L 7 AS 476/23

Land
Nordrhein-Westfalen
Sozialgericht
LSG Nordrhein-Westfalen
Sachgebiet
Grundsicherung für Arbeitsuchende
Abteilung
7
1. Instanz
SG Düsseldorf (NRW)
Aktenzeichen
S 40 AS 793/19
Datum
2. Instanz
LSG Nordrhein-Westfalen
Aktenzeichen
L 7 AS 476/23
Datum
3. Instanz
-
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil

Tenor:

Auf die Berufung der Klägerinnen wird das Urteil des Sozialgerichts Düsseldorf vom 17.08.2021 aufgehoben. Der Rechtsstreit wird an das Sozialgericht zurückverwiesen.

Die Kostenentscheidung bleibt einer Entscheidung des Sozialgerichts in der Hauptsache vorbehalten.

Die Revision wird nicht zugelassen.

 

Tatbestand:

Streitig zwischen den Beteiligten ist die Erledigung des erstinstanzlichen Klageverfahrens durch Klagerücknahmefiktion i.S.v. § 102 Abs. 2 Satz 1 SGG. In der Sache ist der Rechtsstreit auf eine Verurteilung des Beklagten zur Zahlung höherer Bedarfe für Unterkunft und Heizung i.S.v. § 22 Abs. 1 SGB II gerichtet.

Die 0000 geborene Klägerin zu 1) ist die Mutter der 0000 geborenen Klägerin zu 2). Die Klägerinnen beziehen Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nach dem SGB II vom Beklagten. Sie wohnten zunächst in einer 55 m² großen 2-Zimmer-Wohnung in der O.-straße in Q.. Am 17.08.2019 reichten sie beim Beklagten ein Mietangebot für eine 68,89 m² große 3-Zimmer-Wohnung in der N.-straße in Q. ein. Die Gesamtmiete setzte sich aus 292,01 € Kaltmiete, 100,00 € Betriebskostenvorauszahlungen und 158,00 € Heizkostenvorauszahlungen zusammen. Gemäß dem Mietvertrag hatten die Klägerinnen außerdem die Kosten für einen Tiefgaragenstellplatz i.H.v. monatlich 48,57 € zu zahlen. Die Klägerinnen erklärten, ihre bisherige Wohnung sei zu klein. Die Klägerin zu 2) benötige Rückzugsmöglichkeiten und zur Erledigung von Hausaufgaben ein eigenes Zimmer. Auch die Klägerin zu 1) benötige mehr Privatsphäre. In dem Haus der neuen Wohnung lebe zudem die 74- jährige Mutter der Klägerin zu 1), die im Haushalt und bei Einkäufen auf Hilfe angewiesen sei. Der Beklagte lehnte die Zustimmung zur Anmietung der Wohnung mit Bescheid vom 27.08.2018 ab. Die Bruttokaltmiete i.H.v. 538,38 € sei nicht angemessen. Angemessen seien 479,05 €.

Zum 01.12.2018 zogen die Klägerinnen in die neue Wohnung. Mit Änderungsbescheid vom 12.11.2018 berechnete der Beklagte die Unterkunftskosten neu und bewilligte Leistungen nach dem SGB II für Dezember 2018 i.H.v. 838,22 € und für Januar und Februar 2020 i.H.v. 381,22 € monatlich. Dabei berücksichtigte der Beklagte eine Bruttokaltmiete i.H.v. (293,30 € Kaltmiete + 60,00 € Heizkostenvorauszahlungen + 202,00 € Nebenkostenvorauszahlungen =) 555,30 €. Mit Änderungsbescheid vom 24.11.2018 berücksichtigte der Beklagte die Erhöhung des Regelsatzes ab Januar 2019 und bewilligte für Januar und Februar 2020 Leistungen nach dem SGB II i.H.v. 864,18 € monatlich.

Die Klägerinnen legten am 13.12.2018 Widerspruch gegen den Änderungsbescheid vom 12.11.2018 ein. Die Unterkunftskosten seien in tatsächlicher Höhe zu berücksichtigen. Mit weiterem Änderungsbescheid vom 23.01.2019 berücksichtigte der Beklagte aufgrund geänderter Richtlinien die höchstmögliche Bruttokaltmiete ab Februar 2020 i.H.v. (315,40 € Kaltmiete + 60,00 € Heizkostenvorauszahlungen + 202,00 € Nebenkostenvorauszahlungen =) 577,40 €.

Der Beklagte wies den Widerspruch der Klägerinnen mit Widerspruchsbescheid vom 31.01.2019 zurück. Er habe die Richtlinie des kommunalen Kostenträgers zu Unterkunftskosten und Heizkosten berücksichtigt. Die angemessenen Unterkunftskosten beliefen sich hiernach ab Dezember 2018 auf 293,30 € Kaltmiete, 202 € Nebenkostenvorauszahlungen und 60 € Heizkostenvorauszahlungen, insgesamt 555,30 €. Ab Februar 2019 beliefen sich die angemessenen Unterkunftskosten auf 315,40 € Kaltmiete, 202 € Nebenkostenvorauszahlungen und 60 € Heizkostenvorauszahlungen, insgesamt 577,40 €. Die Bruttokaltmiete der Klägerinnen setze sich zusammen aus 292,01 € Kaltmiete, 48,57 € Kosten für den Tiefgaragenstellplatz und kalten Nebenkosten i.H.v. 203,51 €. Die Höhe der Nebenkosten ergebe sich aus den im Mietangebot aufgeführten Betriebskosten i.H.v. 100 € zuzüglich der mit dem Energieversorger „Brunata“ abgerechneten Kosten für Warmwasser, Kaltwasser und Kanalgebühren. An „Brunata“ werde ein monatlicher Abschlag i.H.v. 158 € fällig. Mit diesem würden Heizkosten, Warm- und Kaltwasserkosten sowie Kanalgebühren abgerechnet, wobei Warm- und Kaltwasserkosten sowie Kanalgebühren den kalten Betriebskosten zuzuordnen seien. Ausgehend von der prozentualen Verteilung der Gesamtkosten in 2017 für diese Positionen (33,91 % für die Heizkosten, 14,88 % für die Warmwasserkosten und 51,21 % für die Kaltwasserkosten und Kanalgebühren) entfielen nunmehr auch 66,09 % des Abschlags auf die Warm-, Kaltwasserkosten und Kanalgebühren, somit 104,42 €.

Am 27.02.2019 haben die Klägerinnen beim Sozialgericht Düsseldorf Klage erhoben und beantragt, „den Beklagten unter Abänderung des Bescheides vom 12.11.2018 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 31.01.2019 zu verurteilen, ihnen weitere Leistungen nach dem SGB II nach Maßgabe der gesetzlichen Bestimmungen zu gewähren“. Weiter haben sie die Bewilligung von Prozesskostenhilfe beantragt und das Sozialgericht mit Schreiben vom 02.12.2019, 14.02.2020, 14.08.2020 und 02.12.2020 an die Bearbeitung dieses Antrags erinnert.

In der Sache haben sie vorgetragen, der Beklagte habe die tatsächlichen Kosten für Unterkunft und Heizung gemäß § 22 Abs. 1 Satz 1 SGB II zu übernehmen. Die Bruttokaltmiete der neuen Wohnung betrage insgesamt 444,58 € und sei nach der Richtlinie des Beklagten angemessen. Die vom Beklagten aufgestellte Berechnung könne nicht nachvollzogen werden. Eine Deckelung der Unterkunftskosten scheide aus, weil das Konzept des Beklagten nicht schlüssig sei. Die Klägerinnen haben diesbezüglich ihren Mietvertrag übersandt, dem eine Gesamtmiete i.H.v. (Kaltmiete 292,01 € +Tiefgaragenstellplatz 48,57 € + Betriebskostenvorauszahlungen 104,00 € + Heizkostenvorauszahlungen 158,00 € =) 602,58 € zu entnehmen war.

Der Beklagte hat erwidert, bei der Berechnung der Betriebskosten sei zu berücksichtigen, dass sich diese aus den „kalten Betriebskosten“ i.H.v. 104 € zuzüglich der mit der Brunata abgerechneten Kosten für Kaltwasser und Kanalgebühren i.H.v. 80,91 € errechneten. Damit errechneten sich kalte Betriebskosten i.H.v. 184,91 €. Zuzüglich einer Kaltmiete i.H.v. 282,01 € errechne sich eine Bruttokaltmiete i.H.v. 476,92 €. Diese Kosten lägen innerhalb der Angemessenheitsgrenze. Nicht übernahmefähig seien die Kosten für die Tiefgarage. Diese seien nur anzuerkennen, wenn die Wohnung nicht ohne diese anmietbar und die Kosten einschließlich der Miete noch angemessen seien. Letzteres sei nicht der Fall. Die Ausführungen der Klägerinnen, nach denen die tatsächliche Bruttokaltmiete 444,58 € betrage, überzeugten damit nicht.

Mit Schreiben vom 22.06.2020, an dessen Beantwortung es am 17.08.2020 erinnert hat, hat das Sozialgericht die Klägerinnen aufgefordert, einen nach Monaten bezifferten Klageantrag zu stellen und ihre Berechnung darzulegen. Die Klägerinnen haben mit Schreiben vom 14.08.2020 erwidert, die tatsächlichen Kosten der Unterkunft und Heizung zu begehren und die Bezifferung ergebe sich aus dem bisherigen Vortrag.

Das Sozialgericht hat die Klägerinnen mit Verfügung vom 01.09.2020 aufgefordert, das Verfahren gemäß § 102 Abs. 2 SGG durch Übersendung einer Stellungnahme gemäß der Verfügung vom 22.06.2020 zu betreiben. Die Klage gelte als zurückgenommen, wenn das Verfahren trotz Aufforderung des Gerichts länger als drei Monate ab Zustellung der Verfügung nicht betrieben werde. Der Richter hat die Verfügung mit vollem Namen unterschrieben. Das Schreiben ist den anwaltlich vertretenen Klägerinnen am 04.09.2020 zugestellt worden. Mit am 02.12.2020 eingegangenen Schreiben haben die Klägerinnen unter Bezugnahme auf das Schreiben vom 01.09.2020 mitgeteilt, die Verfügung vom 22.06.2020 sei mit Schreiben vom 14.08.2020 erledigt worden. Eine Bezifferung des Klageantrags nach Monaten sei nach § 92 SGG nicht vorgeschrieben. Eine Abschlussverfügung hat das Sozialgericht nach Ablauf der von ihm gesetzten Frist nach § 102 Abs. 2 Satz 1 SGG nicht gefertigt.

Das Sozialgericht hat den Antrag auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe mit Beschluss vom 08.02.2021 mit der Begründung abgelehnt, der Beklagte habe den Klägerinnen nach dem Umzug noch eine Bruttokaltmiete i.H.v. 495,30 € bzw. 517,40 € und damit mehr als die von ihnen geltend gemachten 444,58 € bewilligt. Die Klägerinnen haben am 27.04.2021 erneut Prozesskostenhilfe beantragt. Die tatsächlichen Kosten der Unterkunft beliefen sich auf 602,58 €. Bewilligt worden seien lediglich 555,30 € bzw. 577,40 €. Sie begehrten die Differenz, mithin 47,28 € bzw. 25,18 €. Das Sozialgericht hat mit Beschluss vom 28.04.2021 den neuerlichen Antrag auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe nunmehr mit der Begründung abgelehnt, die Klage gelte nach § 102 Abs. 2 SGG als zurückgenommen.

Die Klägerinnen haben mit am 31.05.2021 eingegangenen Schreiben beantragt, festzustellen, dass das Verfahren nicht nach § 102 Abs. 2 SGG erledigt und das Verfahren fortzuführen sei. Die Voraussetzungen des § 102 Abs. 2 SGG lägen nicht vor. Die Betreibensaufforderung sei mit Schriftsatz vom 02.12.2020 und damit innerhalb der Frist erledigt worden. Die Entscheidung über den Prozesskostenhilfeantrag nach Ablauf der Frist des § 102 Abs. 2 Satz 1 SGG verletze den Anspruch der Klägerinnen auf rechtliches Gehör.

Die Klägerinnen haben beantragt,

den Bescheid vom 12.11.2018 in der Fassung des Widerspruchsbescheides vom 31.01.2019 insoweit abzuändern, als dass für Dezember 2018 weitere 47,28 € gewährt werden, dass für Januar 2019 ein weiterer Betrag von 47,28 € gewährt wird und dass für Februar 2019 ein weiterer Betrag von 25,18 € gewährt wird.

Der Beklagte hat beantragt,

festzustellen, dass das Verfahren durch fiktive Klagerücknahme beendet ist, hilfsweise, die Klage abzuweisen.

Das Sozialgericht hat mit Urteil vom 17.08.2021 festgestellt, dass die Klage gemäߧ 102 Abs. 2 Satz. 1 SGG als zurückgenommen gelte. Das Gericht habe mit Betreibensaufforderung vom 02.09.2020 deutlich gemacht, einen bezifferten Klageantrag zu benötigen. Der bis dahin vorliegende Vortrag der Klägerinnen „habe mathematisch und denklogisch keinen Sinn gemacht“. Der angeforderte Vortrag sei notwendig gewesen, um das Verfahren sinnvoll fortzusetzen. Dieser sei nicht in der gesetzlichen Frist erfolgt.

Das Sozialgericht hat die Berufung nicht zugelassen. Die Klägerinnen haben gegen das am 06.10.2021 zugestellte Urteil am 05.11.2021 Nichtzulassungsbeschwerde eingelegt. Mit Beschluss vom 09.03.2023 hat der Senat die Berufung zugelassen.

Die Klägerinnen beantragen,

das Urteil des Sozialgerichts Düsseldorf vom 17.08.2021 aufzuheben und das Verfahren an das Sozialgericht Düsseldorf zurückzuverweisen.

Der Beklagte beantragt,

              die Berufung zurückzuweisen.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den Inhalt der Gerichtsakte und der Verwaltungsakten des Beklagten Bezug genommen, der Gegenstand der mündlichen Verhandlung gewesen ist.

Entscheidungsgründe:

Die zulässige Berufung ist im Sinne einer Zurückverweisung des Rechtsstreits an das Sozialgericht begründet.

Die Berufung ist zulässig. Stellt ein Kläger einen Antrag auf Fortsetzung des Verfahrens, führt das Sozialgericht das Verfahren entweder in der Sache fort oder stellt durch Urteil fest, dass das Verfahren erledigt ist. Gegen die feststellende Entscheidung des Sozialgerichts, dass die Klage als zurückgenommen gilt, ist das Rechtsmittel statthaft, das auch gegen eine Entscheidung in der Sache selbst einzulegen wäre (vgl. BSG, Urteil vom 19.03.2020 –B 4 AS 4/20 R – juris, Rn. 18). Die Klägerinnen haben hier zunächst Nichtzulassungsbeschwerde eingelegt. Nach Zulassung der Berufung durch den Senat wird das Beschwerdeverfahren als Berufungsverfahren fortgesetzt, ohne dass es der Einlegung der Berufung bedarf, § 145 Abs. 5 Satz 1 SGG.

Die Berufung ist im Sinne einer Zurückverweisung des Rechtsstreits an das Sozialgericht begründet. Gemäß § 159 Abs. 1 Nr. 1 SGG kann das Landessozialgericht das Urteil aufheben und die Sache an das Sozialgericht zurückverweisen, wenn dieses die Klage abgewiesen hat, ohne in der Sache selbst zu entscheiden. Das Landessozialgericht entscheidet von Amts wegen nach Ermessen, ob es in der Sache selbst entscheidet oder zurückverweist (vgl. Keller in: Meyer-Ladewig, SGG, 13. Aufl. 2020, § 159 Rn. 5).

Der Anwendungsbereich des § 159 Abs. 1 Nr. 1 SGG ist eröffnet, denn das Sozialgericht hat die Klage abgewiesen, ohne in der Sache zu entscheiden. Wenn Streit über die Beendigung eines Verfahrens besteht, sieht das Gesetz kein gesondertes Wiederaufnahmeverfahren vor. Das Gericht muss in einem solchen Fall das Verfahren fortsetzen und mit Urteil abschließend entscheiden; entweder durch Endurteil mit Feststellung der wirksamen Beendigung des Rechtsstreits oder durch eine Entscheidung in der Sache. Die Entscheidung über die Wirksamkeit einer Klagerücknahme bzw. Klagerücknahmefiktion ist untrennbar mit dem ursprünglichen Klageverfahren verbunden. Hat das Sozialgericht mit Urteil oder Gerichtsbescheid die Wirksamkeit der Klagerücknahmefiktion festgestellt, wird durch die Berufung das gesamte Klageverfahren im selben Umfang in der Berufungsinstanz anhängig wie vor dem Sozialgericht (Devolutiveffekt), § 157 SGG. Die Entscheidung des Sozialgerichts, dass die Klage zurückgenommen sei, ist ebenso eine instanzbeendende Entscheidung, wie ein Prozessurteil aus Gründen einer nicht fristgerecht erhobenen Klage oder über die Wirksamkeit eines Vergleichs (vgl. LSG NRW, Urteil vom 22.05.2019 – L 12 SO 641/18 – juris; LSG Berlin-Brandenburg, Urteil vom 21.08. 2020 – L 10 AS 868/20 – juris; LSG Sachsen-Anhalt, Urteil vom 27.02.2020 – L 5 AS 412/19 –; im Ergebnis ebenso LSG Baden-Württemberg, Urteil vom 12.07.2011 – L 11 KR 1429/11 – juris, Rn. 18; LSG Niedersachsen-Bremen, Urteil vom 10.07.2012 – L 7 AS 776/11 – juris; Schleswig-Holsteinisches LSG, Urteil vom 16.12.2011 – L 3 AS 74/10 – juris; LSG Berlin-Brandenburg, Urteil vom 19.05.2011 – L 13 SB 32/11 – juris, Rn. 27; LSG Sachsen-Anhalt, Urteil vom 16.06.2010 – L 5 AS 217/10 – juris; Bayerisches LSG, Urteil vom 08.12.2009 – L 5 R 884/09 – juris; vgl. auch zu § 92 VwGO OVG NRW, Beschluss vom 01.08.2022 – 4 A 3086/19.A – juris; OVG Lüneburg, Beschluss vom 03.05.2022 – 1 LB 4/22 – juris, Rn. 21; OVG Rheinland-Pfalz, Urteil vom 22.11.2011 – 8 A 11101/11 – juris; Clausen, in Schoch/Schneider, VerwR,34. EL August 2022, § 92 VwGO, Rn. 81; vgl. zur gegenseitigen Erledigungserklärung BVerwG, Beschluss vom 12.11.1993 – 2 B 151/93 – juris, Rn. 2; das BSG hat die Frage zunächst explizit offengelassen ˂Urteil vom 19.03.2020 – B 4 AS 4/20 R – juris, Rn. 19˃, scheint jedoch zuletzt in diese Richtung zu tendieren ˂Beschluss vom 21.10.2020 –B 8 SO 48/19 B – juris, Rn. 7 ff.˃).

Das angegriffene Urteil des Sozialgerichts ist ein Prozessurteil, weil das Sozialgericht zu Unrecht die Klage aufgrund fingierter Klagerücknahme als erledigt und deshalb unzulässig angesehen hat. Es wäre ein Sachurteil angezeigt gewesen (vgl. BSG, Beschluss vom 14.05.2020 – B 14 AS 73/19 B – juris, Rn. 9; BSG, Beschluss vom 05.07.2018 – B 8 SO 50/17 B – juris, Rn. 4). Bei einer verfahrensfehlerhaft angenommenen Prozessbeendigung sieht das Sozialgerichtsgesetz die Möglichkeit einer Zurückverweisung vor, ohne dass es eines Sonderrechts für die Klagerücknahmefiktion bedarf. Soweit vertreten wird, eine Zurückverweisung erübrige sich, weil die Klage beim Sozialgericht mangels wirksamer Klagerücknahmefiktion rechtshängig geblieben und Gegenstand des dagegen geführten Berufungsverfahrens in Form eines bloßen Zwischenrechtsstreits allein die Frage sei, ob der Rechtsstreit erledigt sei (BeckOGK/Müller, ˂Stand: 01.02.2023˃, SGG, § 102 Rn. 22-29; vgl. Burkiczak in: Schlegel/Voelzke, jurisPK-SGG, ˂Stand 30.03.2023˃ 2. Aufl.,§ 102 SGG, Rn. 123; Schmidt in: Meyer-Ladewig, SGG, 13. Aufl. 2020, § 102 SGG, Rn. 13; so im Ergebnis auch: LSG NRW, Urteil vom 07.09.2022 – L 3 R 514/21 – juris; Urteil vom 05.08.2022 – L 21 R 535/22 – juris; Urteil vom 20.11.2020 – L 21 R 322/20 – juris; Urteil vom 29.05.2020 – L 21 AS 1240/18 – juris; Urteil vom 21.11.2019 – L 7 AS 1523/18 –; Urteil vom 28.05.2018 – L 20 SO 431/17 –; Urteil vom 19.05.2017 – L 17 U 315/16 – juris; LSG Berlin-Brandenburg, Urteil vom 15.03.2017 – L 18 AS 2584/16 – juris; LSG Sachsen, Urteil vom 28.02.2013 – L 7 AS 523/09 – juris; LSG Baden-Württemberg, Urteil vom 17.04.2013 – L 5 KR 605/12 – juris; LSG Sachsen-Anhalt, Urteil vom 30.08.2012 –L 2 AS 132/12 – juris; LSG Niedersachsen-Bremen, Urteil vom 30.08.2011 – L 9 AS 61/10 – juris; Bay. LSG, Urteil vom 12.07.2011 – L 11 AS 582/10 – juris), teilt der Senat diese Auffassung nicht.

Das Sozialgericht hat auch rechtsfehlerhaft durch Prozessurteil entschieden, denn es hat zu Unrecht die Beendigung des erstinstanzliche Verfahrens S 40 AS 793/19 durch Klagerücknahmefiktion i.S.v. § 102 Abs. 2 Satz 1 SGG angenommen. Die Rücknahmefiktion setzt die begründete Annahme voraus, dass ein Kläger kein objektives Rechtsschutzbedürfnis und/oder kein (subjektives) Rechtsschutzbedürfnis (mehr) hat. Es geht dabei also nicht (allein) um die Frage, ob (noch) ein objektives Rechtsschutzbedürfnis im Sinne einer belastenden Verwaltungs- oder Gerichtsentscheidung vorliegt. Die Rücknahmefiktion kann auch dann greifen, wenn zwar die fortbestehende Beschwer eines Klägers vorliegt, sich aus seinem Verhalten jedoch schließen lässt, dass er kein Interesse (mehr) an der gerichtlichen Durchsetzung ihrer Beseitigung hat. Auf die Gründe dieses fehlenden Interesses kommt es dabei nicht an; es kann beispielsweise auf den als gering erkannten Erfolgsaussichten beruhen oder auf einer Abwägung von Aufwand und Nutzen. Die Rücknahmefiktion ist aber kein Hilfsmittel zur bequemen Erledigung lästiger Verfahren oder zur vorsorglichen Sanktionierung prozessleitender Verfügungen (vgl. BSG, Beschluss vom 08.12.2020 –B 4 AS 280/20 B – juris, Rn. 8). Eine Regelung über eine Verfahrensbeendigung wegen unterstellten Wegfalls des Rechtsschutzinteresses ist grundsätzlich von Verfassungs wegen nicht zu beanstanden. Die Handhabung dieses prozessualen Instruments muss aber im Lichte der Rechtsschutzgarantie aus Art. 19 Abs. 4 Satz 1 GG unter strikter Beachtung der gesetzlichen Vorhaben erfolgen, verstanden als Ausnahme von dem Grundsatz, dass ein Kläger das von ihm eingeleitete Verfahren auch durchführen will (vgl. zu § 92 Abs. 2 VwGO: BVerfG, Beschluss vom 07.02.2023 – 2 BvR 1058/22 – juris, Rn. 33).

Die Betreibensaufforderung des Sozialgerichts vom 01.09.2020 genügt zwar den formellen Anforderungen i.S.v. § 102 Abs. 2 Satz 3 SGG. Danach muss eine Betreibensaufforderung ihren Anlass benennen und deutlich machen, welche Schritte erforderlich sind, um die Zweifel am Fortbestand des Rechtsschutzbedürfnisses zu beseitigen. Ein Kläger ist auf die Rechtsfolge der fingierten Klagerücknahme im Falle des Nichtbetreibens und in gerichtskostenpflichtigen Verfahren auch auf die sich aus § 197a Abs. 1 Satz 1 SGG i.V.m § 155 Abs. 2 VwGO ergebende Folge, dass er die Kosten des Verfahrens zu tragen hat, hinzuweisen. Weitere Ausführungen muss die Betreibensaufforderung nicht enthalten. Sie muss aber konkret und klar sein. Die Betreibensaufforderung setzt eine gesetzliche Frist in Gang und ist daher gemäß § 63 Abs. 1 Satz 1 SGG zuzustellen (vgl. BSG, Beschluss vom 08.12.2020 – B 4 AS 280/20 B – juris, Rn. 17 ff. m.w.N.; vgl. auch LSG NRW, Urteil vom 09.09.2021 – L 7 AS 1282/20 – juris, Rn. 29 f.). Eine Betreibensaufforderung muss von der zuständigen Richterin verfügt und mit vollem Namen unterzeichnet worden sein; ein den Namen abkürzendes Handzeichen (Paraphe) genügt als Unterschrift nicht (BSG, Urteil vom 04.04.2017 – B 4 AS 2/16 R – juris, Rn. 24; vgl. auch LSG NRW, Urteil vom 09.09.2021 –L 7 AS 1282/20 – juris, Rn. 29). Diese Voraussetzungen liegen hier vor. Die Betreibensaufforderung vom 01.09.2020 benenntals ihren Anlass die Übersendung einer Stellungnahme zu der Verfügung vom 22.06.2022 und fordert zur Vorlage derselben auf. Mit dieser hatte das Sozialgericht die Klägerinnen aufgefordert, einen nach Monaten bezifferten Klageantrag zu stellen und ihre Berechnung darzulegen. Die Betreibensaufforderung war verständlich und klar gefasst. Sie wies auf die Rechtsfolge hin, dass die Klage als zurückgenommen gelte, wenn das Verfahren trotz Aufforderung des Gerichts länger als drei Monate ab Zustellung der Verfügung nicht betrieben werde. Einen Hinweis auf die Kostenfolge bedurfte es nicht, da es sich nicht um ein kostenpflichtiges Verfahren nach § 197a Abs. 1 Satz 1 SGG handelte. Der zuständige Richter hat die Verfügung mit vollem Namen unterschrieben. Das Schreiben ist den anwaltlich vertretenen Klägerinnen am 04.09.2020 zugestellt worden.

Die Betreibensaufforderung vom 01.09.2020 konnte die Fiktion der Klagerücknahme nach § 102 Abs. 2 Satz 1 SGG jedoch nicht auslösen, weil die materiellen Voraussetzungen für ihren Erlass nicht vorlagen.

Die Klagerücknahmefiktion nach § 102 Abs. 2 SGG tritt nach Sinn und Zweck der Vorschrift sowie ihren verfassungsrechtlichen Grenzen nur ein, wenn bereits zum Zeitpunkt des Erlasses der Betreibensaufforderung „sachlich begründete Anhaltspunkte für einen Wegfall des Rechtsschutzbedürfnisses" vorliegen. Ein Wegfall des Rechtsschutzbedürfnisses darf erst nach einer Würdigung aller Umstände des Einzelfalls angenommen werden. Bei der Gesamtwürdigung sind sowohl die Umstände vor und nach Erlass der Betreibensaufforderung als auch das Verhalten des Klägers zu berücksichtigen. Hierbei ist zu beachten, dass die Aufforderung des Sozialgerichts an einen Beteiligten, Mitwirkungshandlungen im sozialgerichtlichen Verfahren vorzunehmen, rechtlich möglich und zulässig ist. Es gehört zu den Aufgaben des Gerichts, den Rechtsstreit bis zur Entscheidungsreife zu fördern, dabei unklare Anträge auszuräumen, auf die Stellung sachlicher Anträge hinzuwirken und die wesentlichen Einwendungen des Klägers zu klären (§ 106 Abs. 1 und 2 SGG). Bei der Klärung des Gegenstands der Klage und der wesentlichen Einwendungen ist der Kläger nicht von Mitwirkungsobliegenheiten freigestellt. Allerdings genügt für eine Betreibensaufforderung nicht jegliche Verletzung der Mitwirkungsobliegenheit, vielmehr ist nur das Unterlassen solcher prozessualen Handlungen oder Äußerungen beachtlich, die z.B. für die Feststellung von Tatsachen bedeutsam sind, die das Gericht nach seiner Rechtsansicht für entscheidungserheblich und deren Klärung es für notwendig hält. Bei der Gesamtwürdigung ist auch das Verhalten des Klägers in den Blick zu nehmen. Der Aspekt des "unkooperativen Verhaltens" allein ist nicht geeignet, den Wegfall des Rechtsschutzbedürfnisses grundsätzlich verneinen oder bejahen zu können. Vielmehr kommt es auf die Art und Weise des "unkooperativen Verhaltens" an. Denn § 102 Abs. 2 Satz 1 SGG stellt darauf ab, dass ein Kläger den Rechtsstreit "nicht betreibt". Die Fiktion der Klagerücknahme knüpft mithin an den objektivierbaren Umstand der Untätigkeit an (vgl. BSG, Urteil vom 04.04.2017 – B 4 AS 2/16 R – juris, Rn. 27 ff. m.w.N.; vgl. LSG NRW, Urteil vom 09.09.2021 – L 7 AS 1282/20 – juris, Rn. 32 ff.).

Hier durfte das Sozialgericht unter Berücksichtigung der Umstände und des Verhaltens der Klägerinnen vor Erlass der Betreibensaufforderung vom 01.09.2020 nicht annehmen, dass diese das Interesse an dem Rechtsstreit verloren hatten. Mit Schreiben vom 22.06.2020 und Erinnerung vom 17.08.2020 hat das Sozialgericht die Klägerinnen aufgefordert, einen nach Monaten bezifferten Klageantrag zu stellen und ihre Berechnung darzulegen. Die Klägerinnen haben mit am 20.08.2020 eingegangenen Schreiben erwidert, die tatsächlichen Kosten der Unterkunft und Heizung zu begehren. Die Bezifferung ergebe sich aus ihrem bisherigen Vortrag. Bereits hiermit haben die Klägerinnen deutlich gemacht, an ihrer Klage festhalten zu wollen. Ihre unkooperative Verweigerungshaltung hinsichtlich der Bezifferung ihres Klagebegehrens steht dem nicht entgegen. Die Klägerinnen hatten zudem angegeben, die Übernahme der tatsächlichen Unterkunftskosten zu begehren. Zwar haben sie ihre Bruttokaltmiete auf 444,58 € beziffert, jedoch auch ihre Heizkosten begehrt, die ausweislich des übersandten Mietvertrages 158 € betrugen. Insgesamt belief sich der von den Klägerinnen geltend gemachte monatliche Betrag für Bedarfe für Unterkunft und Heizung damit auf 602,58 € und lag über dem vom Beklagten bewilligten Betrag. Die Klägerinnen haben in diesem Zusammenhang zu erkennen gegeben, die von dem Beklagten vorgenommene Berechnung, wonach ein Teil der Heizkosten tatsächlich den Betriebskosten zuzurechnen waren, nicht nachvollziehen zu können. Anhand dieses Vortrages und der vom Beklagten vorgenommenen Bewilligung ließ sich das Begehren der Klägerinnen ohne Weiteres beziffern (˂602,58 - 555,30 € =˃ 47,28 € für Dezember 2018 und Januar 2019 und ˂602,58 -577,40 € =˃ 25,18 € für Februar 2019). Auch nach Erlass der Betreibensaufforderung vom 01.09.2020 im Zeitpunkt des Fristablaufs der Dreimonatsfrist am 07.12.2020 (§ 64 Abs. 2 Satz 1, Abs. 3 SGG) lagen keine Umstände vor, anhand derer das Sozialgericht annehmen durfte, die Klägerinnen hätten das Interesse an dem Rechtsstreit verloren. Denn die Klägerinnen haben innerhalb dieser Frist mit am 02.12.2020 eingegangenen Schreiben unter Bezugnahme auf die Betreibensaufforderung mitgeteilt, die Verfügung vom 22.06.2020 mit Schreiben vom 14.08.2020 erledigt zu haben. Eine Bezifferung des Klageantrags nach Monaten sei nach § 92 SGG nicht vorgeschrieben. Auch hiermit haben die Klägerinnen deutlich gemacht, an der Fortführung des Verfahrens festhalten zu wollen und aus ihrer Sicht bereits die entsprechenden erforderlichen Angaben gemacht zu haben.

Ergänzend weist der Senat darauf hin, dass die Vorgehensweise des Sozialgerichts, den Klägerinnen das Betreiben des Verfahrens i.S.v. § 102 Abs. 2 Satz 1 SGG ohne vorherige Entscheidung über ihren Prozesskostenhilfeantrag aufzugeben, verfahrensfehlerhaft war. Damit wurde den Klägerinnen eine sachgerechte Prozessführung verwehrt (vgl. dazu: BSG, Beschluss vom 04.12.2007 – 2 U 165/06 B –) und gerade diese in Form der Bezifferung des Klageantrags nebst Darstellung der Berechnung zugleich eingefordert. Das Sozialgericht verkennt hier nicht nur den Zweck der Bewilligung von Prozesskostenhilfe, Rechtsschutz zugänglich zu machen (vgl. BVerfGE 81, 347 ˂357˃), sondern fordert die Klägerinnen zu etwas auf, was sie ohne anwaltlichen Beistand nicht erfüllen können. Vor Entscheidung über einen Prozesskostenhilfeantrag kann Klägern, die sich ohne die Hilfe einer beigeordneten Rechtsanwältin offenbar zur Rechtsverfolgung vor Gericht außerstande sehen, das Betreiben eines Gerichtsverfahrens nicht aufgegeben werden (vgl. LSG NRW, Beschluss vom 30.01.2019 – L 19 AS 1810/18 B –; Beschluss vom 30.11.2015 – L 19 AS 1570/15 B –; Beschluss vom 29.09.2014 – L 19 AS 1532/14 B –; Beschluss vom 08.11.2013 –L 19 AS 1186/13 B –; Beschluss vom 14.02.2019 – L 9 SO 354/18 B – ;LSG Baden-Württemberg, Urteil vom 17.04.2013 – L 5 KR 605/12 –; a.A. Burkiczak in: Schlegel/Voelzke, jurisPK-SGG, 2. Aufl., § 102 SGG ˂Stand: 03.02.2023˃, Rn. 105, der dies als „zu rigoros“ bezeichnet).

Liegen die Voraussetzungen für eine Klagerücknahmefiktion – wie hier – nicht vor, ist der Rechtsstreit fortzusetzen. Das Landessozialgericht entscheidet von Amts wegen nach Ermessen, ob es in der Sache selbst entscheidet oder zurückverweist, § 159 Abs. 1 SGG. Der Senat hat sein Ermessen dahingehend ausgeübt, den Rechtsstreit an das Sozialgericht zurückzuverweisen. Der Rechtsstreit ist nicht entscheidungsreif. Deshalb ist es sachgerecht, das Sozialgericht die entscheidungserheblichen Tatsachen – hier unter anderem, ob der Beklagte in dem Zeitraum Dezember 2019 bis Februar 2020 über ein „schlüssiges Konzept“ verfügte – ermitteln und rechtlich bewerten zu lassen. Den Beteiligten soll diese Tatsacheninstanz nicht vorenthalten bleiben.

Die Kostenentscheidung bleibt der Entscheidung des Sozialgerichts vorbehalten.

Gründe, die Revision zuzulassen (§ 160 Abs. 2 SGG), liegen nicht vor.

Rechtsmittelbelehrung:

Dieses Urteil kann nur dann mit der Revision angefochten werden, wenn sie nachträglich vom Bundessozialgericht zugelassen wird. Zu diesem Zweck kann die Nichtzulassung der Revision durch das Landessozialgericht mit der Beschwerde angefochten werden.

Die Beschwerde ist von einem bei dem Bundessozialgericht zugelassenen Prozessbevollmächtigten innerhalb eines Monats nach Zustellung des Urteils schriftlich oder in elektronischer Form beim

Bundessozialgericht, Postfach 41 02 20, 34114 KasseloderBundessozialgericht, Graf-Bernadotte-Platz 5, 34119 Kassel

einzulegen.

Die Beschwerdeschrift muss bis zum Ablauf der Monatsfrist bei dem Bundessozialgericht eingegangen sein.

Die elektronische Form wird durch Übermittlung eines elektronischen Dokuments gewahrt, das für die Bearbeitung durch das Gericht geeignet ist und

- von der verantwortenden Person qualifiziert elektronisch signiert ist und über das Elektronische Gerichts- und Verwaltungspostfach (EGVP) eingereicht wird oder

- von der verantwortenden Person signiert und auf einem sicheren Übermittlungsweg gem. § 65a Abs. 4 Sozialgerichtsgesetz (SGG) eingereicht wird.

Weitere Voraussetzungen, insbesondere zu den zugelassenen Dateiformaten und zur qualifizierten elektronischen Signatur, ergeben sich aus der Verordnung über die technischen Rahmenbedingungen des elektronischen Rechtsverkehrs und über das besondere elektronische Behördenpostfach (Elektronischer-Rechtsverkehr-Verordnung -ERVV) in der jeweils gültigen Fassung. Weitergehende Informationen zum elektronischen Rechtsverkehr können über das Internetportal des Bundessozialgerichts (www.bsg.bund.de) abgerufen werden.

Als Prozessbevollmächtigte sind nur zugelassen

-          jeder Rechtsanwalt,

-          Rechtslehrer an einer staatlichen oder staatlich anerkannten Hochschule eines Mitgliedsstaates der Europäischen Union, eines anderen Vertragsstaates des Abkommens über den Europäischen Wirtschaftsraum oder der Schweiz, die die Befähigung zum Richteramt besitzen,

-          selbständige Vereinigungen von Arbeitnehmern mit sozial- oder berufspolitischer Zwecksetzung für ihre Mitglieder,

-          berufsständische Vereinigungen der Landwirtschaft für ihre Mitglieder,

-          Gewerkschaften und Vereinigungen von Arbeitgebern sowie Zusammenschlüsse solcher Verbände für ihre Mitglieder oder für andere Verbände oder Zusammenschlüsse mit vergleichbarer Ausrichtung und deren Mitglieder,

-          Vereinigungen, deren satzungsgemäße Aufgaben die gemeinschaftliche Interessenvertretung, die Beratung und Vertretung der Leistungsempfänger nach dem sozialen Entschädigungsrecht oder der behinderten Menschen wesentlich umfassen und die unter Berücksichtigung von Art und Umfang ihrer Tätigkeit sowie ihres Mitgliederkreises die Gewähr für eine sachkundige Prozessvertretung bieten, für ihre Mitglieder,

-          juristische Personen, deren Anteile sämtlich im wirtschaftlichen Eigentum einer der vorgenannten Organisationen stehen, wenn die juristische Person ausschließlich die Rechtsberatung und Prozessvertretung dieser Organisation und ihrer Mitglieder oder anderer Verbände oder Zusammenschlüsse mit vergleichbarer Ausrichtung und deren Mitglieder entsprechend deren Satzung durchführt, und wenn die Organisation für die Tätigkeit der Bevollmächtigten haftet.

Die vorgenannten Vereinigungen, Gewerkschaften und juristischen Personen müssen durch Personen mit Befähigung zum Richteramt handeln. Behörden und juristische Personen des öffentlichen Rechts einschließlich der von ihnen zur Erfüllung ihrer öffentlichen Aufgaben gebildeten Zusammenschlüsse sowie private Pflegeversicherungsunternehmen können sich durch eigene Beschäftigte mit Befähigung zum Richteramt oder durch Beschäftigte mit Befähigung zum Richteramt anderer Behörden oder juristischer Personen des öffentlichen Rechts einschließlich der von ihnen zur Erfüllung ihrer öffentlichen Aufgaben gebildeten Zusammenschlüsse vertreten lassen.

Ein Beteiligter, der zur Vertretung berechtigt ist, kann sich selbst vertreten. Handelt es sich dabei um eine der vorgenannten Vereinigungen, Gewerkschaften oder juristischen Personen, muss diese durch Personen mit Befähigung zum Richteramt handeln.

Die Beschwerde ist innerhalb von zwei Monaten nach Zustellung des Urteils von einem zugelassenen Bevollmächtigten schriftlich oder in elektronischer Form zu begründen.

In der Begründung muss die grundsätzliche Bedeutung der Rechtssache dargelegt oder die Entscheidung des Bundessozialgerichts, des Gemeinsamen Senats der obersten Gerichtshöfe des Bundes oder des Bundesverfassungsgerichts, von der das Urteil abweicht, oder ein Verfahrensmangel, auf dem die angefochtene Entscheidung beruhen kann, bezeichnet werden. Als Verfahrensmangel kann eine Verletzung der §§ 109 und 128 Abs. 1 Satz 1 Sozialgerichtsgesetz nicht und eine Verletzung des § 103 Sozialgerichtsgesetz nur gerügt werden, soweit das Landessozialgericht einem Beweisantrag ohne hinreichende Begründung nicht gefolgt ist.

Für die Beschwerde gegen die Nichtzulassung der Revision kann ein Beteiligter, der nicht schon durch die oben genannten Vereinigungen, Gewerkschaften oder juristischen Personen vertreten ist, Prozesskostenhilfe zum Zwecke der Beiordnung eines Rechtsanwalts beantragen.

Der Beteiligte kann die Prozesskostenhilfe selbst beantragen. Der Antrag ist beim Bundessozialgericht entweder schriftlich oder in elektronischer Form einzureichen oder mündlich vor dessen Geschäftsstelle zu Protokoll zu erklären.

Dem Antrag sind eine Erklärung des Beteiligten über seine persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse (Familienverhältnisse, Beruf, Vermögen, Einkommen und Lasten) sowie entsprechende Belege beizufügen. Hierzu ist der für die Abgabe der Erklärung vorgeschriebene Vordruck zu benutzen. Der Vordruck kann von allen Gerichten oder durch den Schreibwarenhandel bezogen werden.

Wird Prozesskostenhilfe bereits für die Einlegung der Beschwerde begehrt, so müssen der Antrag und die Erklärung über die persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse - gegebenenfalls nebst entsprechenden Belegen - bis zum Ablauf der Frist für die Einlegung der Beschwerde (ein Monat nach Zustellung des Urteils) beim Bundessozialgericht eingegangen sein.

Mit dem Antrag auf Prozesskostenhilfe kann ein zur Vertretung bereiter Rechtsanwalt benannt werden.

Ist dem Beteiligten Prozesskostenhilfe bewilligt worden und macht er von seinem Recht, einen Anwalt zu wählen, keinen Gebrauch, wird auf seinen Antrag der beizuordnende Rechtsanwalt vom Bundessozialgericht ausgewählt.

Der Beschwerdeschrift und allen folgenden Schriftsätzen sollen Abschriften für die übrigen Beteiligten beigefügt werden.

Das Bundessozialgericht bittet darüber hinaus um je zwei weitere Abschriften.

Schriftlich einzureichende Anträge und Erklärungen, die durch einen Rechtsanwalt, durch eine Behörde oder durch eine juristische Person des öffentlichen Rechts einschließlich der von ihr zur Erfüllung ihrer öffentlichen Aufgaben gebildeten Zusammenschlüsse eingereicht werden, sind als elektronisches Dokument zu übermitteln. Ist dies aus technischen Gründen vorübergehend nicht möglich, bleibt die Übermittlung nach den allgemeinen Vorschriften zulässig. Die vorübergehende Unmöglichkeit ist bei der Ersatzeinreichung oder unverzüglich danach glaubhaft zu machen; auf Anforderung ist ein elektronisches _  Dokument nachzureichen. Gleiches gilt für die nach dem Sozialgerichtsgesetz vertretungsberechtigten Personen, für die ein sicherer Übermittlungsweg nach § 65a Abs. 4 Nr. 2 SGG zur Verfügung steht (§ 65d SGG).

Rechtskraft
Aus
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