Tenor:
Die Berufung der Klägerin gegen den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Duisburg vom 10.01.2022 wird zurückgewiesen.
Kosten sind auch im Berufungsverfahren nicht zu erstatten.
Die Revision wird zugelassen.
Tatbestand
Die Klägerin begehrt Kinderzuschlag für sechs Kinder für Juni 2017 und Juli 2017.
Die Klägerin ist die Mutter von neun Kindern, den streitigen Kinderzuschlag begehrt sie für ihre Kinder M. (geb. 0000), X. (geb. 0000), P. (geb. 0000), L. (geb. 0000), E. (geb. 0000) und Y. (geb. 0000) O.. Die Klägerin war im streitigen Zeitraum für diese Kinder kindergeldberechtigt, die Kinder lebten in ihrem Haushalt. Die Familie bezog Wohngeld. Die Klägerin erhielt von August 2016 bis Februar 2017 für die Kinder Kinderzuschlag. Der Ehemann der Klägerin bezog in diesem Zeitraum Krankengeld von der R. V.. Mit Bescheid vom 03.03.2017 hob die Krankenkasse die Bewilligung des Krankengeldes für den Ehemann auf, da keine lückenlose Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung vorgelegen habe. Einem Widerspruch des Ehemannes hiergegen half die Krankenkasse mit Bescheid vom 26.05.2017 ab. Mit Bescheid vom 18.07.2017 bewilligte sie dem Ehemann rückwirkend ab dem 05.02.2017 Krankengeld iHv kalendertäglich netto 34,64 € (1.039,20 €/Monat). Zahlungen der R. an die Klägerin erfolgten iHv 541,44 € am 07.07.2017 und iHv 418,64 € am 17.08.2017.
Zur Überbrückung der durch den Wegfall des Krankengeldes verursachten Notlage beantragte die Familie Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nach dem SGB II bei der Gemeinde D., die für das Jobcenter im Kreis J. handelte (Jobcenter). Das Jobcenter bewilligte im Juni 2017 vom 01.03.2017 bis zum 31.08.2017 Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nach dem SGB II. Am 06.06.2017 zahlte das Jobcenter Leistungen für März 2017 bis Juni 2017 iHv 2.867,84 € nach. Am 29.06.2017 zahlte das Jobcenter für Juli 2017 1.589,20 € und am 28.07.2017 für August 2017 1.799,20 €. Mit Bescheid vom 24.11.2017 hob das Jobcenter diese Bewilligung ab März 2017 auf. Das Jobcenter teilte der Klägerin in diesem Bescheid mit, es habe gegenüber der R. V. einen Erstattungsanspruch geltend gemacht. Für die Monate Juni 2017 und Juli 2017 wurde durch das Jobcenter jeweils ein Erstattungsanspruch gegen die R. iHv 1.009,20 € vereinnahmt. Auf die Eltern entfiel jeweils ein Betrag iHv 814,30 €. Ab August 2017 erhielt die Klägerin wieder Kinderzuschlag.
Mit Bescheid vom 22.03.2017 lehnte die Beklagte den Antrag der Klägerin vom 14.02.2017 auf Kinderzuschlag für März 2017 ab, da die Mindesteinkommensgrenze nicht erreicht werde. Die Klägerin verfüge nicht über Einkommen, das auf die Mindesteinkommensgrenze angerechnet werden könne. Die bezogenen SGB II-Leistungen führten nicht zur Erfüllung der Mindesteinkommensgrenze. Mit Bescheiden vom 20.07.2017 und 04.09.2017, jeweils in der in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 29.12.2017, lehnte die Beklagte die Anträge der Klägerin auf Kinderzuschlag vom 08.06.2017 für Juni 2017 und Juli 2017 mit derselben Begründung ab. Die Aufhebung der SGB-II-Leistungen aufgrund der nachträglichen Bewilligung des Krankengeldes sei für die Erfüllung der Mindesteinkommensgrenze nicht relevant.
Gegen diese Bescheide hat die Klägerin am 31.01.2017 Klage erhoben, die zunächst auf Kinderzuschlag für März 2017 bis Juli 2017 gerichtet gewesen ist. Sie hat sich auf die nachträgliche Begleichung des Erstattungsanspruchs des Jobcenters durch die R. und die Erfüllungsfiktion gem. § 107 SGB X berufen. Diese Vorschrift führe dazu, dass die Leistung des erstattungsberechtigten Trägers (hier die SGB II-Leistung) als rechtmäßig erbrachte Leistung des erstattungspflichtigen Trägers (hier Krankengeld) gelte. In einem Erörterungstermin des Sozialgerichts am 14.05.2019 hat die Klägerin den Streitgegenstand des Verfahrens auf die Monate Juni 2017 und Juli 2017 beschränkt.
Das Sozialgericht hat seiner Entscheidung folgenden Klageantrag zugrunde gelegt:
- 1. Die Beklagte zu verpflichten, unter Aufhebung des Bescheides vom 20.07.2017 in der Form des Widerspruchsbescheides vom 29.12.2017 der Klägerin Kinderzuschlag für den Monat Juni 2017 zu bewilligen.
2. Die Beklagte zu verpflichten, unter Aufhebung des Bescheides vom 04.09.2017 in der Form des Widerspruchsbescheides vom 29.12.2017 der Klägerin Kinderzuschlag für den Monat Juli 2017 zu bewilligen.
Die Beklagte hat beantragt,
die Klage abzuweisen.
Sie hat an ihrer Entscheidung festgehalten. Hinsichtlich der Monate März 2017 bis Mai 2017 hat sich die Beklagte zu einem Überprüfungsverfahren gem. § 44 SGB X unter Berücksichtigung eines rechtskräftigen Ergebnisses des hiesigen Rechtsstreits verpflichtet.
Das Sozialgericht hat die Beteiligten zu einer Entscheidung durch Gerichtbescheid angehört.
Mit Gerichtsbescheid vom 10.01.2022 hat das Sozialgericht die Klage abgewiesen. Die Klägerin habe die Mindesteinkommensgrenze iHv 900 € nicht erfüllt. Dies gelte auch, wenn die Zahlung vom 07.07.2017 als Krankengeldzahlung anzusehen sei. Für den Einkommensbegriff gelte das Zuflussprinzip. Im streitigen Zeitraum sei dem Ehemann der Klägerin kein Krankengeld zugeflossen. Die nachträgliche Bewilligung des Krankengeldes und die Erfüllung des Erstattungsanspruchs des Jobcenters änderten daran nichts.
Gegen diese ihr am 13.01.2022 zugestellte Entscheidung richtet sich die Berufung der Klägerin vom 02.02.2022. Sie begründet die Berufung wie bereits erstinstanzlich mit der Erfüllungsfiktion des § 107 SGB X und beantragt sinngemäß,
den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts vom 10.01.2022 zu ändern und die Beklagte unter Aufhebung der Bescheide vom 20.07.2017 und 04.09.2017, jeweils in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 29.12.2017 zu verurteilen, ihr Kinderzuschlag für Juni 2017 und Juli 2017 für die Kinder M., X., P., L., E. und Y. O. nach Maßgabe der gesetzlichen Vorschriften zu zahlen.
Die Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Sie hält das Urteil des Sozialgerichts für zutreffend und beruft sich hinsichtlich der Geltung des Zuflussprinzips auch für Krankengeld ergänzend auf das Urteil des BSG vom 16.12.2008 – B 4 AS 70/07.
Die Beteiligten haben ihr Einverständnis mit einer Entscheidung ohne mündliche Verhandlung erklärt.
Entscheidungsgründe
Die zulässige Berufung der Klägerin ist nicht begründet. Das Sozialgericht hat die Klage zu Recht abgewiesen. Die angefochtenen Bescheide sind nicht rechtswidrig, die Klägerin hat keinen Anspruch auf den begehrten Kinderzuschlag.
Streitgegenstand des Verfahrens ist ein Anspruch der Klägerin auf Kinderzuschlag für die sechs Kinder für die Monate Juni 2017 und Juli 2017, den die Beklagte mit den angefochtenen Bescheiden vom 20.07.2017 und 04.09.2017, jeweils in der Gestalt der Widerspruchsbescheide vom 29.12.2017, abgelehnt hat. Die Klägerin verfolgt ihren Anspruch zutreffend mit der Anfechtungs- und Leistungsklage (§ 54 Abs. 4 SGG), die Klagehäufung ist gem. § 56 SGG zulässig.
Der Anspruch richtet sich nach § 6a BKGG in der vom 01.01.2017 bis zum 30.06.2019 gF (zur Anwendung des Rechts, das zur Zeit der anspruchsbegründenden Ereignisse oder Umstände galt näher BSG Urteil vom 02.05.2012 – B 11 AL 18/11 R). Die Vorschrift lautete: „Personen erhalten nach diesem Gesetz für in ihrem Haushalt lebende unverheiratete oder nicht verpartnerte Kinder, die noch nicht das 25. Lebensjahr vollendet haben, einen Kinderzuschlag, wenn 1. sie für diese Kinder nach diesem Gesetz oder nach dem X. Abschnitt des Einkommensteuergesetzes Anspruch auf Kindergeld oder Anspruch auf andere Leistungen im Sinne von § 4 haben, 2. sie mit Ausnahme des Wohngeldes und des Kindergeldes über Einkommen im Sinne des § 11 Absatz 1 Satz 1 des Zweiten Buches Sozialgesetzbuch in Höhe von 900 Euro oder, wenn sie alleinerziehend sind, in Höhe von 600 Euro verfügen, wobei Beträge nach § 11b des Zweiten Buches Sozialgesetzbuch nicht abzusetzen sind, 3. sie mit Ausnahme des Wohngeldes über Einkommen oder Vermögen im Sinne der §§ 11 bis 12 des Zweiten Buches Sozialgesetzbuch verfügen, das höchstens dem nach Absatz 4 Satz 1 für sie maßgebenden Betrag zuzüglich dem Gesamtkinderzuschlag nach Absatz 2 entspricht, und 4. durch den Kinderzuschlag Hilfebedürftigkeit nach § 9 des Zweiten Buches Sozialgesetzbuch vermieden wird. Bei der Prüfung, ob Hilfebedürftigkeit vermieden wird, bleiben die Bedarfe nach § 28 des Zweiten Buches Sozialgesetzbuch außer Betracht. Das Gleiche gilt für Mehrbedarfe nach den §§ 21 und 23 Nummer 2 bis 4 des Zweiten Buches Sozialgesetzbuch, wenn kein Mitglied der Bedarfsgemeinschaft Leistungen nach dem Zweiten oder Zwölften Buch Sozialgesetzbuch beantragt hat oder erhält oder alle Mitglieder der Bedarfsgemeinschaft für den Zeitraum, für den Kinderzuschlag beantragt wird, auf die Inanspruchnahme von Leistungen nach dem Zweiten oder Zwölften Buch Sozialgesetzbuch verzichten. In diesem Fall ist § 46 Absatz 2 des Ersten Buches Sozialgesetzbuch nicht anzuwenden. Der Verzicht kann auch gegenüber der Familienkasse erklärt werden; diese unterrichtet den für den Wohnort des Berechtigten zuständigen Träger der Grundsicherung für Arbeitsuchende über den Verzicht.“
Die Klägerin erfüllte die Grundvoraussetzungen für den Anspruch auf Kinderzuschlag für die Kinder, denn diese lebten mit ihr in einem Haushalt, hatten das 25. Lebensjahr noch nicht vollendet und die Klägerin war für die Kinder kindergeldberechtigt.
Die Klägerin verfügte in den streitigen Monaten jedoch nicht über Einkommen in Höhe der Mindesteinkommensgrenze, die in ihrem Fall, da sie nicht alleinerziehend war, monatlich 900 € betrug.
Zur Ermittlung der Mindesteinkommensgrenze wird an den in § 11 Abs. 1 Satz 1 SGB II geregelten Einkommensbegriff angeknüpft. Es gilt in vollem Umfang der Einkommensbegriff iSd § 11 Abs. 1 Satz 1 SGB II („Als Einkommen zu berücksichtigen sind Einnahmen in Geld oder Geldeswert abzüglich der nach § 11b abzusetzenden Beträge mit Ausnahme der in § 11a genannten Einnahmen“) einschließlich der in diesem Zusammenhang entwickelten Zuflusstheorie (BSG Urteil vom 10.05.2011 – B 4 KG 1/10 R; Valgolio in Hauck/Noftz, SGB II, § 6a BKGG Rn. 118 mwN; Kühl in JurisPK SGB II § 6a BKGG Rn. 44). Für das Erreichen der Mindesteinkommensgrenze sind mit Ausnahme des Wohngeldes und des Kindergeldes alle Einkommen zu berücksichtigen, die auch nach dem SGB II zu berücksichtigen sind (Valgolio in Hauck/Noftz, SGB II, § 6a BKGG Rn. 111), also neben einem Bruttolohn auch Einkünfte aus selbständiger Tätigkeit und Transferleistungen.
Damit ist zwar Krankengeld unstreitig zu berücksichtigendes Einkommen, aber nur, wenn es im Bedarfszeitraum zugeflossen ist (ausdrücklich zur Anwendung der Zuflusstheorie auf das Krankengeld BSG Urteil vom 16.12.2008 – B 4 AS 70/07). Nicht als Einkommen zu berücksichtigen sind hingegen Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nach dem SGB II. Dies ergibt sich nicht nur aus der Natur des Kinderzuschlags, der gerade an die Stelle von Leistungen für den Lebensunterhalt nach dem SGB II treten soll, sondern auch aus der ausdrücklichen Verweisung in § 11 Abs. 1 Satz 1 SGB II (auch in der hier maßgeblichen vom 01.08.2016 bis zum 30.06.2023 gF) auf § 11a Abs. 1 Nr. 1 SGB II, hier in der vom 01.08.2016 bis zum 31.08.2021 gF. Danach sind Leistungen nach dem SGB II nicht als Einkommen zu berücksichtigen.
Der Umstand, dass das Jobcenter einen Erstattungsanspruch auf das nachgezahlte Krankengeld hatte, führt nicht dazu, dass die Klägerin die Mindesteinkommensgrenze erreicht hatte.
Der Klägerin ist allerdings dahingehend zuzustimmen, dass § 107 Abs. 1 SGB X für eine Berücksichtigung des nachträglich zugesprochenen Krankengeldes im Rahmen der Mindesteinkommensgrenze streiten könnte:
Soweit ein Erstattungsanspruch besteht, gilt der Anspruch des Berechtigten gegen den zur Leistung verpflichteten Leistungsträger hiernach als erfüllt. Das Jobcenter hatte gegen die R. hinsichtlich der Leistungen für Juni 2017 und Juli 2017 einen Erstattungsanspruch. Dieser ergab sich aus § 104 Abs. 1 SGB X. Hat ein nachrangig verpflichteter Leistungsträger Sozialleistungen erbracht, ohne dass die Voraussetzungen von § 103 Abs. 1 SGB X vorliegen, ist gem. § 104 Abs. 1 Satz 2 SGB X der Leistungsträger erstattungspflichtig, gegen den der Berechtigte vorrangig einen Anspruch hat oder hatte, soweit der Leistungsträger nicht bereits selbst geleistet hat, bevor er von der Leistung des anderen Leistungsträgers Kenntnis erlangt hat. Nachrangig verpflichtet ist ein Leistungsträger gem. § 104 Abs. 1 Satz 2 SGB X, soweit dieser bei rechtzeitiger Erfüllung der Leistungsverpflichtung eines anderen Leistungsträgers selbst nicht zur Leistung verpflichtet gewesen wäre. § 103 SGB X ist nicht einschlägig, denn diese Vorschrift gilt nicht, wenn zwischen den Leistungsträgern - wie hier zwischen dem Jobcenter und der R. - ein Vorrang-Nachrang-Verhältnis besteht (dazu BSG Urteile vom 11.11.2003 – B 2 U 15/03 R und vom 28.08.1997 – 14/10 RKg 11/96; ausführlich unter Darstellung des Meinungsstandes in Literatur und Rechtsprechung Prange in JurisPK SGB X § 103 Rn. 21 ff, 41). Die Leistungen nach dem SGB II sind in diesem Sinne nachrangig gegenüber dem Krankengeld, da das SGB II ein nachrangiges Sicherungssystem ist und das Krankengeld bei der Bedarfsprüfung nach dem SGB II als Einkommen zu berücksichtigen ist. Die Erfüllungsfiktion des § 107 Abs. 1 SGB X tritt mit dem Entstehen des Erstattungsanspruchs ein (Becker in Hauck/Noftz, SGB X, § 107 Rn. 14).
Der Zeitpunkt des Entstehens des Erstattungsanspruchs richtet sich nach der jeweils einschlägigen Anspruchsgrundlage. Beruht der Erstattungsanspruch auf den §§ 102, 104 oder 105 SGB X, entsteht er mit der Erbringung der Leistung durch den Erstattungsberechtigten; bildet hingegen § 103 SGB X die Grundlage des Erstattungsanspruchs, entsteht dieser erst mit dem Wegfall der ursprünglichen Leistungspflicht (Burkiczak in JurisPK SGB X § 107 Rn. 14 mwN). Da der Erstattungsanspruch sich hier nach § 104 SGB X richtet, entstand er mit der Zahlung der SGB II-Leistungen im Juni 2017 und Juli 2017.
Dies führt nach der Rechtsprechung des BSG (BSG Urteil vom 26.04.2005 – B 5 RJ 36/04 R) dazu, dass die Leistungen nach dem SGB II von Beginn an normativ als Krankengeld anzusehen sind und ihre Berücksichtigung bei der Prüfung der Mindesteinkommensgrenze mit der Zuflusstheorie vereinbar wäre. Die Leistungen des erstattungsberechtigten nachrangig verpflichteten Leistungsträgers (hier des Jobcenters) gelten als rechtmäßig erbrachte Leistungen des endgültig verpflichteten vorrangigen Leistungsträgers (R.), die Leistungen für den Lebensunterhalt nach dem SGB II gelten damit hier von Beginn an als rechtmäßig erbrachtes Krankengeld soweit ein Erstattungsanspruch besteht, soweit die Leistungen sich der Höhe nach also decken. Da hier nach Mitteilung der Gemeinde D. vom 02.08.2022 ein Erstattungsanspruch iHv monatlich 1.009,20 € bestand, gelten in dieser Höhe die Leistungen nach dem SGB II als Krankengeld.
Die Anerkennung der Zahlungen des Jobcenters als Krankengeld würde allerdings vorliegend auch dazu führen, dass im Juni 2017 ein Anspruch auf den Kinderzuschlag ausgeschlossen wäre, da keine Hilfebedürftigkeit nach dem SGB II bestand. Denn der in diesem Monat bestehende Bedarf von 1.589,20 €, wäre durch die nachgezahlten SGB II-Leistungen iHv 2.867,84 €, die ebenfalls als Krankengeld anzusehen wären, gedeckt worden.
Eine Berücksichtigung der rechtmäßig gezahlten, lediglich aufgrund der Regelung des § 107 Abs. 1 SGB X als Krankengeld anzusehenden SGB II-Leistung bei der Prüfung der Mindesteinkommensgrenze ist jedoch mit Sinn und Zweck des Kinderzuschlagrechts nicht vereinbar. Hat ein Leistungsträger nach dem SGB II rechtmäßig Grundsicherung erbracht, führt bei der Prüfung der Mindesteinkommensgrenze die Regelung des § 107 Abs. 1 SGB X daher nicht dazu, dass die Grundsicherung als die vorrangig zu beanspruchende Leistung anzusehen ist.
Der Sinn und Zweck des Kinderzuschlags besteht darin zu verhindern, dass Familien allein wegen der Unterhaltsbelastung für ihre Kinder auf Grundsicherung für Arbeitsuchende angewiesen sind (BSG Urteile vom 09.03.2022 – B 7/14 KG 1/20 R und vom 15.12.2010 – B 14 KG 1/09 R). Der Kinderzuschlag soll an die Stelle eines ansonsten gegebenen Anspruchs auf Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nach dem SGB II treten. Im streitigen Zeitraum steht der Kinderzuschlag in einem strengen Alternativverhältnis zu den Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nach dem SGB II (zu den durch das StaFamG eingeführten möglichen Ausnahmen von diesem Grundsatz näher Kühl, NZS 2020, 362). Im Recht des SGB II gilt das Monatsprinzip (dazu BSG Urteile vom 29.03.2022 – B 4 AS 24/21 R und vom 30.03.2017 – B 14 AS 18/16 R). Stehen in einem Monat keine nach Maßgabe der Vorschriften des SGB II anzurechnenden „bereiten Mittel“ (dazu BSG Urteil vom 29.11.2012 – B 14 AS 33/12 R mwN auf die ständige Rechtsprechung des BSG) zur Bestreitung des Lebensunterhalts zur Verfügung, ist Hilfebedürftigkeit zu bejahen und die SGB II-Leistungen werden zu Recht beansprucht. Der Kinderzuschlag kann in diesem Fall seinen Leistungszweck nicht erreichen. Da die Klägerin und ihr Ehemann im Juni 2017 und Juli 2017 nicht über Krankengeld oder anderes anzurechnendes Einkommen als „bereite Mittel“ verfügten, haben sie die Grundsicherung nach dem SGB II zu Recht bezogen und scheidet eine Anerkennung der Mindesteinkommensgrenze und damit die Bewilligung von Kinderzuschlag aus.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.
Der Senat hat die Revision wegen grundsätzlicher Bedeutung der Rechtssache (§ 160 Abs. 2 Nr. 1 SGG) zugelassen. Zwar ist bei abgelaufenem Recht die Grundsätzlichkeit einer Rechtsfrage in der Regel zu verneinen. Eine Fortwirkung der grundsätzlichen Bedeutung kann jedoch vorliegen, wenn an die Stelle der bisherigen Regelung eine inhaltsgleiche getreten ist oder sogar die bisherige Regelung im Wortlaut beibehalten und nur formal neu geschaffen wurde (BSG Beschluss vom 19.07.2012 – B 1 KR 65/11 B mwN). § 6a BKGG wurde zwar durch das StaFamG vom 28.04.2019 (BGBl I, 530) mit Wirkung vom 01.07.2019 und 01.01.2020 grundlegend umgestaltet, an der grundsätzlichen Zielsetzung dieser Leistung – u.a. Vermeidung von Hilfebedürftigkeit nach dem SGB II – hat sich jedoch nicht geändert (BT-Drs. 19/7504 S. 1, 32). Dementsprechend ist weiterhin die Erfüllung der Mindesteinkommensgrenze Anspruchsvoraussetzung für den Kinderzuschlag (§ 6a Abs. 1 Nr. 2 BKGG) und gilt für die Berücksichtigung von Einkommen im nunmehr gem. § 6a Abs. 8 Satz 1 BKGG maßgeblichen Zeitraum von sechs Monaten vor Beginn des Bewilligungszeitraums weiterhin das Zuflussprinzip (Kühl, NZS 2020, 362). Die Rechtsfrage des vorliegenden Falls ist damit auch für § 6a BKGG in der Fassung des StaFamG relevant.
Rechtsmittelbelehrung:
Dieses Urteil kann mit der Revision angefochten werden.
Die Revision ist von einem bei dem Bundessozialgericht zugelassenen Prozessbevollmächtigten innerhalb eines Monats nach Zustellung des Urteils schriftlich oder in elektronischer Form beim
Bundessozialgericht, Postfach 41 02 20, 34114 KasseloderBundessozialgericht, Graf-Bernadotte-Platz 5, 34119 Kassel
einzulegen.
Die Revisionsschrift muss bis zum Ablauf der Monatsfrist bei dem Bundessozialgericht eingegangen sein.
Die elektronische Form wird durch Übermittlung eines elektronischen Dokuments gewahrt, das für die Bearbeitung durch das Gericht geeignet ist und
- von der verantwortenden Person qualifiziert elektronisch signiert ist und über das Elektronische Gerichts- und Verwaltungspostfach (EGVP) eingereicht wird oder
- von der verantwortenden Person signiert und auf einem sicheren Übermittlungsweg gem. § 65a Abs. 4 Sozialgerichtsgesetz (SGG) eingereicht wird.
Weitere Voraussetzungen, insbesondere zu den zugelassenen Dateiformaten und zur qualifizierten elektronischen Signatur, ergeben sich aus der Verordnung über die technischen Rahmenbedingungen des elektronischen Rechtsverkehrs und über das besondere elektronische Behördenpostfach (Elektronischer-Rechtsverkehr-Verordnung -ERVV) in der jeweils gültigen Fassung. Weitergehende Informationen zum elektronischen Rechtsverkehr können über das Internetportal des Bundessozialgerichts (www.bsg.bund.de) abgerufen werden.
Als Prozessbevollmächtigte sind nur zugelassen
- jeder Rechtsanwalt,
- Rechtslehrer an einer staatlichen oder staatlich anerkannten Hochschule eines Mitgliedsstaates der Europäischen Union, eines anderen Vertragsstaates des Abkommens über den Europäischen Wirtschaftsraum oder der Schweiz, die die Befähigung zum Richteramt besitzen,
- selbständige Vereinigungen von Arbeitnehmern mit sozial- oder berufspolitischer Zwecksetzung für ihre Mitglieder,
- berufsständische Vereinigungen der Landwirtschaft für ihre Mitglieder,
- Gewerkschaften und Vereinigungen von Arbeitgebern sowie Zusammenschlüsse solcher Verbände für ihre Mitglieder oder für andere Verbände oder Zusammenschlüsse mit vergleichbarer Ausrichtung und deren Mitglieder,
- Vereinigungen, deren satzungsgemäße Aufgaben die gemeinschaftliche Interessenvertretung, die Beratung und Vertretung der Leistungsempfänger nach dem sozialen Entschädigungsrecht oder der behinderten Menschen wesentlich umfassen und die unter Berücksichtigung von Art und Umfang ihrer Tätigkeit sowie ihres Mitgliederkreises die Gewähr für eine sachkundige Prozessvertretung bieten, für ihre Mitglieder,
- juristische Personen, deren Anteile sämtlich im wirtschaftlichen Eigentum einer der vorgenannten Organisationen stehen, wenn die juristische Person ausschließlich die Rechtsberatung und Prozessvertretung dieser Organisation und ihrer Mitglieder oder anderer Verbände oder Zusammenschlüsse mit vergleichbarer Ausrichtung und deren Mitglieder entsprechend deren Satzung durchführt, und wenn die Organisation für die Tätigkeit der Bevollmächtigten haftet.
Die vorgenannten Vereinigungen, Gewerkschaften und juristischen Personen müssen durch Personen mit Befähigung zum Richteramt handeln. Behörden und juristische Personen des öffentlichen Rechts einschließlich der von ihnen zur Erfüllung ihrer öffentlichen Aufgaben gebildeten Zusammenschlüsse sowie private Pflegeversicherungsunternehmen können sich durch eigene Beschäftigte mit Befähigung zum Richteramt oder durch Beschäftigte mit Befähigung zum Richteramt anderer Behörden oder juristischer Personen des öffentlichen Rechts einschließlich der von ihnen zur Erfüllung ihrer öffentlichen Aufgaben gebildeten Zusammenschlüsse vertreten lassen.
Ein Beteiligter, der zur Vertretung berechtigt ist, kann sich selbst vertreten. Handelt es sich dabei um eine der vorgenannten Vereinigungen, Gewerkschaften oder juristischen Personen, muss diese durch Personen mit Befähigung zum Richteramt handeln.
Die Revisionsschrift muss das angefochtene Urteil bezeichnen.
Die Revision ist innerhalb von zwei Monaten nach Zustellung des Urteils von einem zugelassenen Bevollmächtigten schriftlich oder in elektronischer Form zu begründen.
Die Begründung muss einen bestimmten Antrag enthalten, die verletzte Rechtsnorm und, soweit Verfahrensmängel gerügt werden, die Tatsachen bezeichnen, die den Mangel ergeben.
Die Revision kann nur darauf gestützt werden, dass das angefochtene Urteil auf der Verletzung einer Vorschrift des Bundesrechts oder einer sonstigen im Bezirk des Berufungsgerichts geltenden Vorschrift beruht, deren Geltungsbereich sich über den Bezirk des Berufungsgerichts hinaus erstreckt.
Für die Revision vor dem Bundessozialgericht kann ein Beteiligter, der nicht schon durch die oben genannten Vereinigungen, Gewerkschaften oder juristischen Personen vertreten ist, Prozesskostenhilfe zum Zwecke der Beiordnung eines Rechtsanwalts beantragen.
Der Beteiligte kann die Prozesskostenhilfe selbst beantragen. Der Antrag ist beim Bundessozialgericht entweder schriftlich oder in elektronischer Form einzureichen oder mündlich vor dessen Geschäftsstelle zu Protokoll zu erklären.
Dem Antrag sind eine Erklärung des Beteiligten über seine persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse (Familienverhältnisse, Beruf, Vermögen, Einkommen und Lasten) sowie entsprechende Belege beizufügen. Hierzu ist der für die Abgabe der Erklärung vorgeschriebene Vordruck zu benutzen. Der Vordruck kann von allen Gerichten oder durch den Schreibwarenhandel bezogen werden.
Wird Prozesskostenhilfe bereits für die Einlegung der Revision begehrt, so müssen der Antrag und die Erklärung über die persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse - gegebenenfalls nebst entsprechenden Belegen - bis zum Ablauf der Frist für die Einlegung der Revision (ein Monat nach Zustellung des Urteils) beim Bundessozialgericht eingegangen sein.
Mit dem Antrag auf Prozesskostenhilfe kann ein zur Vertretung bereiter Rechtsanwalt benannt werden.
Ist dem Beteiligten Prozesskostenhilfe bewilligt worden und macht er von seinem Recht, einen Anwalt zu wählen, keinen Gebrauch, wird auf seinen Antrag der beizuordnende Rechtsanwalt vom Bundessozialgericht ausgewählt.
Der Revisionsschrift und allen folgenden Schriftsätzen sollen Abschriften für die übrigen Beteiligten beigefügt werden.
Das Bundessozialgericht bittet darüber hinaus um je zwei weitere Abschriften.
Schriftlich einzureichende Anträge und Erklärungen, die durch einen Rechtsanwalt, durch eine Behörde oder durch eine juristische Person des öffentlichen Rechts einschließlich der von ihr zur Erfüllung ihrer öffentlichen Aufgaben gebildeten Zusammenschlüsse eingereicht werden, sind als elektronisches Dokument zu übermitteln. Ist dies aus technischen Gründen vorübergehend nicht möglich, bleibt die Übermittlung nach den allgemeinen Vorschriften zulässig. Die vorübergehende Unmöglichkeit ist bei der Ersatzeinreichung oder unverzüglich danach glaubhaft zu machen; auf Anforderung ist ein elektronisches Dokument nachzureichen. Gleiches gilt für die nach dem Sozialgerichtsgesetz vertretungsberechtigten Personen, für die ein sicherer Übermittlungsweg nach § 65a Abs. 4 Nr. 2 SGG zur Verfügung steht (§ 65d SGG).