L 7 AS 1865/21

Land
Nordrhein-Westfalen
Sozialgericht
LSG Nordrhein-Westfalen
Sachgebiet
Grundsicherung für Arbeitsuchende
Abteilung
7
1. Instanz
SG Düsseldorf (NRW)
Aktenzeichen
S 19 AS 2473/17
Datum
2. Instanz
LSG Nordrhein-Westfalen
Aktenzeichen
L 7 AS 1865/21
Datum
3. Instanz
-
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil

Tenor:

Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Sozialgerichts Düsseldorf vom 18.11.2021 wird zurückgewiesen.

Kosten sind auch im Berufungsverfahren nicht zu erstatten.

Die Revision wird nicht zugelassen.

 

 

Tatbestand:

Die Beteiligten streiten im Rahmen eines Überprüfungsverfahrens gemäß § 40 Abs. 1 Satz 1 SGB II i.V.m. § 44 Abs. 1 Satz 1 SGB X darum, ob der Beklagte dem Kläger für die Zeit vom 01.10.2016 bis zum 30.09.2017 höhere Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nach dem SGB II unter Berücksichtigung von Mehrbedarfen – insbesondere für kostenaufwändige Ernährung und wegen einer Schwerbehinderung – zu zahlen hat.

Dem am 00.00.0000 geborenen Kläger wurde infolge eines Verkehrsunfalls N01 der linke Oberschenkel amputiert. Beim Kläger sind ein Grad der Behinderung (GdB) von 80 sowie das Merkzeichen „G“ anerkannt. Er leidet an Diabetes mellitus Typ 2. Zwischen 1987 und 2003 war der Kläger in der Gastronomie, teilweise als Kellner, teilweise als selbständiger Gastwirt tätig. Seit 2003 bezieht der Kläger nach Aktenlage Sozialleistungen, seit dem 01.01.2005 Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nach dem SGB II vom Beklagten. Gemäß einem Gutachten des Ärztlichen Dienstes der Agentur für Arbeit S. vom 28.07.2005 kann der Kläger für drei bis sechs Stunden täglich leichte Arbeiten ausführen.

Mit Bescheid vom 16.08.2016 bewilligte der Beklagte dem Kläger Leistungen für die Zeit vom 01.10.2016 bis zum 30.09.2017 unter Berücksichtigung des Regelbedarfs i.S.v. § 20 Abs. 1 SGB II, eines Mehrbedarfs für dezentrale Warmwassererzeugung i.S.v. § 21 Abs. 7 SGB II sowie der tatsächlichen Bedarfe für Unterkunft und Heizung i.S.v. § 22 Abs. 1 SGB II. Weitere Mehrbedarfe berücksichtigte der Beklagte nicht. Mit Bescheid vom 16.11.2016 änderte der Beklagte den Bescheid für die Zeit ab dem 01.01.2017 unter Berücksichtigung der jährlichen Anpassung des Regelbedarfs ab.

Am 05.04.2017 beantragte der Kläger beim Beklagten – wiederholt nach zahlreichen erfolglosen Versuchen in der Vergangenheit – einen „Mehrbedarf wegen Schwerbehinderung“. Der Beklagte legte das Begehren als Antrag auf Überprüfung des Bescheides vom 16.08.2016 i.S.v. § 40 Abs. 1 Satz 1 SGB II i.V.m. § 44 SGB X aus und lehnte den Antrag mit Bescheid vom 06.04.2017 ab. Mehrbedarfe auf der Grundlage von § 21 Abs. 4 SGB II und § 23 Nr. 2 SGB II seien nicht zu berücksichtigen, weil der Kläger weder Leistungen zur Teilhabe am Arbeitsleben noch Leistungen der Eingliederungshilfe beziehe.  Auch ein Mehrbedarf nach § 23 Nr. 4 SGB II komme nicht in Betracht. Zwar sei der Kläger Inhaber eines Ausweises mit dem Merkzeichen „G“ i.S.v. § 69 Abs. 5 SGB IX. § 23 Abs. 4 SGB II beziehe sich aber auf voll erwerbsgeminderte Empfänger von Sozialgeld, die mit erwerbsfähigen Hilfebedürftigen in einer Bedarfsgemeinschaft lebten. Eine volle Erwerbsminderung, die Leistungen nach dem SGB II dem Grunde nach ausschließe, sei beim Kläger nicht festzustellen.

Am 10.04.2017 beantragte der Kläger beim Beklagten – ebenfalls wiederholt nach zahlreichen erfolglosen Versuchen in der Vergangenheit – einen Mehrbedarf wegen kostenaufwändiger Ernährung unter Bezugnahme auf seine Diabeteserkrankung. Der Beklagte legte dieses Begehren als Antrag auf Überprüfung des Bescheides vom 16.08.2016 i.S.v. § 40 Abs. 1 Satz 1 SGB II i.V.m. § 44 SGB X aus und lehnte ihn mit  Bescheid vom 10.04.2017 ab. Die Voraussetzungen des § 21 Abs. 5 SGB II lägen nicht vor. Eine Diabeteserkrankung begründe unter Berücksichtigung der Empfehlungen des Deutschen Vereins keinen Mehrbedarf.

Der Kläger erhob am 15.04.2017 Widerspruch gegen den Bescheid vom 10.04.2017. Der Beklagte wies diesen Widerspruch mit Widerspruchsbescheid vom 13.06.2017 unter Bezugnahme auf die Begründung des Bescheides vom 10.04.2017 zurück.

Am 22.05.2017 beantragte der Kläger beim Beklagten erneut die Bewilligung eines Mehrbedarfs „auf Grund seiner Schwerbehinderung“ und wegen kostenaufwändiger Ernährung. Der Beklagte fasste den Antrag wiederum als Antrag auf Überprüfung des Bescheides vom 16.08.2016 i.S.v. § 40 Abs. 1 Satz 1 SGB II i.V.m. § 44 SGB X aus und lehnte mit  Bescheid vom 30.05.2017 den Mehrbedarf für schwerbehinderte Leistungsberechtigte und mit weiterem Bescheid vom 30.05.2017 den Mehrbedarf wegen kostenaufwändiger Ernährung ab. Der Kläger erhob gegen diese Bescheide Widerspruch, die der Beklagte mit Widerspruchsbescheid vom 04.07.2017 zurückwies.

Am 19.06.2017 hat der Kläger beim Sozialgericht Düsseldorf Klage gegen den Bescheid vom 10.04.2017 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 13.06.2017 erhoben. In der Klagebegründung hat er sowohl auf den von ihm begehrten Mehrbedarf wegen kostenaufwändiger Ernährung als auch auf einen Mehrbedarf auf „Grund seiner Behinderung“ Bezug genommen. Der Kläger hat den Mehrbedarf mit seiner Diabeteserkrankung begründet und bekräftigt, erwerbsfähig i.S.v. § 8 Abs. 1 SGB II zu sein. Er sei in der Lage, mindestens drei Stunden am Tag zu arbeiten, was auch durch die Agentur für Arbeit S. bestätigt worden sei. Am 18.07.2017 hat der Kläger eine eigenständige Klage gegen die Bescheide vom 30.05.2017 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 04.07.2017 erhoben (SG S. – S 19 AS 2897/17 –).

Am 24.09.2018 hat der Kläger Widerspruch gegen den Bescheid vom 06.04.2017 erhoben. Dieser Bescheid sei ihm erst am 20.09.2018 zugegangen. Mit Widerspruchsbescheid vom 00.00.0000 hat der Beklagte den Widerspruch mit der Begründung des Ausgangsbescheides zurückgewiesen. Am 01.10.2018 hat der Kläger eine eigenständige Klage gegen den Bescheid des Beklagten vom 06.04.2017 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 00.00.0000 erhoben (SG S. – S 19 AS 3850/18 –; L 7 AS 1868/21).

Der Kläger hat beantragt,

den Beklagten unter Aufhebung des Bescheides vom 10.04.2017 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 13.06.2017, des Bescheides vom 06.04.2017 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 00.00.0000 sowie des Bescheides vom 30.05.2017 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 04.07.2017 zu verurteilen, den Bescheid vom 11.08.2016 abzuändern, und ihm für die Zeit vom 01.10.2016 bis zum 30.09.2017 höhere Leistungen nach dem SGB II unter Berücksichtigung von Mehrbedarf für kostenaufwändige Ernährung und Mehrbedarf wegen Schwerbehinderung zu gewähren.

Der Beklagte hat beantragt,

          die Klage abzuweisen.

Das Sozialgericht hat einen Befundbericht des Allgemeinmediziners L. Z., Hilden, eingeholt. W. hat mit Befundbericht vom 00.00.0000 Stellung genommen. Ihm sei beim Kläger keine Erkrankung bekannt, die eine andere Ernährung als die sogenannte „Vollkost“ erfordere. Bei einem Diabetes mellitus Typ 2 sei Vollkost erlaubt. Die Zeiten mit „Süßstoff im Kaffee oder Tee oder Marmelade mit Süßstoff“ seien vorbei. Ein zusätzlicher Kostenaufwand entstehe nicht. Beim Kläger bestünden keine konsumierenden Erkrankungen. Der Kläger wiege bei einer Körpergröße von 1,76 m 86 kg und habe einen BMI von 18,5.

Mit Beweisanordnung vom 01.12.2020 hat das Sozialgericht ein Gutachten des Facharztes für Innere Medizin und Sozialmedizin, J., G., eingeholt.

Unter dem 22.01.2021 hat X. ein internistisch-sozialmedizinisches Gutachten nach Aktenlage erstattet. Beim Kläger seien eine Adipositas, eine Fettstoffwechselstörung, Diabetes mellitus Typ 2b und erhöhte Leberwerte zu diagnostizieren. In orthopädischer Hinsicht lägen ein LWS-Schmerzsyndrom, ein beginnender Verschleiß des linken Hüftgelenks sowie Überlastungsbeschwerden des rechten Beins nach Oberschenkelamputation vor. Keine diese Erkrankungen bedinge eine andere Ernährung als die sogenannte „Vollkosternährung“. Eine „Diabetes-Diät“ werde heute nicht mehr für erforderlich gehalten. Vielmehr stehe beim Kläger eine Gewichtsreduktion von 10 kg im Vordergrund, die keine weiteren oder teuren Produkte, sondern das Weglassen von Kohlenhydraten erfordere. Wegen der Fettstoffwechselstörung solle der Kläger auf den übermäßigen Konsum fetthaltiger Nahrungsmittel verzichten. Bei der vom Kläger einzuhaltenden „leichten Vollkost“ fielen aber keine höheren Kosten als bei der regulären Vollkosternährung an. Auch eine konsumierende Erkrankung, die eine höhere Kalorienaufnahme erfordere, sei beim Kläger nicht festzustellen. Diese Bewertung gelte für alle vom Sozialgericht abgefragten Zeiträume.

Der Kläger hat auf das Gutachten bekräftigt, die Klage aufrechtzuerhalten. Er habe Anspruch auf die Berücksichtigung eines Mehrbedarfs i.H.v. 100 € monatlich. Weiter stelle er die diagnostizierte Adipositas in Abrede. Er treibe Sport und Muskelmasse wiege mehr als Fett. Zudem sei zu berücksichtigen, dass er ohne Prothese nur 80 kg wiege. Wenn er zu viel Gewicht verliere, passe die Prothese nicht mehr.

Auf Anforderung des Sozialgerichts hat X. am 00.00.0000 eine ergänzende Stellungnahme zum Schriftsatz des Klägers abgegeben. Zwar sei seine Einschätzung aufgrund des nicht berücksichtigten Gewichts der Prothese dahingehend zu korrigieren, dass beim Kläger kein nennenswertes Übergewicht vorliege. Dies ändere jedoch nichts an seiner Einschätzung, dass beim Kläger kein Mehrbedarf wegen kostenaufwändiger Ernährung zu berücksichtigen sei.

Auf Anfrage des Sozialgerichts hat der Beklagte sich am 08.03.2021, der Kläger am 05.05.2021 nochmals mit einer Entscheidung ohne mündliche Verhandlung für einverstanden erklärt.

Mit Urteil ohne mündliche Verhandlung (§124 Abs. 2 SGG) vom 18.11.2021 hat das Sozialgericht die Klage abgewiesen. Unter Berücksichtigung des Bewilligungsbescheides vom 11.08.2016 sei das Begehren des Klägers so auszulegen, dass dieser eine Verurteilung des Beklagten zur Zahlung eines Mehrbedarfs für kostenaufwändige Ernährung sowie „wegen Schwerbehinderung“ für den Zeitraum vom 01.10.2016 bis zum 30.09.2017 begehre. Dieser sei vom Grundantrag auf Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts umfasst, stelle keinen vom Regelbedarf abtrennbaren Streitgegenstand dar und sei damit im Rahmen des regulären Bewilligungsbescheides zu prüfen. Der Kläger habe jedoch keinen Anspruch auf eine Berücksichtigung der entsprechenden Mehrbedarfe. Zunächst sei beim Kläger im streitigen Zeitraum kein Mehrbedarf wegen kostenaufwändiger Ernährung i.S.v. § 21 Abs. 5 SGB festzustellen. Hierbei sei davon auszugehen, dass der Regelbedarf i.S.v. § 20 SGB II eine Vollkosternährung abdecke. Beim Kläger liege keine medizinischen Indikation vor, die eine mit höherem Kostenaufwand verbundene Ernährungsform bedinge. Dass der beim Kläger diagnostizierte „Diabetes mellitus Typ 2“ keinen finanziellen Mehraufwand auslöse, ergebe sich bereits aus den im streitigen Zeitraum maßgeblichen Mehrbedarfsempfehlungen des Deutschen Vereins 2014, die nach der Rechtsprechung des BSG zwar kein antizipiertes Sachverständigengutachten darstellten, aber als Orientierungshilfe herangezogen werden könnten. Hier kämen die einzelfallbezogenen Ermittlungen zu einem Mehrbedarf des Klägers zu keinem anderen Ergebnis. Bereits W. habe einen ernährungsbedingten Mehrbedarf des Klägers verneint. Zudem habe das von Herrn X. erstellte Gutachten ergeben, dass ein entsprechender Mehrbedarf des Klägers nicht bestehe. Das Gutachten sei überzeugend, weil es auf eine ausführlich erhobene Anamnese und den gesamten Akteninhalt gestützt werden könne und sich an anerkannten Bewertungsmaßstäben orientiere. Das Gutachten sei in sich schlüssig und widerspruchsfrei. Der Kläger habe für den Zeitraum vom 01.10.2016 bis zum 30.09.2017 auch keinen Anspruch auf Berücksichtigung eines behinderungsbedingten Mehrbedarfs. Zunächst ergebe sich ein solcher Anspruch nicht aus § 21 Abs. 4 SGB II. Zwar sei der Kläger ein erwerbsfähiger behinderter Hilfebedürftiger im Sinne dieser Vorschrift. Die Norm setze jedoch weiter die Erbringung von Leistungen zur Teilhabe am Arbeitsleben i.S.v. § 49 SGB IX oder von Eingliederungshilfen i.S.v. § 54 Abs. 1 Satz 1 SGB XII voraus. Beides sei beim Kläger nicht ersichtlich. Ein Anspruch des Klägers ergebe sich auch nicht aus einer (analogen) Anwendung von § 23 Nr. 4 SGB II. Zwar sei der Kläger – wie von der Vorschrift gefordert – Inhaber eines Ausweises mit dem Merkzeichen „G“. Er sei jedoch nicht voll erwerbsgemindert i.S.v. § 43 Abs. 2 SGB VI. Eine analoge Anwendung des § 23 Nr. 4 SGB II scheide aus, weil es an einer planwidrigen Gesetzeslücke fehle. Es entspreche dem Willen des Gesetzgebers, erwerbsfähigen Leistungsberechtigten einen Mehrbedarf nicht allein wegen ihrer Schwerbehinderung und der Zuerkennung des Merkzeichens „G“ zugänglich zu machen. Weiter bestehe kein Anspruch auf der Grundlage einer analogen Anwendung von § 30 Abs. 1 Nr. 2 SGB XII. Auch hier fehle es an einer planwidrigen Regelungslücke, weil der Gesetzgeber mit § 21 Abs. 4 SGB II bewusst eine abschließende Regelung zum Mehrbedarf geschaffen habe. Die differenzierte Ausgestaltung der Regelungen in SGB II und SGB XII folge daraus, dass das SGB II auf eine Eingliederung von Hilfebedürftigen in den Arbeitsmarkt ausgerichtet sei und ihnen deshalb höhere Selbsthilfeverpflichtungen abverlange. Abschließend ergebe sich ein Anspruch des Klägers nicht aus § 73 SGB XII. Zwar sei die Anwendung dieser Norm in Anbetracht der Regelung des § 5 Abs. 2 SGB II für Leistungsbezieher nach dem SGB II nicht grundsätzlich ausgeschlossen. Es liege jedoch keine atypische Bedarfssituation vor, die nicht den Bedarfslagen nach dem SGB II zuzuordnen sei. Der Gesetzgeber habe den Mehrbedarf wegen Schwerbehinderung im SGB II nämlich abschließend geregelt. Es widerspreche dem Willen des Gesetzgebers, § 73 SGB XII als „Auffangnorm“ zu verwenden.

Ebenfalls mit Urteilen ohne mündliche Verhandlung vom 18.11.2021 hat das Sozialgericht die auf den Zeitraum vom 01.10.2016 bis zum 30.09.2017 bezogenen Klagen S 19 AS 2897/17 und S 19 AS 3850/18 abgewiesen. Diese seien wegen anderweitiger Rechtshängigkeit i.S.d. §§ 94, 202 Satz 1 SGG i.V.m. § 17 Abs. 1 Satz 2 GVG unzulässig.

Der Kläger hat am 09.12.2021 Berufung gegen das ihm am 07.12.2021 zugestellte Urteil des Sozialgerichts eingelegt. Das Urteil des Sozialgerichts sei nicht unterschrieben und damit unwirksam. Er sei nicht voll erwerbsfähig, sondern könne nur drei Stunden täglich arbeiten. Deshalb habe er Anspruch auf einen Mehrbedarf i.H.v. 17 % des Regelbedarfs.

Der Kläger beantragt sinngemäß,

das Urteil des Sozialgerichts Düsseldorf vom 18.11.2021 zu ändern und den Beklagten unter Aufhebung des Bescheides vom 10.04.2017 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 13.06.2017 zu verpflichten, den Bescheid vom 11.08.2016 in der Fassung des Änderungsbescheides vom 16.11.2016 teilweise zurückzunehmen und ihm für die Zeit vom 01.10.2016 bis zum 30.09.2017 weitere Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nach dem SGB II unter Berücksichtigung von Mehrbedarfen zu zahlen.

Der Beklagte beantragt,

         die Berufung zurückzuweisen.

Der Beklagte wiederholt seinen bisherigen Vortrag.

Der Kläger hat sich mit Schriftsatz vom 13.06.2023, der Beklagte mit Schriftsatz vom 23.06.2023 mit einer Entscheidung ohne mündliche Verhandlung einverstanden erklärt.

Hinsichtlich der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den Inhalt der Gerichtsakten sowie der Verwaltungsakte des Beklagten verwiesen.

Entscheidungsgründe:

Der Senat konnte mit dem Einverständnis der Beteiligten ohne mündliche Verhandlung durch Urteil entscheiden (§ 124 Abs. 2 SGG).

Die zulässige Berufung ist nicht begründet. Zu Recht hat das Sozialgericht die auf eine Aufhebung des Bescheides vom 10.04.2017 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 13.06.2017 und Verpflichtung des Beklagten zur Bewilligung höherer Leistungen für den Zeitraum vom 01.10.2016 bis zum 30.09.2017 gerichtete Klage abgewiesen.

Die Berufung ist zulässig. Insbesondere ist sie nicht deshalb gemäß § 144 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 SGG als unzulässig zu verwerfen, weil der Wert des Beschwerdegegenstands 750 € nicht übersteigt. Der Wert des Beschwerdegegenstands bemisst sich grundsätzlich danach, was dem Rechtsmittelführer versagt worden ist und was dieser mit seinem Rechtsmittel weiterverfolgt. Der Kläger begehrt ausweislich der Berufungsschrift für den Zeitraum vom 01.10.2016 bis zum 30.09.2017 höhere Leistungen in Gestalt eines monatlichen Mehrbedarfs i.H.v. 17 % des monatlichen Regelbedarfs als „Mehrbedarf wegen Schwerbehinderung“ sowie einen Mehrbedarf für kostenaufwändige Ernährung. Da der Regelbedarf in der für den Kläger maßgeblichen Regelbedarfsstufe 1 2016 404 € monatlich und 2017 409 € monatlich betrug, beläuft sich die diesbezügliche Beschwer bereits unter Berücksichtigung des „Mehrbedarfs für Behinderte“ auf 831,81 € (3 x 404 x 0,17 = 206,04 zuzüglich 9 x 409 x 0,17 = 625,70 €). Zusätzlich hat der Kläger den ihm entstehenden Mehrbedarf wegen kostenaufwändiger Ernährung auf monatlich 100 € beziffert. Für die Ermittlung des Werts des Beschwerdegegenstands ist im Übrigen ohne Belang, ob der Kläger mit dem so verstandenen Begehren in dieser Form durchdringen kann. Für eine willkürliche Bezifferung der Leistungen zur Herbeiführung der Berufungsfähigkeit (vgl. hierzu Beschluss des Senats vom 03.11.2021 – L 7 AS 306/21 B -, Keller in: Meyer-Ladewig, SGG, 13. Auflage, § 144 Rn. 14a) bestehen keine Anhaltspunkte.

Die Berufung ist vom Senat in der Sache zu entscheiden. Die Voraussetzungen für eine Zurückverweisung des Rechtsstreits i.S.v. § 159 Abs. 1 Nr. 2 SGG liegen nicht vor. Entgegen der Auffassung des Klägers stellt das Fehlen einer eigenhändigen Unterschrift auf der ihm übersandten Ausfertigung des Urteils keinen Verfahrensmangel i.S.v. § 144 Abs. 2 Nr. 3 SGG dar. Das Unterschriftserfordernis gilt ausschließlich für die zu der Gerichtsakte genommene Urschrift des Urteils (Keller in: Meyer-Ladewig, SGG, 13. Aufl. 2021, § 134 Rn. 2). Abschriften und Ausfertigungen sind nicht eigenhändig zu unterschreiben (vgl. hierzu Schütz in: Schlegel/Voelzke, jurisPK-SGG, 2. Aufl., § 134 SGG Stand: 15.06.2022, Rn. 12; Beschluss des Senats vom 07.11.2022, – L 7 AS 1276/22 NZB –). Insoweit reicht es aus, dass – wie hier – in der Ausfertigung der Name des Richters in Maschinenschrift ohne Klammern angegeben ist (vgl. schon BGH, Beschluss vom 01.04.1981 – VIII ZB 24/81 – juris, Rn. 5).

Die Berufung ist nicht begründet. Gegenstand des Verfahrens ist der Bescheid des Beklagten vom 10.04.2017 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 13.06.2017, mit dem der Beklagte eine teilweise Rücknahme der Bewilligung für den Zeitraum vom 01.10.2016 bis zum 30.09.2017 und die Bewilligung höherer Leistungen unter Berücksichtigung von Mehrbedarfen abgelehnt hat. Nicht Gegenstand des Verfahrens sind hingegen die vom Sozialgericht in dem – für den Kläger sinngemäß formulierten Antrag – und in der Urteilsbegründung aufgeführten Bescheide vom 06.04.2017 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 25.09.2018 sowie vom 30.05.2017 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 04.07.2017. Diese Bescheide sind nicht gemäß den §§ 86, 96 SGG Gegenstand des Widerspruchs oder der Klage gegen den Bescheid vom 10.04.2017 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 13.06.2017 geworden, weil sie den Bescheid vom 10.04.2017 weder geändert noch ersetzt haben. Wiederholte Anträge nach § 40 Abs. 1 Satz 1 SGB II i.V.m. § 44 SGB X eröffnen nämlich ein eigenständiges Verwaltungsverfahren, in dem der zur Überprüfung gestellte Verwaltungsakt erneut vollumfänglich auf seine Rechtmäßigkeit zu überprüfen ist und das wiederum einer uneingeschränkten gerichtlichen Kontrolle unterliegt (vgl. hierzu BSG, Urteile vom 05.09.2006 –  B 2 U 24/05 R – und vom 28.01.1981 – 9 RV 29/80 –). Solange ein Erfolg des wiederholten Überprüfungsantrags unter Berücksichtigung der Frist des § 44 Abs. 4 SGB X denkbar ist, ist ein Rechtsschutzbedürfnis weder für das Verwaltungsverfahren noch für das sich gegebenenfalls anschließende gerichtliche Verfahren zu verneinen (vgl. hierzu Steinwedel, jurisPR-SozR 14/2023 Anm. 5). Allerdings kann das Fehlen neuen Tatsachen- oder Rechtsvortrags im Rahmen einer erneuten Antragstellung nach § 40 Abs. 1 Satz 1 SGB II i.V.m. § 44 SGB X den gebotenen Prüfungsumfang im Verwaltungs- und Gerichtsverfahren einschränken (vgl. hierzu LSG Niedersachsen-Bremen, Urteil vom 16.12.2021 – L 14 U 39/21 –). Gerade der letztgenannte Gesichtspunkt zeigt, dass ein wiederholter Antrag nach § 40 Abs. 1 Satz 1 SGB II i.V.m.  § 44 SGB X eigenständig zu prüfen und unabhängig von den für einen früheren Überprüfungsantrag einschlägigen Maßstäben zu beurteilen ist. Dass eine Behörde mit zwei verschiedenen Bescheiden über ein inhaltlich identisches Begehren eines Leistungsberechtigten entscheidet, führt indes für sich genommen nicht zur Einbeziehung des später ergangenen Bescheides in ein gegen den zuerst ergangenen Bescheid gerichtetes Widerspruchs- oder Klageverfahren gemäß den §§ 86, 96 SGG (vgl. hierzu LSG Baden-Württemberg, Urteil vom 17.05.2022 – L 9 AS 772/22: Zugunstenbescheid nach § 40 Abs. 1 Satz 1 SGB II i.V.m. § 44 SGB X wird nicht Gegenstand eines gegen den Ausgangsbescheid gerichteten Verfahrens).

Da ein Mehrbedarf nicht gesondert als isolierter Streitgegenstand geltend gemacht werden kann (vgl. BSG, Urteil vom 14.02.2013 – B 14 AS 48/12 R – juris, Rn. 9; BSG, Urteil vom 12.12.2013 – B 4 AS 6/13 – juris, Rn. 11; Urteil vom 04.06.2014 – B 14 AS 30/13 R – juris, Rn. 12; Urteil vom 29.04.2015 – B 14 AS 8/14 R – juris, Rn. 12; Urteil vom 28.11.2018 – B 14 AS 47/17 R – juris, Rn. 10; Urteil vom 26.01.2022 – B 4 AS 81/20 R – juris, Rn. 12, Urteil des Senats vom 04.05.2023 – L 7 AS 1775/21 –), ist Gegenstand des Verfahrens (in inhaltlicher Hinsicht) die Höhe der Regelleistung des Klägers einschließlich etwaiger Mehrbedarfe im Zeitraum 01.10.2016 bis zum 30.09.2017. Die Höhe der Regelleistung ist unter jedem rechtlichen Gesichtspunkt zu überprüfen (BSG, Urteil vom 12.12.2013 – B 4 AS 6/13 R – juris, Rn. 11). Die Höhe der Unterkunfts- und Heizkosten gemäß § 22 SGB II ist hingegen nicht Streitgegenstand, denn der Klageantrag bezieht sich ausschließlich auf den begehrten Mehrbedarf und damit auf die Höhe der Regelleistung. Die Gewährung von Leistungen für Unterkunft und Heizung ist eine eigenständige Leistung und Verfügung und damit ein prozessual abtrennbarer Streitgegenstand (vgl. BSG, Urteil vom 04.06.2014 – B 14 AS 42/13 R –). Dies bedeutet, dass der konkrete Antrag des Klägers zwar für die Ermittlung des Werts des Beschwerdegegenstands maßgeblich ist und ihm zuzusprechende Leistungen der Höhe nach begrenzt. Für die Entscheidung der Frage, ob dem Kläger die von ihm geltend gemachten höheren Leistungen zustehen, sind Regelbedarf und Mehrbedarfe aber in jedem Verfahren unter allen in Betracht kommenden Gesichtspunkten zu prüfen. Statthafte Klageart ist eine kombinierte Anfechtungs-, Verpflichtungs- und Leistungsklage (BSG, Urteil vom 29.03.2022 – B 4 AS 2/21 R – juris, Rn. 13) nach § 54 Abs. 1 Satz 1, Abs. 4 SGG.

Nach diesen Maßgaben hat das Sozialgericht die Klage zu Recht abgewiesen. Der angefochtene Bescheid vom 10.04.2017 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 13.06.2017 beschwert den Kläger nicht i.S.v. § 54 Abs. 2 Satz 1 SGG, denn er ist rechtmäßig.

Der Kläger hat keinen Anspruch auf teilweise Rücknahme des Bescheides vom 11.08.2016 in der Gestalt des Änderungsbescheides vom 16.11.2016 und auf die Zahlung höherer Leistungen im Zeitraum vom 01.10.2016 bis zum 30.09.2017. Nach § 40 Abs. 1 Satz 1 SGB II i.V.m. § 44 Abs. 1 Satz 1 SGB X ist, soweit sich im Einzelfall ergibt, dass bei Erlass eines Verwaltungsaktes das Recht unrichtig angewandt oder von einem Sachverhalt ausgegangen worden ist, der sich als unrichtig erweist, und soweit deshalb Sozialleistungen zu Unrecht nicht erbracht oder Beiträge zu Unrecht erhoben worden sind, der Verwaltungsakt, auch nachdem er unanfechtbar geworden ist, mit Wirkung für die Vergangenheit zurückzunehmen.

Diese Voraussetzungen liegen nicht vor. Dem Kläger sind im streitgegenständlichen Zeitraum nicht zu Unrecht Sozialleistungen nicht erbracht worden. Der Beklagte hat durchgängig die volle Regelleistung bewilligt und kein Einkommen angerechnet. Fehler bei der Berechnung des vom Beklagten bewilligten Mehrbedarf für dezentrale Warmwasserversorgung i.S.v. § 21 Abs. 7 SGB II werden weder geltend gemacht noch sind nicht ersichtlich. Einen Anspruch auf die Zahlung höherer Leistungen unter Berücksichtigung weiterer Mehrbedarfe hat der Kläger für den streitgegenständlichen Zeitraum nicht.

Der Kläger erfüllt die grundsätzlichen Voraussetzungen für einen Anspruch auf Leistungen nach dem SGB II. Der Kläger ist erwerbsfähiger Leistungsberechtigter i.S.d. § 7 Abs. 1 Satz 1 SGB II. Er hatte im streitigen Zeitraum das 15. Lebensjahr vollendet, die Altersgrenze nach § 7a SGB II noch nicht erreicht (§ 7 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 SGB II), war hilfebedürftig (§ 7 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 SGB II) und hatte seinen gewöhnlichen Aufenthalt in der Bundesrepublik Deutschland (§ 7 Abs. 1 Satz 1 Nr. 4 SGB II). Weiter war der Kläger erwerbsfähig i.S.d. § 7 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 SGB II. Erwerbsfähig ist gemäß § 8 Abs. 1 SGB II, wer nicht wegen Krankheit oder Behinderung auf absehbare Zeit außerstande ist, unter den üblichen Bedingungen des allgemeinen Arbeitsmarktes mindestens drei Stunden täglich erwerbstätig zu sein (vgl. hierzu zum Begriff der „vollen Erwerbsminderung“ § 43 Abs. 2 Satz 2 SGB VI: „Voll erwerbsgemindert sind Versicherte, die wegen Krankheit oder Behinderung auf nicht absehbare Zeit außerstande sind, unter den üblichen Bedingungen des allgemeinen Arbeitsmarktes mindestens drei Stunden täglich erwerbstätig zu sein.“). Unter Berücksichtigung der sich aus der Akte ergebenden Erkenntnisse ist der Kläger erwerbsfähig in diesem Sinne. Dies folgt zum einen aus dem Gutachten des Ärztlichen Dienstes der Agentur für Arbeit S. vom 28.07.2005. Die den Kläger maßgeblich einschränkende Oberschenkelamputation im Jahr N01 lag diesem Gutachten bereits zugrunde und war maßgebliche Grundlage für die angenommene (teilweise) Leistungsminderung. Gegen eine aus dieser Amputation resultierende volle Erwerbsminderung spricht die Erwerbsbiographie des Klägers, der von 1987 bis 2003 in der Gastronomie – teilweise als Kellner – tätig war. Aus dem Verwaltungsvorgang ist weiter ersichtlich, dass der Kläger 2015 einen Existenzgründungszuschuss i.H.v. 15.000 € beantragt hat und Halter und Fahrer eines Kraftfahrzeuges ist. Letztlich verweist der Kläger selbst schriftsätzlich – so am 14.04.2020 – ausdrücklich darauf, täglich drei Stunden arbeiten zu können.

Der Kläger hat für den streitgegenständlichen Zeitraum zunächst keinen Anspruch auf einen Mehrbedarf wegen kostenaufwändiger Ernährung. Der Anspruch auf einen Mehrbedarf i.S.v. § 21 Abs. 5 SGB II setzt – wie hier vorliegend – eine erwerbsfähige, hilfebedürftige Person voraus. Weitere Voraussetzungen sind medizinische Gründe, womit gesundheitliche Beeinträchtigungen gemeint sind, eine kostenaufwändige Ernährung und ein Ursachenzusammenhang zwischen den medizinischen Gründen und der kostenaufwendigen Ernährung, ohne dass es auf deren Einhaltung ankommt. Hinzu kommt die Kenntnis der betreffenden Person von diesem medizinisch bedingten besonderen Ernährungsbedürfnis (vgl. hierzu BSG, Urteil vom 20. Februar 2014 – B 14 AS 65/12 R –). Inwiefern eine Erkrankung ein besonderes, medizinisch begründetes Ernährungsbedürfnis mit sich bringt, ist stets im Einzelfall aufzuklären. Den Mehrbedarfsempfehlungen des Deutschen Vereins für öffentliche und private Fürsorge e.V. kommt nicht die Funktion eines antizipierten Sachverständigengutachtens zu; sie sind vielmehr allein eine Orientierungshilfe, die den Umfang der Ermittlungen im Einzelfall steuert (BSG, Urteile vom 14.02.2013 – B 14 AS 48/12 R – und vom 27.02.2008 –  B 14/7b AS 32/06 R –).

Als potentiell ernährungsrelevante innere Erkrankungen des Klägers kommen eine Adipositas, eine Fettstoffwechselstörung, ein Diabetes mellitus Typ IIb und erhöhte Leberwerte unklarer Genese in Betracht. Diese bedingen jedoch keinen ernährungsrelevanten Mehrbedarf gegenüber zu einer durch den Regelbedarf i.S.v. § 20 Abs. 1 SGB II abgedeckten (vgl. hierzu Behrend/König in: Schlegel/Voelzke, jurisPK-SGB II, 5. Aufl., § 21 (Stand: 21.12.2022), Rn. 77_1) Vollkost.

Hier ergibt sich im Hinblick auf die entscheidungserheblichen Erkrankungen des Klägers – insbesondere den von ihm als Grundlage seines Begehrens angeführten Diabetes mellitus – keine Diskrepanz zwischen den Empfehlungen des Deutschen Vereins und den vom Sozialgericht getätigten Ermittlungen im Einzelfall. Gemäß den für den vorliegenden Zeitraum maßgeblichen Empfehlungen des Deutschen Vereins zur Gewährung von Krankenkostzulage vom 10.12.2014 ist sowohl bei Diabetes mellitus (Zuckerkrankheit – Typ II und Typ I, konventionell und intensiviert konventionell behandelt) als auch bei einer Hyperlipidämie (Erhöhung der Blutfette) eine Vollkost angezeigt. In Übereinstimmung mit dieser Wertung kommt auch das internistisch- sozialmedizinische Gutachten des X. vom 22.01.2021 unter Berücksichtigung der ergänzenden Stellungnahme vom 00.00.0000 zu dem Ergebnis, dass kein ernährungsbedingter Mehrbedarf des Klägers besteht. Dem Gutachter lagen der Befundbericht des behandelnden Arztes des Klägers, W., sowie die wesentlichen Laborbefunde vor. Die von W. diagnostizierten und von X. dem Gutachten zugrundegelegten Diagnosen sind unstreitig; insbesondere trägt der Kläger keine weiteren, nur durch ergänzende Untersuchungen festzustellenden Erkrankungen vor. Auch weitere Faktoren wie das Körpergewicht – inclusive Prothese – werden vom Kläger dem Grunde nach nicht in Frage gestellt. Dass der Kläger unter Einbeziehung der ergänzenden Stellungnahme des Gutachters nicht auf eine Gewichtsreduktion zu verweisen ist, stellt die angenommene Indikation einer Vollkost nicht in Frage.

Zugunsten des Klägers war im streitgegenständlichen Zeitraum weiter kein behinderungsbedingter Mehrbedarf zu berücksichtigen. Die Anspruchsgrundlagen des § 21 Abs. 4 Satz 1 SGB II und des § 23 Nr. 2 SGB II scheiden aus, weil sie die Erbringung von Leistungen zur Teilhabe am Arbeitsleben nach § 49 SGB IX, von sonstigen Hilfen zur Erlangung eines geeigneten Platzes im Arbeitsleben oder von Eingliederungshilfen nach § 112 SGB IX voraussetzen, die der Kläger im streitigen Zeitraum unstreitig nicht erhalten hat. Die vom Kläger maßgeblich in Bezug genommene Anspruchsgrundlage des § 23 Nr. 4 SGB II in den im streitgegenständlichen Zeitraum maßgeblichen Fassungen vom 13.05.2011 und 22.12.2016 („nicht erwerbsfähigen Personen, die voll erwerbsgemindert nach dem Sechsten Buch sind, wird ein Mehrbedarf von 17 Prozent der nach § 20 maßgebenden Regelbedarfe anerkannt, wenn sie Inhaberin oder Inhaber eines Ausweises nach § 69 Absatz 5 des Neunten Buches mit dem Merkzeichen G sind“) greift nicht, weil der Kläger nicht voll erwerbsgemindert ist. Da das Regelungssystem des SGB II abschließend ist, kommt auch keine analoge Anwendung der §§ 30 Abs. 1 Nr. 2, 73 SGB XII in Betracht. Diesbezüglich ist gemäß § 142 Abs. 2 Satz 3 SGG auf die zutreffenden Gründe im Urteil des Sozialgerichts zu verweisen.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.

Gründe für die Zulassung der Revision i.S.v. § 160 Abs. 2 SGG liegen nicht vor.

Rechtsmittelbelehrung:

Dieses Urteil kann nur dann mit der Revision angefochten werden, wenn sie nachträglich vom Bundessozialgericht zugelassen wird. Zu diesem Zweck kann die Nichtzulassung der Revision durch das Landessozialgericht mit der Beschwerde angefochten werden.

Die Beschwerde ist von einem bei dem Bundessozialgericht zugelassenen Prozessbevollmächtigten innerhalb eines Monats nach Zustellung des Urteils schriftlich oder in elektronischer Form beim

Bundessozialgericht, Postfach 41 02 20, 34114 KasseloderBundessozialgericht, Graf-Bernadotte-Platz 5, 34119 Kassel

einzulegen.

Die Beschwerdeschrift muss bis zum Ablauf der Monatsfrist bei dem Bundessozialgericht eingegangen sein.

Die elektronische Form wird durch Übermittlung eines elektronischen Dokuments gewahrt, das für die Bearbeitung durch das Gericht geeignet ist und

- von der verantwortenden Person qualifiziert elektronisch signiert ist und über das Elektronische Gerichts- und Verwaltungspostfach (EGVP) eingereicht wird oder

- von der verantwortenden Person signiert und auf einem sicheren Übermittlungsweg gem. § 65a Abs. 4 Sozialgerichtsgesetz (SGG) eingereicht wird.

Weitere Voraussetzungen, insbesondere zu den zugelassenen Dateiformaten und zur qualifizierten elektronischen Signatur, ergeben sich aus der Verordnung über die technischen Rahmenbedingungen des elektronischen Rechtsverkehrs und über das besondere elektronische Behördenpostfach (Elektronischer-Rechtsverkehr-Verordnung -ERVV) in der jeweils gültigen Fassung. Weitergehende Informationen zum elektronischen Rechtsverkehr können über das Internetportal des Bundessozialgerichts (www.bsg.bund.de) abgerufen werden.

Als Prozessbevollmächtigte sind nur zugelassen

-          jeder Rechtsanwalt,

-          Rechtslehrer an einer staatlichen oder staatlich anerkannten Hochschule eines Mitgliedsstaates der Europäischen Union, eines anderen Vertragsstaates des Abkommens über den Europäischen Wirtschaftsraum oder der Schweiz, die die Befähigung zum Richteramt besitzen,

-          selbständige Vereinigungen von Arbeitnehmern mit sozial- oder berufspolitischer Zwecksetzung für ihre Mitglieder,

-          berufsständische Vereinigungen der Landwirtschaft für ihre Mitglieder,

-          Gewerkschaften und Vereinigungen von Arbeitgebern sowie Zusammenschlüsse solcher Verbände für ihre Mitglieder oder für andere Verbände oder Zusammenschlüsse mit vergleichbarer Ausrichtung und deren Mitglieder,

-          Vereinigungen, deren satzungsgemäße Aufgaben die gemeinschaftliche Interessenvertretung, die Beratung und Vertretung der Leistungsempfänger nach dem sozialen Entschädigungsrecht oder der behinderten Menschen wesentlich umfassen und die unter Berücksichtigung von Art und Umfang ihrer Tätigkeit sowie ihres Mitgliederkreises die Gewähr für eine sachkundige Prozessvertretung bieten, für ihre Mitglieder,

-          juristische Personen, deren Anteile sämtlich im wirtschaftlichen Eigentum einer der vorgenannten Organisationen stehen, wenn die juristische Person ausschließlich die Rechtsberatung und Prozessvertretung dieser Organisation und ihrer Mitglieder oder anderer Verbände oder Zusammenschlüsse mit vergleichbarer Ausrichtung und deren Mitglieder entsprechend deren Satzung durchführt, und wenn die Organisation für die Tätigkeit der Bevollmächtigten haftet.

Die vorgenannten Vereinigungen, Gewerkschaften und juristischen Personen müssen durch Personen mit Befähigung zum Richteramt handeln. Behörden und juristische Personen des öffentlichen Rechts einschließlich der von ihnen zur Erfüllung ihrer öffentlichen Aufgaben gebildeten Zusammenschlüsse sowie private Pflegeversicherungsunternehmen können sich durch eigene Beschäftigte mit Befähigung zum Richteramt oder durch Beschäftigte mit Befähigung zum Richteramt anderer Behörden oder juristischer Personen des öffentlichen Rechts einschließlich der von ihnen zur Erfüllung ihrer öffentlichen Aufgaben gebildeten Zusammenschlüsse vertreten lassen.

Ein Beteiligter, der zur Vertretung berechtigt ist, kann sich selbst vertreten. Handelt es sich dabei um eine der vorgenannten Vereinigungen, Gewerkschaften oder juristischen Personen, muss diese durch Personen mit Befähigung zum Richteramt handeln.

Die Beschwerde ist innerhalb von zwei Monaten nach Zustellung des Urteils von einem zugelassenen Bevollmächtigten schriftlich oder in elektronischer Form zu begründen.

In der Begründung muss die grundsätzliche Bedeutung der Rechtssache dargelegt oder die Entscheidung des Bundessozialgerichts, des Gemeinsamen Senats der obersten Gerichtshöfe des Bundes oder des Bundesverfassungsgerichts, von der das Urteil abweicht, oder ein Verfahrensmangel, auf dem die angefochtene Entscheidung beruhen kann, bezeichnet werden. Als Verfahrensmangel kann eine Verletzung der §§ 109 und 128 Abs. 1 Satz 1 Sozialgerichtsgesetz nicht und eine Verletzung des § 103 Sozialgerichtsgesetz nur gerügt werden, soweit das Landessozialgericht einem Beweisantrag ohne hinreichende Begründung nicht gefolgt ist.

Für die Beschwerde gegen die Nichtzulassung der Revision kann ein Beteiligter, der nicht schon durch die oben genannten Vereinigungen, Gewerkschaften oder juristischen Personen vertreten ist, Prozesskostenhilfe zum Zwecke der Beiordnung eines Rechtsanwalts beantragen.

Der Beteiligte kann die Prozesskostenhilfe selbst beantragen. Der Antrag ist beim Bundessozialgericht entweder schriftlich oder in elektronischer Form einzureichen oder mündlich vor dessen Geschäftsstelle zu Protokoll zu erklären.

Dem Antrag sind eine Erklärung des Beteiligten über seine persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse (Familienverhältnisse, Beruf, Vermögen, Einkommen und Lasten) sowie entsprechende Belege beizufügen. Hierzu ist der für die Abgabe der Erklärung vorgeschriebene Vordruck zu benutzen. Der Vordruck kann von allen Gerichten oder durch den Schreibwarenhandel bezogen werden.

Wird Prozesskostenhilfe bereits für die Einlegung der Beschwerde begehrt, so müssen der Antrag und die Erklärung über die persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse - gegebenenfalls nebst entsprechenden Belegen - bis zum Ablauf der Frist für die Einlegung der Beschwerde (ein Monat nach Zustellung des Urteils) beim Bundessozialgericht eingegangen sein.

Mit dem Antrag auf Prozesskostenhilfe kann ein zur Vertretung bereiter Rechtsanwalt benannt werden.

Ist dem Beteiligten Prozesskostenhilfe bewilligt worden und macht er von seinem Recht, einen Anwalt zu wählen, keinen Gebrauch, wird auf seinen Antrag der beizuordnende Rechtsanwalt vom Bundessozialgericht ausgewählt.

Der Beschwerdeschrift und allen folgenden Schriftsätzen sollen Abschriften für die übrigen Beteiligten beigefügt werden.

Das Bundessozialgericht bittet darüber hinaus um je zwei weitere Abschriften.

Schriftlich einzureichende Anträge und Erklärungen, die durch einen Rechtsanwalt, durch eine Behörde oder durch eine juristische Person des öffentlichen Rechts einschließlich der von ihr zur Erfüllung ihrer öffentlichen Aufgaben gebildeten Zusammenschlüsse eingereicht werden, sind als elektronisches Dokument zu übermitteln. Ist dies aus technischen Gründen vorübergehend nicht möglich, bleibt die Übermittlung nach den allgemeinen Vorschriften zulässig. Die vorübergehende Unmöglichkeit ist bei der Ersatzeinreichung oder unverzüglich danach glaubhaft zu machen; auf Anforderung ist ein elektronisches   Dokument nachzureichen. Gleiches gilt für die nach dem Sozialgerichtsgesetz vertretungsberechtigten Personen, für die ein sicherer Übermittlungsweg nach § 65a Abs. 4 Nr. 2 SGG zur Verfügung steht (§ 65d SGG).

Rechtskraft
Aus
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