Die Beklagte wird unter Aufhebung des Bescheides vom 18. Oktober 2018 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 26. September 2019 verpflichtet, der Klägerin einen Zuschuss für den Einbau einer höheren Toilette sowie eine elektrische Rollladenbedienung an der Terrassentüre im Wohnzimmer der Klägerin zu übernehmen.
Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.
Die Beklagte hat der Klägerin ihre notwendigen außergerichtlichen Kosten zu erstatten.
Tatbestand
Die Klägerin begehrt von der Beklagten einen Zuschuss für die Nachrüstung des Rollladens an ihrer Terrassentür im Wohnzimmer auf Elektroantrieb und den Einbau einer barrierefreien Toilette.
Die 1944 geborene und 1,72 m große Klägerin ist bei der Beklagten gesetzlich pflegeversichert und im Umfang des Pflegegrades 1 pflegebedürftig. Die Klägerin leidet unter anderem an chronischer Polyarthritis in beiden Händen, an Lumboischialgie und Schmerzen im rechten Knie.
Die Klägerin lebt alleine in einer Drei-Zimmer-Wohnung im Erdgeschoss eines Mehrfamilienhauses. Büro und Küche haben Fenster in Richtung Osten, das Schlafzimmer und Wohnzimmer besitzen Fenster, die nach Süden ausgerichtet sind. Im Wohnzimmer befindet sich ein recht kleines Fenster und direkt daneben eine zweiflügelige Balkontür. Vor dem Wohnzimmer befindet sich ein Durchgangsweg zum Spielplatz. Den Rollladen lässt die Klägerin einerseits abends zum Einbruchschutz herunter, im Sommer auch tagsüber zum Schutz vor Hitze. Aufgrund ihrer gesundheitlichen Einschränkungen ist die Klägerin nicht mehr in der Lage, den schweren Rollladen alleine zu öffnen.
Das Badezimmer der Kläger ist mit einer Toilette ausgestattet, welche 36 cm hoch ist. Die Klägerin verfügt über eine Toilettensitzerhöhung.
Am 22. August 2018 stellte die Klägerin bei der Beklagten einen Antrag auf einen finanziellen Zuschuss zur Verbesserung des individuellen Wohnumfeldes durch die beiden oben genannten Maßnahmen. Aufgrund der chronischen Polyarthritis sei ihr das Öffnen des Rollladens nicht möglich. Die Sitzerhöhung sei sehr instabil und lasse sich schlecht mit ihren polyarthritisgeschädigten Händen reinigen.
Mit Bescheid vom 18. Oktober 2018 lehnte die Beklagte den Antrag der Klägerin ab. Die Umrüstung eines Rollladens und einer Markise auf Elektroantrieb sei nach dem BSG-Urteil vom 3. November 1999 weder ein Hilfsmittel der Pflegeversicherung noch eine zuschussfähige Umbaumaßnahme. Diese Maßnahme erleichtere weder die Pflege des Pflegebedürftigen noch werde dadurch dem Pflegebedürftigen ermöglicht, bestimmte Tätigkeiten im Bereich Mobilität, Ernährung und Körperpflege weiterhin zu verrichten. Bezüglich des Einbaus einer höheren Toilette sei ebenfalls kein Zuschuss möglich, da hierfür vorrangig Toilettensitzerhöhungen zu Lasten der gesetzlichen Krankenversicherung zur Verfügung stünden, die bei Vorliegen von ärztlichen Verordnungen von der Krankenkasse übernommen würden.
Mit Schreiben durch ihre Prozessbevollmächtigten vom 25. Oktober 2018 legte die Klägern Widerspruch ein und trug zur Begründung vor, zu den Maßnahmen zur Verbesserung des individuellen Wohnumfeldes gehörten auch diejenigen Hilfen der Wohnumfeldverbesserung, die eine Anpassung der konkreten Wohnumgebung an die Bedürfnisse des behinderten Menschen bezweckten. Hinsichtlich des Einbaus einer elektrischen Rolladenbedienung werde auf ein Gutachten des MDK vom 4. Juli 2018 verwiesen, wonach sich eine Empfehlung für die elektrische Bedienung des Rollladens ergebe.
Mit Bescheid vom 26. September 2019 wies die Beklagte den Widerspruch zurück und wiederholte ihre Begründung aus dem angefochtenen Bescheid. Vertiefend begründete sie die ablehnende Entscheidung damit, ein Zuschuss für elektrisch betriebene Rollläden sei nur möglich, sofern der Pflegebedürftige zur Linderung der Beschwerden ständig auf einen kühlen Raum angewiesen sei und eine Unterbringung nur in diesem Raum erfolgen könne.
Mit ihrer am 15. Oktober 2019 erhobenen Klage verfolgt die Klägerin ihr Begehren weiter. Die Klägerin verweist zur Begründung auf den Vortrag aus dem Vorverfahren. Ergänzend trägt sie vor, sie sei wegen des Zustandes ihrer Hände nicht mehr in der Lage, den Rollladen alleine zu öffnen. Da ihre Pflegepersonen nicht jeden Tag kämen, hätte dies zur Folge, dass sie sich teilweise tagelang in dunklen Räumlichkeiten aufhalten müsse. Zur Begründung des Antrages wegen der Toilettensitzerhöhung trägt sie vor, in der Wohnung habe zuvor ein Rollstuhlfahrer gelebt, sodass die Toilette ohnehin schon sehr niedrig angebracht sei. Die Toilettensitzerhöhung stelle sich angesichts dessen weiter als zu niedrig und instabil dar. Mit Blick auf die Erkrankungen im Bereich der Wirbelsäule und des Knies sei eine feste stabile Vorrichtung, um Stürze oder ähnliches zu verhindern daher unerlässlich. Hierbei handle es sich auch um eine Maßnahme, die bei der Klägerin eine möglichst selbstständige Lebensführung wiederherstelle, da andernfalls drohe, dass sie bei Toilettengängen auf die Unterstützung einer Pflegeperson angewiesen sei. Gleiches gelte auch für die elektrischen Rollläden.
Die Klägerin beantragt,
die Beklagte unter Aufhebung des Bescheides vom 18. Oktober 2018 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 26. September 2019 zu verpflichten, die Kosten für den Einbau einer höheren Toilette sowie eine elektrische Rollladenbedienung zu übernehmen.
Die Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen.
Die Beklagte verweist zur Begründung ihres Klageantrages auf die Ausführungen im Widerspruchsbescheid.
Die Kammer hat am 20. Juli 2020 einen Erörterungstermin durchgeführt. Wegen der Einzelheiten wird auf das Sitzungsprotokoll Bezug genommen.
Im Erörterungstermin vom 20. Juli 2020 hat die Kammer die Beteiligten zur beabsichtigten Entscheidung durch Gerichtsbescheid angehört.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den Inhalt der Gerichtsakte und des beigezogenen Verwaltungsvorgangs der Beklagten Bezug genommen.
Entscheidungsgründe
Die Kammer konnte vorliegend ohne mündliche Verhandlung durch Gerichtsbescheid nach § 105 Abs. 1 S. 1 Sozialgerichtsgesetz (SGG) entscheiden, weil die Sache keine besonderen Schwierigkeiten tatsächlicher oder rechtlicher Art aufweist und der Sachverhalt geklärt ist. Die Beteiligten sind vor der Entscheidung dazu gehört worden, vgl. § 105 Abs. 1 S. 2 SGG.
Die Klage ist zulässig und im tenorierten Umfang begründet. Der Bescheid der Beklagten vom 18. Oktober 2018 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 26. September 2019 ist rechtswidrig und verletzt die Klägerin in ihren Rechten. Die Klägerin hat einen Anspruch darauf, einen Zuschuss zum Einbau eines elektrisch betriebenen Rollladens an der Terrassentüre und zum Einbau einer höheren Toilette zu erhalten. Die Höhe des Zuschusses steht indes im Ermessen der Beklagten. Eine Ermessensreduzierung auf Null liegt nicht vor.
Nach § 28 Abs. 1 Nr. 5 Sozialgesetzbuch Elftes Buch (SGB XI) gewährt die Pflegeversicherung bei Pflegegrad 1 finanzielle Zuschüsse für Maßnahmen zur Verbesserung des individuellen oder gemeinsamen Wohnumfeldes gemäß § 40 Abs. 4. Nach § 40 Abs. 4 S. 1 SGB XI können Pflegekassen subsidiär finanzielle Zuschüsse für Maßnahmen zur Verbesserung des individuellen Wohnumfeldes des Pflegebedürftigen gewähren, beispielsweise für technische Hilfen im Haushalt, wenn dadurch im Einzelfall die häusliche Pflege ermöglicht oder erheblich erleichtert oder eine möglichst selbstständige Lebensführung des Pflegebedürftigen wiederhergestellt wird. Nach § 33 Abs. 1 S. 1 SGB XI erhalten Versicherte die Leistungen der Pflegeversicherung auf Antrag.
Bei den beiden beantragten Maßnahmen handelt es sich um solche im Sinne des § 40 Abs. 4 S. 1 SGB XI. Der Einbau eines elektrisch betriebenen Rollladens an der Terrassentür bezweckt die Anpassung der konkreten Wohnumgebung an die Bedürfnisse der pflegebedürftigen Klägerin und wird in einer anderen Wohnumgebung nicht notwendig ebenso benötigt (vgl. BSG, Urteil vom 12. Juni 2008 – B 3 P 6/07 R –, BSGE 101, 22-33, SozR 4-3300 § 40 Nr 8, Rn. 15 f. m.w.N.). Auch bei dem Einbau einer neuen Toilette handelt es sich, da dies mit einer Veränderung der Wohnung selbst verbunden ist und sie nicht in eine neue Wohnung mitgenommen werden könnte, um eine Maßnahme, die nicht in die Zuständigkeit der gesetzlichen Krankenversicherung fällt (st. Rspr. vgl. statt vieler BSG, Urteil vom 12. Juni 2008 – B 3 P 6/07 R –, BSGE 101, 22-33, SozR 4-3300 § 40 Nr 8, Rn. 18; BSG, Urteil vom 13. Mai 2004 – B 3 P 5/03 R –, SozR 4-3300 § 40 Nr 1, Rn. 10).
Durch die beiden Maßnahmen wird eine möglichst selbstständige Lebensführung der Klägerin wiederhergestellt.
Eine möglichst selbstständige Lebensführung der Klägerin wird wiederhergestellt, wenn sie der Befriedigung elementare Bedürfnisse dient (BSG, Urteil vom 17. Juli 2008 – B 3 P 12/07 R –, SozR 4-3300 § 40 Nr 9, Rn. 11 m.w.N.). Umfasst sind dabei nicht nur Maßnahmen, die die von der Pflegeperson zu erbringenden Pflegeleistungen ersetzen oder erleichtern oder eine Überforderung verhindern und die eine Verrichtung im Sinne des § 14 Abs. 4 SGB XI a.F. betreffen (BSG, Urteil vom 26. April 2001 – B 3 P 24/00 R –, SozR 3-3300 § 40 Nr 5, Rn. 19; BSG, Urteil vom 3. November 1999 – B 3 P 3/99 R – SozR 3-3300 § 40 Nr. 1 Rn. 18). Maßnahmen, die der „privaten Lebensführung“ dienen, können nicht generell ausgeschlossen werden, ebensowenig kann die pflegebedürftige Person darauf verwiesen werden, fremde Hilfe in Anspruch zu nehmen (BSG, Urteil vom 3. November 1999 – B 3 P 3/99 R – SozR 3-3300 § 40 Nr. 1 Rn. 18).
Maßgebend dafür, was der Befriedigung elementare Bedürfnisse dient, ist unter Berücksichtigung des in §§ 4 Abs. 4, 29 SGB XI normierten Wirtschaftlichkeitsgebots ein üblicher und durchschnittlicher Wohnungsstandard (BSG, Urteil vom 3. November 1999 – B 3 P 3/99 R – SozR 3-3300 § 40 Nr. 1 Rn. 20).
Gemessen hieran übersteigt der Einbau eines elektrisch betriebenen Rollladens (nur) an der Wohnzimmertür der Klägerin den üblichen und durchschnittlichen Wohnungsstandard nicht.
Die Einrichtung eines elektrisch betriebenen Rollladens an der einzigen Terrassentüre einer Wohnung, die sich vollständig im Erdgeschoss befindet und deren Fenster im Hauptaufenthaltszimmer gen Süden ausgerichtet und vom vorbeiführenden Fußweg einsichtbar sind, übersteigt zur Überzeugung der Kammer den üblichen und durchschnittlichen Wohnungsstandard nicht. Gerade auch, um die Licht- und Wärmeverhältnisse im Sommer der Sonneneinstrahlung selbstständig anpassen zu können und ihr einen erträglichen Aufenthalt in ihrer Wohnung zu ermöglichen, dient der Einbau des elektrisch betriebenen Rollladens zur Überzeugung der Kammer den elementaren Belangen der Lebensführung der Klägerin.
Zu berücksichtigen ist auch, dass der Klägerin ein Ausweichen in andere Räume, die der Sonneneinstrahlung nicht ausgesetzt sind (vgl. hierzu BSG, Urteil vom 26. April 2001 – B 3 P 24/00 R –, SozR 3-3300 § 40 Nr 5, Rn. 20), nicht möglich ist. Zwar verfügt die Klägerin neben dem Schlaf- und dem Wohnzimmer über ein Büro. In das Büro scheint die Sonne jedoch vormittags, sodass es sich hierbei nicht zwangsläufig um einen kühleren Raum handelt.
Nicht gegen einen Anspruch spricht, dass die Klägerin den Einbau des elektrisch betriebenen Rollladens an der Wohnzimmertüre auch aus Sicherheitsgründen begehrt. Wie das Bundessozialgericht in der von der Beklagten selbst angeführten Entscheidung ausgeführt hat, dürfen Wohnungssicherungsmaßnahmen nicht von vornherein als nicht zuschussfähig ausgeschlossen werden, weil ein äußerer Schutz vor unbefugtem eindringen Fremder zum Grundrecht der Unverletzlichkeit der Wohnung (Art. 13 Grundgesetz) gehört, das bei stattlichem Handeln zu beachten ist (BSG, Urteil vom 3. November 1999 – B 3 P 3/99 R – SozR 3-3300 § 40 Nr. 1 Rn. 19).
Auch der Einbau einer höheren Toilette übersteigt den üblichen und durchschnittlichen Wohnungsstandard nicht.
Hierbei ist zu berücksichtigen, dass die Toilette der Klägerin 36 cm hoch ist und damit 8 cm unter der Höhe eines Standard-WC und 10-12 cm unter der Höhe eines barrierefreien WCs. Mit der begehrten Leistung strebt die Klägerin daher weder die Erreichung eines standardgemäßen Wohnniveaus noch eines gehobenen Standards an, welche beide von der Zuschussgewährung ausgeschlossen wären (vgl. BSG, Urteil vom 13. Mai 2004 – B 3 P 5/03 R –, SozR 4-3300 § 40 Nr 1, Rn. 14).
Dem Anspruch steht nicht entgegen, dass die Klägerin auch einen Anspruch gegen die Krankenversicherung auf eine neue Toilettensitzerhöhung haben könnte. Wie sich aus den von der Klägerseite selbst vorgelegten Produktbeschreibungen ergibt, könnte eine solche die Höhendifferenz des jetzigen WC zur benötigten Höhe hinreichend gut ausgleichen und wäre stabil genug, um Stürze zu verhindern. Indes hat die Klägerin glaubhaft vorgetragen, dass eine solche Toilettensitzerhöhung mit einem erhöhten Reinigungsaufwand verbunden ist, welcher ihr aufgrund der Arthrose in den Händen ungleich schwerer fällt als die Reinigung einer normalen Toilette.
Die tatbestandlichen Voraussetzungen des Anspruches sind erfüllt. In Anbetracht aller Umstände ist das der Beklagten von der Norm eingeräumte Entschließungsermessen auf Null reduziert. Hinsichtlich der Höhe des Zuschusses hat die Beklagte indes noch ihr Ermessen auszuüben, wobei sie einen Betrag von insgesamt 4.000 Euro nach § 40 Abs. 4 S. 2 SGB XI nicht übersteigen darf.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG. Es entspricht der Billigkeit, der Beklagten die Erstattung der gesamten notwendigen außergerichtlichen Kosten der Klägerin aufzuerlegen und von einer Quotelung abzusehen. Die Klägerin hat in der Hauptsache in überwiegendem Maße obsiegt und ist lediglich in Bezug auf die Höhe der zu übernehmenden Kosten unterlegen.
Die Berufung ist von Amts wegen nach § 143 SGG zuzulassen. Der Wert des Beschwerdegegenstandes beträgt insgesamt über 750 Euro. Allein der Kostenvoranschlag für Lieferung, Montage und Anschluss des elektrischen Rollladens beläuft sich auf 742,39 Euro. Die Kosten für den Umbau der Toilette dürften 7,62 Euro übersteigen.