L 1 BA 27/20

Land
Berlin-Brandenburg
Sozialgericht
LSG Berlin-Brandenburg
Sachgebiet
Betriebsprüfungen
Abteilung
1.
1. Instanz
SG Berlin (BRB)
Aktenzeichen
S 224 KR 2491/14
Datum
2. Instanz
LSG Berlin-Brandenburg
Aktenzeichen
L 1 BA 27/20
Datum
3. Instanz
-
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil

Die Berufung wird zurückgewiesen.

 

Die Klägerin trägt auch die Kosten des Berufungsverfahrens mit Ausnahme der außergerichtlichen Kosten der Beigeladenen, für welche diese jeweils selbst aufzukommen haben.

 

Die Revision wird nicht zugelassen.

 

 

 

Tatbestand

 

Klagegegenstand ist primär ein Prüfbescheid der Beklagten, in dem Sozialversicherungsbeiträge, Umlagen und Säumniszuschläge in Höhe von (zuletzt) 12.005,04 € für die Zeit von Februar 2012 bis Oktober 2012 sowie von Mai 2013 bis Oktober 2013 nachgefordert werden. Der Sache nach steht die Tätigkeit des Beigeladenen zu 1 (nachfolgend nur noch: „der Beigeladene“) als Detektiv/Sicherheitskraft für die Klägerin, die einen Sicherungsdienst betreibt, im Streit. Die Klägerin und der Beigeladene, der damals den Nachnamen O führte, schlossen unter dessen Firma C Security am 16. März 2009 einen „Subunternehmervertrag (Dienstleistungsvertrag)“. Dieser enthielt auszugsweise folgende Regelungen:

 

„§ 1 Vertragspflichten

  1. Der Hauptunternehmer betraut den Subunternehmer mit der Aufgabe, für ihn, den Auftraggeber, Wach- und Sicherheitsleistung zu erbringen.
  2. Vertragspflichten sind die im einzelnen nachfolgend aufgeführten Dienstleistungen, welche der Subunternehmer mit dem Hauptunternehmer im einzelnen abzustimmen hat:
  1. Ein- und Ausgangsüberwachung
  2. Personenkontrolle und –überwachung
  3. Herstellung der Ordnung in den zu bewachenden Räumlichkeiten
  4. Diebstahlsüberwachung, insbesondere durch Überwachung der Diebstahlssicherungsanlagen, Kameraüberwachung / Video, persönliche Observation der Kunden in den zu überwachenden Räumen und auf den Flächen des Auftraggebers des Hauptunternehmers
  5. Realisierung der vorgegebenen Weisungen des Hauptunternehmers zur Aufstellung von Spiegeln, Überwachungskameras o.ä. Sicherheitseinrichtungen
  6. Erstellung von notwendigen Strafanzeigen in Abstimmung mit dem Hauptunternehmer
  7. Einsatz von engagierten, berufserfahrenen Wachmännern und Detektiven, die den in § 3 genannten Voraussetzungen genügen
  8. vorbildliches Auftreten und gewandte Umgangsformen der Mitarbeiter

(…)

§ 2 Einsatzzeiten

  1. Die Einsatzpläne sind vom Subunternehmer gemäß den für den Auftraggeber gegenüber seinem eigenen Auftraggeber geltenden Einsatzplänen mit dem Hauptunternehmer für jeden Monat am Ende des vorangegangenen Monats abzustimmen.
  2. In den Einsatzplänen werden Personaleinsatz und die genauen Dienstzeiten festlegt. Der Auftraggeber verpflichtet sich, diese Aufgaben zu erfüllen, bei Ausfall der eingesetzten Fachkräfte ist der Auftraggeber verpflichtet, unverzüglich den Auftraggeber zu benachrichtigen sowie unverzüglich für Ersatz zu sorgen.
  3. Bei Beginn und Ende der Überwachungstätigkeit ist sowohl der Hauptunternehmer, als auch die Geschäftsleitung von dessen Auftraggeber zu verständigen. Dies ist Voraussetzung für die Erstellung der Stundennachweise.

 

§ 3 Mitarbeiter

  1. Der Auftragnehmer führt die Tätigkeiten in eigener Verantwortung durch. Setzt der Auftraggeber eigene Mitarbeiter ein, so handelt es sich dabei um dessen Mitarbeiter, (…)
  2. Der Einsatz von Subunternehmern ist nur mit vorherigem schriftlichem Einverständnis des Hauptunternehmers möglich.

(…)

§ 10 Sonstige Bestimmungen

  1. Der Subunternehmer versichert, dass er selbständig tätig ist, als Selbständiger am Wirtschaftsleben teilnimmt. Er versichert ferner, dass er auch andere Aufträge von anderen Auftraggebern bedient und sich um solche bewirbt. Er versichert ferner, dass er einen eigenen Betrieb mit eigenem Büro unterhält.

(…)“

 

Der Beigeladene wurde in der Folgezeit auf Grundlage dieses Subunternehmer-vertrages für die Klägerin tätig. Die Vergütung wurde dabei schrittweise erhöht. Zunächst war nach § 5 Nr. 1 des Vertrages je Einsatzstunde 9,50 € netto vereinbart. Der Vergütungssatz wurde später bis auf 13,00 € netto pro Stunde erhöht.

 

Unter dem 30. Januar 2012 schlossen die Klägerin und der Beigeladene ferner einen als „Arbeitsvertrag - geringfügige Beschäftigung“ bezeichneten Vertrag, der auszugsweise folgende Regelungen enthielt:

 

„§ 1 Art der Tätigkeit

  1. Der Arbeitnehmer wird ab dem 01.02.2012 als Sicherheitsmitarbeiter zur Aushilfe auf Basis einer geringfügigen Beschäftigung eingestellt.
  2. Der Arbeitnehmer verpflichtet sich, dem Arbeitgeber seine volle Arbeitskraft zur Verfügung zu stellen sowie die ihm übertragenen Aufgaben nach bestem Gewissen und unter Einsatz aller seiner Fähigkeiten auszuführen.

(…)

§ 3 Arbeitszeit

  1. Die Arbeitszeit beträgt entsprechend der geltenden Bestimmungen für geringfügige Beschäftigte maximal 35 Stunden monatlich. Die Einteilung richtet sich nach den betrieblichen Regelungen unter besonderer Berücksichtigung der Erfordernisse des Betriebes.
  2. Der Arbeitnehmer hat keinen Anspruch auf die volle Stundenzahl. Die Parteien sind sich darüber einig, dass ein Einsatz nur nach Bedarf erfolgt, welcher durch den Arbeitgeber festgelegt wird.

 

§ 4 Vergütung

  1. Der Arbeitnehmer erhält einen Monatslohn von 400,00 € (brutto = netto).
    (…)

§ 6 Urlaub und Vergütungsfortzahlung im Krankheitsfall

  1. Die Parteien sind sich einig, dass der Arbeitnehmer keinerlei Anspruch auf die Gewährung von Urlaub hat.
  2. Bei Arbeitsunfähigkeit entfällt jegliche Entgeltfortzahlung durch den Arbeitgeber.

(…).“

 

Auch nach Abschluss des Vertrages über die geringfügige Beschäftigung rechnete der Beigeladene weiterhin Stunden auf Grundlage des Subunternehmervertrages ab. Beispielsweise stellte er für die Zeit vom 13. August 2012 bis 31. August 2012 der Klägerin 118,75 Stunden in Rechnung. In dieser Zeit war er für diese insgesamt 153,75 Stunden tätig. Den entsprechenden Stundenabrechnungen der Klägerin für diesen Zeitraum ist keine Aufteilung nach Stunden im Rahmen des Subunternehmervertrages und nach Stunden im Rahmen des Vertrages über die geringfügige Beschäftigung zu entnehmen.

 

Am 12. September 2012 führte das Hauptzollamt Stuttgart eine Kontrolle im Sicherheitsdienstleistungsgewerbe in der Kstraße in S durch und kontrollierte u. a. die Sicherheitskräfte in der S-Filiale im K. Dabei wurde auch der Beigeladene angetroffen.

 

Im Oktober 2012 wurde über das Unternehmen CSecurity e. K. das Insolvenzverfahren eröffnet. Der Beigeladene war aber weiterhin für die Klägerin mehr als 35 Stunden pro Monat tätig.

 

Im Rahmen weiterer Ermittlungen des Hauptzollamtes Berlin kreuzte der Beigeladene im Fragebogen zur Selbständigkeit auf die Frage „Beschäftigen Sie Arbeitnehmer bzw. Auszubildende?“ sowohl „nein“ wie „ja“ an und gab an, 2011 zwei Arbeitnehmer gehabt zu haben. Er sei nicht nur für einen Auftraggeber tätig. Weisungen würden ihm bedingt durch die Arbeitsabläufe nicht erteilt. Auch bei der Frage „Arbeiten Sie mit Ihrem eigenen Werkzeug/Material?“ kreuzte er sowohl „ja“ wie „nein“ an. Er könne zur Erfüllung des Auftrages/Vertrages einen Stellvertreter entsenden. Bei seiner Vernehmung als Zeuge durch das Hauptzollamt Berlin am 14. Oktober 2013 – bei der er allerdings die Unterschrift unter das Protokoll verweigerte – gab er an, als geringfügig Beschäftigter habe er Schulungsmaßnahmen durchgeführt. Er habe zum Beispiel neue Mitarbeiter eingewiesen und angelernt. Soweit er als Sicherheitskraft tätig gewesen sei, habe er eine Rechnung geschrieben. Auf den Vorhalt, den Rechnungen beispielsweise für August 2012 für die Tätigkeit in S könne eine solche Unterscheidung nicht entnommen werden, entgegnete er, er habe auch dort Schulungen gemacht. Er müsse nicht belegen, was er gemacht habe.

 

Im Schlussbericht des Hauptzollamtes Berlin für die Staatsanwaltschaft Berlin im Rahmen des Ermittlungsverfahrens gegen den damaligen Geschäftsführer der Klägerin vom 22. Mai 2014 wird ausgeführt, die Aussage des Beigeladenen, nur Schulungsmaßnahmen als geringfügig Beschäftigte ausgeführt zu haben, sei nicht nachvollziehbar. Denn mit Rechnung vom 12. Juni 2012 werde die Einweisung einer Sicherheitskraft und mit Rechnung vom 08. August 2013 Schulungen abgerechnet

Auf Grundlage der Ermittlungen des Hauptzollamtes Berlin führte die Beklagte bei der Klägerin ein Prüfverfahren nach § 28p Abs. 1 Sozialgesetzbuch Viertes Buch (SGB IV) i. V. m. § 2 Abs. 2 Schwarzarbeitsbekämpfungsgesetz für die Zeit von Februar 2012 bis Oktober 2013 durch. Im Rahmen ihrer Anhörung trug die Klägerin vor, der Beigeladene sei über seine geringfügige Beschäftigung hinaus nicht als Scheinselbständiger für sie tätig gewesen. Dies ergebe sich bereits aus dem Subunternehmervertrag. Danach sei der Beigeladene in seiner Entscheidung völlig frei, ob und welche Aufträge er annehme. Im Jahr 2012 habe der mit der Klägerin erzielte Umsatz des Beigeladenen lediglich ca. 25 % des Gesamtumsatzes betragen. Eine persönliche Abhängigkeit und Weisungsgebundenheit des Beigeladenen zu ihr habe nicht bestanden. Der Beigeladene sei auch nicht verpflichtet gewesen, die Dienstleistung persönlich zu erbringen. Seine geringfügige Beschäftigung bei ihr sei von der selbständigen Tätigkeit zu trennen.

 

Mit Bescheid vom 18. Juni 2014 forderte die Beklagte von der Klägerin Beiträge zur Sozialversicherung sowie Umlagebeträge in Höhe von insgesamt 12.456,35 € einschließlich Säumniszuschlägen in Höhe von 1.563,00 € nach. Zur Begründung führte sie u. a. aus, solange der Beigeladene noch eigene Arbeitnehmer nicht nur geringfügig beschäftigt habe, sei aufgrund des zumindest bestehenden entsprechenden Unternehmerrisikos von Selbständigkeit auszugehen. Mit der Abmeldung des letzten Arbeitnehmers und dem erneuten Beginn einer eigenen geringfügigen Beschäftigung im Februar 2012 seien die Voraussetzungen für das Vorliegen einer selbständigen Tätigkeit neben der geringfügigen Beschäftigung nicht mehr gegeben. Die Tätigkeit sei einheitlich zu betrachten. Mit Beginn der geringfügigen Tätigkeit habe sich der Beigeladene in die Arbeitsabläufe der Klägerin eingegliedert und sei an deren Weisungen gebunden gewesen. Die bewusste Nichtabführung von Beiträgen aus dem gezahlten Entgelt sei zumindest bedingt vorsätzlich erfolgt.

 

Das Strafverfahren gegen den damaligen Geschäftsführer der Klägerin ist im September 2014 nach § 153 Abs. 1 Strafprozessordnung eingestellt worden.

 

Die Klägerin beglich die Nachforderung und erhob Widerspruch, den die Beklagte mit Widerspruchsbescheid vom 04. Dezember 2014 zurückwies. Zu dessen Begründung führte die Beklagte ergänzend aus, der Beigeladene habe eine nach Dauer der Arbeitsleistung bemessene Vergütung erhalten. Ein Unternehmerrisiko sei deshalb nicht zu erkennen. Der Beigeladene sei zwar frei gewesen, Aufträge anzunehmen oder abzulehnen. Bei Annahme sei jedoch eine Eingliederung in die Arbeitsorganisation erfolgt. Der Umfang der mit der Tätigkeit erzielten Einnahmen spiele für die Abgrenzungsfrage einer abhängigen Beschäftigung keine Rolle.

 

Hiergegen hat die Klägerin am 24. Dezember 2014 Klage beim Sozialgericht Berlin (SG) erhoben. Zu deren Begründung hat sie ergänzend u. a. ausgeführt, eine vollständige Übernahme als Arbeitnehmer habe der Beigeladene stets mit der Begründung abgelehnt, er wolle seine unternehmerische Selbständigkeit und Unabhängigkeit bewahren. Im Jahre 2012 habe er für die Klägerin lediglich 30 von insgesamt 189 Aufträgen ausgeführt. Er sei auch stets selbst werbend am Markt tätig gewesen und habe aktiv Kunden akquiriert.

 

Mit Bescheid vom 13. Februar 2020 hat die Beklagte den Bescheid vom 18. Juni 2014 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 04. Dezember 2014 abgeändert und die Nachforderung auf insgesamt 12.005,04 € reduziert, einschließlich von Säumniszuschlägen in Höhe von 1.523,50 €.

 

In der mündlichen Verhandlung vor dem SG am 20. Februar 2020 ist der Beigeladene zu den für die Klägerin ausgeführten Tätigkeiten angehört worden. Insoweit wird auf die Sitzungsniederschrift vom 20. Februar 2021 Bezug genommen. Mit Urteil vom selben Tag hat das SG die Klage abgewiesen: Die Beklagte sei als für die Prüfung bei Arbeitgebern zuständige Einrichtung befugt gewesen, die von der Hauptzollverwaltung durchgeführten Ermittlungen mit einer eigenen nach § 28p Abs. 1 Satz 1 und 5 SGB IV zu verbinden, was die Übernahme der Ermittlungsergebnisse der Prüfung nach § 2 Abs. 1 Satz 1 Schwarzarbeitsbekämpfungsgesetz beinhalte. Die Beklagte könne sich auch im Rahmen ihres pflichtgemäßen Ermessens zur Ermittlung des Sachverhaltes nach §§ 20 Abs. 1 Satz 2, 1. Halbsatz, 21 Abs. 1 Satz 1 Sozialgesetzbuch Zehntes Buch (SGB X) auf eine Prüfung der vom Hauptzollamt sichergestellten Unterlagen beschränken.

 

Von einer (abhängigen) Beschäftigung des Beigeladenen sei auszugehen. Seine Tätigkeit bei der Klägerin könne nicht in eine abhängige und eine selbständige aufgespalten werden. Obwohl die Vertragspartner ausweislich des schriftlichen Subunternehmer-Vertrages eine selbständige Tätigkeit vereinbart hätten, überwögen unter Berücksichtigung der tatsächlichen Umsetzung des Subunternehmervertrages die für eine abhängige Beschäftigung sprechenden Umstände. Die Tätigkeit im Rahmen der geringfügigen Beschäftigung im Umfang von monatlich 35 Stunden lasse sich nicht von der diesen Umfang übersteigenden Tätigkeit trennen. Zwar habe der Beigeladene in der mündlichen Verhandlung ausgeführt, im Rahmen der geringfügigen Beschäftigung lediglich Schulungsmaßnahmen durchgeführt zu haben und als Selbständiger als Detektiv tätig gewesen zu sein. Diese Tätigkeiten ließen sich jedoch weder örtlich, zeitlich noch inhaltlich klar voneinander trennen. So habe er angegeben, im Rahmen eines Einsatzes durchgängig als Mitarbeiter der Klägerin aufgetreten zu sein. Im Rahmen desselben Einsatzes – also am gleichen Tag und am gleichen Ort – sei er als Detektiv tätig gewesen und habe Schulungsmaßnahmen durchgeführt. Auch wenn beides zeitlich getrennt stattgefunden haben möge, liege doch nach außen hin eine einheitliche Tätigkeit vor. Dass die Klägerin und der Beigeladene von einer einheitlichen Tätigkeit ausgegangen seien, zeige die Stundenabrechnung der Klägerin für den Beigeladenen für den Zeitraum vom 13. August 2012 bis 31. August 2012. Eine Aufteilung der 153,75 Arbeitsstunden danach, ob es sich um Tätigkeiten als Detektiv oder um Schulungsmaßnahmen gehandelt habe, finde dort nicht statt. Dass die Tätigkeit des Beigeladenen als geringfügig Beschäftigter nicht anders habe behandelt werden sollen als die selbständig abgerechnete Tätigkeit, zeige sich zudem an den vertraglichen Vereinbarungen. Sowohl im Subunternehmervertrag als auch im Arbeitsvertrag sei geregelt gewesen, dass der Beigeladene nur für die tatsächlich geleistete Tätigkeit eine Vergütung erhalten sollte. Auch als geringfügig Beschäftigter sollte ihm kein Anspruch auf bezahlten Urlaub oder Lohnfortzahlung im Krankheitsfall zustehen. Selbst wenn zwischen Schulungs- und Detektivarbeiten differenziert werden könnte, überwögen zudem die für eine abhängige Beschäftigung entsprechenden Umstände.

 

Die Verpflichtung der Beklagten Säumniszuschläge festzusetzen, folge aus § 24 Abs. 1 SGB IV. Es bestünden keine überwiegenden Bedenken, dass die Beklagte nicht von einer unverschuldeten Nichtentrichtung der Beiträge durch die Klägerin im Sinne des § 24 Abs. 2 SGB IV ausgegangen sei.

 

Soweit die Klägerin von der Beklagten auch die Zahlung von 12.456,35 € fordere, sei die Klage unbegründet. Der Klägerin stünde ein Erstattungsanspruch nach § 26 Abs. 2 SGB IV nur in Höhe von 451,26 € und nur gegen die Beigeladene zu 2. als Einzugsstelle zu, hingegen nicht gegen die Beklagte. Soweit überdies Zinsen begehrt würden, sei die Klage bereits unzulässig. Denn insoweit bedürfe es zunächst einer Verwaltungsentscheidung über den geltend gemachten Zinsanspruch.

 

Gegen diese der Klägerbevollmächtigten am 03. März 2020 Entscheidung richtet sich die Berufung der Klägerin vom 01. April 2020. Zu deren Begründung trägt sie vor, die Beklagte habe sich ermessensfehlerhaft auf die Verwertung der durch das Hauptzollamt ermittelten Umstände beschränkt. Sie habe es versäumt, den Beigeladenen anzuhören. Auch sei das SG zu Unrecht davon ausgegangen, dass die geringfügige abhängige Beschäftigung und die selbständige Tätigkeit nicht trennbar seien. Dass Gegenteiliges der Fall sei, ergebe sich bereits daraus, dass es theoretisch denkbar gewesen wäre, die unterschiedlichen Tätigkeiten bei verschiedenen Betrieben auszuführen. Nur zufällig sei hier die Klägerin als Auftraggeberin auch Arbeitgeberbetrieb gewesen. Als Selbständiger habe der Beigeladene nach seinen eingehenden Schilderungen keinem Weisungsrecht unterlegen. Er habe zudem ein eigenes Unternehmerrisiko getragen, da er mehreren Auftraggebern gegenüber verpflichtet gewesen sei. Soweit das Sozialgericht auch Regelungen des Arbeitsvertrags als Indizien angeführt habe, sei die Argumentation nicht nachvollziehbar. Unberücksichtigt geblieben sei, dass der Beigeladene ein eigenes Gewerbe geführt habe. Dieser habe weitere Kunden gehabt. Dessen steuerliche Abrechnungen und Behandlung wäre rückwirkend falsch.

 

Die Klägerin beantragt,

 

das Urteil des Sozialgerichts Berlin vom 20. Februar 2020 sowie den Bescheid der Beklagten vom 18. Juni 2014 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 4. Dezember 2014 in der Fassung des Bescheides vom 13. Februar 2020 aufzuheben und die Beigeladene zu 2 zu verurteilen, an die Klägerin 12.005,04 € zu zahlen.

 

 

Die Beklagte beantragt,

 

die Berufung zurückzuweisen.

 

Sie weist daraufhin, dass der Beigeladene bereits am 14. Oktober 2013 vor dem Hauptzollamt Berlin vernommen worden sei.

Die Beigeladenen stellen keine Anträge.

 

Die Beigeladene zu 2 hat mitgeteilt, dass die Beitragsüberzahlung i. H. v. 451,26 € am 8. April 2020 an die Klägerin erstattet worden ist.

 

Auf die genannten Unterlagen wird ergänzend Bezug genommen. Der Verwaltungsvorgang der Beklagten hat zur mündlichen Verhandlung vorgelegen und ist Gegenstand der Erörterung gewesen.

 

Entscheidungsgründe

 

Der Berufung muss Erfolg versagt bleiben. Das SG hat die Klage zu Recht abgewiesen. Der streitgegenständliche Bescheid vom 18. Juni 2014 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 04. Dezember 2014 sowie des Bescheides vom 13. Februar 2020 ist rechtmäßig und verletzt die Klägerin nicht in ihren Rechten.

 

Rechtsgrundlage des angefochtenen Bescheides ist § 28p Abs. 1 S. 5 SGB IV. Danach erlassen die Träger der Rentenversicherung im Rahmen ihrer Prüftätigkeit (§ 28p Abs. 1 S. 1 SGB IV) Verwaltungsakte zur Versicherungspflicht und Beitragshöhe in der Kranken-, Pflege- und Rentenversicherung sowie nach dem Recht der Arbeitsförderung einschließlich der Widerspruchsbescheide gegenüber den Arbeitgebern. Diese Vorschrift findet nach § 10 Aufwendungsausgleichsgesetz (AAG) und § 359 Sozialgesetzbuch Drittes Buch (SGB III) auch auf die Erhebung von Umlagen nach dem AAG und die Insolvenzgeldumlage Anwendung.

 

Mit Recht ist die Beklagte in dem angefochtenen Bescheid von einer Versicherungs- und Umlagepflicht für den Beigeladenen ausgegangen. Nach § 5 Abs. 1 Nr. 1 Fünftes Buch Sozialgesetzbuch (SGB V), § 1 Nr. 1 Sechstes Buch Sozialgesetzbuch (SGB VI), § 20 Abs. 1 Nr. 1 Elftes Buch Sozialgesetzbuch (SGB XI) sowie § 25 Abs. 1 S. 1 Drittes Buch SGB III unterliegen Personen, die gegen Arbeitsentgelt beschäftigt sind, der Versicherungspflicht in der gesetzlichen Renten-, Kranken- und Pflegeversicherung sowie nach dem Recht der Arbeitsförderung. Für beschäftigte Arbeitnehmer sind auch Umlagebeträge nach § 7 AAG und § 358 Abs. 2 SGB III zu zahlen.

 

Die danach für den Eintritt von Versicherungspflicht in der Renten-, Kranken- und Pflegeversicherung, nach dem Recht der Arbeitsförderung sowie für die Umlagepflicht erforderliche Beschäftigung wird in § 7 Abs. 1 SGB IV definiert. Beschäftigung ist die nichtselbständige Arbeit, insbesondere in einem Arbeitsverhältnis. Anhaltspunkte für eine Beschäftigung sind nach § 7 Abs. 1 S. 2 SGB IV eine Tätigkeit nach Weisungen und eine Eingliederung in die Arbeitsorganisation des Weisungsgebers.

 

Abzugrenzen ist die eine Versicherungspflicht begründende abhängige Beschäftigung von einer selbständigen Tätigkeit. Nach der Rechtsprechung des Bundessozialgerichts (BSG) liegt eine Beschäftigung vor, wenn die Tätigkeit in persönlicher Abhängigkeit erbracht wird. Dieses Merkmal ist bei einer Beschäftigung in einem fremden Betrieb gegeben, wenn der Beschäftigte in den Betrieb eingegliedert ist und mit seiner Tätigkeit einem Zeit, Dauer, Ort und Art der Ausführung erfassenden Weisungsrecht unterliegt. Dabei kann sich die Weisungsgebundenheit insbesondere bei Diensten höherer Art zu einer funktionsgerecht dienenden Teilhabe am Arbeitsprozess verfeinern. Dagegen ist eine selbständige Tätigkeit durch ein eigenes Unternehmerrisiko, das Vorhandensein einer eigenen Betriebsstätte, die Verfügungsmöglichkeit über die eigene Arbeitskraft und die im Wesentlichen freie Gestaltung von Tätigkeit und Arbeitszeit gekennzeichnet. Ob eine abhängige Beschäftigung oder selbständige Tätigkeit vorliegt, richtet sich danach, welche der genannten Merkmale bei Betrachtung des Gesamtbildes der Verhältnisse überwiegen (Urteile des BSG vom 25. April 2012 - B 12 KR 24/10 R - und Urteil vom 12. November 2015 - B 12 KR 10/14 R - jeweils juris). Die Zuordnung einer Tätigkeit nach deren Gesamtbild zum rechtlichen Typus der Beschäftigung oder selbständigen Tätigkeit setzt dabei voraus, dass alle nach Lage des Einzelfalls als Indizien in Betracht kommenden Umstände festgestellt, in ihrer Tragweite zutreffend erkannt und gewichtet, in die Gesamtschau mit diesem Gewicht eingestellt und nachvollziehbar, das heißt den Gesetzen der Logik entsprechend und widerspruchsfrei gegeneinander abgewogen werden (BSG, Urteil vom 14. März 2018 - B 12 KR 3/17 R - juris Rdnr. 12 mit weit. Nachweisen).

 

Dabei ist regelmäßig vom Inhalt der zwischen den Beteiligten getroffenen Vereinbarungen auszugehen, den die Verwaltung und die Gerichte konkret festzustellen haben. Liegen schriftliche Vereinbarungen vor, so ist neben deren Vereinbarkeit mit zwingendem Recht auch zu prüfen, ob mündliche oder konkludente Änderungen erfolgt sind. Diese sind ebenfalls nur maßgebend, soweit sie rechtlich zulässig sind. Schließlich ist auch die Ernsthaftigkeit der dokumentierten Vereinbarungen zu prüfen und auszuschließen, dass es sich hierbei um einen bloßen "Etikettenschwindel" handelt, der unter Umständen als Scheingeschäft im Sinne des § 117 Bürgerliches Gesetzbuch zur Nichtigkeit dieser Vereinbarungen und der Notwendigkeit führen kann, sowie gegebenenfalls der Inhalt eines hierdurch verdeckten Rechtsgeschäfts festzustellen. Erst auf der Grundlage der so getroffenen Feststellungen über den (wahren) Inhalt der Vereinbarungen ist eine wertende Zuordnung des Rechtsverhältnisses zum Typus der Beschäftigung oder selbständigen Tätigkeit vorzunehmen und in einem weiteren Schritt zu prüfen, ob besondere Umstände vorliegen, die eine hiervon abweichende Beurteilung notwendig machen (BSG, a. a. O. Rdnr. 13 mit weiteren Nachweisen).

 

Ausgangspunkt der Prüfung sind hier demnach die für die Tätigkeit maßgeblichen vertraglichen Vereinbarungen. Der Senat geht davon aus, dass die Klägerin und der Beigeladene bei Abschluss des Vertrages 2009 eine selbständige Tätigkeit vereinbaren wollten. Dies ergibt sich bereits aus der Bezeichnung der Vertragspartner als Auftraggeber/Hauptunternehmer und der Bezeichnung der Tätigkeit als Dienstleistung. In § 10 Nr. 1 des Vertrages versichert der Beigeladene ausdrücklich, selbstständig zu sein. Eher unüblich bei abhängigen Beschäftigungen ist schließlich die in § 3 des Vertrages dem Beigeladenen eingeräumte Möglichkeit, sich eigener Mitarbeiter zu bedienen.

 

Entscheidend für den sozialversicherungsrechtlichen Status einer Tätigkeit ist aber nicht eine zwischen den Beteiligten getroffene Vereinbarung. Auch eine von den Beteiligten ausdrücklich gewollte Selbständigkeit muss vor den tatsächlichen Verhältnissen bestehen können. Denn die Versicherungspflicht entsteht kraft Gesetzes und kann nicht Gegenstand einzelvertraglicher Vereinbarungen sein. Eine Beschäftigung liegt dabei zwar grundsätzlich vor, wenn ein Arbeitsverhältnis gegeben ist. Sie kann aber auch unabhängig von einem solchen vorliegen, weil die Beschäftigung im sozialversicherungsrechtlichen Sinn nicht mit dem Arbeitsverhältnis gleichzusetzen ist. Grundlage der arbeitsrechtlichen Vereinbarung ist regelmäßig die Privatautonomie, während das Sozialversicherungsrecht, das neben der sozialen Absicherung des Einzelnen auch dem Schutz der Mitglieder der Pflichtversicherungssysteme, die in einer Solidargemeinschaft zusammengeschlossen sind, dient, auch die Träger der Sozialversicherung als Einrichtungen des öffentlichen Rechts im Blick hat. Insofern kann der privatautonomen Vertragsgestaltung nicht das allein ausschlaggebende Gewicht beigemessen werden. Maßgebend sind vielmehr stets die konkreten Umstände des individuellen Sachverhalts, hinsichtlich derer eine Gesamtwürdigung vorzunehmen ist (Landessozialgericht Berlin-Brandenburg, Urteil vom 13. Januar 2023 - L 1 BA 67/19  juris Rdnr. 65 mit weiteren Nachweisen). Entscheidend für das Vorliegen einer abhängigen Beschäftigung ist deswegen die tatsächliche Ausgestaltung der Verhältnisse, welcher gegebenenfalls sogar stärkeres Gewicht als abweichenden vertraglichen Regelungen zukommen kann (BSG, Urteile vom 28. Mai 2008 - B 12 KR 13/07 R – juris Rdnr 17 und vom 24. Januar 2007 - B 12 KR 31/06 R – juris Rdnr. 17). Bei der gebotenen Gesamtabwägung sind dabei auch solche Umstände zu berücksichtigen, die einer Tätigkeit ihrer Eigenart nach immanent, durch gesetzliche Vorschriften oder eine öffentlich-rechtliche Aufgabenwahrnehmung bedingt sind oder auf sonstige Weise „in der Natur der Sache“ liegen. Diesen immanenten Bedingungen ist nach der Rechtsprechung des BSG zwar nicht zwingend eine entscheidende Indizwirkung für eine abhängige Beschäftigung beizumessen (vgl. BSG, Urteil vom 14. März 2018 - B 12 KR 3/17 R - juris Rdnr. 15); umgekehrt ist eine abhängige Beschäftigung aber auch nicht allein deshalb ausgeschlossen, weil sich bestimmte Weisungsrechte oder Vorgaben aus der Eigenart der Tätigkeit ergeben oder ihr innewohnen (LSG Berlin-Brandenburg, a. a. O. Rdnr. 66 mit Bezugnahme u. a. auf BSG, Urteile vom 27. April 2021 - B 12 R 16/19 R - Rdnr. 15 und - B 12 KR 27/19 R - Rdnr. 15, jeweils juris).

 

Unter Anwendung dieser Grundsätze haben die Klägerin und der Beigeladene auch hinsichtlich der Arbeiten als Detektiv eine Tätigkeit vereinbart und praktiziert, die sich als (abhängige) Beschäftigung darstellt.

 

Für eine Beschäftigung spricht maßgeblich die Eingliederung des Klägers in die betriebliche Arbeitsorganisation der Klägerin. Die Eingliederung in einen Betrieb ist ein gesetzlicher Anhaltspunkt zur Abgrenzung von Beschäftigung und selbständiger Tätigkeit. Entscheidend ist hierbei, ob der Mitarbeiter Glied eines fremden Betriebes ist oder im Mittelpunkt des eigenen Unternehmens steht (vgl. BSG, Urteil vom 28. Januar 1960 – 3 RK 49/56BSGE 11, 257, 260).

 

Die Tätigkeit des Beigeladenen als Sicherheitskraft und Detektiv für die Klägerin stellt sich dem Senat wie folgt dar:

Der Ort der Einsätze und die Einsatzzeiten waren jeweils vorgegeben. Die Tätigkeit bedurfte keiner Weisungen durch die Klägerin, weil dem Beigeladenen von vornherein bekannt war, was erwartet wurde. Nach außen hin trat er als Mitarbeiter der Klägerin auf. Eine Trennung der Tätigkeiten in Schulungsmaßnahmen –durchgeführt in geringfügiger (abhängiger) Beschäftigung und anderen – als Subunternehmer – ist nicht erfolgt. Auf die zutreffenden Ausführungen im angegriffenen Urteil des SG wird Bezug genommen, § 153 Abs. 2 Sozialgerichtsgesetz (SGG).

 

Die Anhaltspunkte, die für eine Selbständigkeit sprechen, sind insgesamt von untergeordneter Bedeutung:

Der Umstand, dass die Klägerin dem Beigeladenen keine konkreten Anweisungen hinsichtlich Art und Weise der ausführenden Tätigkeit erteilt hat, ist kein substantielles Argument für Selbständigkeit. Denn dem Beigeladenen war, wie er in der mündlichen Verhandlung vor dem SG dargelegt hat, ohnehin genau klar, was er zu tun hatte. Im Sozialversicherungsrecht, konkret im Hinblick auf § 7 Abs. 1 SGB IV, besteht eine Indizwirkung gegen eine Beschäftigung und für eine selbstständige Tätigkeit, wenn bei Verrichtung der Tätigkeit eine Weisungsfreiheit verbleibt, die sie insgesamt als eine unternehmerische kennzeichnet. Denn ob und inwieweit einzelne Umstände einer Tätigkeit "ihrer Natur nach" immanent sind, hängt wesentlich mit der zu beurteilenden Tätigkeit und ihrer konkreten Ausgestaltung zusammen. Je enger der übertragene Tätigkeitsbereich abgesteckt ist, weil die Auftrag- oder Arbeitgeberin nicht auf eigene Gestaltungsmöglichkeiten verzichtet, desto weniger Spielraum kann der übertragenen Tätigkeit noch immanent sein (BSG, Urteil vom 27. April 2021 - B 12 R 16/19 R – juris Rdnr. 16). Der Rahmen war hier bereits nach dem Vertrag 2009 recht eng gesetzt, indem nach § 1 Nr. 2 die Tätigkeiten im Einzelnen abzustimmen waren und unter anderem die Weisungen der Klägerin zur Aufstellung von Spiegeln etc. zu beachten waren. Auch sollten Strafanzeigen nur in Abstimmung erfolgen. Ferner bestand nach § 3 Nr. 5 die Verpflichtung, von der Klägerin ggf. vorgegebene Software sowie sonstige zur Verfügung gestellten Hilfsmittel zur Unterstützung und Kontrolle der ihm obliegenden vertraglichen Pflichten einzusetzen sowie vom Auftraggeber zur Verfügung gestellte Einsatzkleidung zu nutzen.

 

Der Umstand, dass er nach der vertraglichen Vereinbarung die Aufträge nicht selbst ausführen musste und er auch tatsächlich hin und wieder eine andere Person zur Ausführung mit herangezogen hat, spricht ebenfalls nicht gewichtig für eine Selbständigkeit. Denn der Beigeladene hat die Aufträge für die Klägerin überwiegend selbst und alleine ausgeführt. Dass es der Subunternehmervertrag vom 16. März 2009 in dessen § 3 dem Beigeladenen erlaubt, für die Tätigkeiten Erfüllungsgehilfen in Anspruch zu nehmen, ist insoweit kein prägendes Merkmal für eine Selbständigkeit. Die vertragliche Einräumung einer Delegationsbefugnis ist überdies ganz allgemein kein entscheidendes Kriterium für eine selbständige Tätigkeit, weil sie nichts darüber aussagt, inwieweit von ihr Gebrauch gemacht wird, realistischerweise überhaupt Gebrauch gemacht werden könnte und sie damit die Tätigkeit tatsächlich prägt. Vertragsklauseln, die faktisch von untergeordneter Bedeutung sind, können zwar in die vorzunehmende Gesamtwürdigung einbezogen werden, können aber nicht von vorneherein als prägend angesehen werden. So hat das BSG in der Delegationsmöglichkeit der eigenen Arbeitsleistung kein entscheidendes Merkmal für das Vorliegen einer selbstständigen Tätigkeit gesehen, wenn ein Transportfahrer diese Möglichkeit tatsächlich nur selten nutzt, regelmäßig keinen versicherungspflichtigen Arbeitnehmer beschäftigt und damit die persönliche Arbeitsleistung die Regel ist (BSG, Urteil vom 11. März 2009 - B 12 KR 21/07 R -, juris Rdnr. 17 mit Bezugnahme auf Urteil vom 22. Juni 2005 - B 12 KR 28/03 R). Die engmaschigen Regelungen in § 3 des Vertrages deuten hier bereits abstrakt darauf hin, dass der Einsatz von eigenen Mitarbeitern nicht regelmäßig erfolgen sollte. Denn die Erlaubnis ist an viele Voraussetzungen geknüpft (unter anderem Nr. 2: vorheriges schriftliches Einverständnis, Nachweis der Lohn- und Gehaltsvereinbarungen auf Verlangen; Nr. 3: Versicherung, dass alle einschlägigen Verpflichtungen eingehalten werden, insbesondere eine Erlaubnis nach § 34a Gewerbeordnung vorliegt; Nr. 4: Einsatz nur von Fachkräften mit näher spezifizierten Kenntnissen mit Aus- und Weiterbildung nach den Maßgaben der Klägerin samt schriftlicher Nachweise auf Verlangen).

 

Ferner kann nicht von einem Unternehmerrisiko in entscheidendem Umfang als Indiz für Selbständigkeit ausgegangen werden. Maßgeblich für die Beurteilung des Unternehmerrisikos als typischer für Selbständigkeit sprechender Umstand ist dabei nur die konkrete Tätigkeit und die mit dieser verbundenen Aufwendungen wie nötige Sachinvestitionen bzw. die mit ihr verbundenen Gewinnchancen. Eine Betriebsausstattung in relevantem Umfang benötigte der Beigeladene jedoch nicht. Der Beigeladene konnte auch nicht durch Eigeninitiative wie Mehrarbeit oder schnelleres Arbeiten einen höheren Dienst erzielen. Dass mit einer Beschäftigung alleine keine ausreichenden Einnahmen erzielt werden und deshalb weitere Einnahmequellen erforderlich sind, ist für die Bewertung unmaßgeblich. Der vereinbarte Stundenlohn von bis zu 13,00 € netto ermöglichte schließlich auch keine adäquate Eigenvorsorge.

 

Ob und inwieweit der Beigeladene unter Berücksichtigung der Erkenntnisse im hiesigen Verfahren seine Einnahmen in seinen Steuererklärungen rechtlich falsch deklariert haben könnte, kann für die hierzu entscheidende Frage der Beschäftigung im Sinne des § 7 Abs. 1 SGB IV nicht von Relevanz sein. Die steuerrechtliche Beurteilung entweder als Arbeitslohn oder als Einkünfte aus selbständiger Tätigkeit ist für die Beurteilung der im Sozialversicherungsrecht eigenständig geregelten Arbeitnehmerentgelteigenschaft im Sinne des § 14 SGB IV nicht maßgebend oder vorgreiflich (vgl. Sächsisches Landessozialgericht, Urteil vom 09. April 2014 - L 1 KR 62/09 - juris Rdnr 41).

 

Aufklärungsdefizite sind abschließend nicht zu erkennen. Auf die Ausführungen des SG wird ergänzend Bezug genommen. Der Senat teilt auch die Auffassung des SG, dass die Parallelen in der Ausgestaltung der beiden Verträge ein – geringes – Indiz für den beiderseitigen Vertragswillen gewesen sind, dass nur eine (dann einheitlich abhängige) Beschäftigung habe vorliegen sollen.

 

Zutreffend hat das SG ferner bereits ausgeführt, dass Säumniszuschlage nach § 24 Abs. 1 SGB IV auch für die Vergangenheit festzusetzen waren, weil die Klägerin nicht glaubhaft gemacht hat, unverschuldet keine Kenntnis von der Zahlungspflicht gehabt zu haben (§ 24 Abs. 2 SGB IV). Aufgrund der Gesamtumstände ist vielmehr von zumindest bedingt vorsätzlicher Nichtabführung auszugehen.

 

Ein Erstattungsanspruch der Klägerin gegen die Beigeladene zu 2. scheidet damit ebenfalls aus.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 197a SGG i. V. m. §§ 155 Abs. 1, 162 Abs. 3 Verwaltungsgerichtsordnung.

Gründe für die Zulassung der Revision nach § 160 Abs. 2 Nr. 1 und 2 SGG liegen nicht vor.

Rechtskraft
Aus
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