Tenor:
Die Berufung der Beklagten gegen das Urteil des Sozialgerichts Köln vom 13.07.2021 wird zurückgewiesen.
Die Beklagte hat die Kosten der Klägerin auch im Berufungsverfahren zu erstatten.
Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand
Die Beklagte wendet sich mit ihrer Berufung gegen ihre Verurteilung zur Gleichstellung der Klägerin mit einer Schwerbehinderten gem. § 2 Abs. 3 SGB IX.
Die am 00.00.0000 geborene Klägerin ist examinierte Gesundheits- und Krankenpflegerin. Nachdem durch den Rhein-Erft-Kreis zunächst ein GdB iHv 30 festgestellt worden war, ist bei ihr aufgrund eines Vergleichs in einem sozialgerichtlichen Verfahren seit dem 25.04.2018 ein GdB iHv 40 festgestellt. Dem liegen folgende Gesundheitsstörungen zugrunde: Hörminderung, Gleichgewichtsstörungen, Funktionseinschränkungen der Wirbelsäule, Nervenwurzelreizungen, Schmerzsyndrom, Schultersteife rechts, Funktionseinschränkungen beider Ellbogen und Daumensattelgelenke, Funktionseinschränkung der unteren Extremitäten, Bluthochdruck.
Die Klägerin arbeitete seit 0000 als O. beim Universitätsklinikum U. (W.), Arbeitgeber war der I. B. U. eV. Das Beschäftigungsverhältnis zur I. B. wurde durch eine Kündigung des Arbeitgebers beendet. Ab dem 01.03.2019 arbeitete die Klägerin beim Krankenhaus E., dieses Beschäftigungsverhältnis wurde innerhalb der Probezeit zum 31.08.2019 aus nicht behinderungsbedingten Gründen wieder beendet. Seit dem 01.09.2019 ist die Klägerin als O. beim P.-Krankenhaus A. in der orthopädischen Abteilung beschäftigt.
Nach Ablehnung eines ersten Antrags beantragte die Klägerin am 12.07.2018 erneut die Gleichstellung mit einem schwerbehinderten Menschen. Sie machte geltend, ihr Arbeitsplatz als O. sei aufgrund ihrer gesundheitlichen Einschränkungen gefährdet, das W. und die I. B. gingen davon aus, dass sie ihren Beruf nicht mehr in vollem Umfang ausüben könne, verweigerten aber, ihr einen leidensgerechten Arbeitsplatz zur Verfügung zu stellen. Mit Bescheid vom 20.08.2018 lehnte die Beklagte den Antrag ab. Die Prüfung des Antrags habe keine Anhaltspunkte dafür ergeben, dass der Arbeitsplatz aus behinderungsbedingten Gründen gefährdet sei und die Klägerin zur Erhaltung des Arbeitsplatzes auf den Schutz der Gleichstellung angewiesen sei.
Hiergegen legte die Klägerin am 27.08.2018 Widerspruch ein. Sie legte ihre Auseinandersetzungen mit der I. B. dar, im Rahmen derer ihr durch den Anwalt der I. B. nahegelegt worden war, entweder in einem Altenheim in D. zu arbeiten oder sich einen anderen Arbeitgeber zu suchen.
Mit Widerspruchsbescheid vom 12.02.2019 wies die Beklagte den Widerspruch zurück. Nun führte sie aus, der Arbeitsplatz der Klägerin sei gesundheitlich nicht geeignet und deshalb nicht über eine Gleichstellung zu schützen.
Hiergegen richtet sich die am 06.03.2019 erhobene Klage. Die Klägerin hat geltend gemacht, ihr Arbeitsplatz sei aus behinderungsbedingten Grünen gefährdet, wie der Verlust des Arbeitsplatzes beim W. zeige.
Die Klägerin hat beantragt,
die Beklagte unter Aufhebung des Bescheides vom 20.08.2018 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 12.02.2019 zu verurteilen, sie einer Schwerbehinderten gleichzustellen.
Die Beklagte hat beantragt,
die Klage abzuweisen.
Sie hat geltend gemacht, da die Klägerin ihren Arbeitsplatz bei der I. B. verloren hat, könne die Gleichstellung nicht mehr zum Schutz dieses Arbeitsplatzes ausgesprochen werden. Da die Klägerin ihren Anschlussarbeitsplatz auch ohne die Gleichstellung erhalten habe, werde diese nicht zur Erlangung eines geeigneten Arbeitsplatzes benötigt. Anhaltspunkte für eine Gefährdung des neuen Arbeitsplatzes lägen nicht vor.
Auf Anforderung durch das Sozialgericht hat die Klägerin die im Verfahren auf Feststellung des GdB eingeholten Gutachten vorgelegt (orthopädisches Gutachten von H. vom 15.08.2016 [GdB 30], internistisch-kardiologisches Zusatzgutachten von C. vom 06.07.2016 [GdB 10], HNO-ärztliches Zusatzgutachten von F. [GdB 20], HNO-ärztliches Gutachten von Q. vom 03.11.2017 [GdB 20], orthopädisches Gutachten von Z. vom 13.01.2018 [Gesamt GdB 40]). Über die Beklagte ist eine Stellungnahme des Betriebsrats der P.-Klink T. eingeholt worden. Dieser hat ausgeführt, der Arbeitsplatz der Klägerin sei wegen der Notwendigkeit pflegerischer Tätigkeiten zwar geeignet, aber auch gefährdet. Die Arbeitgeberin P.-Krankenhaus A. GmbH hat auf Anfrage durch das Sozialgericht die Arbeitsunfähigkeitszeiten bis Januar 2021 mitgeteilt (nur jeweils einzelne Tage/Woche).
Mit Urteil vom 13.07.2021 hat das Sozialgericht die Beklagte unter Aufhebung der angefochtenen Bescheide verurteilt, die Klägerin einer Schwerbehinderten gleichzustellen. Die Voraussetzungen für die Gleichstellung nach § 2 Abs. 3 SGB IX seien gegeben. Die Tätigkeit der Klägerin als Gesundheits- und Krankenpflegerin sei aufgrund der Notwenigkeit, feinmotorische Arbeiten, Arbeiten mit Kraftentfaltung der Hände und dem Heben und Tragen von Lasten sowie Arbeiten im Nachtdienst zu vermeiden, eingeschränkt. Das Arbeitsverhältnis der Klägerin sei nach der Auskunft des Betriebsrats auch aufgrund der Notwendigkeit, grundpflegerische Arbeiten durchzuführen, gefährdet. Auch durch die Beendigung der Tätigkeiten bei dem W. und dem Krankenhaus E. zeige sich die Gefährdung des Arbeitsplatzes, auch wenn die Arbeitgeberin derzeit auf die Einschränkungen der Klägerin Rücksicht nehme. Der Arbeitsplatz sei dennoch nicht ungeeignet, weil die Klägerin mit Schmerzmitteln ihre Arbeit verrichten könne.
Gegen das der Beklagten am 24.08.2021 zugestellte Urteil richtet sich deren Berufung vom 22.09.2021. Die Beklagte meint, der Arbeitsplatz der Klägerin sei nicht aus gesundheitlichen Gründen gefährdet. Der Arbeitgeber nehme Rücksicht auf die Einschränkungen der Klägerin.
Die Beklagte beantragt,
das Urteil des Sozialgerichts zu ändern und die Klage abzuweisen.
Die Klägerin beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Sie beruft sich auf die Einschätzung des Betriebsrats hinsichtlich einer Arbeitsplatzgefährdung. Der Umstand, dass die Arbeitgeberin derzeit Rücksicht auf die Einschränkungen der Klägerin nehme, ändere nichts daran, dass sie den Gleichstellungsschutz benötige. Nach dem Arbeitsvertrag könne sie auch dazu verpflichtet werden, Samstags- Sonntags- und Feiertagsarbeit zu verrichten, im Wechsel- und Schichtdienst zu arbeiten sowie Mehrarbeit und Überstunden zu leisten, ebenso Bereitschafts- und Rufdienst. Die Arbeitgeberin könne die Klägerin also zu entsprechenden Arbeiten heranziehen und bei deren Nichtdurchführbarkeit das Beschäftigungsverhältnis beenden. Sie hat ihre weiteren Arbeitsunfähigkeitszeiten dargelegt, aus denen aber keine negativen Rückschlüsse für den Klageanspruch abzuleiten seien. Daraus, dass sie ich bemühe, sich so selten wie möglich krankschreiben zu lassen, könne nicht geschlossen werden, dass sie keine gesundheitlichen Einschränkungen bei der Arbeit habe. Nachtdienst müsse sie nicht leisten, auch keinen plötzlichen Schichtwechsel. Die Arbeitsunfähigkeitszeiten häuften sich, zuletzt sei sie vom 24.02.2023 bis zum 10.03.2023 arbeitsunfähig gewesen.
Während des Berufungsverfahrens ist am 26.09.2022 eine arbeitsmedizinische Untersuchung der Klägerin durch T. durchgeführt worden. Hiernach bestehen bei der Klägerin eine Meniskusschädigung links, eine Rizarthrose beidseits, eine aseptische Knochennekrose im Bereich des Beckens, eine arterielle Hypertonie sowie eine Hörminderung beidseits mit der Notwendigkeit einer Hörgeräteversorgung. Der Arzt bejaht ohne nähere Begründung die Voraussetzungen einer Gleichstellung. Die Beklagte hat daraufhin die Einschaltung ihres technischen Beraters angeboten, der klären solle, ob der Arbeitsplatz für die Klägerin geeignet ist und welche Hilfsmittel ggfs. zu Verfügung gestellt werden müssen. Damit könne auch festgestellt werden, ob der Arbeitgeber zu einer entsprechenden technischen Umrüstung breit ist bzw. die Umrüstung von einer Gleichstellung abhängig macht.
Auf Aufforderung durch den Senat hat die Klägerin ihren Arbeitsvertrag mit der P.-Klinik vorgelegt. Die Beteiligten haben ihr Einverständnis mit einer Entscheidung ohne mündliche Verhandlung allein durch den Berichterstatter erklärt.
Hinsichtlich der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstands wird auf die gewechselten Schriftsätze und die übrige Gerichtakte verwiesen, deren wesentlicher Inhalt Gegenstand der Entscheidungsfindung des Senats gewesen ist.
Entscheidungsgründe
Der Senat entscheidet über die Berufung der Beklagten in der geschäftsplanmäßigen Besetzung mit drei Berufsrichtern und den ehrenamtlichen Richtern. Zwar haben die Beteiligten ihr Einverständnis mit einer Entscheidung durch den Vorsitzenden als Berichterstatter anstelle des Senats erklärt (§ 155 Abs. 3, 4 SGG). Die Entscheidung darüber, ob der konsentierte Berichterstatter entscheidet oder die Sachentscheidung dem Senat überlässt, steht, auch nachdem die Beteiligten sich mit der Übertragung auf den Berichterstatter einverstanden erklärt haben, in dessen Ermessen (BSG Beschluss vom 23.06.2016 – B 11 AL 7/16 BH). Dieses war zugunsten der Vorlage an den gesamten Senat auszuüben, da die Beklagte den maßgeblichen Rechtsfragen grundsätzliche Bedeutung zumisst.
Die zulässige Berufung ist unbegründet. Das Sozialgericht hat die Beklagte zu Recht im Wege des Aufhebungs- und Verpflichtungsurteils verurteilt, die Klägerin einer Schwerbehinderten gleichzustellen. Der angefochtene Bescheid ist rechtswidrig. Die Klägerin hat einen Gleichstellungsanspruch nach § 2 Abs. 3 SGB IX.
Nach dieser Vorschrift sollen schwerbehinderten Menschen gleichgestellt werden Menschen mit Behinderungen mit einem Grad der Behinderung von weniger als 50, aber wenigstens 30, bei denen die übrigen Voraussetzungen des § 2 Abs. 2 SGB IX vorliegen, wenn sie infolge ihrer Behinderung ohne die Gleichstellung einen geeigneten Arbeitsplatz im Sinne des § 156 SGB IX nicht erlangen oder nicht behalten können (gleichgestellte behinderte Menschen).
Die Klägerin ist eine Frau mit Behinderung, bei der ein GdB von 40 festgestellt ist. Die Beklagte ist im Rahmen des Verfahrens der Gleichstellung an den festgestellten GdB gebunden, obwohl sie weder am Verwaltungsverfahren noch am gerichtlichen Verfahren zur Höhe des GdB zu beteiligen ist. Die Feststellung des GdB durch die jeweils nach Landesrecht zuständige Behörde wirkt insoweit konstitutiv (BSG Urteil vom 06.08.2014 – B 11 AL 16/13 R mwN). Die Klägerin hat rechtmäßig ihren Wohnsitz in Deutschland und erfüllt damit Grundvoraussetzungen für eine Gleichstellung (§ 2 Abs. 2 SGB IX).
Die Klägerin war und ist auf einem Arbeitsplatz iSd § 156 Abs. 1 SGB IX beschäftigt. Arbeitsplätze sind hiernach alle Stellen, auf denen Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer, Beamtinnen und Beamte, Richterinnen und Richter sowie Auszubildende und andere zu ihrer beruflichen Bildung Eingestellte beschäftigt werden. Die Klägerin war und ist in Vollzeit als Arbeitnehmerin beschäftigt. Entgegen der Annahme der Beklagten im Widerspruchsverfahren gilt dies auch für die Beschäftigung der Klägerin als O. bei der I. B. in U..
Maßgeblicher Zeitpunkt für die Beurteilung eines Gleichstellungsbegehrens ist wegen der Rückwirkung auf den Zeitpunkt der Antragsstellung (§ 151 Abs. 2 Satz 2 SGB IX) in erster Linie dieser Zeitpunkt. Allerdings müssen wegen des Zwecks der Regelung auch wesentliche Änderungen der Sach- und Rechtslage bis zur letzten mündlichen Verhandlung Berücksichtigung finden (BSG Urteile vom 06.08.2014 – B 11 AL 16/13 R und vom 02.03.2000 – B 7 AL 46/99 R), so dass neben dem Sach- und Streitstand bei Antragstellung alle wesentlichen Änderungen der Sach- und Rechtslage bis zur letzten mündlichen Verhandlung Berücksichtigung finden müssen. Es wäre nicht begründbar, hinsichtlich der gesetzlichen Anordnung einer Rückwirkung der Gleichstellung einen Rechtszustand bis zur endgültigen Entscheidung über die Gleichstellung fortzuschreiben, wenn zwischenzeitlich die Voraussetzungen für eine Gleichstellung entfallen sind. Mit anderen Worten: Zwar ordnet das Gesetz mit der konstitutiven Feststellung der Gleichstellung eine Rückwirkung dieser Gleichstellung für die Zeit ab Antragstellung an; jedoch setzt dies voraus, dass die Sach- und Rechtslage bereits zum Zeitpunkt der Antragstellung eine Gleichstellung rechtfertigte und nicht in der Folgezeit die Voraussetzungen für eine Gleichstellung entfallen sind. Hieraus können sich im Einzelnen abweichende Zeitpunkte für den Beginn, aber auch für das Ende der Gleichstellung ergeben. Dabei ist auch zu beachten, dass der Wegfall einer der Voraussetzungen der Gleichstellung nicht notwendig zur Beendigung der Gleichstellung führt, wenn der Behinderte zugleich infolge der Behinderung einen geeigneten Arbeitsplatz nicht erlangen kann. Beide Voraussetzungen sind also Elemente einer einheitlichen Entscheidung (BSG Urteil vom 02.03.2000 – B 7 AL 46/99 R).
Bezogen auf den vorliegenden Fall bedeuten diese Grundsätze, dass der Gleichstellungsanspruch von Beginn an besteht, wenn die Klägerin die Gleichstellung benötigte, um den Arbeitsplatz beim W. zu behalten und sie aktuell benötigt, um den Arbeitsplatz bei der P.-Klink zu behalten. Auf die Variante „Erlangung eines Arbeitsplatzes“ kommt es hingegen nicht an, weil die Klägerin alle drei Arbeitsplätze auch ohne einen Gleichstellungsschutz erhalten hat. Da es sich bei allen drei Arbeitsplätzen um klassische Krankenschwesterntätigkeiten in der Krankenpflege, also nicht zB in Funktionsbereichen eines Krankenhauses (zB Radiologie, Notaufnahme), einem Pflegdienst oder einer psychiatrischen Klinik handelt, können die maßgeblichen Rechtsfragen für die gesamte Zeit ab Antragstellung einheitlich behandelt werden.
Es handelt sich bei den Arbeitsplätzen um geeignete Arbeitsplätze. Der behinderte Mensch darf grundsätzlich durch die geschuldete Arbeitsleistung nicht gesundheitlich überfordert werden. Auf der anderen Seite führt das Auftreten oder Hinzutreten einer behinderungsbedingten Einschränkung des beruflichen Leistungsvermögens für sich genommen noch nicht zum Wegfall der Geeignetheit des Arbeitsplatzes. Die Geeignetheit des Arbeitsplatzes bestimmt sich individuell-konkret nach dem Eignungs- und Leistungspotential des behinderten Menschen. Die Bundesagentur für Arbeit und ggf. die Gerichte haben die konkreten Behinderungen und ihre Auswirkungen auf die Eignung des behinderten Menschen für den konkreten Arbeitsplatz zu ermitteln. Danach haben sie zu entscheiden, ob der Arbeitsplatz entweder schon für sich betrachtet geeignet ist oder jedenfalls durch Umsetzung von Leistungen der Rehabilitationsträger oder des Arbeitgebers so gestaltet werden kann, dass der behinderte Mensch die Anforderungen des Arbeitsplatzes erfüllen kann, ohne seinen Gesundheitszustand zu verschlechtern. Bei der Prüfung der Geeignetheit eines Arbeitsplatzes sind auch die Rechtspflichten der Rehabilitationsträger zur Sicherung der Teilhabe am Arbeitsleben sowie die Rechtspflichten des Arbeitgebers zu berücksichtigen (BSG Urteil vom 06.08.2014 – B 11 AL 16/13 R mwN).
Die gesundheitlichen Einschränkungen der Klägerin äußern sich im Wesentlichen in den orthopädischen Einschränkungen beim Heben und Tragen schwerer Lasten und in der Einsatzfähigkeit der Hand. Aufgrund des Bluthochdrucks darf sie nicht im Nachdienst und in Wechselschicht arbeiten. Dies entnimmt der Senat in orthopädischer Hinsicht dem Gutachten von Dr. H., der entsprechende Einschränkungen plausibel darstellt und in kardiologischer Hinsicht dem Gutachten von Dr. C., der hinsichtlich des Nachtdienstes eine entsprechende anamnestische Feststellung trifft. Die Einschränkungen bei der Wechselschicht sind für den Senat angesichts des internistischen Krankheitsbildes der Klägerin ebenfalls nachvollziehbar. Hiermit sind ihr zwar einige Bereiche der grundpflegerischen Tätigkeiten verschlossen, wie zB das Lagern schwererer Patienten und die Teilnahme am Schichtplan, der für nicht gesundheitlich beeinträchtigte Kolleginnen und Kollegen gilt und grundsätzlich arbeitsvertraglich geschuldet ist. Die Klägerin hat aber glaubhaft vorgetragen, dass ihr die Ausübung der Tätigkeit notfalls mit Schmerzmitteln und bei Berücksichtigung ihrer weiteren Einschränkungen grundsätzlich möglich ist. Die Geeignetheit eines Arbeitsplatzes kann nicht bereits dann verneint werden, wenn einzelne Tätigkeiten nur erschwert verrichtet werden können, wenn bei wertender Gesamtbetrachtung das wesentliche Tätigkeitsfeld noch ausgeübt werden kann (Luthe, JurisPK-SGB IX, § 2 Rn. 160 mwN). Für die Geeignetheit sprechen auch die noch moderaten Arbeitsunfähigkeitszeiten und der Umstand, dass die Klägerin trotz ihres nicht mehr jugendlichen Alters motiviert arbeitet und bereits zweimal mit Erfolg ohne zwischenzeitliche Arbeitslosigkeit eine neue Stelle gefunden hat. Bei lebensnaher Betrachtung ist nicht anzunehmen, dass die Klägerin stets neue Stellen sucht, die merkbar auf Kosten ihrer Gesundheit gehen.
Die Klägerin konnte (W.) und kann (P.-Krankenhaus) infolge ihrer Behinderung ohne die Gleichstellung einen geeigneten Arbeitsplatz nicht behalten iSd § 2 Abs. 3 Alt. 2 SGB IX.
Der behinderte Mensch soll in das Arbeitsleben integriert bleiben. Die Gleichstellung dient dazu, eine ungünstige Konkurrenzsituation des Behinderten am Arbeitsplatz und auf dem Arbeitsmarkt zu verbessern und somit den Arbeitsplatz sicherer zu machen oder seine Vermittlungschancen zu erhöhen (BSG Urteil vom 01.03.2011 – B 7 AL 6/10 R). Maßgeblich für die Frage, ob eine Arbeitsplatzgefährdung infolge der Behinderung gegeben ist, ist damit, ob der Arbeitnehmer trotz seiner Einschränkungen gegenüber nicht behinderten Kollegen noch konkurrenzfähig ist (BSG Urteil vom 06.08.2014 – B 11 AL 16/13 R). Weitere Anforderungen, wie ein drohender Personalabbau, eine ungünstige wirtschaftliche Situation, Umstrukturierungen o. Äh. sind für eine Gleichstellung grundsätzlich nicht zu fordern. Denn der behinderte Mensch kann nicht darauf verwiesen werden abzuwarten, bis der Arbeitgeber Maßnahmen ergreift, die auf die Beendigung des Arbeitsverhältnisses zielen. In einer solchen Situation käme eine Gleichstellung nach § 2 Abs. 3 SGB IX in aller Regel zu spät. Die Antwort auf die Frage nach dem Kausalzusammenhang iS des § 2 Abs. 3 SGB IX ergibt sich daher nicht aus der Alternative einer entweder nur abstrakten oder konkreten Prognoseentscheidung über die Arbeitsplatzgefährdung. Maßgeblich ist allein die Einschränkung der Konkurrenzfähigkeit und die Möglichkeit, das Arbeitsverhältnis ordentlich zu kündigen. Dann kann der Arbeitsplatz durch die Gleichstellung sicherer gemacht werden. Einer konkret drohenden oder ausgesprochenen Kündigung bedarf es nicht (BSG Urteil vom 06.08.2014 – B 11 AL 16/13 R).
Die Gleichstellung kann neben dem Kündigungsschutz (§§ 168 ff SGB IX) zudem den Effekt haben, den Arbeitgeber zu einer behinderungsbedingten Gestaltung des Arbeitsplatzes – sei es durch technische Ausstattung, sei es – wie im Fall der Klägerin – durch eine entsprechende Gestaltung der Arbeitsbedingungen – zu bewegen. Denn gem. § 164 Abs. 4 Nr. 4 SGB IX haben die schwerbehinderten Menschen gegenüber ihren Arbeitgebern Anspruch auf behinderungsgerechte Einrichtung und Unterhaltung der Arbeitsstätten einschließlich der Betriebsanlagen, Maschinen und Geräte sowie der Gestaltung der Arbeitsplätze, des Arbeitsumfelds, der Arbeitsorganisation und der Arbeitszeit unter besonderer Berücksichtigung der Unfallgefahr. Ist die Gleichstellung hiernach geeignet, die Verhandlungsposition des Arbeitnehmers bei entsprechenden Verhandlungen und Auswahlentscheidungen zu stärken, ist eine Eignung zum Ausgleich von Wettbewerbsnachteilen für die Erhaltung des Arbeitsplatzes bereits gegeben. Kann der gleichgestellte Arbeitnehmer den Arbeitgeber hiernach zu einer entsprechenden Gestaltung der Arbeit veranlassen, dient dies gleichzeitig der Erhaltung des Arbeitsplatzes als solchem, weil eine Minderleistung dann ausgeglichen oder vermieden werden kann.
Die Klägerin ist gegenüber nicht behinderten Krankenschwestern und –pflegern nicht mehr in vollem Umfang konkurrenzfähig. Bereits das Geschehen am W. zeigt, dass die Klägerin behinderungsbedingt in ihrer Wettbewerbsfähigkeit soweit eingeschränkt war, dass ihr Arbeitsverhältnis bedroht war und schließlich auch beendet worden ist. Andere Gründe als die verminderte Leistungsfähigkeit der Klägerin sind für das Ende der Beschäftigung beim W. nicht ersichtlich. Die Klägerin hat plausibel und für den Senat überzeugend dargelegt, dass sie die Anforderungen an eine Tätigkeit in der Grundpflege nicht mehr in vollem Umfang verrichten kann. Dies gilt nicht nur wegen ihrer Einschränkungen im Bereich Körperkraft (Heben und Tragen, Handbelastbarkeit), sondern auch wegen der Notwendigkeit, Nachtdienste und Wechselschichten zu vermeiden. Der letztgenannte Gesichtspunkt beeinträchtigt die Konkurrenzfähigkeit der Klägerin empfindlich, da Flexibilität im Personaleinsatz und die Möglichkeit, bei einem kurzfristigen Personalausfall einsatzbereit zu sein, erhebliche Wettbewerbsvorteile darstellen.
Der Umstand, dass nach dem Vorbringen der Klägerin der Arbeitgeber bereit ist, entsprechende Rücksichten zu nehmen, steht einem Gleichstellungsanspruch nicht entgegen. Nach dem Arbeitsvertrag ist die Klägerin ohne Einschränkungen als Gesundheits- und Krankenpflegerin eingesetzt. § 4 des Arbeitsvertrags bestimmt ausdrücklich: „Die Festlegung der Lage der Arbeitszeit obliegt der Arbeitgeberin, soweit sich nicht aus den nach diesem Arbeitsvertrag anwendbaren tariflichen oder betrieblichen Regelungen zwingende Vorgaben ergeben. Die Mitarbeiterin ist verpflichtet, im Rahmen der gesetzlichen und nach diesem Arbeitsvertrag anwendbaren tariflichen Bestimmungen Samstags-, Sonntags-, Feiertags-, Nacht-, Wechselschicht-, und Schichtarbeit sowie Überstunden und Mehrarbeit zu leisten. Dasselbe gilt für Bereitschaftsdienste und Rufbereitschaft.“ Der Verzicht der Arbeitgeberin auf einen entsprechenden Einsatz ist freiwillig. Die Gleichstellung trägt dazu bei, der Klägerin insoweit zu einer verhandelbaren Rechtsposition zu verhelfen (§ 164 Abs. 4 Nr. 4 SGB IX).
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.
Gründe für eine Zulassung der Revision liegen nicht vor (§ 160 Abs. 2 SGG).
Rechtsmittelbelehrung:
Dieses Urteil kann nur dann mit der Revision angefochten werden, wenn sie nachträglich vom Bundessozialgericht zugelassen wird. Zu diesem Zweck kann die Nichtzulassung der Revision durch das Landessozialgericht mit der Beschwerde angefochten werden.
Die Beschwerde ist von einem bei dem Bundessozialgericht zugelassenen Prozessbevollmächtigten innerhalb eines Monats nach Zustellung des Urteils schriftlich oder in elektronischer Form beim
Bundessozialgericht, Postfach 41 02 20, 34114 KasseloderBundessozialgericht, Graf-Bernadotte-Platz 5, 34119 Kassel
einzulegen.
Die Beschwerdeschrift muss bis zum Ablauf der Monatsfrist bei dem Bundessozialgericht eingegangen sein.
Die elektronische Form wird durch Übermittlung eines elektronischen Dokuments gewahrt, das für die Bearbeitung durch das Gericht geeignet ist und
- von der verantwortenden Person qualifiziert elektronisch signiert ist und über das Elektronische Gerichts- und Verwaltungspostfach (EGVP) eingereicht wird oder
- von der verantwortenden Person signiert und auf einem sicheren Übermittlungsweg gem. § 65a Abs. 4 Sozialgerichtsgesetz (SGG) eingereicht wird.
Weitere Voraussetzungen, insbesondere zu den zugelassenen Dateiformaten und zur qualifizierten elektronischen Signatur, ergeben sich aus der Verordnung über die technischen Rahmenbedingungen des elektronischen Rechtsverkehrs und über das besondere elektronische Behördenpostfach (Elektronischer-Rechtsverkehr-Verordnung -ERVV) in der jeweils gültigen Fassung. Weitergehende Informationen zum elektronischen Rechtsverkehr können über das Internetportal des Bundessozialgerichts (www.bsg.bund.de) abgerufen werden.
Als Prozessbevollmächtigte sind nur zugelassen
- jeder Rechtsanwalt,
- Rechtslehrer an einer staatlichen oder staatlich anerkannten Hochschule eines Mitgliedsstaates der Europäischen Union, eines anderen Vertragsstaates des Abkommens über den Europäischen Wirtschaftsraum oder der Schweiz, die die Befähigung zum Richteramt besitzen,
- selbständige Vereinigungen von Arbeitnehmern mit sozial- oder berufspolitischer Zwecksetzung für ihre Mitglieder,
- berufsständische Vereinigungen der Landwirtschaft für ihre Mitglieder,
- Gewerkschaften und Vereinigungen von Arbeitgebern sowie Zusammenschlüsse solcher Verbände für ihre Mitglieder oder für andere Verbände oder Zusammenschlüsse mit vergleichbarer Ausrichtung und deren Mitglieder,
- Vereinigungen, deren satzungsgemäße Aufgaben die gemeinschaftliche Interessenvertretung, die Beratung und Vertretung der Leistungsempfänger nach dem sozialen Entschädigungsrecht oder der behinderten Menschen wesentlich umfassen und die unter Berücksichtigung von Art und Umfang ihrer Tätigkeit sowie ihres Mitgliederkreises die Gewähr für eine sachkundige Prozessvertretung bieten, für ihre Mitglieder,
- juristische Personen, deren Anteile sämtlich im wirtschaftlichen Eigentum einer der vorgenannten Organisationen stehen, wenn die juristische Person ausschließlich die Rechtsberatung und Prozessvertretung dieser Organisation und ihrer Mitglieder oder anderer Verbände oder Zusammenschlüsse mit vergleichbarer Ausrichtung und deren Mitglieder entsprechend deren Satzung durchführt, und wenn die Organisation für die Tätigkeit der Bevollmächtigten haftet.
Die vorgenannten Vereinigungen, Gewerkschaften und juristischen Personen müssen durch Personen mit Befähigung zum Richteramt handeln. Behörden und juristische Personen des öffentlichen Rechts einschließlich der von ihnen zur Erfüllung ihrer öffentlichen Aufgaben gebildeten Zusammenschlüsse sowie private Pflegeversicherungsunternehmen können sich durch eigene Beschäftigte mit Befähigung zum Richteramt oder durch Beschäftigte mit Befähigung zum Richteramt anderer Behörden oder juristischer Personen des öffentlichen Rechts einschließlich der von ihnen zur Erfüllung ihrer öffentlichen Aufgaben gebildeten Zusammenschlüsse vertreten lassen.
Ein Beteiligter, der zur Vertretung berechtigt ist, kann sich selbst vertreten. Handelt es sich dabei um eine der vorgenannten Vereinigungen, Gewerkschaften oder juristischen Personen, muss diese durch Personen mit Befähigung zum Richteramt handeln.
Die Beschwerde ist innerhalb von zwei Monaten nach Zustellung des Urteils von einem zugelassenen Bevollmächtigten schriftlich oder in elektronischer Form zu begründen.
In der Begründung muss die grundsätzliche Bedeutung der Rechtssache dargelegt oder die Entscheidung des Bundessozialgerichts, des Gemeinsamen Senats der obersten Gerichtshöfe des Bundes oder des Bundesverfassungsgerichts, von der das Urteil abweicht, oder ein Verfahrensmangel, auf dem die angefochtene Entscheidung beruhen kann, bezeichnet werden. Als Verfahrensmangel kann eine Verletzung der §§ 109 und 128 Abs. 1 Satz 1 Sozialgerichtsgesetz nicht und eine Verletzung des § 103 Sozialgerichtsgesetz nur gerügt werden, soweit das Landessozialgericht einem Beweisantrag ohne hinreichende Begründung nicht gefolgt ist.
Für die Beschwerde gegen die Nichtzulassung der Revision kann ein Beteiligter, der nicht schon durch die oben genannten Vereinigungen, Gewerkschaften oder juristischen Personen vertreten ist, Prozesskostenhilfe zum Zwecke der Beiordnung eines Rechtsanwalts beantragen.
Der Beteiligte kann die Prozesskostenhilfe selbst beantragen. Der Antrag ist beim Bundessozialgericht entweder schriftlich oder in elektronischer Form einzureichen oder mündlich vor dessen Geschäftsstelle zu Protokoll zu erklären.
Dem Antrag sind eine Erklärung des Beteiligten über seine persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse (Familienverhältnisse, Beruf, Vermögen, Einkommen und Lasten) sowie entsprechende Belege beizufügen. Hierzu ist der für die Abgabe der Erklärung vorgeschriebene Vordruck zu benutzen. Der Vordruck kann von allen Gerichten oder durch den Schreibwarenhandel bezogen werden.
Wird Prozesskostenhilfe bereits für die Einlegung der Beschwerde begehrt, so müssen der Antrag und die Erklärung über die persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse - gegebenenfalls nebst entsprechenden Belegen - bis zum Ablauf der Frist für die Einlegung der Beschwerde (ein Monat nach Zustellung des Urteils) beim Bundessozialgericht eingegangen sein.
Mit dem Antrag auf Prozesskostenhilfe kann ein zur Vertretung bereiter Rechtsanwalt benannt werden.
Ist dem Beteiligten Prozesskostenhilfe bewilligt worden und macht er von seinem Recht, einen Anwalt zu wählen, keinen Gebrauch, wird auf seinen Antrag der beizuordnende Rechtsanwalt vom Bundessozialgericht ausgewählt.
Der Beschwerdeschrift und allen folgenden Schriftsätzen sollen Abschriften für die übrigen Beteiligten beigefügt werden.
Das Bundessozialgericht bittet darüber hinaus um je zwei weitere Abschriften.
Schriftlich einzureichende Anträge und Erklärungen, die durch einen Rechtsanwalt, durch eine Behörde oder durch eine juristische Person des öffentlichen Rechts einschließlich der von ihr zur Erfüllung ihrer öffentlichen Aufgaben gebildeten Zusammenschlüsse eingereicht werden, sind als elektronisches Dokument zu übermitteln. Ist dies aus technischen Gründen vorübergehend nicht möglich, bleibt die Übermittlung nach den allgemeinen Vorschriften zulässig. Die vorübergehende Unmöglichkeit ist bei der Ersatzeinreichung oder unverzüglich danach glaubhaft zu machen; auf Anforderung ist ein elektronisches _ Dokument nachzureichen. Gleiches gilt für die nach dem Sozialgerichtsgesetz vertretungsberechtigten Personen, für die ein sicherer Übermittlungsweg nach § 65a Abs. 4 Nr. 2 SGG zur Verfügung steht (§ 65d SGG).