Bei einem Widerspruchsverfahren mit dem Begehren höherer Leistungen nach dem SGB II und der (anschließenden) Klage auf Erstattung der Kosten für dieses Widerspruchsverfahren handelt es sich nicht um denselben Gegenstand im Sinne der Vorbemerkung 3 Abs 4 Satz 1 VV RVG. Eine Anrechnung der Geschäftsgebühr auf die Verfahrensgebühr für das Klageverfahren scheidet aus.
Der Beschluss des Sozialgerichts Dessau-Roßlau vom 10. Juni 2020 und der Prozesskostenhilfe-Festsetzungsbeschluss des Urkundsbeamten der Geschäftsstelle des Sozialgerichts Dessau-Roßlau vom 30. Juni 2017 in der Fassung des Teilabhilfebeschlusses vom 19. Oktober 2018 werden geändert: Die aus der Prozesskostenhilfe an den Beschwerdeführer zu zahlende Vergütung wird auf insgesamt 500,75 € festgesetzt, so dass von ihm ein Betrag von 95,20 € an die Landeskasse zu erstatten ist.
Im Übrigen wird die Beschwerde zurückgewiesen.
Kosten sind nicht zu erstatten.
Gründe:
I.
Streitgegenständlich ist das Rechtsanwaltshonorar nach dem Rechtsanwaltsvergütungsgesetz (RVG), das dem Beschwerdeführer für ein Klageverfahren nach Beiordnung im Rahmen der Prozesskostenhilfe (PKH) aus der Landeskasse als Beschwerdegegner zusteht.
In dem seit dem 15. November 2016 beim Sozialgericht Dessau-Roßlau (SG) anhängigen und mittlerweile erledigten Klageverfahren S 8 AS 1927/16 vertrat der Beschwerdeführer eine Klägerin im Streit um Leistungen nach dem Zweiten Buch Sozialgesetzbuch - Grundsicherung für Arbeitsuchende (SGB II). Die Klägerin begehrte mit ihrer Klage die Übernahme der Kosten des Widerspruchsverfahrens W 1782/16. Ihr Widerspruch gegen den zugrundeliegenden Bescheid, mit dem sie die vom beklagten Jobcenter vorgenommene Einkommensanrechnung gerügt habe, habe Erfolg gehabt (Änderungsbescheid vom 10. November 2016).
Der Beschwerdeführer begründete die Klage in einem einseitigen Schriftsatz (ohne Rubrum). Er fertigte eine weitere halbseitige Stellungnahme vom 24. März 2017.
Mit Beschluss vom 25. April 2017 bewilligte das SG PKH und ordnete den Beschwerdeführer bei.
Der Erörterungstermin vom 27. April 2017 dauerte für das Klageverfahren ausweislich des Sitzungsprotokolls zehn Minuten.
Das SG verurteilte das beklagte Jobcenter sodann mit Gerichtsbescheid vom 14. Mai 2017 zur Übernahme der Kosten des Widerspruchsverfahrens.
Mit Kostenfestsetzungsantrag vom 27. April 2017 beantragte der Beschwerdeführer die Festsetzung seiner Vergütung aus der PKH wie folgt:
Verfahrensgebühr |
Nr. 3102 VV RVG |
300,00 € |
Terminsgebühr |
Nr. 3106 VV RVG |
270,00 € |
Fahrtkosten (122 km) |
Nr. 7003 VV RVG |
36,60 € |
Tage- und Abwesenheitsgeld |
Nr. 7005 Nr. 1 VV RVG |
25,00 € |
Post- und Telekom. Pauschale |
Nr. 7002 VV RVG |
20,00 € |
Zwischensumme |
|
651,60 € |
Mehrwertsteuer |
Nr. 7008 VV RVG |
123,80 € |
Kostenforderung |
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775,40 € |
Abzüglich Vorschuss |
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- 261,80 € |
Erstattungsbetrag Landeskasse |
|
513,60 € |
Der Urkundsbeamte der Geschäftsstelle des SG (UdG) setzte die PKH-Vergütung mit Beschluss vom 30. Juni 2017 auf insgesamt 595,95 € fest. Die Verfahrensgebühr sei nur in Höhe von 60 % der Mittelgebühr angemessen. Am gleichen Tag machte er einen Forderungsübergang nach § 59 RVG geltend und forderte das beklagte Jobcenter zur Erstattung von 595,95 € auf. Hiergegen legte das beklagte Jobcenter unter dem 28. August 2017 Erinnerung (S 34 SF 161/17 E) ein und führte aus, die angesetzte Verfahrensgebühr sei unbillig. Von der Verfahrensgebühr sei die Geschäftsgebühr von 100 € für die Tätigkeit im Vorverfahren abzusetzen. Die Terminsgebühr sei nur in Höhe von 190 € für den zehn Minuten dauernden Termin gerechtfertigt.
Zudem hat der Beschwerdegegner für die Landeskasse unter dem 31. Januar 2018 Erinnerung gegen die PKH-Festsetzung eingelegt und ausgeführt, die Verfahrensgebühr sei lediglich in Höhe eines Viertels der Mittelgebühr anzusetzen. Bei der fehlerhaften Kostenentscheidung in einem Widerspruchsverfahren handele es sich um einen sehr einfachen Sachverhalt. Zudem sei die vorgerichtliche Geschäftsgebühr auf die Verfahrensgebühr anzurechnen. Die Terminsgebühr sei lediglich in Höhe eines Drittels der Mittelgebühr bei unterdurchschnittlicher Dauer eines Termins von zehn Minuten anzusetzen. Die Vergütung betrage daher insgesamt 167,55 €.
Der Beschwerdeführer hat die Zurückweisung der Erinnerung mit der Begründung beantragt, die Verfahrensgebühr sei mindestens in Höhe von 60 % der Mittelgebühr zu beanspruchen, da es in dem Klageverfahren nicht nur um die Kostenerstattung für das Widerspruchsverfahren gegangen sei, sondern auch um die vom beklagten Jobcenter angenommene Unzulässigkeit des Widerspruchs. Die Geschäftsgebühr für das Vorverfahren sei zur Hälfte anrechenbar. Die Terminsgebühr sei insbesondere vor dem Hintergrund, dass im Erörterungstermin noch keine gerichtliche Entscheidung getroffen worden sei, gerechtfertigt.
Mit Beschluss vom 19. Oktober 2018 hat der UdG des SG der Erinnerung des Beschwerdegegners teilweise abgeholfen und die von diesem - dem Beschwerdegegner - an den Beschwerdeführer zu erstattende Vergütung auf 381,75 € festgesetzt. Die Höhe der mit Beschluss vom 30. Juni 2017 festgesetzten Verfahrensgebühr sei nicht unbillig. Jedoch sei die gesetzlich vorgeschriebene Anrechnung der Geschäftsgebühr von 100 € vorzunehmen. Die Terminsgebühr sei in Höhe von 190 € gerechtfertigt.
Gegen den ihm am 30. Oktober 2018 zugestellten Beschluss hat der Beschwerdeführer am 1. November 2018 Erinnerung beim SG eingelegt und zur Begründung auf seine bisherigen Ausführungen verwiesen. Zudem hat er zur Terminsgebühr ausgeführt, im Erörterungstermin sei keine Entscheidung ergangen. Diese sei erst im Anschluss durch Gerichtsbescheid erfolgt. Darauf werde im Beschluss nicht eingegangen. Ferner habe es sich um ein isoliertes Vorverfahren gehandelt, weshalb eine Anrechnung der Geschäftsgebühr gar nicht in Betracht komme.
Mit Beschluss vom 10. Juni 2020 hat das SG die Erinnerungen des Beschwerdeführers und des Beschwerdegegners zurückgewiesen. Der UdG habe die aus der Staatskasse zu gewährende Vergütung zu Recht auf 381,75 € festgesetzt. Die Verfahrensgebühr sei in Höhe von 60 % der Mittelgebühr für ein leicht unterdurchschnittliches Verfahren angemessen. Hier sei nur die Hinzuziehung bzw. Kostenübernahme von Rechtsanwaltskosten für ein Vorverfahren streitig gewesen und der Beschwerdeführer habe dieses Vorverfahren auch durchgeführt. Es war lediglich die Frage des Erfolgs dieses Widerspruchs zu prüfen. Es sei allenfalls eine Terminsgebühr von 180 € anzusetzen gewesen. Umfang und Schwierigkeit seien als weit unterdurchschnittlich anzusehen, da der Termin nur zehn Minuten gedauert habe und keine aufwendigen Erörterungen erfolgt seien. Die Geschäftsgebühr sei in Höhe von 100 € auf die Verfahrensgebühr anzurechnen, da es sich gebührenrechtlich um denselben Gegenstand handle. Das wirtschaftliche Interesse der Klägerin sei neben der zutreffenden Einkommensanrechnung auch auf die Übernahme durch die Widerspruchserhebung entstandenen Anwaltskosten gerichtet gewesen.
Gegen den ihm am 22. Juli 2020 zugestellten Beschluss hat der Beschwerdeführer am 23. Juli 2023 Beschwerde vor dem Landesozialgericht Sachsen-Anhalt (LSG) eingelegt und nochmals vorgetragen, es habe sich um die Kostenerstattung für ein isoliertes Vorverfahren gehandelt. Es sei um hundert Euro Gebühren für ein Widerspruchsverfahren gegangen, so dass die Bedeutung der Angelegenheit für die Klägerin weit überdurchschnittlich gewesen sei und sogar der Ansatz der Mittelgebühr in Betracht zu ziehen sei. Im Teilabhilfebeschluss sei eine Terminsgebühr von 190 € geregelt. Dass das Verfahren durch Gerichtsescheid geendet sei, sei abermals nicht berücksichtigt worden.
Der Beschwerdeführer beantragt (sinngemäß),
den Beschluss des Sozialgerichts Dessau-Roßlau vom 10. Juni 2020 und den Prozesskostenhilfe-Festsetzungsbeschluss des Urkundsbeamten der Geschäftsstelle des Sozialgerichts Dessau-Roßlau vom 30. Juni 2017 in der Fassung des Teilabhilfebeschlusses vom 19. Oktober 2018 abzuändern und die Vergütung für seine Tätigkeit als beigeordneter Rechtsanwalt im Verfahren S 8 AS 1927/16 vor dem dortigen Sozialgericht auf insgesamt 775,40 € - abzüglich des bereits erhaltenen Vorschusses - festzusetzen.
Der Beschwerdegegner beantragt,
die Beschwerde zurückzuweisen.
Er hält die Vergütungsfestsetzung im angefochtenen Beschluss des SG für zutreffend. Bei der im Beschluss bezifferten Terminsgebühr von 180 € könne es sich nur um einen Schreibfehler handeln, denn der Beschluss des UdG mit einer Terminsgebühr von 190 € sei vollumfänglich bestätigt worden. Tatsächlich sei die Terminsgebühr sowohl für die Teilnahme am Erörterungstermin als auch die Entscheidung durch Gerichtsbescheid entstanden. Sie könne aber nur einmal entstehen. Die „echte“ Terminsgebühr in Höhe von 190 € sei höher als die fiktive Terminsgebühr in Höhe von 90 % der Verfahrensgebühr (162 €).
Wegen der Einzelheiten des Sach- und Streitstands und des weiteren Vorbringens der Beteiligten wird auf die Akte des Erinnerungs- und Beschwerdeverfahrens sowie die Gerichtsakte des Rechtsstreits S 8 AS 1927/16 des SG - einschließlich des Prozesskostenhilfehefts, die bei der Entscheidung vorlagen, Bezug genommen.
II.
Die Beschwerde hat teilweise Erfolg.
Gegen die Entscheidung des SG über die Erinnerung ist abweichend von § 178a Sozialgerichtsgesetz (SGG) der weitere Rechtsbehelf der Beschwerde zum LSG eröffnet (§ 73a Abs. 1 SGG; § 1 Abs. 3 RVG i.V.m. § 56 Abs. 2 RVG, § 33 Abs. 3 bis 8 RVG; vgl. LSG Sachsen-Anhalt, Beschluss vom 3. März 2017, L 4 AS 141/16 B). Über die Beschwerde entscheidet der Senat in der Besetzung mit drei Berufsrichtern ohne Beteiligung der ehrenamtlichen Richter (§§ 56 Abs. 2 Satz 1 i.V.m. 33 Abs. 8 Satz 3 RVG), nachdem die Berichterstatterin als Einzelrichterin das Verfahren auf den Senat übertragen hat (§§ 56 Abs. 2 Satz 1 i.V.m. 33 Abs. 8 Satz 2 RVG): Die Sache hat im Hinblick auf die Frage, ob es sich bei einem Widerspruchsverfahren mit dem Begehren höherer Leistungen und der Klage auf Erstattung der Kosten für dieses Widerspruchsverfahren um „denselben Gegenstand“ im Sinne der Vorbemerkung 3 Abs. 4 Satz 1 des Vergütungsverzeichnisses (VV) der Anlage 1 zu § 2 Abs. 2 RVG handelt, grundsätzliche Bedeutung, nachdem jedenfalls für den Zuständigkeitsbereich des LSG eine Entscheidung hierzu nicht vorliegt und auch im Übrigen bislang nur eine Entscheidung des LSG Nordrhein-Westfalen (Beschluss vom 1. August 2019, L 2 AS 262/19 B, juris) veröffentlicht ist.
Gegenstand des Beschwerdeverfahrens ist nicht die Festsetzung einzelner Gebührentatbestände, sondern jeweils die gesamte Kostenfestsetzung des UdG mit Beschluss vom 30. Juni 2017 in der Fassung des Teilabhilfebeschlusses vom 19. Oktober 2018 in der Fassung des Beschlusses des SG vom 10. Juni 2020. Aufgrund des Rechtsbehelfs des Beschwerdeführers ist die gesamte Kostenfestsetzung noch nicht rechtskräftig. Selbst wenn er nur einzelne Berechnungselemente der Kostenfestsetzung bemängelt, ist eine Begrenzung der Beschwerde auf die Festsetzung einzelner Gebührentatbestände nicht zulässig. Denn die Gebührentatbestände sind lediglich Elemente der einheitlichen Kostenfestsetzungsentscheidung. Der Rechtsanwalt begrenzt den Umfang der Prüfung und Entscheidung nur durch seinen summenmäßigen Antrag. Erhebt nur der Rechtsanwalt Beschwerde, darf zu seinen Ungunsten nicht von der Kostenfestsetzung des SG abgewichen werden (LSG Nordrhein-Westfalen, Beschluss vom 6. Oktober 2016, L 19 AS 646/19 B, juris Rn. 57 m.w.N.). Anders liegt es nur, wenn auch die Landeskasse mit der Beschwerde gegen die Kostenfestsetzung vorgeht, was hier nicht der Fall ist.
Die Beschwerde ist zulässig. Sie ist insbesondere statthaft, da der Wert des Beschwerdegegenstands 200 € übersteigt (§ 56 Abs. 2 Satz 1 i.V.m. § 33 Abs. 3 Satz 1 RVG). Die Beschwerde ist zudem fristgerecht innerhalb der Zweiwochenfrist (§ 56 Abs. 2 Satz 1 i.V.m. § 33 Abs. 3 Satz 3 RVG) eingelegt worden.
Die Beschwerde des Beschwerdeführers ist teilweise begründet. Der Beschwerdeführer hat einen Anspruch auf Festsetzung einer Vergütung aus der Landeskasse für seine Tätigkeit als im Rahmen der PKH beigeordneter Rechtsanwalt im Klageverfahren S 8 AS 1927/16 in Höhe von 500,75 €. Die Entscheidung des SG war insoweit abzuändern.
Grundlage des Erstattungsbegehrens des Beschwerdeführers ist § 45 Abs. 1 RVG. Danach sind dem im Wege der PKH beigeordneten Rechtsanwalt die gesetzlichen Gebühren aus der Landeskasse zu erstatten. In den Verfahren vor den Gerichten der Sozialgerichtsbarkeit, in denen das Gerichtskostengesetz (GKG) nicht anzuwenden ist, entstehen gemäß § 3 Abs. 1 Satz 1 RVG Betragsrahmengebühren.
Im Einzelnen bestimmt sich die Vergütung, das heißt die Gebührentatbestände, die Spannwerte der Betragsrahmengebühren usw., aus dem Vergütungsverzeichnis (VV) der Anlage 1 zu § 2 Abs. 2 RVG. Die Bemessung der Betragsrahmengebühren ist nach Maßgabe des § 14 Abs. 1 RVG vorzunehmen. Hiernach steht es dem Rechtsanwalt zu, eine solche Gebühr im Einzelfall unter Berücksichtigung aller Umstände, vor allem des Umfangs und der Schwierigkeit der anwaltlichen Tätigkeit, der Bedeutung der Angelegenheit sowie der Einkommens- und Vermögensverhältnisse des Auftraggebers nach billigem Ermessen zu bestimmen (§ 14 Abs. 1 Satz 1 RVG). Bei Rahmengebühren, die sich - wie hier - nicht nach einem Gegenstandswert richten, ist das Haftungsrisiko zu berücksichtigen (§ 14 Abs. 1 Satz 3 RVG). Aus dem Wortlaut des § 14 Abs. 1 Satz 1 RVG folgt, dass auch weitere im Einzelfall vorliegende Kriterien zur Bemessung herangezogen werden können. Aus der Aufzählung der benannten Kriterien kann nicht auf ein vorgegebenes abstraktes Rangverhältnis geschlossen werden. Es obliegt dem Rechtsanwalt, jedenfalls die in § 14 RVG genannten und ggf. noch weiter relevante Kriterien im Einzelfall zu gewichten.
Ist die Gebühr von einem Dritten (hier: der Landeskasse) zu ersetzen, ist die von dem Rechtsanwalt getroffene Bestimmung nicht verbindlich, wenn sie unbillig ist (§ 14 Abs. 1 Satz 4 RVG). Unbilligkeit liegt vor, wenn der Rechtsanwalt die Kriterien des § 14 Abs. 1 Satz 1 RVG unter Beachtung des Beurteilungsspielraums objektiv nicht hinreichend beachtet hat und die angesetzte Gebühr die nach den gesetzlichen Kriterien angemessene Gebühr um mehr als 20% übersteigt (vgl. BSG, Urteil vom 1. Juli 2009, B 4 AS 21/09, juris Rn. 19). Ist die Bestimmung unbillig, erfolgt eine Festsetzung nur in Höhe der angemessenen Gebühren (Thüringer LSG, Beschluss vom 27. Oktober 2016, L 6 SF 1611/15 B, juris).
Die Forderung des Beschwerdeführers, ihm stünde für die Verfahrensgebühr ein Betrag in Höhe von 300 € zu, ist nicht berechtigt. Die Verfahrensgebühr ist lediglich in Höhe von 60 % der Mittelgebühr (180 €) entstanden. Nach Anlage 1 zum RVG, Teil 3, Vorbemerkung 3 Abs. 2 i.V.m. Nr. 3102 VV RVG (in der Fassung vom 1. August 2013) ist die Gebühr aus den Spannwerten (50 € bis 550 €) zu bestimmen. Aus der Vorgabe von Spannenwerten folgt, dass die Mittelgebühr - rechnerisch die Hälfte der Summe aus Mindest- und Höchstgebühr - nicht der Regelfall der Vergütung ist. Sie ist vielmehr nur für einen Regel- bzw. Durchschnittsfall die angemessene Vergütung. Die Mittelgebühr bietet dann für die Bestimmung der konkret angemessenen Gebühr einen Richtwert, wenn es sich um eine in jeder Hinsicht durchschnittliche Angelegenheit handelt. Das ist nicht der Fall, wenn teilweise über- oder unterdurchschnittlich zu bewertende Einzelkriterien vorliegen. Dann sind Zu- oder Abschläge vom Richtwert vorzunehmen. Die Mittelgebühr kann sich aber auch daraus ergeben, dass die Überdurchschnittlichkeit einzelner Kriterien die Unterdurchschnittlichkeit anderer Kriterien kompensiert.
Bei Betrachtung der o.g. Kriterien des § 14 Abs. 1 Satz 1 und 3 RVG lag der Rechtsstreit im unterdurchschnittlichen Bereich anderer Streitigkeiten des Sozialrechts. Hierzu wird auf die zutreffenden Ausführungen des SG verwiesen, die sich der Senat nach eigener Prüfung zu eigen macht. Klagegegenstand war nicht eine Leistung, die das soziokulturelle Existenzminimum der Klägerin sicherte, sondern ausschließlich die Kostenerstattung im Widerspruchsverfahren. Die allein auf der Grundlage von § 63 Zehntes Buch Sozialgesetzbuch - Sozialverwaltungsverfahren und Sozialdatenschutz (SGB X) zu diskutierende Frage nach der Kostenerstattung selbst warf keine Probleme auf, die - im Vergleich zu anderen sozialgerichtlichen Verfahren - nach Umfang und Schwierigkeit auch nur annähernd als durchschnittlich angesehen werden könnten (im Ergebnis ebenso Hessisches LSG, Beschluss vom 16. Juni 2015, L 2 AS 625/14 B, juris). Auch unter Berücksichtigung des Einwands des Beschwerdeführers, es sei neben dem Erfolg auch die Unzulässigkeit des Widerspruchs zu prüfen gewesen, ergibt sich für den Senat kein mehr als unterdurchschnittlicher Aufwand, der eine höhere Gebührenfestsetzung geboten erscheinen lässt.
Die Festsetzung einer Terminsgebühr in Höhe von 190 € ist nicht zu beanstanden. Auch hierzu wird auf die zutreffenden Ausführungen des SG verwiesen. Der Erörterungstermin am 27. April 2017 dauerte lediglich zehn Minuten. Dies würde nach Auffassung des Senats sogar eine Herabbemessung der Terminsgebühr auf die Hälfte der Mittelgebühr rechtfertigen (vgl. LSG Sachsen-Anhalt, Beschluss vom 5. Dezember 2022, L 4 AS 142/21 B, juris Rn. 39). Der Umfang der anwaltlichen Tätigkeit war bei einer Dauer des Termins von weniger als 20 Minuten unterdurchschnittlich. Die Schwierigkeit der anwaltlichen Tätigkeit, das heißt die Intensität der Arbeit (vgl. BSG, Urteil vom 1. Juli 2009, B 4 AS 21/09 R, juris), war - ausgehend von einem objektiven Maßstab - unterdurchschnittlich. Soweit das SG unter Punkt 2 des Beschlusses eine Terminsgebühr von 180 € beziffert, handelt es sich um einen offensichtlichen Schreibfehler, da der UdG im Teilabhilfebeschluss vom 19. Oktober 2018 eine Terminsgebühr von 190 € festgesetzt hat und die dagegen gerichtete Erinnerung des Beschwerdeführers mit dem angegriffenen Beschluss des SG vom 10. Juni 2020 zurückgewiesen worden ist. Eine Gebührenabänderung hat das SG gerade nicht vorgenommen. Soweit der Beschwerdeführer vorträgt, im Rahmen der Terminsgebühr sei zu berücksichtigen, dass neben der Durchführung eines Erörterungstermins eine Entscheidung durch Gerichtsbescheid erforderlich gewesen sei, führt dies nicht zu einer höheren Terminsgebühr. Die Terminsgebühr kann nur einmal entstehen. Da die Terminsgebühr in Höhe von 190 € für den Erörterungstermin höher ist, als die „fiktive“ Terminsgebühr in Höhe von 90 % der Verfahrensgebühr (162 €) für eine Entscheidung durch Gerichtsbescheid wäre, ist die höhere Gebühr anzusetzen. Insofern braucht der Senat nicht darüber zu entscheiden, ob hier aufgrund des vollständigen Obsiegens der Klägerin überhaupt eine fiktive Terminsgebühr angefallen wäre (dies ablehnend Schleswig-Holsteinisches Verwaltungsgericht, Beschluss vom 6. Juli 2017, 12 A 945/16, juris Rn. 10 ff.).
Zu Unrecht hat das SG die Geschäftsgebühr auf die Verfahrensgebühr in Höhe von 100 € angerechnet. Nach der Vorbemerkung 3 Abs. 4 Satz 1 VV RVG wird eine Geschäftsgebühr nach Teil 2 VV RVG zur Hälfte auf die Verfahrensgebühr des gerichtlichen Verfahrens angerechnet, soweit sie wegen desselben Gegenstands entstanden ist. Die Anrechnung scheidet hier aus, da es sich bei dem Widerspruchsverfahren mit dem Begehren höherer Leistungen und der Klage auf Erstattung der Kosten für dieses Widerspruchsverfahren nicht um „denselben Gegenstand“ im Sinne dieser Regelung handelt (ebenso LSG Nordrhein-Westfalen, Beschluss vom 1. August 2019, L 2 AS 262/19 B, juris Rn. 10 ff.). Denn Gegenstand eines Widerspruchsverfahrens ist die - dem Klageverfahren vorgeschaltete - Überprüfung der Rechtmäßigkeit des angefochtenen Verwaltungsakts. Gegenstand des Klageverfahrens ist hier jedoch nicht die inhaltliche Prüfung des Verwaltungsakts, sondern die isolierte Prüfung, ob der Widerspruch erfolgreich war, gewesen. Eine Kongruenz von Verwaltungs- und Klageverfahren liegt gerade nicht vor (ebenso denselben Gegenstand bei Widerspruchs- und Eilverfahren verneinend Bayerisches LSG, Beschluss vom 21. Juni 2016, L 15 SF 39/14 E, juris Rn. 44). Freilich verkennt der Senat nicht, dass auch eine inhaltliche Prüfung des Widerspruchs, somit des angefochtenen Verwaltungsakts, eine - jedenfalls gewisse - Rolle spielt. Hieraus lässt sich jedoch keine Veranlassung entnehmen, die Tatbestandsvoraussetzungen der Vorbemerkung 3 Abs. 4 Satz 1 VV RVG übermäßig weit zu verstehen. Der Senat ist vielmehr der Auffassung, dass die Vorschrift eng auszulegen ist und nur eine Übereinstimmung des Streitgegenstands eine Gebührenanrechnung rechtfertigt, nicht jedoch bereits gewisse Arbeitserleichterungen wegen bestehender Überschneidungen bei der rechtlichen Prüfung. Dafür spricht auch die Gesetzessystematik. Denn der Gesetzgeber hat in der Vorbemerkung 3 Abs. 4 Satz 1 VV RVG bewusst den gebührenrechtlichen Begriff desselben Gegenstands und nicht wie in § 15 RVG den weitergehenden Begriff derselben Angelegenheit gewählt. Eine solche Festlegung wäre Aufgabe des Gesetzgebers, nicht jedoch der rechtsprechenden Gewalt.
Unter Zugrundlegung der angesprochenen Gebührenpositionen sowie der weiteren Kostenfestsetzung, die nicht zu beanstanden ist, ergibt sich folgende Berechnung:
Verfahrensgebühr |
Nr. 3102 VV RVG |
180,00 € |
Terminsgebühr |
Nr. 3106 VV RVG |
190,00 € |
Fahrtkosten (122 km) |
Nr. 7003 VV RVG |
18,30 € |
Tage- und Abwesenheitsgeld |
Nr. 7005 Nr. 1 VV RVG |
12,50 € |
Post- und Telekom. Pauschale |
Nr. 7002 VV RVG |
20,00 € |
Zwischensumme |
|
420,80 € |
Mehrwertsteuer |
Nr. 7008 VV RVG |
79,95 € |
Kostenforderung |
|
500,75 € |
bereits von Staatskasse gezahlt |
|
- 595,95 € |
vom Beschwerdeführer zu erstatten |
|
- 95,20 € |
Der Beschwerdeführer hat der Landeskasse noch einen Betrag von 95,20 € zu erstatten.
Das Verfahren über die Beschwerde ist gebührenfrei; Kosten werden nicht erstattet (§ 56 Abs. 2 Satz 2 und 3 RVG).
Dieser Beschluss ist unanfechtbar; eine Beschwerde zum BSG ist nicht gegeben (§ 56 Abs. 2 Satz 1 i.V.m. § 33 Abs. 4 Satz 3 RVG).