Tenor:
Auf die Beschwerde der Antragstellerin wird der Beschluss des Sozialgerichts Gelsenkirchen vom 07.06.2023 abgeändert.
Der Antragstellerin wird für das erstinstanzliche Verfahren ratenfreie Prozesskostenhilfe unter Beiordnung von Rechtsanwältin B. C., X. N01, N06 V., bewilligt.
Gründe:
I.
Die Antragstellerin wendet sich mit ihrer Beschwerde gegen die Ablehnung der Bewilligung von Prozesskostenhilfe für ein Verfahren des einstweiligen Rechtsschutzes, in dem die Verpflichtung des Antragsgegners zur vorläufigen Auszahlung eines Kautionsdarlehens, zur vorläufigen Übernahme des ausstehenden Mietzinses sowie zur vorläufigen Bewilligung und Zahlung einer Renovierungskostenpauschale streitgegenständlich waren.
Die Antragstellerin lebte mit ihren im Jahre 0000, 0000 und 0000 geborenen Kindern nach der Trennung von ihrem Ehemann in einem Frauenhaus in V.. Die Beigeladene bewilligte der Antragstellerin und ihren Kindern zuletzt mit Bescheid vom 17.04.2023 vorläufig Leistungen nach dem Zweiten Buch Sozialgesetzbuch (SGB II) für die Monate April und Mai 2023 in Form der Regelleistung und der Kosten für die Unterbringung in dem Frauenhaus.
Bereits am 24.01.2023 bescheinigte die Beigeladene die Notwendigkeit des Umzuges der Antragstellerin und ihrer Kinder in die Wohnung W.-straße N04 in L.. Am 26.01.2023 reichte die Antragstellerin bei dem Antragsgegner das Mietangebot für die Wohnung W.-straße N04 in L. ein. Ausweislich des Mietangebotes betrug die Gesamtmiete der Wohnung monatlich 730,00 EUR, bestehend aus einer Grundmiete in Höhe von 480,00 EUR, einer Heizkostenvorauszahlung in Höhe von 150,00 EUR sowie einer Betriebskostenvorauszahlung in Höhe von 100,00 EUR. Das Mietangebot sah die Zahlung einer Kaution in Höhe von 1.440,00 EUR vor. Nach dem Hinweis des Antragsgegners auf die Unangemessenheit der Mietkaution übersandte die Antragstellerin am 31.01.2023 ein Mietangebot, welches die Zahlung einer Kaution in Höhe von 960,00 EUR vorsah. Am selben Tag bescheinigte der Antragsgegner ihr die Angemessenheit der Wohnung und die Übernahmefähigkeit der Kosten der Unterkunft. Am 02.02.2023 beantragte die Antragstellerin für sich und ihre Kinder bei dem Antragsgegner Leistungen nach dem SGB II inklusive Renovierungskosten für die Wohnung in der W.-straße N04 in L..
Die Antragstellerin unterzeichnete am 13.02.2023 den Mietvertrag für die Wohnung W.-straße N04 in L. mit Mietbeginn zum 15.02.2023. In § 6 des Mietvertrages ist geregelt, dass der Mieter eine Mietsicherheit in Form einer Barkaution zu leisten habe, die in gesetzlicher Weise, Zug um Zug gegen die Schlüsselübergabe, zu zahlen sei; andernfalls stehe der P. GmbH (im Folgenden: Vermieterin) ein Zurückbehaltungsrecht an der Wohnung zu.
Auf den am 14.02.2023 gestellten Antrag bewilligte der Antragsgegner der Antragstellerin am 07.03.2023 eine Mietkaution für die Wohnung W.-straße N04 in L. in Höhe von 960,00 EUR in Form einer Kautionsgarantieerklärung. Die Auszahlung der Kaution an die Vermieterin war unter anderem an die Inanspruchnahme von Leistungen nach dem SGB II bei dem Antragsgegner geknüpft.
Unter dem 23.03.2023 teilte die Antragstellerin mit, dass eine Wohnungsübergabe noch nicht erfolgt sei, da sowohl der Antragsgegner als auch die Beigeladene die Zahlung der Miete verweigerten. Mit E-Mail vom 03.04.2023 teilte die Vermieterin mit, dass eine Schlüsselübergabe erst nach Erhalt der Kaution und der ersten Monatsmiete erfolgen könne.
Die Antragstellerin hat am 27.04.2023 beim Sozialgericht Gelsenkirchen einen Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung, gerichtet auf die Verpflichtung des Antragsgegners zur vorläufigen Auszahlung des rückständigen Mietzinses für Februar bis April 2013, zur vorläufigen Auszahlung der Kaution in Höhe von 960,00 EUR sowie zur vorläufigen Bewilligung und Auszahlung einer Renovierungskostenpauschale als Vorschuss in Höhe von 468,00 EUR erhoben und für das Verfahren Prozesskostenhilfe unter Beiordnung von Rechtsanwältin C. aus V. beantragt. Der Antragsgegner sei verpflichtet, die Mietkaution direkt an die Vermieterin auszuzahlen; auch habe dieser die ausstehenden Mieten seit Beginn des Mietverhältnisses zu übernehmen sowie die erforderliche Beihilfe zur Renovierung der angemieteten Wohnung zu bewilligen und auszuzahlen. Die Antragstellerin fügte dem Antrag eine Bestätigung der Vermieterin und eine eidesstattliche Versicherung bei, wonach sie die Schlüssel zur Wohnung nicht erhalten habe und die Vermieterin mit der fristlosen Kündigung drohe. Am 25.05.2023 übermittelte sie eine auf den 23.05.2023 datierte Bescheinigung der Vermieterin, wonach die Übergabe der Schlüssel für die angemietete Wohnung erst bei der Zahlung der vollständigen Kaution und der ersten Monatsmiete erfolgen könne.
Der Antragsgegner wies darauf hin, dass für die Bewilligung der Renovierungskosten die Beigeladene zuständig sei. Die geforderte Zahlung des rückständigen Mietzinses könne schon deswegen nicht erfolgen, weil die Antragstellerin die Wohnung noch nicht tatsächlich bewohne. Auch seien die Bedingungen zur Auszahlung des Kautionsdarlehens noch nicht eingetreten.
Mit Beschluss vom 10.02.2023 hat das Sozialgericht die Beigeladene zu dem Verfahren beigeladen. Diese hat auf die Zuständigkeit des Antragsgegners verwiesen.
Mit gerichtlicher Verfügung vom 01.06.2023 hat das Sozialgericht die Beteiligten darauf hingewiesen, dass nach Vorlage des Schreibens der Vermieterin vom 23.05.2023 der Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung keine Aussicht auf Erfolg habe dürfte; gleichzeitig hat es den Beteiligten einen Vergleichsvorschlag unterbreitet. Unter dem 05.06.2023 hat das Sozialgericht die Antragstellerin im Hinblick auf den Antrag auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe zur Übermittlung der vollständig ausgefüllten Erklärung über die persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse aufgefordert; welche am 06.06.2023 bei dem Sozialgericht eingegangenen ist.
Mit Beschluss vom 06.06.2023 hat das Sozialgericht den Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung abgelehnt. Zur Begründung hat es ausgeführt, dass es hinsichtlich der Auszahlung des Kautionsdarlehens an der Glaubhaftmachung des Anordnungsgrundes fehle, da die Antragstellerin ausweislich der Bestätigung der Vermieterin vom 23.05.2023 auch bei Auszahlung des Darlehens nicht den Zugang zu der angemieteten Wohnung erhalten könne. Das Risiko des sich vertragswidrig verhaltenden Vermieters trage die Antragstellerin als Vertragspartei des Mietvertrages. Hinsichtlich der begehrten Übernahme des Mietzinses für Februar bis April 2023 fehle es an einem Anordnungsanspruch, da die Wohnung tatsächlich nicht bewohnt werde. Soweit die Antragstellerin die Auszahlung einer Renovierungskostenpauschale verlange, sei kein Anordnungsgrund glaubhaft gemacht worden; solange diese keinen Zugang zur Wohnung habe, könne auch keine Renovierung der Wohnung erfolgen.
Mit Beschluss vom 07.06.2023 hat das Sozialgericht die Bewilligung von Prozesskostenhilfe abgelehnt. Die Erfolgsaussichten der beabsichtigten Rechtsverfolgung seien nicht gegeben. Es werde auf die Ausführungen in dem Beschluss vom 06.06.2023 verwiesen.
Mit Schriftsatz vom 20.06.2023 hat die Antragstellerin gegen den ihrer Prozessbevollmächtigten am 15.06.2023 zugestellten Beschluss des Sozialgerichts Beschwerde eingelegt und geltend gemacht, dass Prozesskostenhilfe zu gewähren sei. Zum Zeitpunkt der Entscheidungsreife über den Antrag auf Prozesskostenhilfe habe eine hinreichende Erfolgsaussicht des Verfahrens bestanden, erst im Laufe des Verfahrens sei die Stellungnahme der Vermieterin vorgelegt worden, woraus sich ergeben habe, dass diese nur gegen Zahlung der vereinbarten Kaution und der Miete für einen Monat bereit gewesen sei, die Wohnung an die Antragstellerin zu übergeben.
Die Antragstellerin beantragt schriftsätzlich sinngemäß,
den Beschluss des Sozialgerichts Gelsenkirchen vom 07.06.2023 abzuändern und ihr ratenfreie Prozesskostenhilfe für das erstinstanzliche Verfahren unter Beiordnung von Rechtsanwältin B. C. aus V. zu gewähren.
Der Antragsgegner beantragt schriftsätzlich,
die Beschwerde zurückzuweisen.
Er hält den Beschluss des Sozialgerichts Gelsenkirchen für zutreffend.
Die Beigeladene hat sich nicht geäußert.
II.
1.
Die Beschwerde ist statthaft, weil der Beschwerdestreitwert von mehr als 750,00 Euro (vgl. §§ 172 Abs. 3 Nr. 2b, 144 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 SGG) erreicht wird. Die Antragstellerin hat in dem Verfahren auf Erlass einer einstweiligen Anordnung die vorläufige Auszahlung eines Betrages in Höhe von 3.618,00 EUR, bestehend aus der Kautionszahlung in Höhe von 960,00 EUR, des ausstehenden Mietzinses für Februar bis April 2023 in Höhe von 2.190,00 EUR und einer Renovierungsbeihilfe in Höhe von 468,00 EUR begehrt.
2.
Die Beschwerde der Antragstellerin ist begründet. Das Sozialgericht hat insoweit die Gewährung von Prozesskostenhilfe für das erstinstanzliche Verfahren zu Unrecht abgelehnt.
Prozesskostenhilfe wird nach § 73a Abs. 1 Satz 1 Sozialgerichtsgesetz (SGG) i.V.m. § 114 Satz 1 Zivilprozessordnung (ZPO) nur gewährt, wenn die beabsichtigte Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung hinreichende Aussicht auf Erfolg bietet und nicht mutwillig erscheint.
a.
Eine hinreichende Erfolgsaussicht besteht, wenn das Gericht nach vorläufiger Prüfung den Standpunkt der Kläger auf Grund der Sachverhaltsschilderung und der vorliegenden Unterlagen für zutreffend oder doch für vertretbar hält und in tatsächlicher Hinsicht von der Möglichkeit der Beweisführung überzeugt ist (vgl. Schmidt in: Meyer-Ladewig/Keller/Schmidt, SGG 14. Aufl. 2023, § 73a Rn. 7a). Dabei dürfen die Anforderungen zur Annahme von Erfolgsaussichten aus verfassungsrechtlichen Gründen nicht überspannt werden. Es reicht eine gewisse Erfolgswahrscheinlichkeit aus. Schwierige, bislang ungeklärte Rechtsfragen dürfen nicht im Prozesskostenhilfeverfahren entschieden werden, sondern müssen auch von Unbemittelten einer prozessualen Klärung in einem Verfahren, in dem sie anwaltlich vertreten sind, zugeführt werden können. Ist ein Erfolg in der Hauptsache zwar nicht schlechthin ausgeschlossen, die Erfolgschance aber nur eine entfernte, darf der Antrag auf Gewährung von Prozesskostenhilfe dagegen abgelehnt werden (vgl. Schmidt, a.a.O.).
Maßgeblicher Zeitpunkt für die Prüfung der Erfolgsaussicht ist dabei grundsätzlich der Zeitpunkt der Entscheidung des Sozialgerichts (vgl. Schmidt a.a.O., § 73a Rn. 7d). Ausnahmsweise ist auf den Zeitpunkt der Entscheidungsreife abzustellen, wenn sich die Entscheidung über den Antrag auf Gewährung von Prozesskostenhilfe verzögert hat und eine Änderung zum Nachteil des Antragstellers eingetreten ist (vgl. Schmidt a.a.O., § 73a Rn. 7a). Eine Entscheidungsreife über den gestellten Antrag auf Gewährung von Prozesskostenhilfe lag erst am 06.06.2023 nach Eingang der vollständig ausgefüllten Erklärung zur Prozesskostenhilfe vor. Eine Entscheidungsreife liegt vor, wenn ein bewilligungsreifer Antrag auf Prozesskostenhilfe gestellt und dem Prozessgegner eine angemessene Frist zur Stellungnahme eingeräumt worden ist (Gall in: Schlegel/Voelzke, jurisPK-SGG, 2. Aufl., Stand: 15.06.2022, § 73a SGG Rn. 110). Ein ordnungsgemäßer Antrag auf Bewilligung der Prozesskostenhilfe setzt gem. § 73a Abs. 1 SGG in Verbindung mit § 117 Abs. 3, Abs. 4 ZPO die Einreichung eines vollständig ausgefüllten und unterschriebenen Formulars über die persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse voraus (Gall a.a.O., § 73a SGG Rn. 24). Am 27.04.2023 lag lediglich die erste Seite der Erklärung zur Prozesskostenhilfe ohne Unterschrift der Antragstellerin vor. Erst auf einen am 05.06.2023 ergangenen Hinweis ist am 06.06.2023 die vollständig ausgefüllte und von der Antragstellerin unterzeichnete Erklärung zur Prozesskostenhilfe an das Sozialgericht übermittelt worden.
Zur Überzeugung des Senats hatte der Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung sowohl zum Zeitpunkt der Entscheidungsreife über den Antrag auf Gewährung von Prozesskostenhilfe am 06.06.2023 als auch bei der Beschlussfassung durch das Sozialgericht am 07.06.2023 jedenfalls teilweise hinreichend Aussicht auf Erfolg. Es kann offenbleiben, ob eine hinreichende Erfolgsaussicht bezüglich aller geltend gemachten Ansprüche bestanden hat; zumindest der Antrag auf vorläufige Auszahlung der vertraglich vereinbarten Kaution hatte im Umfang eines Teilbetrages von 1/3 und damit in Höhe von 320,00 EUR hinreichende Aussicht auf Erfolg. In sozialgerichtlichen Verfahren in denen, wie vorliegend, Betragsrahmengebühren anfallen, ist auch bei einer nur teilweisen Erfolgsaussicht unbeschränkt für das gesamte Verfahren Prozesskostenhilfe zu bewilligen (LSG Niedersachsen-Bremen, Beschluss vom 03.08.2007 – L 7 B 232/05 AS, Rn. 2 – juris).
Gemäß § 86b Abs. 2 Satz 2 SGG kann das Gericht der Hauptsache einstweilige Anordnungen zur Regelung eines vorläufigen Zustandes in Bezug auf ein streitiges Rechtsverhältnis (Anordnungsanspruch) treffen, wenn eine solche Regelung zur Abwendung wesentlicher Nachteile nötig erscheint (Anordnungsgrund). Anordnungsanspruch und Anordnungsgrund sind glaubhaft zu machen (§ 86b Abs. 2 Satz 4 SGG i.V.m. § 920 Abs. 2 ZPO). Dafür ist erforderlich, aber auch ausreichend, dass die tatsächlichen Voraussetzungen von Anordnungsanspruch und Anordnungsgrund zur Überzeugung des erkennenden Gerichts mit überwiegender Wahrscheinlichkeit vorliegen (vgl. BSG, Beschluss vom 08.08.2001 – B 9 V 23/01 Rn. 5 – juris). Ob ein Anordnungsanspruch vorliegt, ist in der Regel durch summarische Prüfung der Erfolgsaussichten in der Hauptsache zu ermitteln. Können ohne die Gewährung von Eilrechtsschutz jedoch schwere und unzumutbare Nachteile entstehen, die durch das Hauptsacheverfahren nicht mehr zu beseitigen wären, ist eine abschließende Prüfung erforderlich (vgl. BVerfG, stattgebender Kammerbeschluss vom 12.05.2005 – 1 BvR 569/05 Rn. 24 – juris). Liegt ein Anordnungsanspruch nicht vor, ist ein schützenswertes Recht zu verneinen und der Eilantrag abzulehnen. Hat die Hauptsache hingegen offensichtlich Aussicht auf Erfolg, ist dem Eilantrag stattzugeben, wenn die Angelegenheit eine gewisse Eilbedürftigkeit aufweist.
Unter Berücksichtigung der vorstehend aufgeführten Rechtsgrundsätze hat die Antragstellerin sowohl einen Anordnungsanspruch als auch einen Anordnungsgrund hinsichtlich der begehrten Auszahlung der Kaution in Höhe von zumindest eines Teilbetrages von 320,00 EUR glaubhaft gemacht.
Nach der in Verfahren des einstweiligen Rechtsschutzes nur möglichen summarischen Prüfungsdichte war es überwiegend wahrscheinlich, dass der Antragstellerin gegenüber dem Antragsgegner zumindest ein Anspruch auf eine teilweise Auszahlung der Kaution zustand. Nach § 22 Abs. 6 Satz 1 2. Halbsatz SGB II können Aufwendungen für eine Mietkaution und für den Erwerb von Genossenschaftsanteilen bei vorheriger Zusicherung durch den am Ort der neuen Unterkunft zuständigen kommunalen Träger als Bedarf anerkannt werden. Die Zusicherung soll gem. § 22 Abs. 6 Satz 2 SGB II erteilt werden, wenn der Umzug durch den kommunalen Träger veranlasst oder aus anderen Gründen notwendig ist und wenn ohne die Zusicherung eine Unterkunft in einem angemessenen Zeitraum nicht gefunden werden kann. Aufwendungen für eine Mietkaution und für Genossenschaftsanteile sollen als Darlehen erbracht werden, § 22 Abs. 6 Satz 3 SGB II. Die Antragstellerin hat gegenüber dem Antragsgegner nicht nur einen Anspruch auf die am 07.03.2023 erfolgte Ausstellung der Garantieerklärung – als Angebot für den Abschluss eines Garantievertrages – für eine Kaution, sondern auch auf die Auszahlung einer Barkaution. Eine entsprechende Beschränkung auf die Ausstellung einer Garantieerklärung sieht der Wortlaut des § 22 Abs. 6 SGB II nicht vor. Vielmehr sieht die Vorschrift als Regelfall („sollen als Darlehen erbracht werden“) eine Barkaution vor. Eine Ausübung von Ermessen, wie es das Abweichen vom Regelfall bei intendiertem Ermessen erfordert, ist auch nicht ansatzweise ersichtlich. Im Hinblick darauf, dass die Vermieterin der Antragstellerin das erteilte Angebot auf Abschluss eines Garantievertrages nicht angenommen, sondern entsprechend der mietvertraglichen Regelung auf einer Barkaution bestanden hat, fehlt es auch an Anhaltspunkten für eine Ermessensreduzierung auf Null. Ist aber eine Barkaution vereinbart worden, so kann der Mieter diese Bestimmung weder durch Übergabe eines Sparbuchs noch durch Stellung einer Bürgschaft oder durch andere Formen der Sicherungsleistung nachkommen (Schur in: Herberger/Martinek/Rüßmann/Weth/Würdinger, jurisPK-BGB, 10. Aufl., Stand: 01.02.2023, § 551 Bürgerliches Gesetzbuch -BGB-, Rn. 10). Es ist für den Senat nicht verständlich, weshalb der Antragsgegner die Auszahlung der Kaution entgegen den Vorgaben des § 21 Abs. 6 SGB II verweigert hat, zumal durch die Fortführung der Unterbringung der Antragsteller in einem Frauenhaus weitaus höhere Kosten entstehen als dies durch eine Mietwohnung der Fall wäre – abgesehen von der psychischen Belastung der ohnehin durch die Verfolgungssituation betroffenen Antragsteller.
Zur Überzeugung des Senats hat die Antragstellerin auch einen Anordnungsgrund hinreichend glaubhaft gemacht. Dies ist der Fall, wenn dem Antragsteller unter Berücksichtigung auch der widerstreitenden öffentlichen Belange ein Abwarten bis zur Entscheidung in der Hauptsache nicht zuzumuten ist (LSG Baden-Württemberg, Urteil vom 19.04.2021 – L 2 AS 1032/21 ER-B, Rn. 7 – juris). Zumindest die Auszahlung eines Teilbetrages von einem Drittel der Kaution und damit in Höhe von 320,00 EUR war erforderlich, damit die Antragstellerin von der Vermieterin die Übergabe der angemieteten Wohnung verlangen konnte. Ist als Sicherheit eine Geldsumme bereitzustellen, so ist gem. § 551 Abs. 2 Satz 1 und 2 BGB der Mieter zu drei gleichen monatlichen Teilzahlungen berechtigt; die erste Teilzahlung ist zu Beginn des vertragsgemäßen Zeitpunktes der Überlassung der Mietsache fällig (Schur in: Herberger/Martinek/Rüßmann/Weth/Würdinger, jurisPK-BGB, 10. Aufl., Stand: 01.02.2023, § 551 BGB Rn.16). Bei einer unterbliebenen Zahlung des Teilbetrages der Kaution steht einem Vermieter ein Zurückbehaltungsrecht an der Mietsache zu (BGH, Beschluss vom 08.07.1998 – XII ZR 32/97, Rn. 2 – juris). Die Vermieterin war zwar vor Beginn des Mietverhältnisses nicht berechtigt, sich bis zur Auszahlung des vollständigen Kautionsbetrages in Höhe von 960,00 EUR auf ihr Zurückbehaltungsrecht an der Wohnung zu berufen, da sich die Vermieterin und die Antragstellerin in dem Mietvertrag auf die Anwendung der gesetzlichen Regelung geeinigt haben. Weiterhin verstößt eine – vorliegend mietvertraglich gar nicht getroffene – Vereinbarung über die sofortige Zahlung der vollständigen Kaution gegen § 551 Abs. 4 BGB, führt zu einer Teilnichtigkeit gem. § 139 BGB und wiederum zur Anwendung der in § 551 Abs. 2 BGB gesetzlichen Ratenverpflichtung (Schur in: Herberger/Martinek/Rüßmann/Weth/Würdinger, jurisPK-BGB, 10. Aufl., Stand: 01.02.2023, § 551 BGB Rn.16). Auch führt der Um stand, dass die Vermieterin entgegen der gesetzlichen Regelung in § 551 Abs. 2 BGB auf die Zahlung der vollständigen Kaution nebst einer Monatsmiete bestanden hat, nicht zur Negierung eines Anordnungsgrundes. Es ist nicht unwahrscheinlich, dass die Vermieterin bei Zahlung des gesetzlich vorgesehenen Teilbetrages der Kaution unter Hinweis auf die Rechtslage von ihrer Rechtsauffassung abgerückt wäre und der Antragstellerin und ihren Kindern die Wohnung übergeben hätte. Die Zahlung des in § 551 Abs. 2 BGB vorgesehenen Teilbetrages von 1/3 der Kaution war zudem zwingend erforderlich, um ggf. in einem zivilrechtlichen Eilverfahren die Übergabe der Wohnung erreichen zu können. Dies gilt insbesondere, da aufgrund der zu diesem Zeitpunkt nicht erfolgten Besitzverschaffung an der Wohnung nicht klar war, ob der Vermieterin überhaupt ein Anspruch auf die offenen Mietzinszahlungen ab Februar 2023 nach § 535 Abs. 2 BGB zustand (OLG Düsseldorf, Urteil vom 23.12.2010 – I-10 U 60/10, Rn. 25 – juris). Ohne die Zahlung des in § 551 Abs. 2 BGB vorgesehenen Teilbetrages der Kaution wäre es der Antragstellerin aber keinesfalls möglich gewesen, die Übergabe der Wohnung in einem gerichtlichen Eilverfahren mit Erfolg geltend zu machen, da sich die Vermieterin zunächst zu Recht auf ihr Zurückbehaltungsrecht berufen durfte.
b.
Die beabsichtigte Rechtsverfolgung war auch nicht mutwillig und die Beiordnung eines Rechtsanwalts erforderlich.
c.
Die Antragstellerin hat glaubhaft gemacht, dass sie die Kosten der Prozessführung nicht selbst aufbringen kann.
3.
Die Kosten des Beschwerdeverfahrens sind nicht zu erstatten (§ 73a SGG i.V.m. § 127 Abs. 4 ZPO).
Dieser Beschluss ist unanfechtbar (§ 177 SGG).