Tenor:
Das Urteil des Sozialgerichts Köln vom 02.06.2022 wird aufgehoben.
Das Verfahren wird zur Entscheidung über die Hauptsache und die Kosten an das Sozialgericht Köln zurückverwiesen.
Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand:
Der Kläger begehrt von der Beklagten die Entscheidung über einen von ihm erhobenen Widerspruch.
Der am 00.00.0000 geborene Kläger brach sich im Rahmen seines Wehrdienstes im August 1969 seinen Mittelfuß. Aufgrund daraus folgender verformender Veränderungen im Fußwurzelbereich und im Fußgelenk bezog er zwischen September 1971 und März 1977 und wieder seit September 1988 eine Beschädigtenrente sowie ab Juli 1993 einen Berufsschadensausgleich. Der durch Bescheid vom 09.06.2014 dem Kläger ab Juli 2014 gewährte monatliche Berufsschadensausgleich bemaß sich auf eine Höhe von 790,00 €.
Durch Bescheid vom 12.08.2014 änderte der damals zuständige C. im Auftrag der Beklagten die Höhe des gewährten Berufsschadensausgleichs auf 315,00 € monatlich ab September 2014 ab. Diesbezüglich wurde in dem Bescheid darauf verwiesen, dass mit Ablauf des Monats, in dem das 65. Lebensjahr erreicht werde, das für den Berufsschadensausgleich heranzuziehende Vergleichseinkommen lediglich in Höhe von 75 % heranzuziehen sei.
Hiergegen erhob der Kläger mit Schreiben vom 04.09.2014 Widerspruch und verwies begründend darauf, dass die mehr als hälftige Reduzierung des bezogenen Berufsschadensausgleichs fehlerhaft sein müsse.
Das nunmehr allein zuständige Bundesamt für das Personalmanagement der Bundeswehr (Bundesamt) teilte dem Kläger daraufhin in Vertretung für die Beklagte durch mit „Abhilfebescheid“ überschriebenem Bescheid vom 30.06.2016 mit, durch diesen den Bescheid vom 12.08.2014 abzuändern und dem Widerspruch des Klägers stattzugeben. Der Bescheid vom 12.08.2014 werde berichtigt, indem die dort formulierte Angabe einer Reduzierung des Vergleichseinkommens auf einen Prozentsatz von 75 % auf den sich aus dem Gesetzestext ergebenden Anteil von 50 % korrigiert werde. Das Bundesamt führte aus, dass es sich lediglich um die Berichtigung eines Schreibfehlers handele. Dem Bescheid wurde eine Rechtsbehelfsbelehrung angefügt, wonach gegen den „Abhilfebescheid“ Widerspruch erhoben werden könne.
Gegen den Bescheid vom 30.06.2016 erhob der Kläger anschließend mit anwaltlichem Schreiben am 11.07.2016 Widerspruch. Er verwies darauf, dass das Vergleichseinkommen – wie im Bescheid vom 12.08.2014 in der Begründung ausgeführt – in Höhe von 75 % und nicht lediglich in Höhe von 50 % zu berücksichtigen sei, da er diesbezüglich durch den Bescheid vom 12. 08.2014 über einen Vertrauensschutz verfüge.
Das Bundesamt erließ daraufhin am 02.12.2016 einen als solchen bezeichneten Widerspruchsbescheid. Mit diesem nahm es in der Betreffzeile Bezug auf den Bescheid vom 30.06.2016 sowie den Widerspruch vom 11.07.2016. Im „Tenor“ des Bescheides wurden beide in der Betreffzeile angegeben Rechtsakte erneut benannt und der Widerspruch als unbegründet zurückgewiesen. Begründend führte es aus, dass durch den Bescheid vom 12.08.2014 der gewährte Berufsschadensausgleich aufgrund der diesen regelnden Verordnung angepasst worden und die Grundrente auf 177,00 € und der Berufsschadensausgleich auf 315,00 € festgelegt worden sei, wogegen der Kläger am 04.09.2016 (gemeint sein dürfte: vom 04.09.2014) Widerspruch erhoben habe, mit dem ein Berechnungsfehler geltend gemacht worden sei. Es sei dann der Abhilfebescheid vom 30.06.2016 erlassen worden, mit dem eine Unrichtigkeit „gemäß § 38 SGB X berichtigt“ worden sei. Im nächsten Absatz formulierte das Bundesamt: „Gegen den vorgenannten Bescheid richtet sich ihr fristgemäßer Widerspruch vom 11.07.2016 (…)“. In der anschließend ausgeführten rechtlichen Würdigung verwies das Bundesamt unter sinngemäßer Widergabe von § 38 Sozialgesetzbuch Zehntes Buch (SGB X) einleitend darauf, dass Schreibfehler durch die Behörde jederzeit berichtigt werden könnten. Anschließend wurde unter Angabe von § 30 Abs. 2 und Abs. 6 BVG auf die Voraussetzungen für den Erhalt von Berufsschadensausgleich und dessen Höhe hingewiesen und sodann auf § 30 Abs. 7 BVG in der Fassung vom 20.06.2011 und die dort formulierte Vorgabe hingewiesen, dass für Beschädigte, die das 65. Lebensjahr vollendet hätten, das Vergleichseinkommen auf 50 vom Hundert zu kürzen sei. Dies sei ab dem 01.09.2014 geschehen, woran erkennbar sei, dass der „Schreibfehler ‚75 v.H.‘ eine offenbare Unrichtigkeit“ sei und somit zu berichtigen gewesen sei. Angesichts dessen, dass durch den Bescheid vom 30.06.2016 keine rückwirkende Kürzung von Leistungen vorgenommen worden sondern lediglich der Schreibfehler des Bescheides vom 12.08.2014 berichtigt worden sei, liege auch keine wirtschaftliche Schlechterstellung vor.
Hiergegen erhob der Kläger am 23.12.2016 Klage vor dem Sozialgericht (SG) Köln (Az. S 30 VS 62/16), mit der er die fortgesetzte Gewährung eines Berufsschadensausgleichs in der vor der durch den Bescheid vom 12.08.2014 gekürzten Höhe, hilfsweise eine geringere Kürzung, geltend machte. Die Klage nahm der Kläger im Verhandlungstermin am 08.10.2021 zurück, nachdem durch den Vorsitzenden der Kammer darauf hingewiesen worden war, dass der Bescheid vom 12.08.2014, der die Reduzierung des Berufsschadensausgleich geregelt habe, nicht Gegenstand des Verfahrens geworden sein dürfte.
Am 08.10.2021 hat der Kläger erneut vor dem SG Köln Klage erhoben.
Der Kläger hat beantragt,
die Beklagte zu verurteilten, über seinen Widerspruch vom 04.09.2014 gegen den Bescheid vom 12.08.2014 zu entscheiden.
Die Beklagte hat beantragt,
die Klage abzuweisen.
Sie hat die Ansicht vertreten, über den Widerspruch sei bereits durch den Widerspruchsbescheid vom 02.12.2016 entschieden zu haben. Dies sei das Ergebnis der Auslegung des Widerspruchsbescheides. Dieser nehme Bezug sowohl auf den Widerspruch des Klägers vom 04.09.2014 wie auch auf den Bescheid vom 12.08.2014, gebe das ursprüngliche Widerspruchsvorbringen wieder und stelle anschließend die maßgeblichen Rechtsgrundlagen dar sowie erläutere die daraus resultierende Kürzung. Die indizielle Wirkung der Überschrift sowie des Einleitungssatzes im Rahmen der vorzunehmenden Auslegung führe angesichts der erfolgten Auseinandersetzung mit dem Bescheid vom 12.08.2014 und des hiergegen erhobenen Widerspruchs nicht dazu, dass eine Entscheidung auch über den Widerspruch vom 04.09.2014 nicht in Betracht komme. Der Bescheid vom 12.08.2014 und der Bescheid vom 30.06.2016 stünden zudem in einem untrennbaren Zusammenhang, da die mit dem Bescheid vom 30.06.2016 erfolgte Korrektur nur unter Berücksichtigung des Bescheides vom 12.08.2014 rechtmäßig sein könne. Auch habe die durch den Bescheid vom 30.06.2016 erfolgte Korrektur keinen eigenständigen Regelungscharakter. Bis zum im Termin am 08.10.2021 erfolgten richterlichen Hinweis sei dem Kläger auch nicht bewusst gewesen, dass der Bescheid vom 12.08.2014 nicht Streitgegenstand des Verfahrens S 30 VS 62/16 gewesen sei. Dem Zweck des Vorverfahrens, der Selbstkontrolle der Verwaltung, sei genüge getan worden, da die Neuberechnung des Berufsschadensausgleichs korrekt erfolgt sei.
Der Vorsitzende der zuständigen Kammer des SG Köln hat die Sache geladen und zwei Tage vor dem Termin einen Telefonanruf bei einer Sachbearbeiterin des Beklagten getätigt, über den er in einem Aktenvermerk folgendes festhielt:
„Telefonat mit der Sachbearbeiterin d. Beklagten, dass ich mir unter Umständen vorbehalten werde, ggü. der Kammer die Verhängung von Verschuldenskosten anzuregen, damit Bekl. sich ggfs. darauf vorbereiten kann.“
Daraufhin stellte die Beklagte gegen den Vorsitzenden einen Befangenheitsantrag und begründete ihn wie folgt:
Erstens sei der Vorsitzende in der Sache vorbefasst und vorfestgelegt. Denn wenn er im Einklang mit seinem Verhalten in dem Verfahren Az. S 30 VS 62/16 entscheiden möchte, müsse er die Beklagte zum Erlass eines Widerspruchsbescheides hinsichtlich des Bescheides vom 12.08.2014 verurteilen. In dem Klageverfahren Az. S 30 VS 62/16 habe er gegenüber dem Kläger erklärt, der Widerspruch gegen den Bescheid vom 12.08.2014 sei noch offen, weshalb die Klage keinen Erfolg haben dürfte. Die Ansprüche könnten u.a. im Rahmen einer Untätigkeitsklage gegen die Beklagte realisiert werden. Würde der Vorsitzende die infolge seiner Ausführungen erhobene Untätigkeitsklage nunmehr abweisen, würde er im Widerspruch zu seinen Ausführungen in der mündlichen Verhandlung am 08.10.2021 handeln und dadurch faktisch eingestehen, dass er den Kläger durch seinen unzutreffenden Hinweis zur Klagerücknahme veranlasst hat.
Zweitens habe der Vorsitzende in dem Klageverfahren Az. S 30 VS 29/21 faktisch die Stellung eines Klägervertreters eingenommen, weshalb dessen Neutralität in Frage stehe. Dies manifestiere sich darin, dass sich der Kläger bzw. dessen Verfahrensbevollmächtigte im Rechtsstreit nach Klageerhebung gar nicht mehr geäußert und der Vorsitzende noch nicht einmal die Klägervertreterin zu der mündlichen Verhandlung am 17.02.2022 geladen habe. Die einseitige Haltung des Vorsitzenden trete auch in dem richterlichen Hinweis vom 01.12.2021 zutage. Darin argumentiere er ausschließlich zugunsten des Klägers unter Hervorhebungen durch Fettdrucke und in Klammern gesetzte Ausrufezeichen. Die in dem Widerspruchsbescheid vom 02.12.2016 für die Auffassung der Beklagten streitenden Passagen lasse der Vorsitzende gänzlich unbeachtet. Drittens habe der Vorsitzende durch seine Anrufe vom 01.12.2021 und vom 15.02.2022 bei der zuständigen Referentin versucht, sie zu veranlassen, doch noch die Fertigung eines Widerspruchsbescheides anzuweisen. Insbesondere sei die telefonische Nachfrage zwei Tage vor der mündlichen Verhandlung in Verbindung mit einer Vorwarnung, er, der Vorsitzende, werde ggf. unfreundlich und die Situation unangenehm, wenn die Beklagte bei Ihrer Ansicht verbleibe, hierauf gerichtet gewesen.
Viertens bestätige sich die mangelnde persönliche Distanz des Vorsitzenden darin, dass er in dem von dem Verfahren Az. S 30 VS 29/21 völlig unabhängigen Rechtsstreit mit dem Az. S 30 VS 36/19 negative persönliche Bemerkungen über die Referentin Q. gemacht hat. Der Vorsitzende erlangte von dem gegen ihn gestellten Befangenheitsantrag erst zu Beginn des Termins am 17.02.2022 um 12:40 Uhr Kenntnis. Sodann vertagte der Vorsitzende die mündliche Verhandlung aufgrund des zulässigen Befangenheitsantrags.
Unter dem 17.02.2022 legte der Kläger gegen den Überprüfungsbescheid vom 02.02.2022 Widerspruch ein.
Mit undatierter und nicht gezeichneter Verfügung, übermittelt mit gerichtlicher Verfügung vom 03.03.2022, nahm der Vorsitzende zu dem Befangenheitsgesuch Stellung. Im Großen und Ganzen bestätigt er darin die Darlegungen der Beklagten im Schriftsatz vom 17.02.2022.Überdies erklärte er, er habe keine „ernst gemeinte Androhung von Unfreundlichkeit […] angekündigt“. Abschließend hielt er fest, er „fühle sich nicht befangen“.
Im Weiteren erhielt die Beklagte mit gerichtlicher Verfügung vom 07.03.2022 eine ergänzende (undatierte) Stellungnahme des Vorsitzenden. Mit Schriftsatz vom 15.03.2022 äußerte sich die Beklagte zu den dienstlichen Äußerungen des Vorsitzenden im Befangenheitsverfahren. Sie hob mit Blick auf die Vorbefassung des Vorsitzenden hervor, dass der hiesige Fall bis darauf, dass sich die Vorbefassung ausschließlich auf zwei verschiedene, aber untrennbar miteinander zusammenhängende erstinstanzliche Verfahren beziehe, vom Rechtsgedanken her mit dem in § 41 Nr. 6 ZPO normierten Ausschließungsgrund kraft Gesetzes identisch sei, mit der Folge, dass bereits isoliert hieraus ein Ausschließungsgrund des Vorsitzenden vorliegt.
Zudem wurde von der Beklagten mit Blick auf die dienstliche Einlassung des Vorsitzenden, er fühle sich nicht befangen, darauf verwiesen, dass es nicht auf das subjektive Befinden des abgelehnten Richters ankomme, sondern darauf, ob die Beteiligten von ihrem Standpunkt aus nach vernünftigen Erwägungen Bedenken gegen die Unparteilichkeit des Richters haben könnten. Nicht zuletzt sei bereits die Besorgnis der Befangenheit für ein erfolgreiches Ablehnungsgesuch ausreichend. Mit Blick auf die zwischenzeitlich eingegangene Sitzungsniederschrift und die Stellungnahme des Vorsitzenden zum Befangenheitsantrag erweiterte die Beklagte ihr Vorbringen zu Letzterem. Dies beruhte darauf, dass der Vorsitzende in das Sitzungsprotokoll vom 17.02.2022 aufgenommen hatte, für die Beklagte seien „Die Damen Q. und U.“ erschienen. Dass der Vorsitzende die Terminvertreterinnen im Rahmen der Sitzungsniederschrift nicht als „Frau“, sondern als „Dame“ i.V.m. dem jeweiligen Nachnamen bezeichnet habe, sei heutzutage unüblich. Zudem sei es geringschätzend gegenüber den Terminvertreterinnen, im Zusammenhang mit der Anrede als „Damen“ die Amtsbezeichnungen der Terminvertreterinnen nicht in das Protokoll aufzunehmen und somit nicht aufzuführen, in welcher offiziellen Funktion sie erschienen sind. Nicht zuletzt sei der Name von Frau J. U. im Protokoll nicht vollständig aufgeführt. Die fachliche Geringschätzung des Vorsitzenden gegenüber der Referentin Q. ergebe sich auch daraus, dass er sie im Rahmen seiner dienstlichen Einlassung als „Sachbearbeiterin“ betitelt habe.
Darauf basierend führte die Beklagte aus, die zutreffende Anrede bzw. Bezeichnung von Beteiligten stelle eine wesentliche Formalität dar, deren Einhaltung – insbesondere seitens eines Gerichts – als selbstverständlich vorausgesetzt werden dürfte. Im hiesigen Fall würden die zahlreichen Abweichungen von der Norm in ihrer Gesamtheit jedoch den Eindruck erwecken, dass diese – zumindest überwiegend – bewusst wertend gewählt worden sind.
Der von der Beklagten gegen den Vorsitzenden gestellter Befangenheitsantrag wurde vom SG mit Beschluss vom 30.3.2022 zurückgewiesen.
Zur Begründung hat das SG i.W. ausgeführt, es seien keine besonderen oder weiteren Gründe vorgetragen oder ersichtlich, die die Besorgnis einer Befangenheit begründen könnten. Unterstreichungen und der erfolgte Fettdruck in dem richterlichen Hinweis vom 01.12.2021 würden lediglich die Rechtsauffassung des Richters hervorheben. Zudem ergebe sich aus den Telefonaten vom 01.12.2021 und vom 15.02.2022 nicht, dass der Vorsitzende der 30. Kammer einseitig Druck auf die Beklagte ausgeübt hätte. Aus der erfolgten Thematisierung der Auferlegung von Verschuldenskosten folge kein grober Verfahrensverstoß, da sich dies auf § 192 SGG bezogen habe. Ein willkürliches Verhalten des abgelehnten Richters im Sinne eines groben Verfahrensverstoßes folge hieraus allein nicht, zumal der abgelehnte Richter eine ernst gemeinte Androhung von Unfreundlichkeit bestreite. Dass die Beklagte geltend macht, der Vorsitzende der 30. Kammer habe in Anwesenheit von Frau V. und Herrn M. im Rahmen des Termins am 06.12.2021 geäußert, dass diese eine „sehr unangenehme Kollegin“ hätten, genüge nicht zur Glaubhaftmachung des Ablehnungsgesuchs.
Der abgelehnte Richter habe die behauptete Wortwahl im Rahmen seiner dienstlichen Äußerung bestritten und dargelegt, dass es sehr gut möglich sei, dass er gegenüber Frau V. sein Unverständnis über die Rechtsauffassung der Beklagten zum Ausdruck gebracht habe. Mit Blick auf die Stellungnahme von Frau V. und der Einlassung des abgelehnten Richters sei das Ablehnungsgesuch im Sinne eines „non liquet“ zurückzuweisen.
Mit Urteil vom 02.06.2022 hat das SG der Klage unter richterlicher Beteiligung des zuvor von der Beklagten abgelehnten Vorsitzenden stattgegeben und zur Begründung ausgeführt:
„A. Die Klage des Klägers hat Erfolg.
Gemäß § 88 Abs. 1, 2 Sozialgesetzbuch (SGG) ist eine Klage auf Erlass eines Widerspruchsbescheides zulässig, wenn über den Widerspruch nicht entschieden worden ist und seit der Erhebung des Widerspruchs mindestens drei Monate vergangen sind. Ist die Klage zulässig, hat das Gericht zu prüfen, ob ein zureichender Grund der Behörde dafür vorliegt, dass über den Widerspruch noch nicht entschieden worden ist.
Die Klage des Klägers ist zulässig (hierzu B.). Auch ist ein zureichender Grund für die fortgesetzte Nichtentscheidung nicht ersichtlich (hierzu C.).
B. Die Verpflichtungsklage in Form der Untätigkeitsklage gemäß § 88 Abs. 1, 2 SGG ist zunächst zulässig.
Anders, als durch die Beklagte eingewandt wird, ist über den Widerspruch des Klägers vom 04.09.2014 gegen den Bescheid vom 12.08.2014 bislang nicht entschieden worden, weder durch den „Abhilfebescheid“ vom 30.06.2016 (hierzu I.) noch durch den Widerspruchsbescheid vom 02.12.2016 (hierzu II.). Ferner fehlt der Klage nicht das Rechtsschutzbedürfnis (dazu III.).
I. Mit dem durch das Bundesamt für das Personalmanagement der Bundeswehr in Vertretung für die Beklagte erlassenen, als „Abhilfebescheid“ bezeichneten Bescheid vom 30.06.2016 ist nicht abschließend über den Widerspruch des Klägers entschieden worden. Zwar liegt eine Bescheidung z.B. dann vor, wenn einem Widerspruch abgeholfen worden ist, vgl. § 85 Abs. 1 SGG (BSG, Urteil vom 13. Juli 2010 – B 8 SO 11/09 R –, Rn. 15, juris; B. Schmidt, in Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer/ders., Sozialgerichtsgesetz 13. Auflage 2020, § 88 Rn. 4). Dies erfordert jedoch, dass dem Begehren des Widerspruchsführers in vollem Umfang stattgegeben wird (B. Schmidt, a.a.O., § 85 Rn. 2b m.w.N.). Dies ist durch den „Abhilfebescheid“ vom 30.06.2016 offensichtlich nicht geschehen. Denn dieser hat lediglich einen durch den Kläger gar nicht eingewandten Begründungsfehler korrigiert, eine Auseinandersetzung mit dem Widerspruchsbegehren fehlt in dem Bescheid hingegen.
II. Eine Entscheidung über den Widerspruch des Klägers vom 04.09.2014 ist auch nicht durch den Widerspruchsbescheid vom 02.12.2016 erfolgt.
Der Widerspruchsbescheid ist ein Verwaltungsakt (B. Schmidt, a.a.O., § 85 Rn. 7), für die Bestimmung seines Sinngehalts maßgeblich sind daher die für die Auslegung eines Verwaltungsakts maßgebenden Auslegungsgrundsätze. Dabei ist in Übertragung der für die Auslegung von Willenserklärungen (§§ 133, 157 Bürgerliches Gesetzbuch) maßgeblichen Grundsätze der objektive Sinngehalt der Erklärung, d. h. wie der Empfänger die Erklärung bei verständiger Würdigung nach den Umständen des Einzelfalles objektiv verstehen musste. Ausgehend von der im Verfügungssatz getroffenen Regelung kommt es (1.) auf die abgegebene Erklärung und (2.) auf den aus deren Inhalt ersichtlichen Erklärungswillen an. Maßstab für den Inhalt der Regelung ist der objektive Empfängerhorizont. Der Verfügungssatz muss nicht in der Art einer Entscheidungsformel der Begründung vorangestellt sein, sondern kann auch räumlich in der Begründung des VA enthalten sein (vgl. Darstellung der Rechtsprechung des BSG bei Mutschler, in Kasseler Kommentar Sozialversicherungsrecht, Werkstand: 117. EL Dezember 2021, SGB X § 31 Rn. 21).
Gemessen an diesen Grundsätzen liegt eine Entscheidung über den Widerspruch des Klägers vom 04.09.2014 zur Überzeugung der Kammer nicht vor. Dabei kann letztlich dahinstehen, ob grundsätzlich im Hinblick auf eine ausreichend deutliche Widerspruchsentscheidung der zu erlassende Widerspruchsentscheid sich eindeutig auf die mit dem Widerspruch angefochtene Verwaltungsentscheidung beziehen muss (B. Schmidt, a .a.O., § 85 Rn. 7). Wenn – wie vorliegend – eine solche Bezugnahme auf einen anderen Widerspruch erfolgt, kann nicht aus der weiteren Begründung des Widerspruchsbescheides eine Erstreckung seines Gegenstands erfolgen. Entgegen der Auffassung der Beklagten ist die Kammer der Auffassung, dass die durch das BSG im Urteil vom 25.04.2007 – B 12 AL 2/06 R – ausgeführten Maßstäbe insofern durchaus herangezogen und übertragen werden können. Es ist für den aus dem Widerspruchsbescheid folgenden Aussagegehalt maßgeblich, dass dieser eine unmissverständliche Kennzeichnung des Gegenstandes des Widerspruchsverfahrens im Kopf enthält und dabei eben auf den Widerspruch des Klägers vom 11.07.2016 gegen den „Abhilfebescheid“ vom 30.06.2016 Bezug nimmt und nicht (auch) auf den Widerspruch des Klägers vom 04.09.2014 (vgl. BSG, Urteil vom 25. April 2007 – B 12 AL 2/06 R –, Rn. 18, juris). Dass sowohl der Widerspruch vom 04.09.2014 als auch der Bescheid vom 12.08.2014 in der Begründung des Widerspruchsbescheides vom 02.12.2016 in der Folge aufgeführt werden, ändert hieran nichts, wobei zur Überzeugung der Kammer dabei gar nicht besonders ins Gewicht fällt, dass es sich lediglich um eine Aufführung in der Geschichtsdarstellung und nicht eine Befassung im Rahmen der rechtlichen Würdigung handelt. Ebenfalls ohne besonderen Belang ist angesichts der ausdrücklichen und ausschließlichen Bezugnahme des Widerspruchsbescheides auf den zweiten Widerspruch des Klägers, dass jedenfalls in Relation zur rechtlichen Darstellung der Legitimität der nachträglichen Korrektur des Begründungsfehlers eine ausgiebige Auseinandersetzung mit dem ursprünglichen Widerspruchsbegehren des Klägers nicht erkennbar wird. Gegen die von der Beklagten vertretene Annahme, dass der Bescheid vom 12.08.2014 und der Bescheid vom 30.06.2016 in einem untrennbaren Zusammenhang miteinander stünden und daher von einer Entscheidung über beide Widersprüche auszugehen sei, spricht, dass mit § 86 SGG eine Gesetzesnorm den Einfluss eines während des Widerspruchsverfahrens erlassenen Änderungsbescheides auf das Verfahren regelt, ohne die von der Beklagten vertretene Rechtsfolge zu regeln. Durch das Gesetz wird vielmehr bezweckt, dass der neue Bescheid in das anhängige Widerspruchsverfahren einbezogen wird und über den ursprünglichen Widerspruch unter Berücksichtigung des einbezogenen Bescheides zu entscheiden ist (vgl. B. Schmidt, a.a.O., § 86 Rn. 4 f.). Das erfordert zur Überzeugung der Kammer, dass der Widerspruchsbescheid seinen Gegenstand ausreichend deutlich kennzeichnet, gerade das ist im Hinblick auf den Widerspruchsbescheid vom 02.12.2016 nicht der Fall. Ferner ist angesichts des oben ausgeführten maßgeblichen verobjektivierten Empfängerhorizonts weder von Bedeutung, dass sowohl der Kläger als auch dessen Prozessbevollmächtigte ursprünglich irrtümlich davon ausgegangen sind, dass ihr mit dem Widerspruchsbegehren gegen den Bescheid vom 12.08.2014 korrespondierendes Klagebegehren im Verfahren mit dem Az. S 30 VS 62/16 übereinstimmt, noch dass erst im Termin zur mündlichen Verhandlung am 08.10.2021 durch die Kammer darauf hingewiesen worden ist, dass eine entsprechende Kongruenz aus den vorstehend ausgeführten Gründen eben nicht vorliegt.
III. Der Klage fehlt im Übrigen auch nicht das Rechtsschutzbedürfnis. Zwar dürfte der Bescheid vom 12.08.2014 im Ergebnis letztlich rechtlich nicht zu beanstanden sein, da der maßgebliche § 30 Abs. 7 BVG in der Fassung vom 20.06.2011 im Hinblick auf die Reduzierung des Berufsschadensausgleichs noch auf die Vollendung des 65. Lebensjahrs abgestellt hat und nicht wie die derzeit gültige Fassung der Norm auf das Erreichen der Regelaltersgrenze. Indessen kann wegen der grds. Verpflichtung der Behörde zur Verbescheidung nur in absoluten Ausnahmefällen eine rechtsmissbräuchliche Rechtsverfolgung angenommen werden (B. Schmidt, a.a.O., § 88 Rn. 4a m.w.N.). Für eine solche ist vorliegend nichts ersichtlich, vielmehr ist durch den Kläger sowohl im Verfahren S 30 VS 62/16 als auch im hiesigen Rechtsstreit glaubhaft zum Ausdruck gebracht worden, dass er von der Möglichkeit eines zumindest teilweisen Erfolges ausgeht.
C. Ein zureichender Grund für die Nichtbescheidung ist durch die Beklagte nicht vorgetragen worden; vielmehr hat diese sich darauf berufen, bereits entschieden zu haben.
Die Beklagte war daher zu verurteilen.
D. Die Kostenentscheidung ergeht nach § 193 Abs. 1 SGG und berücksichtigt, dass die Klage Erfolg gehabt hat.“
Dagegen richtet sich die rechtzeitige Berufung der Beklagten, die i. W. Folgendes vorträgt:
„ Das Urteil des Sozialgerichts Köln hält einer rechtlichen Überprüfung nicht stand (dazu 1.). Zudem beruht der Beschluss vom 30.03.2022, Az. S 38 SF 44/22 AB, mit dem der Antrag der Beklagten, den Richter am Sozialgericht Y. wegen Besorgnis der Befangenheit abzulehnen, zurückgewiesen wurde, auf willkürlichen manipulativen Erwägungen, sodass die Beklagte durch die Sachentscheidung unter Beteiligung des Vorsitzenden Y. in ihrem Recht auf den gesetzlichen Richter (Art. 101 Abs. 1 Satz 2 GG) verletzt ist (dazu 2.).
1.
Entgegen der Darlegungen des Sozialgerichts Köln in dem Urteil vom 02.06.2022 hat die Beklagte über den Widerspruch des Klägers vom 04.09.2014 gegen den Bescheid vom 12.08.2014 mit Widerspruchsbescheid vom 02.12.2016 entschieden. Eine Untätigkeit der Beklagten ist deshalb zu verneinen. Vielmehr ist es der Beklagten mit Blick aus das durch Widerspruchsbescheid vom 02.12.2016 abgeschlossene Vorverfahren mangels Rechtsgrundlage verwehrt, einen weiteren Widerspruchsbescheid gegen den Bescheid vom 12.08.2014 zu erlassen (vgl. B. Schmidt in: Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer/Schmidt, Sozialgerichtsgesetz, 13. Auflage 2020, § 85 Rn. 7b).
Aus dem entsprechend der §§ 133, 157 BGB auszulegenden Widerspruchsbescheid vom 02.12.2016 nach dem objektiven Empfängerhorizont ergibt sich, dass die Beklagte mit dieser Verwaltungsentscheidung die Recht- und Zweckmäßigkeit des Bescheides vom 12.08.2014 auf den Widerspruch vom 04.09.2014 nach Maßgabe des § 78 Abs. 1 Satz 1 SGG überprüft hat. Der Widerspruchsbescheid vom 02.12.2016 nimmt ausdrücklich auf den Widerspruch vom 04.09.2014 gegen den Bescheid vom 12.08.2014 Bezug (vgl. Widerspruchsbescheid vom 02.12.2016, Seite 2, 1. Absatz). Sodann legt die Beklagte das Widerspruchsvorbringen des Klägers, im Rahmen der mit Bescheid vom 12.08.2014 erfolgten Kürzung des Berufsschadensausgleichs von 791,00 € auf 315,00 € müsse ein Berechnungsfehler vorliegen, dar und erklärt, dass sie den in dem Bescheid vom 12.08.2014 enthaltenen Schreibfehler „75 v.H.“ mit Schreiben vom 30.06.2016 zu „50 v.H.“ korrigiert hat. Schließlich erläutert die Beklagte die Rechtsgrundlagen, nach denen sich die Berechnung des Berufsschadensausgleichs richtet, und folgert hieraus unter Verweis auf § 30 Abs. 7 BVG, dass das Vergleichseinkommen ab Erreichen eines bestimmten Alters auf 50 v.H. zu kürzen sei. Sodann legt die Beklagte dar, dass sie bei der Berechnung des Berufsschadensausgleichs vom 12.08.2014 eine zutreffende Kürzung des Vergleichseinkommens ab dem 01.09.2014 auf 50 v.H. vorgenommen hat, und der Bescheid vom 12.08.2014 folglich rechtmäßig ist.
Hieraus folgt eindeutig, dass sich die Beklagte mit dem Widerspruch des Klägers vom 04.09.2014 gegen den Bescheid vom 12.08.2014, mit dem er das Vorliegen eines Berechnungsfehlers rügt, inhaltlich im Rahmen des Widerspruchsbescheides vom 02.12.2016 auseinandergesetzt und das diesbezügliche Vorverfahren somit abgeschlossen hat. Ob das Sozialgericht Köln von einer inhaltlichen Überprüfung des Bescheides vom 12.08.2014 im Rahmen des durch Widerspruchsbescheid vom 02.12.2016 abgeschlossenen Widerspruchsverfahrens ausgeht, ist mit Blick auf die insoweit widersprüchlichen Ausführungen auf Seite 7 des Urteils unklar:
Zunächst stellt das Sozialgericht Köln auf Seite 7 des Urteils dar, der Widerspruch vom 04.09.2014 gegen den Bescheid vom 12.08.2014 werde im Rahmen der Begründung des Widerspruchsbescheides vom 02.12.2016 lediglich im Rahmen der Geschichtsdarstellung aufgeführt; die Beklagte habe sich hiermit im Rahmen der rechtlichen Würdigung jedoch nicht befasst. Im Widerspruch hierzu legt das Sozialgericht Köln sodann im nachfolgenden Satz dar, dass (lediglich) eine ausgiebige Auseinandersetzung mit dem ursprünglichen Widerspruchsbegehren des Klägers vom 04.09.2014 im Rahmen des Widerspruchsbescheides vom 02.12.2016 nicht erkennbar sei. Einmal erklärt das Sozialgericht also, eine Überprüfung des Bescheides vom 12.08.2014 sei mit Blick auf den Widerspruch vom 04.09.2014 gar nicht erfolgt, um unmittelbar im Anschluss lediglich eine nicht hinreichend ausgiebige Widerspruchsprüfung festzustellen. Bereits mit Schriftsatz vom 14.01.2022 hatte die Beklagte mit Blick darauf, dass der Vorsitzende schon vor der Entscheidung des hiesigen Verfahrens eine lediglich nicht vollständige bzw. abschließende Überprüfung des Bescheides vom 12.08.2014 bemängelt hatte (vgl. Sitzungsniederschrift vom 08.10.2021 in dem Klageverfahren S 30 VS 62/16 sowie richterlicher Hinweis vom 01.12.2021), darauf verwiesen, dass § 78 SGG keine besonderen Anforderungen, insbesondere hinsichtlich des Prüfungsumfangs und der Fehlerfreiheit des Vorverfahrens, stellt (Hintz in: Rolfs/Giesen/Kreikebohm/ Meßling/Udsching, BeckOK Sozialrecht, 63. Edition, Stand: 01.12.2021, § 78 SGG Rn. 2a; B. Schmidt in: Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer/Schmidt, Sozialgerichtsgesetz, 13. Auflage 2020, § 78 Rn. 2 m.w.N.), sodass das Vorverfahren im hiesigen Fall – auch wenn im Bescheid vom 12.08.2014 die falsche Regelaltersgrenze zugrunde gelegt und dies im Rahmen der Widerspruchsprüfung nicht erkannt worden war – abgeschlossen ist.
Insoweit oblag die Überprüfung der Rechtmäßigkeit des Bescheides vom 12.08.2014 in der Gestalt, den er durch den Widerspruchsbescheid gefunden hat, dem Sozialgericht Köln in dem Klageverfahren mit dem Az. S 30 VS 62/16. Durch die am 08.10.2021 erklärte Klagerücknahme ist der Bescheid vom 12.08.2014 in Gestalt der Änderung vom 30.06.2016 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 02.12.2016 bestandskräftig geworden.
Abweichendes ergibt sich nicht – worauf das Sozialgericht Köln seine Urteilsbegründung jedoch stützt – daraus, dass der Widerspruchsbescheid vom 02.12.2016 in der Überschrift und im Einleitungssatz Bezug auf den Widerspruch vom 11.07.2016 gegen den „Abhilfebescheid“ vom 30.06.2016 nimmt. Der Verweis auf das Urteil des Bundessozialgerichts vom 25.04.2007, Az. B 12 AL 2/06 R, wonach das Vorverfahren nicht durchgeführt ist, wenn sich der zu erlassende Widerspruchsbescheid nicht eindeutig auf die mit dem Widerspruch angefochtene Verwaltungsentscheidung bezieht, vermag eine andere Bewertung der diesseitigen Rechtsauffassung nicht zu begründen.
Zwar hob der 12. Senat hervor, dass u.a. die Überschrift und der Einleitungssatz im Rahmen der Auslegung des Empfängerhorizonts wichtige (aber keine ausschließlichen) Indizien für den Umfang des Widerspruchsbescheides darstellen. Jedoch unterscheidet sich der hiesige Sachverhalt deutlich von dem durch das Bundessozialgericht entschiedenen Fall: In Letzterem ging es um voneinander völlig unabhängige Verwaltungsakte mit unterschiedlichen, logisch teilbaren Regelungen, wobei in der Überschrift nur auf einen Bescheid Bezug genommen und der Regelungsgegenstand zusätzlich mit dem Passus „wegen Höhe des Arbeitslosengeldes“ eingegrenzt worden war. In dem Widerspruchsbescheid war der andere, nicht in der Überschrift genannte Bescheid, der die Übernahme von Beiträgen zur privaten Kranken- und Pflegeversicherung betraf, gar nicht zitiert. Hierzu fand sich in der Begründung des Widerspruchsbescheides unter Verweis auf die dem Widerspruchsführer zugesandten Berechnungen lediglich ein Hinweis darauf, unter welchen gesetzlichen Voraussetzungen Bezieher von Arbeitslosgengeld die Übernahme von Beiträgen an ein privates Krankenversicherungsunternehmen beanspruchen können und wie diese Beiträge zu ermitteln sind.
Insoweit wird hinsichtlich des auf Seite 2 erläuterten Begründungsumfangs des Widerspruchsbescheides vom 02.12.2016, den das Sozialgericht verkannt hat, deutlich, dass eine Parallele zwischen dem hiesigen und dem Fall des Bundessozialgerichts schon mit Blick auf die unterschiedliche Ausgangslage nicht gegeben ist. Darüber hinaus hat die Beklagte den Bescheid vom 12.08.2014 wie auch den hiergegen gerichteten Widerspruch vom 04.09.2014 in dem Widerspruchsbescheid benannt und sodann dargelegt, aus welchen Gründen der Bescheid rechtmäßig ist.
Schließlich stehen der Bescheid vom 12.08.2014 und dessen Änderung vom 30.06.2016 in einem untrennbaren Zusammenhang: Denn die Schreibfehlerkorrektur von „75 v.H.“ zu „50 v.H.“ kann nur dann rechtmäßig sein, wenn die Kürzung des Vergleichseinkommens auf 50 v.H. rechtmäßig ist und die in dem Bescheid vom 12.08.2014 dargelegte Berechnung hiermit im Einklang steht. Insoweit liegt – anders als im Fall des Bundessozialgerichts – nur eine Regelung vor, da die Schreibfehlerkorrektur gemäß § 38 Satz 1 SGB X keine Regelungswirkung i.S.v. § 31 Satz 1 SGB X innehat (vgl. Heße in: Rolfs/ Giesen/Kreikebohm/Meßling/Udsching, BeckOK Sozialrecht, 62. Edition, Stand: 01.09.2021, § 38 SGB X Rn. 9; Siewert in: Diering/Timme/Stähler, SGB X, 5. Auflage 2019, § 38 Rn. 8). Dass die Beklagte darüber hinaus die Rechtmäßigkeit der Schreibfehlerkorrektur erläutert hat, ändert hieran nichts. Daneben war dem Kläger in dem Fall des Bundessozialgerichts nicht bewusst, ob sich der Widerspruchsbescheid auf den die Übernahme der Beiträge seiner privaten Kranken- und Pflegeversicherung betreffenden Bescheid erstreckt, während im hiesigen Fall bis zu dem richterlichen Hinweis in der mündlichen Verhandlung am 08.10.2021 weder von den Beteiligten noch von dem (vorherigen) Vorsitzenden je in Zweifel gezogen worden ist, dass Streitgegenstand der Bescheid vom 12.08.2014 in Gestalt der Änderung vom 30.06.2016 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 02.12.2016 ist (Klagebegründung vom 30.05.2017, Schriftsatz des Klägers vom 18.01.2018, Schriftsätze der Beklagten vom 25.07.2018 und vom 02.10.2018). Insoweit sind nicht nur – wie im Urteil auf Seite 7 ausgeführt – der Kläger und dessen Prozessbevollmächtigte davon ausgegangen, dass sich der Widerspruchsbescheid vom 02.12.2016 auf den Bescheid vom 12.08.2014 erstreckt, sondern auch die mit dem Fall befassten Prozessvertreterinnen und -vertreter der Beklagten wie offenbar auch der vorherige Vorsitzende der 30. Kammer, Richter am Sozialgericht Z., der in dem Verfahren S 30 VS 62/16 wohl frühzeitig einen Hinweis erlassen hätte, wenn er von der Unzulässigkeit der Klage ausgegangen wäre. Der Kläger musste sein Begehren, die Kürzung seines Berufsschadensausgleichs auf lediglich 75 v.H. statt 50 v.H., dem aufgrund des fälscherweise als „Abhilfebescheid“ betitelten Schreibens vom 30.06.2016 nicht abgeholfen wurde, vielmehr im Rahmen des mit Widerspruchsbescheid vom 02.12.2016 abgeschlossenen Widerspruchsverfahrens weiterführen.
Nicht zuletzt sind nicht nur die Überschrift und der Einleitungssatz des Widerspruchsbescheides Gegenstand der Auslegung entsprechend §§ 133, 157 BGB, sondern auch dessen Begründung. Das Sozialgericht lässt jedoch die besonderen Umstände im Rahmen des Ablaufs des Verwaltungsverfahrens sowie die Begründung des Widerspruchsbescheides unberücksichtigt und stellt allein auf Überschrift und Einleitungssatz des Widerspruchsbescheides ab. Letzteres verstößt auch gegen den entsprechend anzuwendenden § 133 BGB, nach dem nicht an dem buchstäblichen Sinne des Ausdrucks zu haften und der wirkliche Wille – i.V.m. § 157 BGB – aus Sicht eines objektiven Empfängers zu erforschen ist. Aus Sicht eines objektiven Empfängers wollte die Beklagte aber mit dem Widerspruchsbescheid vom 02.12.2016 über den Widerspruch des Klägers vom 04.09.2014 in Gestalt des „Abhilfebescheides“ vom 30.06.2016 entscheiden und das während des gesamten Verwaltungsverfahrens durchweg gleichbleibende Vorbringen, es müsse ein Berechnungsfehler vorliegen, sodass der Berufsschadensausgleich höher zu bemessen sei, abschließend würdigen. Dieser objektive Empfängerhorizont ergibt sich bereits daraus, dass alle Verfahrensbeteiligten wie auch offenbar der Vorgänger des Vorsitzenden der 30. Kammer – von der Streitgegenständlichkeit des Bescheides vom 12.08.2014 in Gestalt des „Änderungsbescheides“ vom 30.06.2016 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 02.12.2016 ausgegangen sind.
Letztlich hat der 12. Senat in dem von dem Vorsitzenden zitierten Fall auf die objektive Funktion des Vorverfahrens, die in der Selbstkontrolle der Verwaltung besteht, verwiesen (BSG, Urteil v. 25.04.2007 – B 12 AL 2/06 R Rn. 20 mit Verweis auf BSG, Urteil v. 18.03.1999, Az. B 12 KR 8/98 R). Der Selbstkontrolle der Verwaltung ist im vorliegenden Fall – wie sich aus den Darlegungen zur Berechnung des Berufsschadensausgleichs im Zusammenhang mit dem Bescheid vom 12.08.2014 ergibt – genüge getan, zumal die Neuberechnung vom 12.08.2014 der Höhe nach korrekt erfolgt ist. Die Ausblendung der o.g. Umstände in Verbindung mit der Nichtwürdigung der Urteilsgründe der in Rede stehenden Entscheidung des Bundessozialgerichts unter Außerachtlassung der diesbezüglichen Einwendungen erweckt insgesamt den Eindruck von reinem Formalismus.
2.
Zudem hat das Sozialgericht Köln gegen das Gebot des gesetzlichen Richters gemäß Art. 101 Abs. 1 Satz 2 GG verstoßen, weil der mit Antrag vom 17.02.2022 abgelehnte Vorsitzende der 30. Kammer, Richter am Sozialgericht Y., an dem Urteil vom 02.06.2022 mitgewirkt hat. Das Gesuch ist mit Beschluss vom 30.03.2022, Az. S 38 SF 44/22 AB, unter Verletzung dieser Verfassungsgarantie zurückgewiesen worden. Grundsätzlich unterliegen unanfechtbare Entscheidungen des Sozialgerichts nicht der Überprüfung des Berufungsgerichts (Jung in: Roos/Wahrendorf/Müller, beck-online.GROSSKOMMENTAR, Stand: 01.05.2022, § 60 SGG Rn. 76). Die Bindung des Berufungsgerichts fehlt jedoch dann, wenn die Zurückweisung des Ablehnungsgesuchs auf willkürlichen manipulativen Erwägungen beruht oder wenn die Zurückweisung des Ablehnungsgesuchs jedenfalls darauf hindeutet, dass das Gericht Bedeutung und Tragweite der Verfassungsgarantie des Art. 101 Abs. 1 Satz 2 GG grundlegend verkannt hat (BSG, Beschluss vom 03.07.2019, Az. B 13 R 3/17 BH Rn. 11).
Ob die Entscheidung eines Gerichts auf Willkür, also auf einem Fall grober Missachtung oder grober Fehlanwendung des Gesetzesrechts beruht oder ob sie darauf hindeutet, dass ein Gericht Bedeutung und Tragweite der Verfassungsgarantie des Art. 101 Abs. 1 Satz 2 GG grundlegend verkennt, kann nur angesichts der jeweiligen Umstände des Einzelfalls beurteilt werden (BVerfG, Beschluss vom 12.09.2007, Az. 2 BvR 2335, 2589/06). Vorliegend ist der Beschluss vom 30.03.2022, Az. S 38 SF 44/22 AB, durch das Berufungsgericht überprüfbar, da er auf willkürlichen manipulativen Erwägungen beruht und darauf hindeutet, dass das Gericht Bedeutung und Tragweite des Art. 101 Abs. 1 Satz 2 GG verkannt hat.
Die Beklagte hat mit Befangenheitsantrag vom 17.02.2022 und mit weiterem Schriftsatz vom 15.03.2022 zahlreiche Tatsachen dargelegt, die einen Schluss auf die innere Haltung des abgelehnten Richters ermöglichen. Eine hinreichende, erschöpfende Auseinandersetzung mit dem Vorbringen der Beklagten, aus dem sich ihre Besorgnis der Befangenheit ergibt, ist unterblieben. In dem Beschluss vom 30.03.2022 wird angeführt, etwaige Fehler und unzutreffende Rechtsansichten des abgelehnten Richters vermögen allein keine Besorgnis der Befangenheit begründen (Seite 3). Die Beklagte stelle im Rahmen ihres Befangenheitsantrags allein auf die von ihr nicht geteilte Rechtsansicht ab, weshalb sich der weitere Vortrag der Beklagten, wonach sich der abgelehnte Richter faktisch in die Stellung des Klägervertreters begeben habe, nicht erschließe. Diese Ausführungen sind willkürlich, da sie mit Blick auf die Aussage, die Beklagte rüge allein eine von ihr nicht geteilte Rechtsansicht des abgelehnten Richters, falsch ist und den Vortrag der Beklagten nicht oder nur sehr unzureichend würdigen. Sie lassen damit auf eine Verkennung der Bedeutung der Verfassungsgarantie des Art. 101 Abs. 1 Satz 2 GG, die gewährleistet, dass Rechtssuchende im Einzelfall vor einem Richter stehen, der unabhängig und unparteilich ist und der die Gewähr für Neutralität und Distanz gegenüber den Verfahrensbeteiligten bietet, schließen (vgl. BVerfG, Beschluss vom 12.09.2007, Az. 2 BvR 2335, 2589/06).
Nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts kann eine Vorbefassung die Besorgnis der Befangenheit begründen, wenn weitere besondere Gründe hinzutreten, die einen Schluss auf die innere Haltung des abgelehnten Richters ermöglichen (BVerfG, Beschluss vom 12.09.2007, Az. 2 BvR 2335, 2589/06).
Dass eine Vorbefassung grundsätzlich isoliert keine Besorgnis der Befangenheit begründet, beruht auf der Richterinnen und Richtern im Allgemeinen vom Bundesverfassungsgericht attestierten Eigenschaft, eigene Rechtsauffassungen aus früheren Verfahren kritisch zu reflektieren und ggf. unter dem Eingeständnis, eine falsche Entscheidung gefällt zu haben, zu korrigieren (vgl. BVerfG, Beschluss vom 12.09.2007, Az. 2 BvR 2335, 2589/06). Diese Prämisse dürfte im vorliegenden Fall bereits nicht gelten. Denn eine kritische Hinterfragung bzw. Reflektion der eigenen Rechtsauffassung war im vorliegenden Verfahren bereits mit Blick auf den Ablauf unmöglich. Dies beruht darauf, dass der abgelehnte Richter die Beklagtenvertreterin sofort nach Kenntniserlangung von ihrem Klageabweisungsantrag angerufen und hierbei bereits dermaßen festgelegt war, dass er ihr die Auferlegung von Mutwilligkeitskosten nach § 192 SGG sowie die Fertigung eines (klagestattgebenden) Gerichtsbescheides angekündigt hatte, sollte sie sich der gerichtlichen Rechtsauffassung nicht anschließen. Insoweit war eine kritische Reflektion der eigenen Rechtsauffassung unmöglich und wird auch seitens des abgelehnten Richters nicht vorgetragen.
Im Übrigen ist die Behauptung im Beschluss vom 30.03.2022, es sei in dem konkreten Fall „nicht ersichtlich, ob und in welcher Form der abgelehnte Richter sich damit bereits zu einem etwaigen Erfolg einer Untätigkeitsklage geäußert habe“, nicht nachzuvollziehen. Der abgelehnte Richter hat dem Kläger in dem Verfahren S 30 VS 62/16 eine Klagerücknahme nahegelegt, da seiner Auffassung nach das Vorverfahren hinsichtlich des Bescheid vom 12.08.2014 nicht abgeschlossen ist. Sodann hat er erklärt, dem Kläger stünden noch Versorgungsleistungen wegen einer um drei Monate zu früh erfolgten Kürzung seines Berufsschadensausgleichs zu, der der Höhe nach aber korrekt berechnet sei. Im Anschluss hieran hat er die Möglichkeit der Untätigkeitsklage angesprochen. Geht man aber davon aus, dass das Vorverfahren tatsächlich nicht abgeschlossen ist, ist die auf den Erlass eines (Widerspruchs)Bescheides gerichtete Untätigkeitsklage – da die übrigen Voraussetzungen bei unterstellter Nichtbescheidung evident vorlagen – in der vorliegenden Konstellation begründet.
Im Beschluss vom 30.03.2022 wird sodann resümiert, eine Vorfestlegung ergebe sich aus der gegebenen Verfahrenskonstellation nicht, weshalb sich aus dem weiteren Vortrag der Beklagten nicht ergebe, dass sich der abgelehnte Richter faktisch in die Stellung des Klägervertreters begeben hätte (Seite 4). Insoweit unterbleibt eine Würdigung des Beklagtenvorbringens, der abgelehnte Richter habe faktisch die Stellung des Klägers eingenommen, da sich der Kläger nach Klageerhebung nicht mehr äußern musste, der abgelehnte Richter noch nicht einmal die Teilnahme der Prozessbevollmächtigten des Klägers an der mündlichen Verhandlung für erforderlich erachtet hat und im Rahmen seines richterlichen Hinweises und der getätigten Anrufe völlig einseitig argumentiert habe. Diese Tatsachen, die die einseitige Verfahrensführung des abgelehnten Richters glaubhaft machen, bieten schon für sich gesehen Anlass dazu, die Besorgnis der Befangenheit zu begründen. Das Bundesverfassungsgericht hat es – ohne dass eine Vorbefassung vorlag– für die Besorgnis der Befangenheit bereits als ausreichend erachtet, dass der abgelehnte Richter den Eindruck einseitiger Verfahrensführung erzeugt hat (BVerfG, Beschluss vom 21.11.2018, Az. 1 BvR 436/17) und durch diese einseitige Verfahrensführung zum Berater einer Seite geworden ist (vgl. BVerwG, Beschluss vom 10.10.2017, Az. 9 A 16/16).
Die Nichtberücksichtigung des substantiierten Vortrags zur einseitigen Verfahrensführung ist für sich gesehen schon willkürlich manipulativ und lassen darauf schließen, dass die Bedeutung des Art. 101 Abs. 1 Satz 2 GG verkannt wurde. Denn hätte sich der Vorsitzende der 38. Kammer mit den glaubhaft gemachten Tatsachen der Beklagten auseinandergesetzt, hätte er zumindest darlegen müssen, warum die Anordnung des Erscheinens nur eines Beklagtenvertreters bzw. einer Beklagtenvertreterin, nicht aber der Verfahrensbevollmächtigten des Klägers sowie die Vorlage der beiden substantiierten Schriftsätze der Beklagten an den Kläger offenbar lediglich zur Kenntnis und nicht zur Stellungnahme erfolgten, nicht den Eindruck erwecken soll, dass der abgelehnte Richter faktisch in die Funktion des Klägervertreters eingetreten ist.
Selbst wenn man jedoch über eine Vorbefassung hinaus das Vorliegen weiterer besonderer Gründe verlangt, die einen Schluss auf die innere Haltung des abgelehnten Richters ermöglichen, so ist im vorliegenden Fall von einer begründeten Besorgnis der Befangenheit auszugehen. Unabhängig davon sind – auch wenn keine Vorbefassung geltend gemacht wird – andere Gründe wie die nachfolgend genannten schon für sich gesehen dazu geeignet, die Besorgnis der Befangenheit zu begründen.
Das Vorgehen des abgelehnten Richters ist bereits für sich gesehen völlig unüblich. Dass ein Beteiligter eine von dem Gericht abweichende Rechtsauffassung vertritt, gehört zum gerichtlichen Alltag. In einem solchen Fall ist es gängige Praxis, zunächst die eingereichten Schriftsätze an die Gegenseite zu übermitteln und sodann einen schriftlichen richterlichen Hinweis in sachlicher Art und Weise zu erteilen mit der Verfügung an die Beteiligten, hierzu Stellung zu nehmen. Im hiesigen Fall hat der abgelehnte Richter die Beklagtenvertreterin jedoch sofort nach Kenntniserlangung von ihrem Klageabweisungsantrag und vor dessen Weiterleitung an die Klägervertreterin angerufen und ihr sein völliges Unverständnis hierüber mitgeteilt. Dabei hat er fortlaufend mit Vehemenz versucht, sie von seiner Rechtsauffassung zu überzeugen und sogar die Auferlegung von Mutwilligkeitskosten angedroht. Die Beklagtenvertreterin war jedoch telefonisch nicht bereit, den in der Klageerwiderung gestellten Antrag nebst Begründung unter Beipflichtung der Rechtsauffassung des Vorsitzenden zurückzunehmen, mit der Folge, dass die Klageerwiderung vom 30.11.2021 der Gegenseite nicht übersandt, sondern eine neue, angepasste Klageerwiderung an das Gericht zu übersenden gewesen wäre, die das Gericht dann an die Klägerseite übermittelt hätte.
Des Weiteren fragt sich, was der Vorsitzende – außer die Beklagtenvertreterin zur mündlichen Rücknahme ihrer Klageerwiderung zu bewegen, damit diese nicht an den Kläger übermittelt werden musste, und das weitere Verfahren nach den Vorstellungen des ablehnten Richters fortzuführen – mit dem Telefonat sonst hätte bezwecken sollen. Insoweit heißt es im Beschluss vom 30.03.2022 auf Seite 5 lediglich, es bestünden keine Anhaltspunkte dafür, dass der abgelehnte Richter „einseitig Druck auf die Beklagte ausgeübt hätte“. Andere nachvollziehbare Gründe, als die Beklagte zur Kehrtwende in ihrer Prozessführung zu bewegen, sind nicht denkbar und werden weder im Rahmen der dienstlichen Äußerung noch in dem Beschluss vom 30.03.2022 dargelegt. Dass sich die Beklagtenvertreterin der Ankündigung der Verhängung von Mutwilligkeitskosten für den Fall, dass sie ihre Rechtsauffassung nicht ändert, nicht von ihrer Verfahrensführung hat abbringen lassen, heißt lediglich, dass sie sich dem Druck nicht gebeugt hat, nicht aber, dass der abgelehnte Richter nicht den Versuch unternommen hat, Druck auf sie auszuüben.
Der richterliche Hinweis vom 01.12.2021, den der Vorsitzende der 30. Kammer im Anschluss an das Telefonat verfasst haben muss, enthält im Rahmen der Darlegung der gerichtlichen Rechtsauffassung u.a. drei in Klammern gesetzte Ausrufezeichen. Diese für Gerichte unübliche und unsachliche Untermauerung der eigenen Ansicht entspricht auch der Vehemenz und der vorherigen Gesprächsatmosphäre. In dem Beschluss vom 30.03.2022 findet keine Auseinandersetzung mit der Verwendung der drei in Klammern gesetzten Ausrufezeichen im Rahmen des richterlichen Hinweises statt. Vielmehr geht dieser lediglich auf die Fettdrucke und auf – weder von der Beklagten behauptete noch in dem richterlichen Hinweis im Rahmen der rechtlichen Ausführungen vorhandene – Unterstreichungen ein (vgl. Seite 4 des Beschlusses vom 30.03.2022).
Mit Blick auf den vor der mündlichen Verhandlung getätigten Anruf des ablehnten Richters bei der Beklagtenvertreterin am 15.02.2022, in dem dieser der Beklagten unterstellt hat, sich nicht an die richterliche Auslegung von Verwaltungsakten zu halten, und sodann angekündigt hat, er wolle sie mit Blick auf die von der Beklagten aufrecht erhaltene Rechtsauffassung vorwarnen, dass er unfreundlich und der Termin unangenehm werden könnte, sind ebenfalls Tatsachen festgestellt, die die innere, unsachliche Haltung des abgelehnten Richters offenkundig machen. Allein die unsachliche Einleitung des Telefonats – die der abgelehnte Richter weder spontan im Rahmen des Termins am 17.02.2022 noch im Rahmen seiner dienstlichen Äußerung bestritten hat und somit erfolgreich glaubhaft gemacht ist – ist für sich gesehen unsachlich. Diese findet in dem Beschluss vom 30.03.2022 gar keine Erwähnung. Hinsichtlich der durch den ablehnten Richter formulierten „Vorwarnung“, er könne ggf. unfreundlich und der Termin am 17.02.2022 unangenehm werden, führt das Gericht lediglich unter Verweis auf die dienstliche Einlassung aus, der abgelehnte Richter bestreite „eine ernst gemeinte […] Androhung von Unfreundlichkeit“. Eine (kritische) Auseinandersetzung mit dieser Äußerung, die die Ankündigung von Unfreundlichkeit nicht bestreitet, sondern lediglich deren Ernsthaftigkeit, unterbleibt im Rahmen des zurückweisenden Beschlusses gänzlich. Dabei dürfte es sich bei der dargelegten Nichternsthaftigkeit der Äußerung um eine reine Schutzbehauptung handeln. Wie der abgelehnte Richter eine Äußerung zu meinen vorgibt, ist mit Blick darauf, dass es darauf ankommt, ob die Beteiligte von ihrem Standpunkt aus nach vernünftigen Erwägungen Bedenken gegen die Unparteilichkeit des Richters haben kann (vgl. Keller in: Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer/Schmidt, Sozialgesetzbuch, 13. Auflage 2020, § 60 Rn. 7), nicht an. Das Gespräch war mit Blick auf Atmosphäre und Inhalt des vorherigen Telefonats vom 01.12.2021, die Frage verbunden mit der Unterstellung, die Beklagte halte sich nicht an gerichtliche Entscheidungen (s.o.), und die erneut versuchte Druckausübung auf die Beklagtenvertreterin unter erneuter Ankündigung der Auferlegung von Mutwilligkeitskosten nicht von einer scherzhaften, lockeren Atmosphäre geprägt. Insoweit war die Ankündigung von Unfreundlichkeit im Rahmen des Termins, der ggf. unangenehm werden könne, dazu geeignet, weitere massive Zweifel an der Objektivität der Beklagten aufkommen zu lassen.
Im Weiteren findet im Rahmen des Beschlusses vom 30.03.2022 auch keine Auseinandersetzung mit der Frage statt, ob die im Rahmen der dienstlichen Stellungnahme dargelegte Aussage des abgelehnten Richters, es sei „sehr gut möglich, dass [er] gegenüber Frau V. [s]ein Unverständnis über die Rechtsauffassung [von der zuständigen Referentin] zum Ausdruck gebracht habe“ schon für sich genommen – ohne auf die von Frau V. dargelegte Wortwahl –die Besorgnis der Befangenheit auszulösen vermag. Denn dass der Richter überhaupt in einem von dem hiesigen Verfahren unabhängigen Fall gegenüber einer Prozessvertreterin und einem Prozessvertreter der Beklagten, die mit dem betreffenden Verfahren auch nie befasst waren, darauf zu sprechen kommt, dass er die Rechtsauffassung der nicht anwesenden Beklagtenvertreterin nicht nachvollziehen könne, ist für schon unsachlich und deplatziert.
Die mit weiterem Schriftsatz der Beklagten vom 15.03.2022 ergänzten Ausführungen zu ihrer Besorgnis der Befangenheit des Vorsitzenden des abgelehnten Richters mit Blick auf die Bezeichnung der Terminvertreterinnen in der Sitzungsniederschrift vom 17.02.2022 als „Die Damen Q. und U.“ und die insoweit erfolgte Abweichung von der üblichen Anrede von Terminvertreterinnen als „Frau Q. und Frau J. U.“ oder als „Regierungsrätin Q. und Oberregierungsrätin J. U.“ werden im Beschluss vom 30.03.2022 ebenfalls nicht aufgegriffen und bleiben unbeachtet. Abschließend ergibt sich aus der falschen Widergabe der Begründung des Befangenheitsantrags vom 17.02.2022, der Nichtwürdigung eines erheblichen Teils des Beklagtenvortrags und der Nichthinterfragung der dienstlichen Stellungnahme des abgelehnten Richters eine Zurückweisung des Befangenheitsgesuchs aus willkürlichen, manipulativen Erwägungen.
Folglich ist bei der Entscheidung über das Rechtsmittel eine Überprüfung des zurückgewiesenen Beschlusses vom 30.03.2022 erforderlich, da dieser unter Verletzung des grundrechtsgleichen Rechts auf den gesetzlichen Richter aus Art. 101 Abs. 1 Satz 2 SGG zustande gekommen ist. „
Die Beklagte beantragt:
Im Ergebnis ist das inhaltlich fehlerhafte Urteil vom 02.06.2022, Az. S 30 VS 29/21, das mit Blick auf die Mitwirkung des abgelehnten Richters am Sozialgericht Y. unter Verstoß gegen Art. 101 Abs. 1 Satz 2 GG ergangen ist, aufzuheben und die Klage abzuweisen“
Der Kläger beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Er verteidigt das von der Beklagten angefochtene Urteil und trägt vor:
„Wie das Sozialgericht zutreffend darauf hinweist, hat die Beklagte über den Widerspruch des Klägers vom 04.09.2014 gegen den Bescheid vom 12.08.2014 bislang weder durch den „Abhilfebescheid“ vom 30.06.2016 noch durch den Widerspruchsbescheid vom 02.12.2016 entschieden.
Das Sozialgericht hebt zurecht hervor, dass der von dem Bundesamt für das Personalmanagement der Bundeswehr in Vertretung der Beklagten erlassene und als „Abhilfebescheid“ bezeichnete Bescheid vom 30.06.2016 eine abschließende Entscheidung über den Widerspruch des Klägers nicht beinhaltet.
Eine Bescheidung liegt in Anlehnung an die Rechtsprechung des Bundessozialgerichts nur dann vor, wenn dem Widerspruch abgeholfen wird, vgl. § 85 Abs. 1 SGG (BSG, Urteil vom 13. Juli 2010 – B 8 SO 11/09 R – Rn. 15, juris; B. Schmidt, in Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer/ders., Sozialgerichtsgesetz 13. Auflage Aktenzeichen: Ac-0146/22 Frechen, 15.11.2022 - Seite 2 - 2020, § 88 Rn-4), wie das Sozialgericht zurecht darauf hinweist. Dies ist wiederum dann der Fall, wenn dem Begehren des Widerspruchsführers in vollem Umfang stattgegebenen wird. Dies ist mit dem „Abhilfebescheid“ vom 30.06.2016 nicht erfolgt. Denn der vorbenannte Bescheid hat – wie das Sozialgericht zurecht hervorhebt - lediglich einen durch den Kläger nicht eingewandten Begründungsfehler korrigiert. An einer Auseinandersetzung mit dem Widerspruchsbegehren fehlt es hingegen komplett, geschweige denn, dass dem Begehren des Klägers in vollem Umfang stattgegeben worden wäre.
Eine Entscheidung über den Widerspruch des Klägers vom 04.09.2014 ist auch nicht durch den Widerspruchsbescheid vom 02.12.2016 erfolgt. Zutreffend weist das Sozialgericht darauf hin, dass unter Berücksichtigung der Auslegungsgrundsätze nach §§ 133, 157 BGB, welche auch auf den Widerspruchsbescheid als Verwaltungsakt zu übertragen sind, weder aus der abgegebenen Erklärung noch dem ersichtlichen Erklärungswillen, für den das objektive Empfängerhorizont maßgeblich ist, deutlich wird, dass eine Auseinandersetzung mit dem Widerspruchsbegehren des Klägers erfolgt ist. Der Widerspruchsbescheid nimmt lediglich auf den Widerspruch des Klägers vom 11.07.2016 gegen den „Abhilfebescheid“ vom 30.06.2016 Bezug und nicht (auch) auf den Widerspruch des Klägers vom 04.09.2014 (vgl. BSG, Urteil vom 25.04.2007-B 12 AL 2/06R-, Rn. 18, juris).
Dass sowohl der Widerspruch vom 04.09.2014 als auch der Bescheid vom 12.08.2014 in der Begründung des Widerspruchsbescheides vom 02.12.2016 aufgeführt worden sind, ändert – wie das Sozialgericht richtigerweise hervorhebt – hieran nichts, da es sich lediglich um eine Aufführung in einer Geschichtsdarstellung handelt und nicht um eine Befassung im Rahmen der rechtlichen Würdigung. Eine ausgiebige Auseinandersetzung mit dem ursprünglichen Widerspruchsbegehren des Klägers ist nicht erkennbar.
Gegen die Auffassung der Beklagten, wonach der Bescheid vom 12.08.2014 und der Bescheid vom 30.06.2016 in einem unzertrennbaren Zusammenhang miteinander stünden, spricht – wie das Sozialgericht zurecht darauf hinweist-, dass § 86 SGG den Einfluss eines während des Widerspruchsverfahrens erlassenen Änderungsbescheides auf das Verfahren regelt, ohne die von der Beklagten vertretene Rechtsfolge zu bestimmen. Das Gesetz bezweckt, dass der neue Bescheid in das anhängige Widerspruchsverfahren einbezogen wird und über den ursprünglichen Widerspruch unter Berücksichtigung des einbezogenen Bescheides zu entscheiden ist (vgl. B. Schmidt, - Seite 3 - a.a.O., § 86 Rn. 4 f.). Wie das Sozialgericht ebenfalls zutreffend hervorhebt, erfordert dies, dass der Widerspruchsbescheid seinen Gegenstand ausreichend deutlich kennzeichnet, was gerade im Hinblick auf den Widerspruchsbescheid vom 02.12.2016 nicht der Fall ist. Dass der Kläger angesichts des oben ausgeführten maßgeblichen verobjektivierten Empfängerhorizonts irrtümlicherweise gegen den „Abhilfebescheid“ vom 30.06.2016 Widerspruch und gegen den sodann ergangenen Bescheid Klage erhoben hat, ist unerheblich. Im Übrigen wurde in der mündlichen Verhandlung am 08.10.2021, Az.: S 30 VS 62/16 nach entsprechendem Hinweis des Gerichts, wonach mit dem „Abhilfebescheid“ vom 30.06.2016 über den ursprünglichen Widerspruch des Klägers vom 04.09.2014 nicht entschieden worden sei und demzufolge das Widerspruchsverfahren noch nicht abgeschlossen sei, die Klage zurückgenommen.
Schließlich fehlt der Klage, wie das Sozialgericht ebenfalls zutreffend darauf hinweist, auch nicht das Rechtschutzbedürfnis. Unabhängig davon, ob der Bescheid vom 30.06.2016 inhaltlich zu beanstanden ist oder nicht, besteht eine Verpflichtung der Behörde, über den Widerspruch zu entscheiden. Für eine lediglich in Ausnahmefällen anzunehmende missbräuchliche Rechtsverfolgung seitens des Klägers gibt es keine Anhaltspunkte, zumal der Kläger sowohl im vorliegenden Rechtsstreit als auch im Rechtstreit, Az.: S 30 VS 62/16 glaubhaft gemacht hat, von der Möglichkeit eines zumindest teilweisen Erfolges auszugehen.
Die Entscheidung des Sozialgerichts ist auch nicht deshalb zu beanstanden, weil der Antrag auf Ablehnung des vorsitzenden Richters zu Unrecht negativ beschieden worden sei. Die Ausführungen der Beklagten zum Gesuch der Ablehnung des vorsitzenden Richters sind nicht geeignet, von der Besorgnis der Befangenheit des abgelehnten Richters auszugehen. Gemäß § 60 SGG in Verbindung mit § 42 Abs. 1 und 2 ZPO findet die Ablehnung eines Richters wegen Besorgnis der Befangenheit statt, wenn ein Grund vorliegt, der geeignet ist, Misstrauen gegen seine Unparteilichkeit zu rechtfertigen. Dies ist dann der Fall, wenn aus der Sicht des Ablehnenden genügend objektive Gründe vorliegen, die nach der Meinung einer ruhig und vernünftig denkenden Partei Anlass geben, der Richter werde in der Sache nicht mehr unparteiisch, unvoreingenommen oder unbefangen entscheiden oder der Richter habe sich in der Sache bereits festgelegt. Dies erfordert einen schlüssigen Tatsachenvortrag, der mit präsenten Beweismitteln nach § 294 Abs. 2 ZPO zu belegen ist. Dass der Richter eine freimütige oder saloppe Formulierung gewählt habe, genügt – wie das Sozialgericht zutreffend darauf hinweist - diesem Erfordernis nicht. Eine Besorgnis der Befangenheit - Seite 4 - ist z.B. angenommen worden, wenn der abgelehnte Richter von sich aus evident unsachliche oder unangemessene sowie herabsetzende und beleidigende Äußerungen tätigt. Diese begründen die Besorgnis der Befangenheit, wenn die Äußerungen des Richters den nötigen Abstand zwischen Person und Sache vermissen lassen (BSG, Beschluss vom 18.07.2007- B 13 R 28/06 R; BFH, Beschluss vom 10.03.2015-VB 108/14; Beschluss vom 21.11.1991 V B 157/91, BFH/NV 1992, 479). Dies ist – wie das Sozialgericht zutreffend darauf hinweist - dann gegeben, wenn der abgelehnte Richter den Sachvortrag eines Beteiligten z.B. als Unsinn bezeichnet. Hingegen begründet ein rechtlicher Hinweis oder eine Anregung keine Besorgnis der Befangenheit, wenn nicht ausnahmsweise unsachliche Erwägungen erkennbar sind, wobei es auf die Richtigkeit der zu Grunde gelegten Rechtsansicht nicht ankommt (BVerfG, Beschluss vom 06.05.2010 -B 4 AS 97/10 B, Rn. 6, juris). Demgegenüber kann Willkür bei groben Verhaltensverstößen, einer unsachgemäßen Verfahrensleitung, einer Untätigkeit oder einer Beeinträchtigung des richterlichen Vertrauensverhältnisses anzunehmen sein.
Unter Berücksichtigung dieser Grundsätze ist das Ablehnungsgesuch der Beklagten, wie in der Entscheidung des Sozialgerichts 30.03.2022 zutreffend aufgeführt worden ist, nicht begründet. Hinsichtlich der Einzelheiten verweise ich auf die dort aufgeführten Gründe. Sollte die Kammer eine Bezugnahme nicht für ausreichend erachten, wird höflichst um Hinweis gebeten.
Zusammenfassend ist festzuhalten, dass die Entscheidung des Sozialgerichts mangels Befangenheit des abgelehnten Richters formell nicht zu beanstanden ist. Da der Widerspruch des Klägers vom 04.09.2014 bislang nicht abschließend beschieden worden ist, weist das Urteil auch materiell-rechtlich keine Fehler auf. „
Beide Beteiligten haben einer Entscheidung durch den Berichterstatter als Einzelrichter ohne mündliche Verhandlung zugestimmt, nachdem der Berichterstatter in einem Erörterungstermin darauf hingewiesen hat, dass seines Erachtens aus den von der Beklagten dargelegten Gründen die Berufung Erfolg haben dürfte und die Sache in die erste Instanz zurückverwiesen werden dürfte, weil der nicht gesetzliche Richter entschieden hat, der Kläger aber materiell-rechtlich auf Grund der das Sozialrecht insoweit überwölbende Verhältnis als Soldat und der daraus erwachsenden Fürsorge- und Treuepflicht einen Anspruch darauf haben könnte, dass die ihm zu Unrecht vorenthaltenen 3 Monate des höheren Berufsschadensausgleichs zuerkannt werden, wozu weitere Feststellungen erforderlich seien, die von der ersten Instanz zu treffen seien.
Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf die Gerichts- und Verwaltungsakten Bezug genommen.
Entscheidungsgründe:
Gemäß § 159 SGG ist ein Urteil wegen eines wesentlichen Verfahrensfehlers und die Sache an die Vorinstanz zurückzuverweisen, wenn ein wesentlicher Verfahrensfehler vorliegt sofern die Sache nicht unabhängig davon entscheidungsreif ist.
So liegt es hier.
Denn das SG hat den Rechtsstreit unter Verstoß gegen Art. 101 GG nicht durch den gesetzlichen Richter entschieden.
Denn der an der Urteilsfällung beteiligte Vorsitzende war entgegen dem anderslautenden Beschluss des SG gemäß § 6o SGG wegen Besorgnis der Befangenheit an der weiteren Mitwirkung im Verfahren ausgeschlossen.
Das folgt schon aus dem – aktenkundigen und von der Prozessordnung des Sozialgerichtsgesetztes nicht gedeckten – Anruf des Kammervorsitzenden bei der Sachbearbeiterin der Beklagten vor dem Termin. Dieser Anruf hat nicht nur keine Grundlage in der einfach-rechtlichen Verfahrensordnung des SGG, weil dort eine Kommunikation zwischen Beteiligten und Gericht ausschließlich in Form von Schriftsätzen oder mündlich in Gerichtsterminen geregelt und zugelassen ist. Vielmehr stellt der Anruf auch einen Verstoß gegen das Verfassungsprinzip des rechtlichen Gehörs iSd Art 113 Abs. 1 GG dar, weil die Gegenseite dabei nicht (zumindest durch eine Telefonkonferenz) anwesend war. Der spätere kurze Vermerk ersetzt (wie die nachfolgenden unterschiedlichen Darstellungen über den Verlauf des Telefonats zeigen) keinen in Präsenz durchgeführte Sitzungstermin, in dem das rechtliche Gehör im Sinne des Art. 19 GG gewahrt ist.
Auf den Inhalt des Anrufs kommt es dabei nicht an. Es spielt daher keine Rolle, dass ein Hinweis auf Mutwillenskosten gem. § 192 SGG ansonsten (also im Termin oder durch schriftlichen richterlichen Hinweis) grundsätzlich keinen hinreichenden Grund für Zweifel an der Unbefangenheit des Richters begründen kann, weil das Gericht damit nur einer gesetzlich angeordneten Hinweispflicht genügt.
Denn ein einseitiges Vorgehen des Gerichts außerhalb der Verfahrensordnung gegenüber nur einer Prozesspartei begründet immer berechtigte Zweifel an seiner Unvoreingenommenheit und schließen den betreffenden Richter vom weiteren Verfahren aus.
Daher ist auch der spätere Beschluss des SG, in dem der Befangenheitsantrag der Beklagten abgewiesen wurde, ohne auf den o.g. Kerngesichtspunkt einzugehen, rechtswidrig. Der abgelehnte Vorsitzende hätte an dem weiteren Verfahren nicht mehr mitwirken dürfen. Dabei ist gleichgültig, ob die Entscheidung inhaltlich richtig oder falsch ist, weil die Rechtsstaatlichkeit als solche – zu der das Verfassungsprinzip des gesetzlichen Richters gehört – dies gebietet.
Die weiteren von der Beklagten genannten Gründe können daher dahinstehen.
In der Sache ist keine abschließende Entscheidung möglich, so dass unter Wahrung der berechtigten Interessen der Beteiligten am Erhalt aller Tatsacheninstanzen eine Zurückverweisung an das erstinstanzliche Gericht erforderlich ist.
Denn zwar trifft die rechtliche Würdigung der ergangenen Bescheide durch die Beklagte zu, durch die die Ausführungen des erstinstanzlichen Urteils in vollem Umfang widerlegt sind.
Es kann daher zur Begründung dieses Urteils in vollem Umfang auf die Ausführungen der Beklagten in ihrem Berufungsvorbringen Bezug genommen werden.
Die gegenteilige Auffassung des Klägers erschöpft sich demgegenüber in einer bloßen Widergabe des erstinstanzlichen Urteils, ohne auf die überzeugenden Darlegungen der Beklagten inhaltlich einzugehen. Eine weitere gerichtliche Würdigung des Berufungsvorbringens des Klägers ist daher entbehrlich.
Dennoch ist ein entscheidender Gesichtspunkt offen geblieben, der weitere Feststellungen erfordert: Denn insofern ist zu berücksichtigen, dass dem Kläger die streitbefangenen Monats-Beträge höheren Berufsschadensausgleichs auch auf Gründen zustehen können, die vom Streitgegenstand der bestandskräftig gewordenen Bescheide nicht erfasst sind.
Dies kann sich insbesondere aus übergeordneten Gründen der zwischen dem Kläger als ehemaligen Soldaten und der Beklagten bestehenden besonderen Treuepflicht ergeben, soweit tatsächlich die irreführende Fassung des am Anfang des rechtlichen Konflikts stehenden Bescheides noch (mit-)ursächlich für die späteren Rechtsnachteile des Klägers war und eine umfassende Abwägung unter Würdigung der individuellen Verhältnisse und Erkenntnismöglichkeiten des Klägers ergibt, dass ihm insoweit kein maßgebliches Mitverschulden in Bezug auf die eigenen Obliegenheiten trifft.
Diese Frage aber hängt von eingehenden tatrichterlichen Ermittlungen ab, hinsichtlich derer dem Kläger beide Tatsacheninstanzen erhalten bleiben müssen. Unter Abwägung der Interessen der Beteiligten ist daher die Zurückverweisung gemäß § 159 SGG – mit der sie auch einverstanden sind – sachgerecht. Dabei wird das SG zu berücksichtigen haben, dass der abgelehnte Vorsitzende weiterhin vom Verfahren ausgeschlossen ist.
Rechtsmittelbelehrung:
Dieses Urteil kann nur dann mit der Revision angefochten werden, wenn sie nachträglich vom Bundessozialgericht zugelassen wird. Zu diesem Zweck kann die Nichtzulassung der Revision durch das Landessozialgericht mit der Beschwerde angefochten werden.
Die Beschwerde ist von einem bei dem Bundessozialgericht zugelassenen Prozessbevollmächtigten innerhalb eines Monats nach Zustellung des Urteils schriftlich oder in elektronischer Form beim
Bundessozialgericht, Postfach 41 02 20, 34114 KasseloderBundessozialgericht, Graf-Bernadotte-Platz 5, 34119 Kassel
einzulegen.
Die Beschwerdeschrift muss bis zum Ablauf der Monatsfrist bei dem Bundessozialgericht eingegangen sein.
Die elektronische Form wird durch Übermittlung eines elektronischen Dokuments gewahrt, das für die Bearbeitung durch das Gericht geeignet ist und
- von der verantwortenden Person qualifiziert elektronisch signiert ist und über das Elektronische Gerichts- und Verwaltungspostfach (EGVP) eingereicht wird oder
- von der verantwortenden Person signiert und auf einem sicheren Übermittlungsweg gem. § 65a Abs. 4 Sozialgerichtsgesetz (SGG) eingereicht wird.
Weitere Voraussetzungen, insbesondere zu den zugelassenen Dateiformaten und zur qualifizierten elektronischen Signatur, ergeben sich aus der Verordnung über die technischen Rahmenbedingungen des elektronischen Rechtsverkehrs und über das besondere elektronische Behördenpostfach (Elektronischer-Rechtsverkehr-Verordnung -ERVV) in der jeweils gültigen Fassung. Weitergehende Informationen zum elektronischen Rechtsverkehr können über das Internetportal des Bundessozialgerichts (www.bsg.bund.de) abgerufen werden.
Als Prozessbevollmächtigte sind nur zugelassen
- jeder Rechtsanwalt,
- Rechtslehrer an einer staatlichen oder staatlich anerkannten Hochschule eines Mitgliedsstaates der Europäischen Union, eines anderen Vertragsstaates des Abkommens über den Europäischen Wirtschaftsraum oder der Schweiz, die die Befähigung zum Richteramt besitzen,
- selbständige Vereinigungen von Arbeitnehmern mit sozial- oder berufspolitischer Zwecksetzung für ihre Mitglieder,
- berufsständische Vereinigungen der Landwirtschaft für ihre Mitglieder,
- Gewerkschaften und Vereinigungen von Arbeitgebern sowie Zusammenschlüsse solcher Verbände für ihre Mitglieder oder für andere Verbände oder Zusammenschlüsse mit vergleichbarer Ausrichtung und deren Mitglieder,
- Vereinigungen, deren satzungsgemäße Aufgaben die gemeinschaftliche Interessenvertretung, die Beratung und Vertretung der Leistungsempfänger nach dem sozialen Entschädigungsrecht oder der behinderten Menschen wesentlich umfassen und die unter Berücksichtigung von Art und Umfang ihrer Tätigkeit sowie ihres Mitgliederkreises die Gewähr für eine sachkundige Prozessvertretung bieten, für ihre Mitglieder,
- juristische Personen, deren Anteile sämtlich im wirtschaftlichen Eigentum einer der vorgenannten Organisationen stehen, wenn die juristische Person ausschließlich die Rechtsberatung und Prozessvertretung dieser Organisation und ihrer Mitglieder oder anderer Verbände oder Zusammenschlüsse mit vergleichbarer Ausrichtung und deren Mitglieder entsprechend deren Satzung durchführt, und wenn die Organisation für die Tätigkeit der Bevollmächtigten haftet.
Die vorgenannten Vereinigungen, Gewerkschaften und juristischen Personen müssen durch Personen mit Befähigung zum Richteramt handeln. Behörden und juristische Personen des öffentlichen Rechts einschließlich der von ihnen zur Erfüllung ihrer öffentlichen Aufgaben gebildeten Zusammenschlüsse sowie private Pflegeversicherungsunternehmen können sich durch eigene Beschäftigte mit Befähigung zum Richteramt oder durch Beschäftigte mit Befähigung zum Richteramt anderer Behörden oder juristischer Personen des öffentlichen Rechts einschließlich der von ihnen zur Erfüllung ihrer öffentlichen Aufgaben gebildeten Zusammenschlüsse vertreten lassen.
Ein Beteiligter, der zur Vertretung berechtigt ist, kann sich selbst vertreten. Handelt es sich dabei um eine der vorgenannten Vereinigungen, Gewerkschaften oder juristischen Personen, muss diese durch Personen mit Befähigung zum Richteramt handeln.
Die Beschwerde ist innerhalb von zwei Monaten nach Zustellung des Urteils von einem zugelassenen Bevollmächtigten schriftlich oder in elektronischer Form zu begründen.
In der Begründung muss die grundsätzliche Bedeutung der Rechtssache dargelegt oder die Entscheidung des Bundessozialgerichts, des Gemeinsamen Senats der obersten Gerichtshöfe des Bundes oder des Bundesverfassungsgerichts, von der das Urteil abweicht, oder ein Verfahrensmangel, auf dem die angefochtene Entscheidung beruhen kann, bezeichnet werden. Als Verfahrensmangel kann eine Verletzung der §§ 109 und 128 Abs. 1 Satz 1 Sozialgerichtsgesetz nicht und eine Verletzung des § 103 Sozialgerichtsgesetz nur gerügt werden, soweit das Landessozialgericht einem Beweisantrag ohne hinreichende Begründung nicht gefolgt ist.
Für die Beschwerde gegen die Nichtzulassung der Revision kann ein Beteiligter, der nicht schon durch die oben genannten Vereinigungen, Gewerkschaften oder juristischen Personen vertreten ist, Prozesskostenhilfe zum Zwecke der Beiordnung eines Rechtsanwalts beantragen.
Der Beteiligte kann die Prozesskostenhilfe selbst beantragen. Der Antrag ist beim Bundessozialgericht entweder schriftlich oder in elektronischer Form einzureichen oder mündlich vor dessen Geschäftsstelle zu Protokoll zu erklären.
Dem Antrag sind eine Erklärung des Beteiligten über seine persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse (Familienverhältnisse, Beruf, Vermögen, Einkommen und Lasten) sowie entsprechende Belege beizufügen. Hierzu ist der für die Abgabe der Erklärung vorgeschriebene Vordruck zu benutzen. Der Vordruck kann von allen Gerichten oder durch den Schreibwarenhandel bezogen werden.
Wird Prozesskostenhilfe bereits für die Einlegung der Beschwerde begehrt, so müssen der Antrag und die Erklärung über die persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse - gegebenenfalls nebst entsprechenden Belegen - bis zum Ablauf der Frist für die Einlegung der Beschwerde (ein Monat nach Zustellung des Urteils) beim Bundessozialgericht eingegangen sein.
Mit dem Antrag auf Prozesskostenhilfe kann ein zur Vertretung bereiter Rechtsanwalt benannt werden.
Ist dem Beteiligten Prozesskostenhilfe bewilligt worden und macht er von seinem Recht, einen Anwalt zu wählen, keinen Gebrauch, wird auf seinen Antrag der beizuordnende Rechtsanwalt vom Bundessozialgericht ausgewählt.
Der Beschwerdeschrift und allen folgenden Schriftsätzen sollen Abschriften für die übrigen Beteiligten beigefügt werden.
Das Bundessozialgericht bittet darüber hinaus um je zwei weitere Abschriften.
Schriftlich einzureichende Anträge und Erklärungen, die durch einen Rechtsanwalt, durch eine Behörde oder durch eine juristische Person des öffentlichen Rechts einschließlich der von ihr zur Erfüllung ihrer öffentlichen Aufgaben gebildeten Zusammenschlüsse eingereicht werden, sind als elektronisches Dokument zu übermitteln. Ist dies aus technischen Gründen vorübergehend nicht möglich, bleibt die Übermittlung nach den allgemeinen Vorschriften zulässig. Die vorübergehende Unmöglichkeit ist bei der Ersatzeinreichung oder unverzüglich danach glaubhaft zu machen; auf Anforderung ist ein elektronisches _ Dokument nachzureichen. Gleiches gilt für die nach dem Sozialgerichtsgesetz vertretungsberechtigten Personen, für die ein sicherer Übermittlungsweg nach § 65a Abs. 4 Nr. 2 SGG zur Verfügung steht (§ 65d SGG).