Tenor:
Auf die Beschwerde der Kläger wird festgestellt, dass das Verfahren über die Gewährung von Prozesskostenhilfe für das Hauptsacheverfahren S 20 AS 3154/22 nicht durch Beschluss des Sozialgerichts Köln vom 16.03.2023 ausgesetzt worden ist.
Im Übrigen wird die Beschwerde als unzulässig verworfen.
Gründe:
I.
Die Kläger wenden sich gegen die Aussetzung des Prozesskostenhilfeverfahrens in einem Rechtsstreit vor dem Sozialgericht Köln (SG).
In dem dem Prozesskostenhilfeverfahren zugrundliegenden Klageverfahren steht die Rechtmäßigkeit des Versagungsbescheides des Beklagten vom 16.02.2022 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 10.11.2022 im Streit. Im Rahmen des Prozesskostenhilfeverfahrens übermittelten die Kläger dem SG drei ausgefüllte Vordrucke zu ihren persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnissen (datierend vom 17.06.2022, 27.02.2023 bzw. 09.03.2023). Die Vordrucke, von denen die beiden erstgenannten jeweils in Kopie und der dritte im Original vorliegen, sind jeweils handschriftlich mit dem Namen der Klägerin zu 1 unterzeichnet, wobei die Unterschriften im Schriftbild voneinander abweichen.
Auf Blatt 37 der Akte zum Prozesskostenhilfeverfahren befindet sich eine Verfügung des Kammervorsitzenden vom 16.03.2023, die unter Ziffer 1) mit dem Wort „Beschluss:“ ohne Rubrum und ohne Angabe der Beteiligten beginnt. Mit der sich anschließenden Entscheidungsformel wird das Prozesskostenhilfeverfahren zum Hauptsacheverfahren S 20 AS 3154/22 bis zur Erledigung eines mit Erlangung der Rechtskraft dieses Beschlusses einzuleitenden Ermittlungsverfahrens der Staatsanwaltschaft ausgesetzt. In den dann folgenden „Gründen“ wird ausgeführt, dass erhebliche Zweifel daran bestünden, dass die Klägerin zu 1 den amtlichen Vordruck zur Erklärung über die persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse selbst unterzeichnet habe. Für die abweichenden Unterschriften gebe es verschiedene Erklärungen. Eine davon sei, dass die Klägerin mindestens eine der drei Unterschriften nicht selbst geleistet habe. Damit bestehe der Anfangsverdacht einer Urkundenfälschung und des versuchten Prozesskostenhilfebetruges. Nach den Ausführungen zu den Gründen befindet sich (weiterhin unter Ziff. 1) der Verfügung) nach dem Wort „Rechtsmittelbelehrung“ die Aufforderung an die Geschäftsstelle dort das „Vorstück Beschwerde“ einzufügen. Anschließend enthält die Verfügung unter Ziffer 2) die Anweisung, eine Durchschrift des Beschlusses zum „PKH-Heft“ zu nehmen und nur an den Klägerbevollmächtigten zuzustellen. Unter Ziffer 3) ist schließlich eine Wiedervorlage verfügt. Darunter befindet sich (handschriftlich) eine Datumsangabe („16.3.“) sowie die Unterschrift des Kammervorsitzenden in Gestalt seines vollen Nachnamens. Hinsichtlich der weiteren Einzelheiten der Verfügung des Kammervorsitzenden vom 16.03.2023 wird auf Blatt 37 der Akte zum Prozesskostenhilfeverfahren Bezug genommen.
Eine nachgeheftete Abschrift des „Beschlusses“ ist um die Angaben (Rubrum, Tag der Entscheidung, Name des Kammervorsitzenden, Rechtsmittelbelehrung) ergänzt worden; in dieser Form ist dem Klägerbevollmächtigten eine Ausfertigung der vervollständigten Entscheidung, die als solche weder paraphiert noch unterschrieben wurde, am 25.03.2023 zugestellt worden.
Am 29.03.2023 haben die Kläger Beschwerde erhoben. Sie halten den Kammervorsitzenden für befangen und sind der Ansicht, dieser habe das Verfahren zu Unrecht ausgesetzt. Sie bemängeln außerdem, dass der Beschluss nicht unterzeichnet sei. Die Klägerin zu 1 sei der deutschen Sprache nicht mächtig und benötige daher Hilfe beim Ausfüllen der Formulare zur Prozesskostenhilfe. Diese Hilfe sei von einer Mitarbeiterin in der Kanzlei der Klägerbevollmächtigten geleistet worden. Selbstverständlich unterschreibe in der Kanzlei aber niemand für die Kläger.
Der Beklagte äußert sich im Beschwerdeverfahren nicht.
Hinsichtlich der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird ergänzend auf den Inhalt der Gerichtsakten (Prozessakte und Beiakte betreffend das Verfahren zur Prozesskostenhilfe) Bezug genommen, der Gegenstand der Entscheidungsfindung gewesen ist.
II.
1. Die Beschwerde der Kläger ist in dem aus dem Tenor ersichtlichen Umfang zulässig und in dieser Hinsicht auch begründet, im Übrigen ist sie unzulässig.
a) Die gegen einen unwirksamen bzw. nicht existenten Beschluss (dazu b)) gerichtete Beschwerde ist zur Beseitigung des Scheins einer Entscheidung, die hier durch die erteilte Ausfertigung gesetzt und unterhalten wird, statthaft (vgl. Bundesverfassungsgericht [BVerfG], Beschluss vom 17.01.1985, 2 BvR 498/84; Beschlüsse des Senats vom 08.06.2016, L 6 AS 842/16 B ER und vom 03.03.2023, L 6 AS 281/23 B ER; Bundessozialgericht [BSG], Beschluss vom 17.12.2015, B 2 U 150/15; Keller in Meyer-Ladewig u. a., SGG, 14. Auflage 2023, § 143 Rn. 2a; Schütz in Schlegel/Voelzke, jurisPK-SGG, 2. Aufl., § 133 SGG (Stand: 15.06.2022), Rn. 18).
b) Das den Klägern als Ausfertigung zugestellte und von ihnen mit der Beschwerde angefochtene Schriftstück („Beschluss vom 16.03.2023“) erweckt nur den Anschein einer Entscheidung des SG. Ein wirksamer Beschluss liegt jedoch nicht vor, weil in der Gerichtsakte (und auch sonst beim SG) kein Beschluss in Gestalt einer von dem Kammervorsitzenden unterzeichneten Urschrift vorhanden ist.
Gemäß §§ 142 Abs. 1, 134 Abs. 1 Sozialgerichtsgesetz (SGG) ist ein Beschluss vom Vorsitzenden zu unterschreiben. Die Unterschrift erfolgt mit dem Nachnamen des Richters (Keller a.a.O., § 134 Rn. 2a).
Vorliegend ist lediglich die Verfügung am Ende unter Ziffer 3) mit dem Nachnamen des Kammervorsitzenden und nicht der Beschluss selbst unterzeichnet. Bereits aus diesem Grunde liegt kein wirksamer Beschluss vor. Im Übrigen muss die Unterschrift den zu unterzeichnenden Text nicht nur räumlich, sondern auch zeitlich abschließen, indem sie in der Regel erst unter den fertigen Text gesetzt wird (vgl. Hauck u.a., SGG, Stand: 01.02.2016, § 136 Rn. 100 m. w. N.).
Hinzu kommt, dass der vollständige Beschluss zu unterschreiben ist (vgl. Hauck a. a. O., § 142 Rn. 30), d. h., dass auch die Rechtsmittelbelehrung durch die Unterschrift gedeckt sein muss (Keller, a.a.O., Rn. 2b; BSG, Beschluss vom 03.08.2016, B 6 KA 5/16 B). Auch dieses Erfordernis ist hier nicht erfüllt, da das vom Kammervorsitzenden unterschriebene Schriftstück die nach § 136 Abs. 1 Nr. 7 SGG erforderliche Rechtsmittelbelehrung nicht enthielt. Die inhaltlichen Vorgaben des § 136 SGG sind über den Wortlaut des § 142 Abs. 1 SGG hinaus auch auf Beschlüsse anwendbar, die ohne mündliche Verhandlung ergehen (BSG, Beschluss vom 27.10.2016, B 13 R 337/15 B; Wahrendorf in BeckOGK, SGG, Stand: 01.08.2023, § 142, Rn. 12; Jüttner in Fichte/Jüttner, SGG, 3. Auflage 2020, § 142, Rn. 5). Dies gilt insbesondere, soweit sie – wie hier – nach Maßgabe des § 142 Abs. 2 SGG zu begründen sind (Jüttner a.a.O., Rn. 5).
Das Schriftstück ist daher über das Entwurfsstadium nicht hinausgekommen (LSG Berlin Brandenburg, Beschluss vom 11.11.2010, L 25 AS 1969/10 B ER mit Verweis auf BVerfG, Beschluss vom 17.01.1985, 2 BvR 498/84; Schütz in Schlegel/Voelzke, jurisPK-SGG, Stand: 15.06.2022, § 134 SGG, Rn. 22). Dies gilt nicht zuletzt auch wegen der Nichtberücksichtigung der Vorgaben in § 136 Abs. 1 Nr. 1 und Nr. 2 SGG.
Ist das erstinstanzliche Verfahren (noch) nicht abgeschlossen, versetzt die Entscheidung über die entsprechende Feststellung die Beteiligten – in einer auch für das SG verbindlichen Weise – in den Stand des erstinstanzlichen Verfahrens zurück (vgl. Senatsbeschlüsse vom 08.06.2016, L 6 AS 842/16 B ER und vom 03.03.2023, L 6 AS 281/23 B ER; LSG Nordrhein-Westfalen, Beschluss vom 30.08.2021, L 8 BA 79/21 B ER; LSG Berlin Brandenburg, Beschluss vom 11.11.2010, L 25 AS 1969/10 B). Dort ist es zu Ende führen.
c) Das weitergehende Beschwerdebegehren der Kläger in der Sache ist mangels Vorliegens einer anfechtbaren Entscheidung des SG nicht statthaft und damit unzulässig (so auch Beschluss des Senats vom 03.03.2023 L 6 AS 281/23 B ER; LSG Nordrhein-Westfalen, Beschluss vom 30.08.2021, L 8 BA 79/21 B ER).
Über die Frage, ob eine Aussetzung des Prozesskostenhilfeverfahrens rechtmäßig wäre (vgl. dazu etwa Schmidt in Meyer-Ladewig u.a., a.a.O., § 73a, Rn. 10a m.w.N.; Schleswig-Holsteinisches Oberlandesgericht [OLG], Beschluss vom 13.09.2012, 3 W 78/12, m.w.N.; Guttenberger in Schlegel/Voelzke, jurisPK-SGG, Stand: 15.06.2022, § 114 SGG, Rn. 26; Gall in Schlegel/Voelzke, jurisPK-SGG, Stand: 15.06.2022, § 73a SGG, Rn. 99; LSG Rheinland-Pfalz, Beschluss vom 12.04.2000, L 1 B 49/00; OLG München, Beschluss vom 27.04.1988, 25 W 1403/88; Fischer in MDR 2004, S. 252ff [253 f.] m.w.N.; Leopold in BeckOGK, SGG, Stand: 01.08.2023, § 73a Rn. 56), hatte der Senat nicht zu entscheiden.
2. Dieser Beschluss ist nicht mit der Beschwerde an das BSG anfechtbar (§ 177 SGG).