung des BSG eine Leistungspflicht der Krankenkassen ausnahmsweise dann bestehen, wenn die fehlende Anerkennung einer neuen Untersuchungs- oder Behandlungsmethode darauf zurückzuführen ist, dass das Verfahren vor dem GBA trotz Erfüllung der für eine Überprüfung notwendigen formalen und inhaltlichen Voraussetzungen nicht oder nicht zeitgerecht durchgeführt wurde (sog. Systemversagen). Diese Durchbrechung beruht darauf, dass in solchen Fällen die in § 135 Abs. 1 SGB V vorausgesetzte Aktualisierung der Richtlinien rechtswidrig unterblieben ist und deshalb die Möglichkeit bestehen muss, das Anwendungsverbot erforderlichenfalls auf andere Weise zu überwinden (vgl. BSG, Urteil vom 16. September 1997 – 1 RK 28/95 – BSGE 81, 54; BSG, Urteil vom 19. Februar 2002 – B 1 KR 16/00 R – SozR 3-2500 § 92 Nr. 12 „rechtswidrige Untätigkeit des Bundesausschusses“; BSG, Urteil vom 26. Mai 2020 – B 1 KR 21/19 R – SozR 4-2500 § 13 Nr. 54, R. 21). Die Befürwortung der Methode durch einen behandelnden Arzt bei Fehlen einer Richtlinie des GBA genügt dafür allerdings nicht (BSG, Urteil vom 26. Mai 2020 – a.a.O., Rn. 21). Auch im Übrigen hat der Senat keine Anhaltspunkte dafür, dass eine Antragstellung zur Prüfung der hier relevanten Methode hintertrieben, verhindert oder in einer den Krankenkassen oder dem GBA sonst zurechenbaren Weise unzulässig verzögert worden ist. Dis kann auch der eingeholten Auskunft des GBA nicht entnommen werden.
cc) Es liegt auch kein Seltenheitsfall vor. Dafür darf das festgestellte Krankheitsbild aufgrund seiner Singularität medizinisch nicht erforschbar sein (st. Rspr., vgl. z.B. BSG Urteil vom 19. Oktober 2004 – B 1 KR 27/02 R – BSGE 93, 236, Rn. 31; BSG, Urteil vom 8. November 2011 – B 1 KR 20/10 R – BSGE 109, 218, Rn. 14; BSG, Urteil vom 3. Juli 2012 – B 1 KR 25/11 R – BSGE 111, 168, Rn. 19; BSG, Urteil vom 19. März 2020 – B 1 KR 20/19 R – BSGE 130, 73, Rn. 40). Bezüglich der hier relevanten ICD-10 Diagnose G80 (infantile Cerebralparese) fanden in den Jahren 2014 bis 2020 zwischen 2.158 und 3.042 Krankenhausbehandlungen jährlich statt (Gesundheitsberichterstattung des Bundes Stand: 16. Juni 2022). Bereits eingedenk dessen kann nicht von einer seltenen und unerforschten Erkrankung ausgegangen werden.
dd) Die Klägerin kann sich auch nicht auf einen grundrechtsorientierten Leistungsanspruch unter den Voraussetzungen des § 2 Abs. 1a SGB V stützen. Die dafür erforderliche notstandsähnliche Situation muss im Sinne einer in einem gewissen Zeitdruck zum Ausdruck kommenden Problematik vorliegen, wie sie für einen zur Lebenserhaltung bestehenden akuten Behandlungsbedarf typisch ist. Das bedeutet, dass nach den konkreten Umständen des Falles bereits drohen muss, dass sich der voraussichtlich tödliche Krankheitsverlauf innerhalb eines kürzeren, überschaubaren Zeitraums mit großer Wahrscheinlichkeit verwirklichen wird (BSG, Urteil vom 19. März 2020 – a.a.O.). Dafür hat der Senat gleichfalls keine Anhaltspunkte. Auch die Beteiligten haben entsprechendes nicht vorgetragen.
b) Auch ein Anspruch auf Gewährung einer medizinischen Rehabilitationsmaßnahme i.S.d. § 40 Abs. 1 SGB V scheitert hinsichtlich des vorliegend begehrten Konzeptes. Nach § 40 Abs. 1 SGB V setzt der Anspruch auf eine ambulante Rehabilitationsmaßnahme voraus, dass eine ambulante Krankenbehandlung nicht ausreicht. Außerdem müssen Rehamaßnahmen nach § 11 Abs. 2 Satz 1 SGB V notwendig sein, um einer drohenden Behinderung oder Pflegebedürftigkeit vorzubeugen, sie nach Eintritt zu beseitigen, zu bessern oder eine Verschlimmerung zu verhüten. Die Erbringung ambulanter Leistungen zur medizinischen Rehabilitation bedarf jedoch der Zulassung durch einen Versorgungsvertrag nach § 111c SGB V (Engelmann in: jurisPK-SGB V, 4. Aufl., § 111c Rn. 11). Ein solcher Vertrag mit dem Leistungserbringer besteht allerdings gleichfalls nicht.
Die Kostenentscheidung folgt aus den §§ 183, 193 SGG.
Gründe gemäß § 160 Abs. 2 SGG für die Zulassung der Revision liegen nicht vor.
Rechtsmittelbelehrung:
Dieses Urteil kann nur dann mit der Revision angefochten werden, wenn sie nachträglich vom Bundessozialgericht zugelassen wird. Zu diesem Zweck kann die Nichtzulassung der Revision durch das Landessozialgericht mit der Beschwerde angefochten werden.
Die Beschwerde ist von einem bei dem Bundessozialgericht zugelassenen Prozessbevollmächtigten innerhalb eines Monats nach Zustellung des Urteils schriftlich oder in elektronischer Form beim
Bundessozialgericht, Postfach 41 02 20, 34114 KasseloderBundessozialgericht, Graf-Bernadotte-Platz 5, 34119 Kassel
einzulegen.
Die Beschwerdeschrift muss bis zum Ablauf der Monatsfrist bei dem Bundessozialgericht eingegangen sein.
Die elektronische Form wird durch Übermittlung eines elektronischen Dokuments gewahrt, das für die Bearbeitung durch das Gericht geeignet ist und
- von der verantwortenden Person qualifiziert elektronisch signiert ist und über das Elektronische Gerichts- und Verwaltungspostfach (EGVP) eingereicht wird oder
- von der verantwortenden Person signiert und auf einem sicheren Übermittlungsweg gem. § 65a Abs. 4 Sozialgerichtsgesetz (SGG) eingereicht wird.
Weitere Voraussetzungen, insbesondere zu den zugelassenen Dateiformaten und zur qualifizierten elektronischen Signatur, ergeben sich aus der Verordnung über die technischen Rahmenbedingungen des elektronischen Rechtsverkehrs und über das besondere elektronische Behördenpostfach (Elektronischer-Rechtsverkehr-Verordnung -ERVV) in der jeweils gültigen Fassung. Weitergehende Informationen zum elektronischen Rechtsverkehr können über das Internetportal des Bundessozialgerichts (www.bsg.bund.de) abgerufen werden.
Als Prozessbevollmächtigte sind nur zugelassen
- jeder Rechtsanwalt,
- Rechtslehrer an einer staatlichen oder staatlich anerkannten Hochschule eines Mitgliedsstaates der Europäischen Union, eines anderen Vertragsstaates des Abkommens über den Europäischen Wirtschaftsraum oder der Schweiz, die die Befähigung zum Richteramt besitzen,
- selbständige Vereinigungen von Arbeitnehmern mit sozial- oder berufspolitischer Zwecksetzung für ihre Mitglieder,
- berufsständische Vereinigungen der Landwirtschaft für ihre Mitglieder,
- Gewerkschaften und Vereinigungen von Arbeitgebern sowie Zusammenschlüsse solcher Verbände für ihre Mitglieder oder für andere Verbände oder Zusammenschlüsse mit vergleichbarer Ausrichtung und deren Mitglieder,
- Vereinigungen, deren satzungsgemäße Aufgaben die gemeinschaftliche Interessenvertretung, die Beratung und Vertretung der Leistungsempfänger nach dem sozialen Entschädigungsrecht oder der behinderten Menschen wesentlich umfassen und die unter Berücksichtigung von Art und Umfang ihrer Tätigkeit sowie ihres Mitgliederkreises die Gewähr für eine sachkundige Prozessvertretung bieten, für ihre Mitglieder,
- juristische Personen, deren Anteile sämtlich im wirtschaftlichen Eigentum einer der vorgenannten Organisationen stehen, wenn die juristische Person ausschließlich die Rechtsberatung und Prozessvertretung dieser Organisation und ihrer Mitglieder oder anderer Verbände oder Zusammenschlüsse mit vergleichbarer Ausrichtung und deren Mitglieder entsprechend deren Satzung durchführt, und wenn die Organisation für die Tätigkeit der Bevollmächtigten haftet.
Die vorgenannten Vereinigungen, Gewerkschaften und juristischen Personen müssen durch Personen mit Befähigung zum Richteramt handeln. Behörden und juristische Personen des öffentlichen Rechts einschließlich der von ihnen zur Erfüllung ihrer öffentlichen Aufgaben gebildeten Zusammenschlüsse sowie private Pflegeversicherungsunternehmen können sich durch eigene Beschäftigte mit Befähigung zum Richteramt oder durch Beschäftigte mit Befähigung zum Richteramt anderer Behörden oder juristischer Personen des öffentlichen Rechts einschließlich der von ihnen zur Erfüllung ihrer öffentlichen Aufgaben gebildeten Zusammenschlüsse vertreten lassen.
Ein Beteiligter, der zur Vertretung berechtigt ist, kann sich selbst vertreten. Handelt es sich dabei um eine der vorgenannten Vereinigungen, Gewerkschaften oder juristischen Personen, muss diese durch Personen mit Befähigung zum Richteramt handeln.
Die Beschwerde ist innerhalb von zwei Monaten nach Zustellung des Urteils von einem zugelassenen Bevollmächtigten schriftlich oder in elektronischer Form zu begründen.
In der Begründung muss die grundsätzliche Bedeutung der Rechtssache dargelegt oder die Entscheidung des Bundessozialgerichts, des Gemeinsamen Senats der obersten Gerichtshöfe des Bundes oder des Bundesverfassungsgerichts, von der das Urteil abweicht, oder ein Verfahrensmangel, auf dem die angefochtene Entscheidung beruhen kann, bezeichnet werden. Als Verfahrensmangel kann eine Verletzung der §§ 109 und 128 Abs. 1 Satz 1 Sozialgerichtsgesetz nicht und eine Verletzung des § 103 Sozialgerichtsgesetz nur gerügt werden, soweit das Landessozialgericht einem Beweisantrag ohne hinreichende Begründung nicht gefolgt ist.
Für die Beschwerde gegen die Nichtzulassung der Revision kann ein Beteiligter, der nicht schon durch die oben genannten Vereinigungen, Gewerkschaften oder juristischen Personen vertreten ist, Prozesskostenhilfe zum Zwecke der Beiordnung eines Rechtsanwalts beantragen.
Der Beteiligte kann die Prozesskostenhilfe selbst beantragen. Der Antrag ist beim Bundessozialgericht entweder schriftlich oder in elektronischer Form einzureichen oder mündlich vor dessen Geschäftsstelle zu Protokoll zu erklären.
Dem Antrag sind eine Erklärung des Beteiligten über seine persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse (Familienverhältnisse, Beruf, Vermögen, Einkommen und Lasten) sowie entsprechende Belege beizufügen. Hierzu ist der für die Abgabe der Erklärung vorgeschriebene Vordruck zu benutzen. Der Vordruck kann von allen Gerichten oder durch den Schreibwarenhandel bezogen werden.
Wird Prozesskostenhilfe bereits für die Einlegung der Beschwerde begehrt, so müssen der Antrag und die Erklärung über die persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse - gegebenenfalls nebst entsprechenden Belegen - bis zum Ablauf der Frist für die Einlegung der Beschwerde (ein Monat nach Zustellung des Urteils) beim Bundessozialgericht eingegangen sein.
Mit dem Antrag auf Prozesskostenhilfe kann ein zur Vertretung bereiter Rechtsanwalt benannt werden.
Ist dem Beteiligten Prozesskostenhilfe bewilligt worden und macht er von seinem Recht, einen Anwalt zu wählen, keinen Gebrauch, wird auf seinen Antrag der beizuordnende Rechtsanwalt vom Bundessozialgericht ausgewählt.
Der Beschwerdeschrift und allen folgenden Schriftsätzen sollen Abschriften für die übrigen Beteiligten beigefügt werden.
Das Bundessozialgericht bittet darüber hinaus um je zwei weitere Abschriften.
Schriftlich einzureichende Anträge und Erklärungen, die durch einen Rechtsanwalt, durch eine Behörde oder durch eine juristische Person des öffentlichen Rechts einschließlich der von ihr zur Erfüllung ihrer öffentlichen Aufgaben gebildeten Zusammenschlüsse eingereicht werden, sind als elektronisches Dokument zu übermitteln. Ist dies aus technischen Gründen vorübergehend nicht möglich, bleibt die Übermittlung nach den allgemeinen Vorschriften zulässig. Die vorübergehende Unmöglichkeit ist bei der Ersatzeinreichung oder unverzüglich danach glaubhaft zu machen; auf Anforderung ist ein elektronisches _ Dokument nachzureichen. Gleiches gilt für die nach dem Sozialgerichtsgesetz vertretungsberechtigten Personen, für die ein sicherer Übermittlungsweg nach § 65a Abs. 4 Nr. 2 SGG zur Verfügung steht (§ 65d SGG).