Tenor:
Auf die Beschwerde der Kläger wird der Beschluss des Sozialgerichts Köln vom 29.07.2022 geändert. Den Klägern zu 1 bis 4 wird für das Klageverfahren vor dem Sozialgericht Köln ratenfreie Prozesskostenhilfe bewilligt und Rechtsanwalt T. L. aus Y. beigeordnet.
Kosten des Beschwerdeverfahrens sind nicht zu erstatten.
Gründe:
I.
Streitig ist, ob den Klägern für das Klageverfahren vor dem Sozialgericht Köln (SG) Prozesskostenhilfe (PKH) zu gewähren ist.
Die Kläger begehren im Klageverfahren höhere Leistungen nach dem Sozialgesetzbuch Zweites Buch – Grundsicherung für Arbeitsuchende – (SGB II) für die Zeit vom 01.08.2021 bis zum 31.01.2022 unter Abänderung des vorläufigen Bescheides vom 24.01.2022 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 01.03.2022.
Der Beklagte bewilligte mit Bescheid vom 24.01.2022 Leistungen nach dem SGB II für die Kläger unter Anrechnung von Einkommen der Klägerin zu 1 und des Klägers zu 2 für die Zeit vom 01.08.2021 bis zum 31.01.2022. Die Bewilligung erfolgte nach § 41a Abs. 1 SGB II vorläufig, da das tatsächlich erzielte Nebeneinkommen noch nicht festgestellt werden konnte.
Gegen diesen Bescheid legten die Kläger Widerspruch mit der Begründung ein, das angerechnete Arbeitseinkommen werde nicht erwirtschaftet.
Mit Widerspruchsbescheid vom 01.03.2022 wies der Beklagte den Widerspruch als unbegründet zurück. Die Leistungen seien zu Recht vorläufig erbracht worden, da die Höhe des Leistungsanspruchs zum Zeitpunkt der Bewilligung nicht bekannt gewesen sei. Da der Leistungszeitraum, für den die Leistungen bewilligt worden seien, inzwischen abgelaufen sei, fehle das Rechtsschutzbedürfnis auf Bewilligung höherer vorläufiger Leistungen. Für diesen Zeitraum sei eine endgültige Bewilligung möglich; damit seien die spezifischen Voraussetzungen für eine vorläufige Bewilligung entfallen.
Am 30.03.2022 haben die Kläger Klage vor dem Sozialgericht Köln (SG) erhoben. Weder die Klägerin zu 1 noch der Kläger zu 2 hätten Einkommen erzielt. Dies sei dem Beklagten auch in vielfältigen Schriftsätzen mitgeteilt worden.
Mit Beschluss vom 20.07.2022 hat das SG den Antrag der Kläger auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe für das Klageverfahren und Beiordnung des Prozessbevollmächtigten abgelehnt. Eine auf höhere vorläufige Leistungen gerichtete Klage sei nach Ablauf des vorläufigen Bewilligungszeitraums unzulässig. Einer solchen Klage fehle das Rechtsschutzbedürfnis. Nach Ablauf des Bewilligungszeitraums sei die endgültige Leistungsfestsetzung möglich. Es sei auch nichts dafür ersichtlich, dass eine endgültige Leistungsfestsetzung zum jetzigen Zeitpunkt nicht möglich sei. Auch eine auf höhere endgültige Leistungen gerichtete Klage sei unzulässig. Die Anfechtungs- und Leistungsklage setzte ein abgeschlossenes Verwaltungsverfahren voraus, das hier nicht vorliege. Eine endgültige Entscheidung werde auch nicht gesetzlich gemäß § 41a Abs. 5 Satz 1 SGB II fingiert, da seit Ablauf des Bewilligungszeitraums am 31.01.2022 noch kein Jahr vergangen sei.
Gegen den Beschluss haben die Kläger am 04.08.2022 Beschwerde eingelegt.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird verwiesen auf den Inhalt der Gerichtsakten und der Verwaltungsakten des Beklagten sowie der beigezogenen Akten des Landessozialgerichts Nordrhein-Westfalen (LSG NRW) L 6 AS 1878/21 B ER, L 6 AS 1879/21 B, L 6 AS 1026/22 B ER und L 6 AS 1027/22 B, der Gegenstand der Entscheidungsfindung gewesen ist.
II.
1. Die zulässige Beschwerde gegen die Ablehnung der Gewährung von Prozesskostenhilfe ist begründet.
a) Voraussetzung für die Gewährung von Prozesskostenhilfe ist nach § 73a Abs. 1 Satz 1 Sozialgerichtsgesetz (SGG) i.V.m. § 114 der Zivilprozessordnung (ZPO) u. a., dass die beabsichtigte Rechtsverfolgung hinreichende Aussicht auf Erfolg bietet. Eine hinreichende Erfolgsaussicht besteht, wenn das Gericht nach vorläufiger Prüfung den Standpunkt des Antragstellers auf Grund der Sachverhaltsschilderung und der vorliegenden Unterlagen für zutreffend oder doch für vertretbar hält und in tatsächlicher Hinsicht von der Möglichkeit der Beweisführung überzeugt ist (vgl. B. Schmidt in Leitherer u. a., SGG, 13. Aufl. 2020, § 73a Rn. 7a; st. Rspr. des erkennenden Senats, z.B. Senatsbeschluss vom 23.03.2010, L 6 B 141/09 AS). Der Erfolg braucht nicht sicher zu sein, muss aber nach den bisherigen Umständen eine gewisse Wahrscheinlichkeit für sich haben. Ist ein Erfolg in der Hauptsache zwar nicht schlechthin ausgeschlossen, die Erfolgschance aber nur eine entfernte, darf der Antrag auf Gewährung von Prozesskostenhilfe abgelehnt werden (Bundesverfassungsgericht [BVerfG], Beschluss vom 13.03.1990, 2 BvR 94/88, juris Rn. 26). Wird eine Rechtsfrage aufgeworfen, die in der Rechtsprechung noch nicht geklärt, aber klärungsbedürftig ist, muss Prozesskostenhilfe bewilligt werden. Klärungsbedürftig in diesem Sinn ist nicht bereits jede Rechtsfrage, die noch nicht höchstrichterlich entschieden ist. Vielmehr ist maßgeblich, ob die entscheidungserhebliche Rechtsfrage im Hinblick auf die einschlägige gesetzliche Regelung oder die durch die bereits vorliegende Rechtsprechung gewährten Auslegungshilfen schwierig erscheint (BVerfG, Beschluss vom 13.03.1990, 2 BvR 94/88, juris Rn. 29). Ist dies der Fall muss die bedürftige Person die Möglichkeit haben, ihren Rechtsstandpunkt im Hauptsacheverfahren zu vertreten und ggf. Rechtsmittel einlegen zu können (BVerfG, Beschluss vom 10.12.2001, 1 BvR 1803/97, juris Rn. 9).
Diese Voraussetzungen liegen hier vor.
Die von den Klägern eingeleitete Rechtsverfolgung hat zum insoweit maßgebenden Zeitpunkt der Bewilligungsreife (vgl. dazu näher etwa Beschluss des erkennenden Senats vom 23.08.2022, L 6 AS 1781/21 B, juris Rn. 21 m. w. N.) – hier spätestens Juni 2022 – hinreichende Erfolgsaussicht geboten.
Gegen vorläufige Entscheidungen über Leistungen nach dem SGB II ist grundsätzlich der gerichtliche Rechtsweg eröffnet (Bundessozialgericht [BSG], Urteil vom 10.05.2011, B 4 AS 139/10 R, juris Rn. 15 m. w. N.). Das gegenteilige Ergebnis wäre zudem mit Art. 19 Abs. 4 Grundgesetz (GG) nicht vereinbar, der den Justizgewährungsanspruch speziell hinsichtlich Maßnahmen der Exekutive ausformt. Es bedarf keiner weiteren Ausführung, dass auch vorläufige Entscheidungen als Verwaltungsakte (§ 31 Sozialgesetzbuch Zehntes Buch – Sozialverwaltungsverfahren und Sozialdatenschutz [SGB X]) Akte „öffentlicher Gewalt“ i. S. d. Art. 19 Abs. 4 Satz 1 GG sind (LSG NRW, Beschluss vom 04.06.2020, L 21 AS 476/20 B).
Die pauschale Annahme des SG, die Klage gegen einen vorläufigen Bescheid gemäß § 41a Abs. 1 SGB II werde nach Ablauf seines Bewilligungszeitraumes stets unzulässig, ist zur Überzeugung des Senates rechtlich unzutreffend, jedenfalls aber ist diese Frage (auch) für die hier maßgebende ab dem 01.08.2016 geltende Rechtslage nicht abschließend geklärt.
Strittig ist insbesondere, ob auch nach Ablauf des vorläufigen Bewilligungszeitraums noch ein Rechtsschutzbedürfnis besteht, wenn die Kläger, statt Klage auf höhere vorläufige Leistungen zu erheben, auch eine abschließende Entscheidung beantragen könnten (vgl. zur Rechtslage bis 31.07.2016: LSG NRW, Beschluss vom 27.06.2016, L 7 AS 2320/14 B, juris Rn. 11 ff.; Sächsisches LSG, Beschluss vom 23.01.2013, L 7 AS 1033/12 B PKH, juris Rn. 20 f.; BSG, Urteil vom 19.08.2015, B 14 AS 13/14 R, juris Rn. 16; zur Rechtslage ab 01.08.2016: LSG NRW, Beschluss vom 04.06.2020, L 21 AS 476/20 B, juris Rn. 5 ff.).
Zwar kann ein Sachentscheidungs- bzw. Rechtsschutzinteresse im Verwaltungsverfahren und speziell im Widerspruchsverfahren fehlen, wenn der erstrebte Erfolg auf anderem Weg leichter zu erreichen ist. Die Möglichkeit und das Recht der Leistungsberechtigten, eine abschließende Entscheidung gemäß § 41a Abs. 3 Satz 1 Fall 2 SGB II zu beantragen, ist zur Überzeugung des Senats – der sich insoweit der Rechtsauffassung des 21. Senats des LSG NRW anschließt – aber entgegen der Rechtsauffassung des Beklagten und des SG nicht stets als „leichterer Weg“ zu qualifizieren. Dies könnte allenfalls unter zwei Voraussetzungen in Betracht kommen: Zum einen müsste der entscheidungserhebliche Sachverhalt zu diesem Zeitpunkt bereits ausermittelt sein, so dass die Verwaltung überhaupt abschließend entscheiden kann und vor allem darf (zum rechtstaatlichen Verbot des vorzeitigen Verfahrensabschlusses s. BSG, Urteil vom 29.04.1997, 4 RA 46/96, juris Rn. 63). Zum anderen müsste der Leistungsträger dies ebenso werten, er also zu einer abschließenden Entscheidung bereit und im Stande sein; andernfalls würde der Antragsteller bzw. Leistungsempfänger auf einen weiteren Rechtsstreit verwiesen, was kaum ein „leichterer Weg“ (s. o.) sein kann (LSG NRW, Beschluss vom 04.06.2020, L 21 AS 476/20 B, juris Rn. 6).
Beide Voraussetzungen stehen hier nicht fest, insbesondere das tatsächlich erzielte Einkommen ist weiterhin streitig. Sind mangelnde Erfolgsaussichten demnach nicht wegen eines fehlenden Rechtsschutzbedürfnisses zu begründen, ergeben sich hinreichende Erfolgsaussichten jedenfalls daraus, dass den Einwänden der Kläger zur Erzielung des Einkommens nachgegangen werden muss.
Der Umstand, dass nach Ablauf der Jahresfrist inzwischen die in dem Bescheid vom 24.01.2022 festgesetzten Leistungen als abschließend festgesetzt gelten dürften (vgl. § 41a Abs. 5 Satz 1 SGB II), ändert an der vorliegenden Entscheidung nichts. Denn zum einen kommt es für die Prüfung der Erfolgsaussichten auf den Zeitpunkt der Bewilligungsreife an (s.o.), zum anderen bleibt die als abschließende Festsetzung geltende Bewilligung Gegenstand des Verfahrens, in dem ursprünglich der vorläufige Bewilligungsbescheid angefochten wurde (vgl. BSG, Urteil vom 18.05.2022, B 7/14 AS 1/21 R, juris Rn. 24). Dies bedeutet, dass spätestens seit dem Eintritt der Fiktionswirkung auch nach der Rechtsauffassung des SG hinreichende Erfolgsaussichten der Rechtsverfolgung zu bejahen wären.
b) Da die Kläger nach ihren Angaben zudem die persönlichen sowie die wirtschaftlichen Voraussetzungen für die Bewilligung von Prozesskostenhilfe (weiterhin) erfüllen und die Rechtsverfolgung nicht mutwillig ist (vgl. § 73a Abs. 1 Satz 1 SGG i.V.m. § 114 Abs. 1 Satz 1 ZPO), sind auch unter diesen Gesichtspunkten die Bewilligungsvoraussetzungen erfüllt.
2. Die Kosten des PKH-Beschwerdeverfahrens sind nicht erstattungsfähig (§ 73a SGG i.V.m. § 127 Abs. 4 ZPO).
3. Dieser Beschluss kann nicht mit der Beschwerde an das Bundessozialgericht angefochten werden (§ 177 SGG).