Tenor:
Auf die Beschwerde des Klägers wird der Beschluss des Sozialgerichts Köln vom 28.02.2023 geändert.
Dem Kläger wird für das Klageverfahren Prozesskostenhilfe bewilligt und Rechtsanwalt A., U., beigeordnet.
Gründe
I.
Der Kläger wendet sich gegen eine Überleitungsanzeige nach § 93 SGB XII.
Der 0000 geborene Kläger lebt von seiner Ehefrau getrennt, aber weiterhin in einem Haus. Dieses übertrug er mit notariellem Vertrag vom 24.06.2019 auf die Ehefrau, wobei er sich ein Wohnrecht an bestimmten Räumen vorbehielt und die Ehefrau sich zur Zahlung einer Leibrente sowie zur Betreuung und Pflege des Klägers in kranken und gebrechlichen Tagen verpflichtete. Bei dem Kläger ist ab dem 01.07.2019 der Pflegegrad 4 anerkannt, Pflegeperson ist die Ehefrau, die auch das Pflegegeld erhält. Sie ist Inhaberin einer Vorsorgevollmacht, die im Jahr 2008 mit notarieller Urkunde errichtet wurde.
Am 17.09.2019 beantragte die Ehefrau für den Kläger ein trägerübergreifendes persönliches Budget bei dem Beklagten. Dieser bewilligte mit Bescheid vom 25.01.2021 Hilfe zur Pflege nach dem SGB XII für den Zeitraum 17.09.2019 bis 31.12.2019, indem er die Kosten für Beratungs- und Betreuungsleistungen iHv 3.300,88 € übernahm.
Mit Schreiben vom 09.02.2012 hörte der Beklagte die Ehefrau zur beabsichtigten Überleitung eines Schenkungsrückforderungsanspruchs gem. § 93 SGB XII auf sich an. Dieser ergebe sich aus der Übertragung des Hausgrundstücks, die Überleitung sei erforderlich, um den Nachrang der Sozialhilfe herzustellen.
Mit Bescheid vom 24.03.2021 leitete der Beklagte gegenüber der Ehefrau den Schenkungsrückforderungsanspruch auf sich über. Mit weiterem Bescheid vom 26.03.2021 leitete der Beklagte gegenüber dem Kläger den Anspruch auf sich über, dieser Bescheid ist an die Ehefrau als Vertreterin des Klägers adressiert. Die Ehefrau legte gegen beide Bescheide Widerspruch ein, die jeweils mit Widerspruchsbescheid vom 25.10.2022 zurückgewiesen wurden.
Der Kläger hat am 17.11.2022 Klage erhoben und Prozesskostenhilfe beantragt. Es handele sich nicht um eine Schenkung, da die Übertragung nicht unentgeltlich erfolgt sei. Es seien Gegenleistungen vereinbart worden, mit denen der Kläger besser stehe als vorher.
Das Sozialgericht hat den Antrag auf Prozesskostenhilfe mit Beschluss vom 28.02.2023 abgelehnt. Die Klage habe keine Aussicht auf Erfolg, da die Überleitung rechtmäßig sei. Diese hänge nicht von dem Bestehen des Anspruchs ab, ein Fall der Negativevidenz liege nicht vor.
Dagegen richtet sich die Beschwerde vom 15.03.2023. Es handele sich nicht um eine Schenkung, da die Eheleute in Scheidung lebten und die Grundstücksübertragung im Rahmen des Zugewinnausgleichs erfolgt sei.
II.
Die zulässige Beschwerde des Klägers ist begründet. Das Sozialgericht hat es zu Unrecht abgelehnt, dem Kläger für die Durchführung des Klageverfahrens Prozesskostenhilfe zu bewilligen.
Gem. § 73a Abs. 1 Satz 1 SGG iVm § 114 ZPO erhält ein Beteiligter, der nach seinen persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnissen die Kosten der Prozessführung nicht, nur zum Teil oder nur in Raten aufbringen kann, auf Antrag Prozesskostenhilfe, wenn die beabsichtigte Rechtsverfolgung hinreichende Aussicht auf Erfolg bietet und nicht mutwillig erscheint. Dabei dürfen die Anforderungen an die Erfolgsaussichten nicht überspannt werden (BVerfG Beschluss vom 13.03.1990 – 2 BvR 94/88). Hinreichende Erfolgsaussichten sind grundsätzlich zu bejahen, wenn die Entscheidung in der Hauptsache von einer schwierigen, bisher ungeklärten Rechtsfrage abhängt oder wenn von Amts wegen weitere Ermittlungen durchzuführen sind, bevor die streiterheblichen Fragen abschließend beantwortet werden können, und keine konkreten und nachvollziehbaren Anhaltspunkte dafür vorliegen, dass die Ermittlungen mit großer Wahrscheinlichkeit zum Nachteil des Antragstellers ausgehen würden (vgl. BVerfG Beschluss vom 20.02.2001 – 1 BvR 1450/00; Beschlüsse des Senats vom 22.04.2021 – L 9 SO 418/20 B und vom 28.05.2013 – L 9 AS 541/13 B).
Das vorliegende Verfahren wirft ungeklärte Rechtsfragen auf, aus denen sich die Erfolgsaussichten ergeben.
Geklärt ist in der Rechtsprechung des BSG allerdings, dass die Überleitung nach § 93 SGB XII nicht das Bestehen des übergeleiteten Anspruchs voraussetzt (BSG Urteil vom 23.02.2023 – B 8 SO 9/21 R). In der Sozialhilfe dient die Überleitung eines Anspruchs – neben den Vorschriften über den Einsatz eigenen Einkommens und Vermögens – dazu, den Nachrang der Sozialhilfe (§ 2 Abs. 1 SGB XII) zu realisieren, weshalb die Vorschriften über die Überleitung von Ansprüchen bedarfsorientiert gesehen werden. Entscheidend ist also nicht, ob ein Anspruch tatsächlich besteht, sondern dass die Überleitung für einen Zeitraum erfolgt, für den Leistungen der Sozialhilfe tatsächlich gewährt worden sind. Nur wenn offensichtlich ist, dass dieses Ziel nicht verwirklicht werden kann – sog Negativevidenz – ist der Erlass einer Überleitungsverfügung sinnlos und trotz Vorliegens aller im Gesetz normierten Voraussetzungen als rechtswidrig aufzuheben. Fraglich ist allerdings, ob das auch dann gilt, wenn nicht der Beschenkte, sondern – wie hier – der Schenker gegen die Überleitung mit dem Einwand klagt, der Anspruch bestehe nicht. Die Überleitung ist zwar rechtswidrig, wenn der übergeleitete Anspruch offensichtlich nicht besteht, aber dann ist der Schenker nicht beschwert, weil ihm nichts entzogen worden ist.
Weiterhin ist hier fraglich, ob der Kläger ordnungsgemäß angehört worden ist. Die Anhörung vom 09.02.2021 richtet sich an die Ehefrau persönlich und nicht an sie als Vertreterin des Klägers. Das wäre ausreichend, wenn sie als Vertreterin nichts Anderes vortragen könnte, als in ihrer Eigenschaft als Beschenkte. Es ist jedoch zu berücksichtigen, dass sie als Beschenkte möglicherweise in einen Interessenkonflikt mit dem Schenker steht. Dann wäre eine Anhörung des Klägers persönlich oder eines anderen Vertreters, der ggfs. speziell zu diesem Zweck bestellt wird, erforderlich. Soweit man dies bejaht, wäre der Bescheid vom 26.03.2021 schon aus formellen Gründen rechtswidrig.
In materieller Hinsicht ist in der Rechtsprechung des BSG ungeklärt, ob die Rechtmäßigkeit der Leistungserbringung ungeschriebenes Tatbestandsmerkmal der Überleitung nach § 93 SGB XII ist (BSG Urteil vom 23.02.2023 – B 8 SO 9/21 R). Soweit man dies bejaht, wäre die Rechtmäßigkeit des Bewilligungsbescheides vom 25.01.2021 zu prüfen. Die in dem Bescheid genannte Rechtsgrundlage § 64 f SGB XII bezieht sich auf Altersvorsorgeaufwendungen und die Übernahme der Kosten für eine Beratung der Pflegeperson (Meßling in: jurisPK-SGB XII, 3. Aufl., § 64f Rn. 29). Übernommen worden sind aber Kosten für die Beratung und Betreuung des Pflegebedürftigen.
Weiterhin ist in der Rechtsprechung des BSG nicht geklärt, ob es sich bei dem in § 93 Abs. 1 Satz 1 SGB XII eingeräumten Ermessen um ein sog. intendiertes Ermessen handelt, bei dem in der Regel der Nachranggrundsatz die Überleitung gebietet (vgl. BSG Urteil vom 23.02.2023 – B 8 SO 9/21 R). Dagegen spricht nach der Rechtsprechung des BSG der Wortlaut des § 93 Abs. 1 SGB XII ("kann"), der die Ermessensausübung nicht auf atypische Fälle beschränkt. Demnach wäre die Ermessensentscheidung in dem Bescheid vom 26.03.2021 rechtswidrig, da der Beklagte allein auf den Nachrang der Sozialhilfe abstellt. Unabhängig davon stellt sich die Frage, ob nicht jedenfalls die enge Verbundenheit des Klägers zu seiner Ehefrau und der Umstand, dass sie trotz der Trennung weiterhin seine Pflegeperson ist, in die Ermessenentscheidung hätte eingestellt werden müssen. Soweit es an einer Anhörung des Klägers fehlt, wäre die Ermessensentscheidung des Beklagten rechtswidrig, weil er nicht alle ermessensrelevanten Gesichtspunkte ermittelt hat (BSG Urteil vom 23.02.2023 – B 8 SO 9/21 R).
Der Kläger erfüllt auch die wirtschaftlichen Voraussetzungen für die Bewilligung der Prozesskostenhilfe, die er mit der Erklärung vom 10.11.2022 dargelegt hat.
Kosten im Beschwerdeverfahren gegen die Ablehnung von Prozesskostenhilfe sind nicht erstattungsfähig (§ 73a Abs. 1 Satz 1 SGG iVm § 127 Abs. 4 ZPO).
Dieser Beschluss ist mit der Beschwerde nicht anfechtbar (§ 177 SGG).