Tenor:
Auf die Berufung der Klägerin wird das Urteil des Sozialgerichts Dortmund vom 3. September 2018 geändert und die Beklagte verurteilt, an die Klägerin 47.258,03 € nebst Zinsen i.H.v. 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit Rechtshängigkeit zu zahlen.
Die Berufung der Beklagten gegen das Urteil des Sozialgerichts Dortmund vom 3. September 2018 wird zurückgewiesen.
Die Beklagte trägt die Kosten des Rechtsstreits in beiden Rechtszügen mit Ausnahme der außergerichtlichen Kosten des Beigeladenen, die dieser selbst trägt.
Die Revision wird nicht zugelassen.
Der Streitwert wird auf 58.419,27 € festgesetzt.
Tatbestand
Die Beteiligten streiten darüber, ob die klagende Kassenärztliche Vereinigung (KV) und die beklagte Krankenkasse (KK) (auch als sogenannte Erstreckungskrankenkasse für den Rechtskreis B.) Anspruch auf Zahlung rückständiger Gesamtvergütung bzw. Erstattung überzahlter Gesamtvergütung für die Jahre 2006 bis 2008 haben.
Grundlage der geltend gemachten Forderung ist der zwischen der Klägerin und dem Landesverband der BKK (BKK) H. (H.), dessen Rechtsnachfolger der beigeladene BKK Landesverband G. ist, geschlossene Gesamtvertrag-Ärzte vom 1. März 1983 (GV 1983). Dieser entfaltet gemäß §§ 83 Abs. 1 Satz 1, 85 Abs. 2 Sozialgesetzbuch Fünftes Buch (SGB V) unmittelbare Wirkung für die Beklagte (VKNR N05), die BKK W. (VKNR N06), die U. BKK (VKNR N07), die I. BKK (VKNR N08), die BKK P. (VKNR N09) und die U. BKK/B. (VKNR N10), deren Rechtsnachfolgerin die Beklagte jeweils ist. Innerhalb des GV 1983 ist auszugsweise Folgendes geregelt:
„§ 1 Gegenstand des Vertrages
- 1. Dieser Vertrag regelt die kassenärztliche Versorgung (§ 368 Abs. 2 RVO), in E., die den Berechtigten gegenüber den Krankenkassen nach Gesetz, Satzung und versicherungsrechtlichen Abkommen zusteht. […].
§ 2 Anlagen des Vertrages
Folgende Anlagen sind Bestandteil dieses Vertrages:
- Anlage 1 Berechnung der Gesamtvergütung
- (Anlagen 2-17)
[...]
§ 23 Rechnungslegung
- 1. [...]
- 2. Die Erklärungen nach Abs. 1 bewahrt die KVWL 2 Jahre auf.
- 3. [...]
- 4. Die Krankenkassen können die Erklärungen nach Abs. 1 bei der zuständigen Verwaltungsstelle der KVWL einsehen.
- 5. [...]
- 6. Die Abrechnung von Leistungen ist nach Ablauf eines Jahres – vom Ende des Kalendervierteljahres an gerechnet, indem sie erbracht worden sind – ausgeschlossen. Dies gilt nicht für Verzögerungen, die durch eine Rechnungslegung gegenüber einer unzuständigen Krankenkasse entstanden sind. In sonstigen Ausnahmefällen sollen sich die Vertragspartner mit dem Ziel einer gütlichen Regelung verständigen.
[…]
- 12. Jede Krankenkasse erhält die geprüften und ggf. berichtigten Abrechnungen bis zum 15. des 4. Kalendermonats nach Ablauf des betreffenden Kalendervierteljahres.
- 13. Einzelheiten zur Rechnungslegung ergeben sich aus der Anlage 8 dieses Gesamtvertrages.
- 14. Bestehen zu Abrechnungsfragen unterschiedliche Auffassungen, so werden die Vertragspartner eine gütliche Regelung anstreben. […]
§ 25 Zahlung der Gesamtvergütung
- 1. Die Gesamtvergütung wird vierteljährlich, und zwar 10 Tage nach Eingang der Mantelrechnung, fällig. Die Krankenkassen leisten monatliche Abschlagszahlungen von je 32 v. H. der Gesamtvergütung des entsprechenden Vorjahresquartals. Die Abschlagszahlungen werden bis zum 15. des folgenden Monats bewirkt.
- 2. Überzahlungen werden als Vorauszahlungen für das folgende Vierteljahr angerechnet. Berichtigungen, die sich bei der Prüfung der Abrechnungen auf rechnerische und Gebühren ordnungsmäßige Richtigkeit ergeben, sind innerhalb von 2 Jahren nach Eingang der Abrechnungsunterlagen von der jeweiligen Krankenkasse geltend zu machen und grundsätzlich innerhalb von 6 Monaten von der KVWL zu bescheiden. Forderungen aus Berichtigungsanträgen können nur nach Anerkennung durch die KVWL der nächsten Zahl verrechnet werden. […]
§ 26 Gültigkeit des Gesamtvertrages
- 1. Dieser Vertrag tritt mit Wirkung zum 1. Januar 1983 an die Stelle des bisherigen Rahmengesamtvertrages.
- 2. Der Gesamtvertrag kann mit einer Frist von 6 Monaten schriftlich zum Ende eines Kalendervierteljahres gekündigt werden.
- 3. Jede Anlage kann mit einer Frist von 6 Monaten zum Schluss eines Kalendervierteljahres gekündigt werden. Die Kündigung einer Anlage berührt die Geltung dieses Vertrages und der übrigen Anlagen nicht.
[…]
§ 27 Übergangsbestimmungen […].“
Die nähere Ausgestaltung der Gesamtvergütung ist in der Anlage 1 zum GV 1983 vereinbart und wird für jedes Kalenderjahr neu gefasst. Die am 25. Juli 2007 abgeschlossene Anlage 1 für das Jahr 2006 hat auszugsweise folgenden Wortlaut:
„Unter Berücksichtigung der Empfehlungsvereinbarungen der Vertragspartner auf der Bundesebene wird für die Berechnung der Gesamtvergütung für das Jahr 2006 folgende Vereinbarung getroffen:
1. Vergütung nach Kopfpauschalen
Die Gesamtvergütung für die vertragsärztliche Versorgung wird pauschal je BKK und Quartal zusammen für bereichseigene und bereichsfremde Ärzte berechnet, soweit der Vertrag nicht etwas anderes bestimmt. Die Regelungen gelten für folgende BKK, deren Mitglieder einschließlich Familienangehörigen ihren Wohnsitz im Bereich der KV E. haben (Wohnortprinzip):
a) N.-BKK mit Sitz in E.
b) N.-BKK mit Sitz in anderen KV-Bereichen
c) B.-Erstreckungskassen mit Sitz in E.
d) B.-Erstreckungslassen in anderen KV-Bereichen
e) Originäre B.-BKK
sowie für BKK mit Sitz in E., die sich nicht über mehr als ein Bundesland erstrecken (Kassensitzprinzip). […]
1.6 Für die Berechnung der Gesamtvergütung gilt Anhang 1. […]
6. Rechnungslegung […]
6.5 Die Betriebskrankenlassen erhalten von der KVWL
- 1. die Budgetberechnungen einschl. Anlagen. Anstelle der Sondernachweise werden Sondervereinbarungen, die Bestandteile der Gesamtvergütung regeln, im neuen vdx-KT-Viewer ausgewiesen.
- 2. im Rahmen des Datenträgeraustausches folgende Dateien
- die Einzelfallnachweise (EFN),
- die Formblatt 3-Datensätze im xml-Format und
- die KT-Viewer auf CD-Rom.
Im Übrigen gelten für die Abrechnungsunterlagen die Regelungen des Vertrages der KBV mit den Spitzenverbänden der Krankenkassen über den Datenaustausch auf Datenträgern (Anlage 6 zum BMV-Ä) und Technischen Anlagen zum Vertrag über den Datenträgeraustausch in der jeweils gültigen Fassung. […].
7. Zahlungen der Betriebskrankenkassen
7.1 Die Gesamtvergütung wird vierteljährlich, und zwar jeweils 10 Tage nach Eingang der Formblätter 3 im xml-Format inkl. KT-Viewer, fällig und ist auf das Konto der KVWL zu überweisen.
7.2 Die Betriebskrankenkassen leisten grundsätzlich monatliche Abschlagszahlung in Höhe von 32 % der gezahlten Gesamtvergütung des jeweiligen Quartals des Vorjahres bis zum 15. des nachfolgenden Monats. Die Beträge sind auf volle 100,00 Euro zu runden.
7.3 Das Formblatt 3 im xml-Format einschließlich KT-Viewer sind rechnungsbegründende Unterlagen.
7.4 Überzahlungen werden als Vorauszahlungen mit der nächsten Zahl verrechnet.
7.5 Kommt eine BKK mit den nach 7.1 und 7.2 fälligen Zahlungen in Verzug, sind von der BKK Verzugszinsen in Höhe von 5 % über dem Basiszinssatz zu leisten. Dies gilt nicht, soweit schriftlich geschlossene Stundungsvereinbarungen getroffen wurden. […]
10. Inkrafttreten, Dauer
Diese Vereinbarung tritt am 1. Januar 2006 in Kraft und endet am 31. Dezember 2006.“
Die am 29. April 2008 abgeschlossene Anlage 1 für das Jahr 2007 hat auszugsweise folgenden Wortlaut:
„1. Vergütung nach Kopfpauschalen
Die Gesamtvergütung für die vertragsärztliche Versorgung wird nach Kopfpauschalen je BKK und Quartal zusammen für bereichseigene und bereichsfremde Ärzte berechnet, soweit der Vertrag nicht etwas anderes bestimmt,
Die Regelungen gelten für folgende BKK, deren Mitglieder einschließlich Familienangehörige ihren Wohnsitz im Bereich der KV E. haben (Wohnortprinzip):
- a. N.-BKK mit Sitz in E.
- b. N.-BKK mit Sitz in anderen KV-Bereichen
- c. B.-Erstreckungskassen mit Sitz in E.
- d. B.-Erstreckungskassen in anderen KV-Bereichen
- e. Originäre B.-BKK
sowie für BKK mit Sitz in E., die sich nicht über mehr als ein Bundesland erstrecken (Kassensitzprinzip).
1.6 Für die Berechnung der Gesamtvergütung gilt Anhang 1.
[…]
7. Rechnungslegung [...]
7.5 Die Betriebskrankenkassen erhalten von der KVWL
1. die Budgetberechnungen einschl. Anlagen. Anstelle der Sondernachweise werden Sondervereinbarungen, die Bestandteile der Gesamtvergütung regeln, im neuen vdx-KT-Viewer ausgewiesen.
2. Im Rahmen des Datenträgeraustausches folgende Dateien
- die Einzelfallnachweise (EFN),
- die vorläufigen Formblatt 3 - Datensätze im xml-Format
- die vorläufigen KT-Viewer auf CD-Rom und
- nach Endabrechnung des Vertragszeitraumes die korrigierten KT-Viewer auf CD-Rom sowie die endgültigen Formblatt 3 - Datensätze im xml-Format.
Im Übrigen gelten für die Abrechnungsunterlagen die Regelungen des Vertrages der KBV mit den Spitzenverbänden der Krankenkassen über den Datenaustausch auf Datenträgern (Anlage 6 zum BMV-Ä) und Technischen Anlagen zum Vertrag über den Datenträgeraustausch in der jeweils gültigen Fassung. [...]
8. Zahlungen der Betriebskrankenkassen
8.1. Die Gesamtvergütung wird vierteljährlich, und zwar jeweils 10 Tage nach Eingang der Formblätter 3 im xml-Format inkl. KT-Viewer fällig und ist auf das Konto der KVWL zu überweisen.
8.2. Die Betriebskrankenkassen leisten grundsätzlich monatliche Abschlagszahlungen in Höhe von 32 % der gezahlten Gesamtvergütung des jeweiligen Quartals des Vorjahres bis zum 15. des nachfolgenden Monats. Die Beträge sind auf volle 100,00 EUR zu runden.
8.3. Das Formblatt 3 im xml-Format einschl. KT-Viewer sind rechnungsbegründende Unterlagen.
8.4. Überzahlungen werden als Vorauszahlungen mit der nächsten Zahlung verrechnet.
8.5 Kommt eine BKK mit den nach 8.1 und 8.2 fälligen Zahlungen in Verzug, sind von der BKK Verzugszinsen i.H.v. 5 % über dem Basiszinssatz zu leisten. Dies gilt nicht, soweit schriftlich geschlossene Stundungsvereinbarungen getroffen wurden.
[…]
11. Inkrafttreten, Dauer
Diese Vereinbarung tritt am 01.01.2007 in Kraft und endet am 31.12.2007.“
Die Anlage 1 für das Jahr 2008 wurde am 29. Oktober 2008 verabschiedet. Sie hat auszugsweise folgenden Wortlaut:
„1. Vergütung nach Kopfpauschalen
Die Gesamtvergütung für die vertragsärztliche Versorgung wird nach Kopfpauschalen je BKK und Quartal zusammen für bereichseigene und bereichsfremde Ärzte berechnet, soweit der Vertrag nicht etwas anderes bestimmt.
Die Regelungen gelten für folgende BKK, deren Mitglieder einschließlich Familienangehörige ihren Wohnsitz im Bereich der KV E. haben (Wohnortprinzip):
- a. N.-BKK mit Sitz in E.
- b. N.-BKK mit Sitz in anderen KV-Bereichen
- c. B.-Erstreckungskassen mit Sitz in E.
- d. B.-Erstreckungskassen in anderen KV-Bereichen
- e. Originäre B.-BKK
sowie für BKK mit Sitz in E., die sich nicht über mehr als ein Bundesland erstrecken (Kassensitzprinzip), […]
1.6. Für die Berechnung der Gesamtvergütung gilt Anhang 1. […]
7. Rechnungslegung
[…]
7.5.. Die Betriebskrankenkassen erhalten von der KVWL
1. die Budgetberechnungen einschl. Anlagen. Anstelle der Sondernachweise werden Sondervereinbarungen, die Bestandteile der Gesamtvergütung regeln, im vdx-KT-Viewer ausgewiesen,
2. im Rahmen des Datenträgeraustausches folgende Dateien
- die Einzelfallnachweise (EFN),
- die vorläufigen Formblatt 3 - Datensätze im xml-Format
- die vorläufigen KT-Viewer auf CD-Rom und
- nach Endabrechnung des Vertragszeitraumes die korrigierten KT- Viewer auf CD-Rom sowie die endgültigen Formblatt 3 - Datensätze im xml-Format.
Im Übrigen gelten für die Abrechnungsunterlagen die Regelungen des Vertrages der KBV mit den Spitzenverbänden der Krankenkassen über den Datenaustausch auf Datenträgern (Anlage 6 zum BMV-Ä) und Technischen Anlagen zum Vertrag über den Datenträgeraustausch in der jeweils gültigen Fassung.
7.6. Der BKK-LV NW erhält von der KVWL:
1. die Budgetberechnungen einschl. Anlagen je Quartal je BKK und insgesamt;
2. je BKK und gesamt die vorläufigen KT-Viewer auf CD-ROBKK Ergänzende Regelungen werden bei Bedarf von den Vertragspartnern gesondert getroffen;
3. die vorläufigen Formblatt 3 - Datensätze im xml-Format;
4. eine Übersicht über die Anzahl der Mitglieder, die Kostenerstattung nach §§13 Abs. 2 oder 53 Abs. 4 SGB V für den Bereich der vertragsärztlichen Versorgung gewählt haben;
5. nach der Endabrechnung des Vertragszeitraumes die korrigierten KT- Viewer auf CD-Rom sowie die endgültigen Formblatt 3 - Datensätze im xml-Format
Sondervereinbarungen nach Ziffer 4. und Einzelleistungen nach Ziffer 5. werden im KT-Viewer gesondert bis auf die Gebührenziffernebene ausgewiesen.
8. Zahlungen der Betriebskrankenkassen
8.1 Die Gesamtvergütung wird vierteljährlich, und zwar jeweils 10 Tage nach Eingang der Formblätter 3 im xml-Format inkl. KT-Viewer fällig und ist auf das Konto der KVWL zu überweisen.
8.2. Die Betriebskrankenkassen leisten grundsätzlich monatliche Abschlagszahlungen in Höhe von 32 % der gezahlten Gesamtvergütung des jeweiligen Quartals des Vorjahres bis zum 15. des nachfolgenden Monats. Die Beträge sind auf volle 100,00 EUR zu runden.
8.3. Das Formblatt 3 im xml-Format einschl. KT-Viewer sind rechnungsbegründende Unterlagen.
8.4. Überzahlungen werden als Vorauszahlungen mit der nächsten Zahlung verrechnet.
8.5. Kommt eine BKK mit den nach Ziffern 8.1 und 8.2 fälligen Zahlungen in Verzug, sind von der BKK Verzugszinsen i.H.v. 5 % über dem Basiszinssatz zu leisten. Dies gilt nicht, soweit schriftlich geschlossene Stundungsvereinbarungen getroffen wurden.
10. Inkrafttreten, Dauer
Diese Vereinbarung tritt am 01.01.2008 in Kraft und endet am 31.12.2008.
Die Anlagen 1 für die Jahre 2006 und 2007 enthalten – anders als die Anlage 1 für das Jahr 2008 - jeweils zu Ziff. 10 (2006) und Ziff. 11 (2007) eine Protokollnotiz, wonach sie zur Vermeidung eines vertragslosen Zustands vorläufig über die Vertragslaufzeit hinaus weitergelten, bis sie durch die Anlage für das Folgejahr ersetzt werden. Anhang 1 zu Anlage 1 enthält jeweils das Formblatt für die Berechnung des Gesamtbudgets mit der Überschrift „Gesamt-Budget – Budget endgültig – Anhang 1“. Auf den weiteren Inhalt der jeweiligen Anlagen 1 für die Jahre 2006 bis 2008 wird Bezug genommen.
Eine zwischen den Vertragsparteien vereinbarte Abrechnungsumstellung unter Nutzung der Formblatt 3-Datensätze und des sog. KT-Viewers ab dem Quartal II/2005 führte – so die Klägerin – zu technischen Verzögerungen in der Umsetzung. Nach einem Rundschreiben des Beigeladenen vom 21. Juni 2006 wurden zum damaligen Zeitpunkt in beiden Landesteilen die – zudem erst am 26. April 2006 abgeschlossene – Anlage 1 (2005) noch nicht umgesetzt und die Abrechnungsunterlagen für II/2005 für Ende Juli 2006 in Aussicht gestellt. Indes waren bei der Klägerin noch im Jahr 2007 nicht alle Jahre ab 2003 für die verschiedenen BKKen abgerechnet (E-Mail vom 16. April 2007). Begründet wurde dies gleichfalls mit der von März 2005 bis Sommer 2006 erfolgten Umstellung auf die neue Rechnungslegung, welche sich in der Konfiguration als weit aufwändiger herausgestellt habe als davor. Aufgrund des zudem eingeführten verkürzten Abrechnungsrhythmus seien die Rechnerkapazitäten am Limit.
Im streitigen Zeitraum gestaltete sich das Abrechnungsprocedere der Klägerin gegenüber der Beklagten in tatsächlicher Hinsicht wie folgt: Sie forderte von dieser zunächst für die einzelnen Quartale monatliche Abschlagszahlungen in Höhe von monatlich 32% der Gesamtvergütung des entsprechenden Vorjahresquartals an, welche die Beklagte unstreitig auch zeitnah beglich. Sodann erteilte sie der Beklagten für die streitgegenständlichen Quartale eine vorläufige quartalsweise Abrechnung bestehend aus budgetierten und nicht budgetierten Vergütungsbestandteilen, die regelhaft im zweiten bis vierten Quartal nach Ablauf des jeweiligen Abrechnungsquartals erstellt wurde. Im Rahmen dieser vorläufigen Abrechnung wurden sämtliche Differenzbeträge zu den bereits geleisteten Abschlagszahlungen ausgeglichen. Sofern die Abschlagszahlungen den Betrag der vorläufigen Budgetierung demnach überstiegen, wurde der Beklagten diese Differenz durch die Klägerin erstattet, im anderen Fall der Betrag nachgefordert. Diese einstweilige Quartalsabrechnung wurde (jedenfalls) in den beigefügten rechnungsbegründenden Unterlagen als vorläufig gekennzeichnet. Als rechnungsbegründende Unterlagen reichte die Klägerin dabei die Formblätter 3 in dem entsprechenden Format inkl. KT-Viewer ein. Die Beklagte beglich jeweils die so in Rechnung gestellten Beträge für den streitgegenständlichen Zeitraum. Sodann stellte die Klägerin die sich nach Maßgabe des jeweiligen Vertrages ergebende endgültige budgetierte Gesamtvergütung sowie nicht budgetierte Einzelleistungsvergütung in Rechnung.
Mit Schreiben vom 31. August 2015 erteilte die Klägerin - erneut unter Bereitstellung der Abrechnungsunterlagen - der Beklagten eine endgültige Abrechnung der Gesamtvergütung für die Quartale der Jahre 2006-2008. Sie differenzierte nach Quartalen und KK bzw. Erstreckungs-KK und ging in der Weise vor, dass sie Guthaben zu ihren Gunsten in einem Quartal mit Guthaben zugunsten der Beklagten in einem anderen Quartal zunächst innerhalb des Jahres saldierte. Für die Jahre 2006 und 2007 ergab sich jeweils eine Forderung zugunsten der Klägerin, während für das Jahr 2008 eine Gutschrift für die Beklagte folgte. Es verblieb nach Saldierung eine Forderung i.H.v. 47.258,03 € gegenüber der Beklagten.
Die hiernach von der Klägerin gegenüber der Beklagten geltend gemachte Gesamtforderung setzt sich im Detail wie folgt zusammen:
Für das Jahr 2006:
1. BKK W., VKNR N06
Quartal |
Vorläufige Gesamtvergütung |
Endgültige Gesamtvergütung |
Differenz |
1/06 |
18.189,39 € |
18.297,57 € |
108,18 € |
2/06 |
17.497,32 € |
17.315,23 € |
-182,09 € |
3/06 |
18.332,19 € |
19.211,15 € |
878,96 € |
4/06 |
18.094,78 € |
19.603,93 € |
1.509,15 € |
Gesamtdifferenz: 2.314,20 €
2. U. BKK, VKNR N07
Quartal |
Vorläufige Gesamtvergütung |
Endgültige Gesamtvergütung |
Differenz |
1/06 |
207.233,90 € |
207.636,68 € |
402,78 € |
2/06 |
190.198,50 €€ |
194.728,05 € |
4.529,55 € |
3/06 |
187.908,11 € |
190.465,38 € |
2.557,27 € |
4/06 |
207.095,28 € |
218.496,64 € |
11.401,36 € |
Gesamtdifferenz: 18.890,96 €
3. I. BKK, VKNR N08
Quartal |
Vorläufige Gesamtvergütung |
Endgültige Gesamtvergütung |
Differenz |
1/06 |
86.123,97 € |
86.437,29 € |
313,32 € |
2/06 |
76.523,41 € |
79.414,90 € |
2.891,49 € |
3/06 |
81.821,42 € |
82.691,14 € |
869,72 € |
4/06 |
90.853,58 € |
93.723,59 € |
2.870,01 € |
Gesamtdifferenz: 6.944,54 €
4. BKK P., VKNR N09
Quartal |
Vorläufige Gesamtvergütung |
Endgültige Gesamtvergütung |
Differenz |
1/06 |
617.963,69 € |
615.771,70 € |
-2.191,99 € |
2/06 |
563.835,23 € |
570.481,18 € |
6.645,95 € |
3/06 |
543.996,47 € |
547.950,17 € |
3.953,70 € |
4/06 |
616.488,61 € |
624.488,44 € |
7.999,83 € |
Gesamtdifferenz: 16.407.49 €
5. U. BKK/B., VKNR N10
Quartal |
Vorläufige Gesamtvergütung |
Endgültige Gesamtvergütung |
Differenz |
1/06 |
108,81 € |
112,76 € |
3,95 € |
2/06 |
63,06 € |
62,95 € |
-0,11 € |
3/06 |
51,26 € |
20,24 € |
-31,02 € |
4/06 |
48,58 € |
48,58 € |
0,00 € |
Gesamtdifferenz: -27,18 €
Daraus ergibt sich für das Jahr 2006 eine Gesamtforderung der Klägerin in Höhe von 44.530,01 €.
Für das Jahr 2007:
1. BKK W., VKNR N06
Quartal |
Vorläufige Gesamtvergütung |
Endgültige Gesamtvergütung |
Differenz |
1/07 |
18.189,78 € |
18.130,79 € |
-58,99 € |
2/07 |
17.399,79 € |
17.349,48 € |
-50,31 € |
3/07 |
19.158,92 € |
19.019,89 € |
-139,03 € |
4/07 |
23.189,88 € |
23.085,01 € |
-104,87 € |
Gesamtdifferenz: -353,20 €
2. U. BKK, VKNR N07
Quartal |
Vorläufige Gesamtvergütung |
Endgültige Gesamtvergütung |
Differenz |
1/07 |
212.825,64 €: |
213.674,60 € |
848,96 € |
2/07 |
198.631,40 € |
199.339,90 € |
708,50 € |
3/07 |
203.637,34 € |
203.058,36 € |
-578,98 € |
4/07 |
215.067,19 € |
214.756,77 € |
-310,42 € |
Gesamtdifferenz: 668,06 €
3. I. BKK, VKNR N08
Quartal |
Vorläufige Gesamtvergütung |
Endgültige Gesamtvergütung |
Differenz |
1/07 |
94.671,20 € |
95.813,77 € |
1.142,57 € |
2/07 |
89.946,30 € |
89.503,97 € |
-442,33 € |
3/07 |
91.200,02 € |
90.928,30 € |
-271,72 € |
4/07 |
107.131,31 € |
106.755,78 € |
-375,53 € |
Gesamtdifferenz: 52,99 €
4. BKK P., VKNR N09
Quartal |
Vorläufige Gesamtvergütung |
Endgültige Gesamtvergütung |
Differenz |
1/07 |
617.960,61 € |
621.399,97 € |
3.439,36 € |
2/07 |
569.051,26 € |
573.393,88 € |
4.342,62 € |
3/07 |
580.514,37 € |
579.080,51 € |
-1.433,86 € |
4/07 |
626.344,20 € |
625.190,12 € |
-1.154,08 € |
Gesamtdifferenz: 5.194,04 €
5. U. BKK/B., VKNR N10
Quartal |
Vorläufige Gesamtvergütung |
Endgültige Gesamtvergütung |
Differenz |
1/07 |
56,16 € |
56,05 € |
-0,11 € |
2/07 |
47,65 € |
47,52 € |
-0,13 € |
3/07 |
43,99 € |
43,73 € |
-0,26 € |
4/07 |
180,58 € |
180,58 € |
0,00 € |
Gesamtdifferenz: -0,50 €
Daraus ergibt sich für das Jahr 2007 eine Gesamtforderung der Klägerin in Höhe von 5.561,39 €.
Für das Jahr 2008:
1. BKK W., VKNR N06
Quartal |
Vorläufige Gesamtvergütung |
Endgültige Gesamtvergütung |
Differenz |
1/08 |
22.559,78 € |
22.442,90 € |
-116,88 € |
2/08 |
22.536,02 € |
22.376,29 € |
-159,73 € |
3/08 |
21.177,01 € |
21.251,42 € |
74,41 € |
4/08 |
27.109,15 € |
27.041,90 € |
-67,25 € |
Gesamtdifferenz: -269,45 €
2. U. BKK, VKNR N07
Quartal |
Vorläufige Gesamtvergütung |
Endgültige Gesamtvergütung |
Differenz |
1/08 |
225.026,45 € |
224.703,63 € |
-322,82 € |
2/08 |
211,395,25 € |
211.151,98 € |
-243,27 € |
3/08 |
217.355,88 € |
217.879,22 € |
523,34 € |
4/08 |
238.568,31 € |
238.419,33 € |
-148,98 € |
Gesamtdifferenz : -191,73 €
3. I. BKK, VKNR N08
Quartal |
Vorläufige Gesamtvergütung |
Endgültige Gesamtvergütung |
Differenz |
1/08 |
105.689,72 € |
105.726,33 € |
36,61 € |
2/08 |
106.330,07 € |
105.720,33 € |
-609,74 € |
3/08 |
111.326,06 € |
111.154,62 € |
-171,44 € |
4/08 |
125.040,71 € |
124.330,46 € |
-710,25 € |
Gesamtdifferenz : -1.454,82 €
4. BKK P., VKNR N09
Quartal |
Vorläufige Gesamtvergütung |
Endgültige Gesamtvergütung |
Differenz |
1/08 |
620.648,93 € |
619.894,65 € |
-754,28 € |
2/08 |
613.079,79 € |
612.658,63 € |
-421,16 € |
3/08 |
600.454,88 € |
600.622,56 € |
367,68 € |
4/08 |
660.565,85 € |
660.456,24 € |
-109,61 € |
Gesamtdifferenz: -917,37 €
5. U. BKK/B., VKNR N10
Quartal |
Vorläufige Gesamtvergütung |
Endgültige Gesamtvergütung |
Differenz |
1/08 |
33,05 € |
33,05 € |
0,00 € |
2/08 |
116,67 € |
116,67 € |
0,00 € |
3/08 |
77,40 € |
77,40 € |
0,00 € |
4/08 |
143,16 € |
143,16 € |
0,00 € |
Gesamtdifferenz : 0,00 €
Daraus ergibt sich für das Jahr 2008 ein von der Klägerin zu erstattender Betrag in Höhe von 2.833,37 €.
Die Gesamtforderung setzt sich wie folgt zusammen:
2006 |
2007 |
2008 |
Saldo Gesamt |
44.530,01 € |
5.561,39 € |
-2.833,37 € |
47.258,03 € |
Im Rahmen ihrer Gesamtforderung verrechnete die Klägerin insgesamt einen Betrag i.H.v. 11.161,24 € (2.405,21 € + 4.920,62 € + 3.835,41 €).
Mit Schreiben vom 26. Oktober 2015 erhob die Beklagte bezogen auf eine Forderung von 50.091,40 € (Gesamtvergütung 2006 und 2007 ohne Abzüge) die Einrede der Verjährung.
Dieses Vorgehen entsprach der Rechtsansicht des Beigeladenen, der in zwei Rundschreiben vom 28. August 2012 und 4. Dezember 2013 zur „endgültigen Abrechnung der Kassenärztlichen Vereinigung Nordrhein (KVNo) für das 1. Quartal 2006“ und zur „Endabrechnung der Gesamtvergütung der KVWL für das Jahr 2005“ die Auffassung vertrat, dass die Einrede der Verjährung durch die betroffene BKK erhoben werden könne. In letztgenannten Rundschreiben verwies er darauf, dass – dort die KVNo – hinlänglich auf eine Verzögerung der Abrechnung der Quartale III/2005 bis IV/2008 hingewiesen habe. Insofern könne sich in einem gerichtlichen Verfahren die Erhebung der Einrede als treuwidrig erweisen und zur Annahme einer Hemmung nach § 203 Bürgerliches Gesetzbuch (BGB) führen.
Die nachfolgenden – nicht streitrelevanten – Quartale der Jahre 2009 bis 2012 wurden nach einer Übertragung der Regelungskompetenz für die Gesamtvergütung auf Bundesebene und einer daraus resultierenden Umstrukturierung ausschließlich endgültig abgerechnet. Für die Quartale in 2013 bis 2019 erfolgten – nach dem Vortrag der Klägerin – erneut eine vorläufige und eine endgültige Abrechnung, wobei diese in zeitlichen Abständen von bis zu ca. zwei Jahren standen. Den Abrechnungsmodus für die Jahre bis 2004 konnte die Klägerin – auf Nachfrage des Senats – nicht mehr belegen.
Die Klägerin hat am 24. August 2016 Klage zum Sozialgericht (SG) Dortmund erhoben, mit der sie die Zahlung der offenen Forderungen für die Jahre 2006 und 2007 i.H.v. 47.258,03 € zzgl. Zinsen geltend gemacht hat. Die Aufteilung in eine vorläufige und eine endgültige Abrechnung habe einer seit über Jahrzehnten gelebten Übung entsprochen. Die Notwendigkeit einer zunächst vorläufigen Abrechnung habe sich bereits aus der Tatsache ergeben, dass die jeweils anzuwendende Honorarvereinbarung zum Zeitpunkt der jeweiligen vorläufigen Quartalsabrechnungen noch nicht vorgelegen habe. Diesem Umstand sei bereits durch die übergangsweise Fortgeltung der jeweiligen Anlagen 1 zum GV 1983 gemäß den jeweiligen Protokollnotizen zu Ziffer 12 (2005) und 10 (2006) Rechnung getragen worden. Die Verzögerung bei der Erteilung der endgültigen Abrechnung für die streitgegenständlichen Quartale verstärke sich durch das System der Kopfpauschalen. So werde für das Erstellen einer endgültigen Abrechnung zwingend die endgültige Rechnungslegung für den Vorjahreszeitraum benötigt. Die Ausgangskopfpauschale einer KK basiere schließlich auf der endgültigen Kopfpauschale des Vorjahresquartals. Da die Honorarvereinbarungen für die Jahre 2003 und 2004 erst im Jahr 2005 unterschrieben worden seien und die Abrechnungen – wie beschrieben – aufeinander aufbauten, hätten zunächst die Spitzenabrechnungen für die Jahre 2003 und 2004 erstellt werden müssen. Es sei offenkundig, dass sich so ein immer größerer Verzug aufgebaut habe. Zusätzlich habe eine durch die KKn gewünschte Systemumstellung (Einführung VDX/Anpassung an Konten Rahmen der GKV) erfolgen müssen.
Die geltend gemachten Vergütungsansprüche seien auch nicht verjährt. Dabei sei der Beklagten zuzugeben, dass der Anspruch der Klägerin auf Gesamtvergütung grundsätzlich der Verjährung entsprechend § 45 Abs. 1 Sozialgesetzbuch Erstes Buch (SGB I) unterliege. Danach verjähre der Anspruch auf Gesamtvergütung vier Jahre nach Ende des Kalenderjahres, in welchem er entstanden sei (Verweis auf Bundessozialgericht [BSG], Urteil vom 15. Juni 2016 – B 6 KA 22/15 R, Rdnr. 38). Der Lauf der Verjährung beginne mit Fälligkeit (Verweis auf Bundesgerichtshof [BGH], Urteil vom 22. Oktober 1986 – VIII ZR 242/85), wobei es für die Fälligkeit auf die Erteilung der endgültigen Abrechnung ankomme, denn die Fälligkeit bestimme sich nach §§ 50, 61 Satz 2 Sozialgesetzbuch Zehntes Buch (SGB X) in Verbindung mit § 271 BGB und bezeichne den Zeitpunkt, ab dem die Klägerin die Leistung verlangen könne. Die Klausel in Anlage 1 Ziffer 7.1 (2006) zum GV 1983 stelle eine echte Fälligkeitsbestimmung gemäß § 271 BGB dar, da sie ein Zahlungsziel einräume (Verweis auf BGH, Urteil vom 1. Februar 2007 – III ZR 159/06, Rdnr. 17). Auch wenn der GV 1983 selbst nicht zwischen einer vorläufigen und einer endgültigen Abrechnung trenne, entspreche es der jahrelangen Handhabe im Bereich der Klägerin, dass die Geltendmachung der Gesamtvergütung in ein vorläufiges und ein endgültiges Budget aufgespalten worden sei. Dies habe die Beklagte erkannt und nicht moniert. Insofern sei von einem konkludenten Einverständnis auszugehen. Eingedenk dessen könnten der GV 1983 und die Anlage 1 nur so gelesen werden, dass die Fälligkeit der Gesamtvergütung die Stellung einer endgültigen Rechnung voraussetze, da vorläufige Rechnungen oder Zwischenrechnungen ausdrücklich nicht vorgesehen seien. Mithin sei von einer konkludent vereinbarten – gesamtvertraglichen – Fälligkeitsvereinbarung auszugehen. Diese Rechtsauffassung werde auch durch das Urteil des BSG vom 16. Mai 2018 (B 6 KA 45/16 R, Rdnr. 27) gestützt.
Jedenfalls sei die Differenz zwischen vorläufiger und endgültiger Abrechnung erst mit Erteilung der endgültigen Abrechnung fällig geworden. Nicht nur sei die Anlage 1 demnach vor dem Hintergrund der bisherigen Praxis auszulegen, auf welche die Klägerin habe Vertrauen dürfen. Auch hätten die Beklagte und der Beigeladene konkludent ihr Einverständnis mit der Aufteilung in eine vorläufige und eine endgültige Abrechnung erklärt. So habe der Beigeladene ihr, der Klägerin, gegenüber bestätigt, dass es üblich sei, im Rahmen der Abrechnung der Gesamtvergütung der Endabrechnung regelmäßig – auch mit gewissem zeitlichem Vorlauf – eine vorläufige Abrechnung voranzustellen (Schreiben des Beigeladenen vom 4. Februar 2014).
Die von ihr – der Klägerin – vertretene Ansicht stehe auch in Einklang mit den Regelungen in anderen Rechtsbereichen, wo die Fälligkeit an die Rechnungserteilung anknüpfe. Sie entspreche zudem der Billigkeit. Ein unendliches Hinausschieben der Endabrechnung sei nicht zu befürchten. Die Beklagte habe es in der Hand, sie zur Endabrechnung aufzufordern und so den Beginn der Verjährung herbeizuführen. Tue sie das – wie vorliegend – nicht, habe sie haushaltsrechtliche Vorkehrungen für die spätere endgültige Abrechnung zu treffen.
Die Klägerin hat beantragt,
die Beklagte zu verurteilen, an die Klägerin 47.258,03 EUR nebst Zinsen i.H.v. 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit Rechtshängigkeit zu zahlen.
Die Beklagte hat beantragt,
die Klage abzuweisen.
Sie hat die Ansicht vertreten, die Klageforderung sei verjährt. Nach der Rechtsprechung des BSG gelte die regelmäßige vierjährige Verjährungsfrist. Der Klägerin habe es oblegen, vierteljährlich gegenüber der Beklagten abzurechnen. Die Forderungen seien sodann jeweils 10 Tage nach Eingang der Formblätter 3 im xml-Format inkl. KT Viewer fällig gewesen. Die Verjährung des Zahlungsanspruchs sei mithin mit Ablauf des 31. Dezember 2011 (2006) und des 31. Dezember 2012 (2007) eingetreten. Der Anspruch sei zudem gemäß § 23 Abs. 6 GV 1983 präkludiert.
Widerklagend hat die Beklagte die ihr ihrer Ansicht nach für den Streitzeitraum zustehende Erstattungsforderung geltend gemacht. Diese sei nicht verjährt. Der Lauf der Verjährung beginne mit Kenntnis. Auch eine Aufrechnung gegenüber der Widerklageforderung komme nicht in Betracht, weil sich die Forderungen der Klägerin und der Beklagten zu keiner Zeit unverjährt gegenübergestanden hätten.
Die Beklagte hat widerklagend beantragt,
die Klägerin zu verurteilen, an die Beklagte 11.161,24 EUR nebst Zinsen i.H.v. 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit 30.12.2016 zu zahlen.
Die Klägerin hat beantragt,
die Widerklage abzuweisen.
Der mit der Widerklage geltend gemachte Anspruch bestehe nicht. Dieser scheitere bereits an der in der jeweils maßgeblichen Anlage 1 zum Gesamtvertrag enthaltenen Regelung, wonach Überzahlungen mit Vorauszahlungen für künftige Quartale verrechnet werden. Zudem sei die Widerklageforderung unter Zugrundelegung der Rechtsauffassung der Beklagten verjährt. Falls die Beklagte bis zur Erteilung der endgültigen Abrechnung Unkenntnis von dem Guthaben gehabt habe, beruhe dies auf grober Fahrlässigkeit.
Das SG hat am 21. März 2018 einen Termin zur Erörterung des Sachverhaltes mit den Beteiligten durchgeführt. Auf die Sitzungsniederschrift wird Bezug genommen.
Nach mündlicher Verhandlung hat das SG mit Urteil vom 3. September 2018 (Verkündungstermin am 12. September 2018) Klage und Widerklage abgewiesen. Auf die Entscheidungsgründe wird Bezug genommen.
Gegen das der Klägerin und Beklagten am 12. Februar 2019 zugestellte Urteil haben sich die Klägerin am 6. März 2019 und die Beklagte am 15. März 2019 mit der Berufung gewandt.
Zur Begründung wiederholt die Klägerin ihren bisherigen Vortrag und trägt vertiefend vor, dass die Abrechnung entsprechend einer jahrelangen Übung stets in drei Schritten erfolgt sei: monatliche Abschlagszahlungen durch die KK, vorläufige quartalsweise Abrechnung durch die Klägerin als „Interimslösung“ zur Sicherung der kontinuierlichen Vergütung der Vertragsärzte (bestehend aus budgetierten und nicht budgetierten Vergütungsbestandteilen) und endgültige quartalsweise Abrechnung der Gesamtvergütung. Diese habe die sich nach Maßgabe des jeweiligen Vertrages ergebende endgültige budgetierte Gesamtvergütung sowie nicht budgetierte Einzelleistungsvergütung berücksichtigt. Sie habe entweder zu einer Nachzahlungsverpflichtung der jeweiligen BKK oder zu einem Erstattungsanspruch geführt.
Rechtsfehlerhaft schlussfolgere das SG, dass bereits die vorläufige Abrechnung als Endabrechnung angesehen werden müsse und daher Fälligkeit begründend sei. Dabei würden drei Aspekte übersehen: Zum Zeitpunkt der vorläufigen Abrechnung sei der Klägerin eine konkrete Bezifferung des Zahlungsanspruchs unstreitig nicht möglich gewesen. Eine fälligkeitsbegründende Endabrechnung setze indes zwingend die Bezifferbarkeit des zugrundeliegenden Zahlungsanspruchs voraus. Die vorläufige quartalsweise Budgetierung als „2. Abschlagszahlung“ sei zum Systemerhalt zwingend geboten gewesen und habe demnach nicht nur dem Interesse der Klägerin entsprochen, sondern auch dem originären Interesse der Beklagten. Unstreitig sei keine der Vertragsparteien – auch nicht die Beklagte – zu irgendeinem Zeitpunkt davon ausgegangen, dass die vorläufige Abrechnung bereits die Endabrechnung darstellen sollte, sodass eine diesbezügliche Schutzwürdigkeit der Beklagten nicht angenommen werden könne.
Soweit das SG ausführe, zumindest aus Treu und Glauben ergebe sich, dass mit der vorläufigen Abrechnung auch die Fälligkeit hinsichtlich des noch nicht in Rechnung gestellten Betrages eintrete, da die Klägerin für sich in Anspruch nehme, dass der vorläufig geltend gemachte Betrag – wie bei der Endabrechnung – innerhalb von 10 Tagen gezahlt werden müsse, verfange diese Argumentation nicht. Es werde verkannt, dass Abschlagszahlungen trotz ihres vorläufigen Charakters nach höchstrichterlicher Rechtsprechung eigenständige Forderungen seien, welche auch isoliert klageweise geltend gemacht werden könnten (Verweis auf BGH, Urteil vom 5. November 1998 – VII ZR 191/97). Hinzu komme, dass ein treuwidriges Verhalten der Klägerin nicht erkennbar sei. Die Vorläufigkeit der Rechnungslegung sei stets offen kommuniziert und von sämtlichen Beteiligten wahrgenommen worden. Darüber hinaus habe die Herbeiführung der zeitnahen Bezifferbarkeit (durch Abschluss der Honorarvereinbarung) nicht allein in den Händen der Klägerin gelegen. Vielmehr falle die Verzögerung des Abschlusses auch in den Einflussbereich der Beklagten bzw. des Beigeladenen, weshalb eine Berufung auf § 242 BGB in diesem Zusammenhang nicht statthaft sei.
Zudem greife der durch das SG angestrengte Vergleich mit § 12 Gebührenordnung der Ärzte (GOÄ) aus mehreren Gründen nicht durch. Es liege keine vergleichbare Ausgangssituation vor, da Abschlagsrechnungen im Gesamtkonzept der privatärztlichen Abrechnung – anders als im vorliegenden Fall – nicht vorgesehen seien. Dienstleister seien grundsätzlich vorleistungspflichtig. Die formal ordnungsgemäße Arztrechnung setze voraus, dass die Berechnungsgrundlage feststehe (§ 12 Abs. 2 Nr. 2 GOÄ). Anders als nach Erteilung einer Arztrechnung sei sämtlichen Beteiligten vorliegend bekannt und bewusst gewesen, dass der vorläufigen Budgetierung zwingend eine endgültige Budgetierung folgen würde. Das „Ob“ der Nachberechnung sei also zu keinem Zeitpunkt ungewiss, unklar allein die Frage des Zeitpunkts gewesen.
Soweit das SG davon ausgehe, dass die (unbestrittene) langjährige Übung, zunächst vorläufig und dann endgültig abzurechnen, die Annahme einer Vereinbarung unterschiedlicher Fälligkeitszeitpunkte allenfalls dann rechtfertige, wenn die Endabrechnung auch in der Vergangenheit schon nach Ablauf von vier Jahren nach dem Schluss des Jahres der Erteilung der vorläufigen Abrechnung übersandt worden wäre, überzeuge dies ebenfalls nicht. Letztlich könne es nicht darauf ankommen, welcher Zeitraum in der Vergangenheit – mehr oder weniger zufällig – zwischen der vorläufigen oder endgültigen Abrechnung der Gesamtvergütung gelegen habe. Maßgeblich sei allein die Frage, ob die Aufspaltung in eine vorläufige und eine endgültige Abrechnung von allen Beteiligten generell gewollt gewesen sei. Das bestätige sich auch in einer aktuellen Entscheidung des BSG (Verweis auf BSG, Urteil vom 11. September 2019 – B 6 KA 13/18 R, Rdnr. 25ff.). Dem Einwand der erheblich verspäteten Abrechnung sei das BSG mit dem Hinweis entgegengetreten, die Verjährungsfrist könne nicht zu laufen beginnen, bevor die KV die Endabrechnung gegenüber dem beklagten Arzt erstellt habe. Die jahrelange Nichtabrechnung schaffe keinen Vertrauenstatbestand dahingehend, dass die Klägerin von der weiteren Verfolgung der (Rück-)Zahlungsansprüche absehen werde.
Zum Zeitpunkt der vorläufigen Abrechnung sei eine Bezifferung des Gesamtbetrages nicht möglich gewesen. Die „Unbezifferbarkeit“ wiederum sei nicht auf ein „einseitiges Unvermögen“ der Klägerin zurückzuführen, sondern auf die Tatsache, dass die Budgetverhandlungen - an welchen auch die Beklagte beteiligt gewesen sei - damals noch nicht abgeschlossen gewesen seien. Da die Aufspaltung bzw. „dreischrittige“ Abrechnung (monatliche Abschlagszahlung; vorläufige quartalsweise Abrechnung; endgültige quartalsweise Abrechnung) im Interesse und im Einvernehmen aller Vertragsparteien gelebt worden sei, könne es schlechterdings nicht darauf ankommen, welcher Zeitraum zwischen vorläufiger und endgültiger Budgetierung verstrichen sei.
Die Klägerin beantragt,
das Urteil des Sozialgerichts Dortmund vom 03.09.2018 zu ändern und die Beklagte zu verurteilen, an die Klägerin 47.258,03 € nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit Rechtshängigkeit zu zahlen sowie die Berufung der Beklagten zurückzuweisen.
Die Beklagte beantragt,
die Berufung der Klägerin zurückzuweisen
sowie das Urteil des Sozialgerichts Dortmund vom 03.09.2018 zu ändern und die Klägerin zu verurteilen, an die Beklagte 11.161,24 € nebst Zinsen i.H.v. 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit 30.12.2016 zu zahlen.
Die Beklagte wendet sich gegen das Berufungsbegehren der Klägerin und nimmt auf ihr bisheriges Vorbringen Bezug.
Die Beklagte führt in Bezug auf ihr Berufungsbegehren (Widerklage) aus, dass ihre Forderung nicht verjährt sei. Denn die Vertragsparteien hätten eine Regelung zur Fälligkeit der Forderung getroffen. Die Rückzahlung überzahlter Beträge sei hiervon nicht erfasst. Diese könne erst mit dem Kenntnisgewinn der Widerklägerin von der Überzahlung fällig werden, §§ 195, 199 BGB. Eine nachträgliche Verrechnungsmöglichkeit der Klägerin wie quartalsweise vorgenommen gebe es nicht; die Forderungen hätten einander nicht in unverjährter Zeit gegenübergestanden.
Mit Beschluss des Senats vom 21. April 2021 ist das Verfahren in Ansehung der beim BSG anhängigen Nichtzulassungsbeschwerde (NZB, Az. B 6 KA 8/21 B) ruhend gestellt worden. Am 10. Januar 2022 ist es unter dem aktuellen Az. fortgesetzt worden.
Die Beklagte hat nachfolgend ausgeführt, dass die Entscheidung des BSG im vorgenannten NZB-Verfahren keine grundsätzliche Bedeutung über den dort entschiedenen Einzelfall habe. Eine Bindungswirkung bestehe nicht. Hinzu komme, dass die Klägerin alle für die Abrechnung geschuldeten Fälligkeitsvoraussetzungen geschaffen und damit zu erkennen gegeben habe, dass sie die – nach Form und Zeitpunkt geregelte – vierteljährliche Zahlung der Gesamtvergütung abschließend auslösen wolle. Damit habe sie selbst eine ungeregelte Vorläufigkeit verlassen und Fälligkeit und Verjährungsbeginn terminiert. Selbst wenn eine Bezeichnung als „vorläufig“ akzeptiert werden sollte, lasse die jahrelange anschließende Nichtabrechnung in diesem Fall für den Empfängerhorizont ebenfalls nur den Rückschluss zu, dass eben nichts mehr kommen werde, sondern es mit den bereits erteilten Abrechnungen sein Bewenden haben solle, dies wohl spätestens nach Ablauf der anzuwendenden Regelverjährungsfrist nach Erteilung der „vorläufigen“ Abrechnungen.
Der mit Beschluss vom 16. Juni 2022 am Verfahren beteiligte Beigeladene hat keinen Antrag gestellt. Er hat mitgeteilt, dass zu vermuten sei, dass die Abrechnungspraxis zunächst vorläufige Abschlagszahlungen und sodann eine endgültige Abrechnung vorgesehen habe. Genaueres könne hierzu aber nicht mitgeteilt oder ermittelt werden.
Auf Anforderung des Senats hat die Klägerin ihre Verwaltungsakte mit den Budgetblättern – vorläufig und endgültig -, den GV 1983 mit den streitrelevanten Anlagen, Muster-Anschreiben des Geschäftsbereichs Honorar zur vorläufigen Budgetierung, das Abrechnungsschreiben vom 31. August 2015, die jeweiligen Formblätter 3 bzw. KT-Viewer auf CD, Kurzübersichten des KT-Viewers nebst Summenangaben betreffend die einzelnen Quartale und monatliche Abschlagsrechnungen für die Quartale I/2005 bis IV/2008 zur Akte gereicht. Ferner sind u.a. eine Übersicht über die Abschlussdaten der jeweiligen Honorarvereinbarungen, die in Anlage 1 zum GV 1983 in der Fassung vom 25. Juli 2007, 29. April 2008 und 29. Oktober 2008 jeweils vor Punkt 1 in Bezug genommenen „Empfehlungsvereinbarungen der Vertragspartner auf Bundesebene“ vorgelegt und die Erstellungsdaten der jeweiligen vorläufigen und endgültigen Budgetblätter für die Quartale I/2005 bis IV/2008 mitgeteilt worden. Auf den Inhalt der beigezogenen Unterlagen wird im Übrigen Bezug genommen.
Die Beklagte hat am 18. April 2023 mitgeteilt, dass ihr keine verfahrensbezogenen Verwaltungsvorgänge mehr vorliegen.
Nach vorheriger Anhörung hat der Senat den Beteiligten von Amts wegen gestattet, sich während der mündlichen Verhandlung an einem anderen Ort aufzuhalten und dort Verfahrenshandlungen über den von der Justiz des Landes Nordrhein-Westfalen zur Verfügung gestellten Virtuellen Meetingraum (VMR) vorzunehmen (Beschluss vom 19. April 2023). Davon haben die Beteiligten Gebrauch gemacht.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den Inhalt der Streitakte sowie der beigezogenen Verwaltungsakte der Klägerin Bezug genommen, die Gegenstand der mündlichen Verhandlung gewesen sind.
Entscheidungsgründe
A. Die Anträge im Berufungsverfahren sind wirksam im Rahmen einer mündlichen Verhandlung gestellt worden. Soweit die Beteiligten nicht persönlich im Gerichtssaal anwesend waren, sondern von ihrem Kanzlei- bzw. Behördensitz aus per Video- und Tonübertragung an der Verhandlung teilgenommen haben, war dies gemäß § 110a Sozialgerichtsgesetz (SGG) aufgrund des gerichtlichen Beschlusses vom 19. April 2023 zulässig.
Die Berufung der Klägerin (B.) hat – im Gegensatz zur Berufung der Beklagten (W.) – Erfolg.
B. Die Berufung der Klägerin ist zulässig (I.) und begründet (II.).
I. Die am 6. März 2019 eingelegte Berufung der Klägerin gegen das ihr am 12. Februar 2019 zugestellte Urteil des SG Dortmund vom 3. September 2018 ist zulässig, insbesondere ohne gerichtliche Zulassung statthaft (§§ 143, 144 Sozialgerichtsgesetz [SGG]) sowie form- und fristgerecht eingelegt worden (§ 151 Abs. 1, Abs. 3, § 64 Abs. 1, Abs. 2, § 63 SGG).
II. Die Berufung der Klägerin ist zudem begründet, denn sie hat gegen die Beklagte einen Anspruch auf Zahlung ausstehender Gesamtvergütung für die Quartale 2006 und 2007 in Höhe von 47.258,03 € nebst Zinsen i.H.v. 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit Rechtshängigkeit.
1. Die Klage ist zunächst als Leistungsklage nach § 54 Abs. 5 SGG statthaft und auch im Übrigen zulässig. Die Klägerin macht gegen die Beklagte einen Zahlungsanspruch auf Gesamtvergütung geltend. Hierüber kann im Gleichordnungsverhältnis zwischen den Körperschaften der Klägerin und der Beklagten ein Verwaltungsakt nicht ergehen (so bei Streit auf unverschlüsselte Übermittlung von Abrechnungsdaten: BSG, Urteil vom 2. April 2014 – B 6 KA 19/13 R – SozR 4-2500 § 295 Nr. 3; BSG Urteil vom 22. April 2015 – B 3 KR 2/14 R – juris; BSG, Urteil vom 27. Juni 2018 – B 6 KA 27/17 R – SozR 4-2500 § 295 Nr. 4).
Auch das erforderliche Rechtsschutzinteresse der Klägerin ist gegeben. Es fehlt insbesondere nicht deshalb, weil sie sich zunächst an die bei dem Beigeladenen im Jahr 2004 eingerichtete „Clearingstelle“ hätte wenden und dort ihre Rechte auf einfachere Weise hätte verwirklichen können (vgl. BSG, Urteil vom 2. April 2014 – B 6 KA 19/13 R – SozR 4-2500 § 295 Nr. 3, Rn. 15). Ursprünglich haben sowohl die Beklagte als auch der Beigeladene die Rechtsauffassung vertreten, dass die mittels endgültiger Abrechnung geltend gemachten Ansprüche der Klägerin verjährt seien (Schreiben des Beigeladenen an die Klägerin vom 4. Februar 2014). Folglich stand in Anbetracht der widerstreitenden Rechtsstandpunkte nicht zu erwarten, dass die Einschaltung der Clearingstelle bei dem Beigeladenen zu einer Befriedung des klägerischen Anspruchs geführt hätte. Darüber hinaus zeigt sich in der Reaktion der Beklagten, die auf die Anspruchsstellung unmittelbar und ohne weitere Begründung die Einrede der Verjährung erhob (Schreiben vom 26. Oktober 2015), dass auch der grundsätzlich in § 23 Abs. 14 GV 1983 vorgegebene Weg der einvernehmlichen Streitbeilegung nicht erfolgsversprechend gewesen wäre. Gegenteiliges wird von den Beteiligten auch nicht eingewandt.
2. Die Leistungsklage ist zudem begründet, denn der eingeklagte Anspruch ist entstanden ˂dazu unter a)˃, nicht untergegangen ˂dazu unter b)˃ und durchsetzbar ˂dazu unter c)˃.
a) Der Anspruch der Klägerin auf rückständige Gesamtvergütung für die Quartale der Jahre 2006 und 2007 in Höhe von insgesamt 47.258,03 € ist entstanden. Er folgt aus §§ 85 Abs. 1, 83 Abs. 1 Satz 1, Abs. 2 Satz 1, 82 Abs. 2 SGB V i.V.m. den Regelungen des GV 1983 und dessen Anlage 1 für die Jahre 2006 und 2007.
aa) Nach § 85 Abs. 1 Satz 1 SGB V (in seinem bis zum Inkrafttreten von § 87a SGB V in der Fassung von Art. 1 Nr. 57a GKV-WSG vom 26. März 2007, BGBl. I, S. 378 maßgebenden Geltungsbereich) entrichtet die KK nach Maßgabe der Gesamtverträge an die jeweilige KV mit befreiender Wirkung eine Gesamtvergütung für die gesamte vertragsärztliche Versorgung der Mitglieder mit Wohnort im Bezirk der KV einschließlich der mitversicherten Familienangehörigen. Die Höhe der Gesamtvergütung wird im Gesamtvertrag mit Wirkung für die KKn der jeweiligen Kassenart, für die Verträge nach § 83 Satz 1 SGB V geschlossen sind, vereinbart, § 85 Abs. 2 Satz 1 SGB V. Die Gesamtvergütung kann als Festbetrag oder auf der Grundlage des Bewertungsmaßstabes nach Einzelleistungen, nach einer Kopfpauschale, nach einer Fallpauschale oder einem System berechnet werden, das sich aus der Verbindung dieser oder weiteren Berechnungsarten ergibt, § 85 Abs. 2 Satz 2 SGB V.
Nach § 83 Abs. 1 Satz 1, Abs. 2 Satz 1 SGB V schließen die KVen mit den Landesverbänden der KKn und den Verbänden der Ersatzkassen Gesamtverträge mit Wirkung für die beteiligten KKn über die vertragsärztliche Versorgung. Mit der Übertragung der Abschlusskompetenz ist dem zuständigen Landesverband der KKn die Rechtsmacht zugewiesen worden, die beteiligten KKn zur Zahlung der auf sie entfallenden Gesamtvergütung an die KV zu verpflichten.
Entsprechende gesamtvertragliche Vereinbarungen liegen vor. Diese hat der Rechtsvorgänger des Beigeladenen mit der Klägerin im GV 1983 und konkret bzgl. der Berechnung der Gesamtvergütung der Jahre 2006 und 2007 in der jeweiligen Anlage 1 zum GV 1983 getroffen. Anhaltspunkte für eine Unwirksamkeit der Vereinbarung sind nicht ersichtlich oder vorgetragen.
Aktiv legitimiert für den Anspruch auf Gesamtvergütung ist die klagende KV, Anspruchsgegner sind grundsätzlich die KKn – hier die Beklagte –, deren Mitglieder im Bezirk der KV ihren Wohnort haben (§ 85 Abs. 1 Satz 1 SGB V, Wohnortprinzip), wobei vorliegend gemäß Ziff. 1 der Anlage 1 zudem das Kassensitzprinzip vereinbart worden ist. Die KKn sind dabei an die geschlossenen Vereinbarungen unmittelbar gebunden (vgl. § 83 Satz 1 SGB V „mit Wirkung für“; BSG, Urteil vom 28. September 2005 - B 6 KA 71/04 R - SozR 4-2500 § 83 Nr. 2).
bb) Der Anspruch ist auch fällig. Das ist zwischen den Beteiligten letztlich unstreitig. Gestritten wird lediglich über den (für den Beginn der Verjährungsfrist bedeutsamen) Zeitpunkt, zu dem die Fälligkeit eingetreten ist ˂dazu unter II. 2. c) aa)˃.
cc) Die Höhe der geltend gemachten Ansprüche für die Jahre 2006 und 2007 folgt aus § 85 Abs. 2 SGB V i.V.m. dem GV 1983 und der jeweiligen Anlage 1 für die Jahre 2006 und 2007. Daraus ergibt sich ein Anspruch der Klägerin auf rückständige Gesamtvergütung für das Jahr 2006 in Höhe von 46.907,22 € und für das Jahr 2007 i.H.v. 10.482,01, mithin 57.389,23 €. Davon hat die Klägerin aus ihrer Sicht bestehende Gegenansprüche der Beklagten aus den Jahren 2006 (-2.405,21 €), 2007 (-4.920,62 €) und 2008 (-2.833,37 €) abgezogen und begehrt nun 47.258,03 €. Die Klägerin hat ihre Anspruchsberechnung auf der Basis der o.g. vertraglichen Vereinbarung erstellt; gegenteiliges ist für den Senat weder ersichtlich noch wurde dies seitens der Beteiligten substantiiert vorgetragen.
Bei der streitigen Forderung handelt es sich nicht um eine grundsätzlich ausgeschlossene (BSG, Urteil vom 22. Juni 2005 – B 6 KA 19/04 R – SozR 4-2500 § 85 Nr. 19; BSG, Urteil vom 31. August 2008 – B 6 KA 6/04 R – BSGE 95, 86; BSG, Urteil vom 27. Juni 2012 – B 6 KA 28/11 R – BSGE 111, 114) – Nachforderung zur Gesamtvergütung. Vielmehr macht die Klägerin die ihr von Anfang an vereinbarte Gesamtvergütung aus der in der jeweiligen Anlage 1 zum GV 1983 vorgesehenen quartalsweisen Abrechnung geltend.
b) Der Anspruch der Klägerin ist nicht untergegangen.
aa) Er ist zunächst nicht durch Zahlung der Beklagten erloschen. Die Zahlung der KKn an die KV erfolgt im Grundsatz quartalsweise und gemäß § 85 Abs. 1 SGB V mit befreiender Wirkung. Sie führt zur Erfüllung im Sinne von § 362 Abs. 1 BGB. Nach § 362 Abs. 1 BGB tritt Erfüllung ein, wenn die geschuldete Leistung bewirkt wird.
Die insoweit seitens der Beklagten geleisteten monatlichen Abschläge hat die Klägerin im Rahmen ihrer Anspruchsberechnung unstreitig berücksichtigt. Das gilt sowohl für die gemäß § 25 Abs. 1 Satz 2, 3 GV 1983 i.V.m. Ziff. 7.2 Anlage 1 (2006) und Ziff. 8.2 Anlage 1 (2007) vertraglich vereinbarten monatlichen Abschlagszahlungen in Höhe von 32% der gezahlten Gesamtvergütungen des jeweiligen Vorjahres, soweit sie durch die Klägerin letztlich vereinnahmt worden sind, als auch für die weiteren quartalsweisen Abschlagszahlungen, welche die Klägerin als vorläufige quartalsweise Abrechnung bezeichnet und auf die die Beklagte Zahlungen entsprechend den Anforderungen geleistet hat.
bb) Das Recht zur Geltendmachung des Anspruchs ist auch nicht durch den Ablauf einer vertraglich vereinbarten Ausschlussfrist erloschen.
Eine solche haben die Gesamtvertragsparteien nicht ausdrücklich vereinbart. Sie ist auch nicht im Wege einer ergänzenden Vertragsauslegung gemäß § 69 Abs. 1 Satz 3 SGB V i.V.m. § 157 BGB in den Vertrag hineinzulesen. Ob diese Auslegungsmethode auf Gesamtverträge überhaupt anwendbar ist (vgl. zur Arzneimittelpreisvereinbarung BSG, Urteil vom 9. April 2019 – B 1 KR 5/19 R – BSGE 128, 65 ff., Rn. 17 ff.) oder ob dem die Schiedsfähigkeit der Gesamtverträge gemäß § 89 Abs. 3 Satz 1 SGB V entgegensteht (vgl. hierzu BSG, Urteil vom 29. Juni 2017 – B 3 KR 31/15 R - BSGE 123, 254 ff., Rn. 35), kann dahingestellt bleiben. Denn es fehlt jedenfalls am Vorliegen einer vertraglichen Regelungslücke im Sinne einer planwidrigen Unvollständigkeit (vgl. zu diesem Erfordernis BSG, Urteil vom 9. April 2019 – a.a.O., Rn. 17). Die beteiligten Vertragsparteien haben traditionell in den jährlich abgeschlossenen Anlagen 1 zum GV 1983 auf eine entsprechende Ausschlussfrist verzichtet. Eingedenk dessen hat auch die Beklagte die Klägerin nicht zeitnah zur Stellung einer (endgültigen) quartalsweisen Abrechnung aufgefordert. Hätten die Vertragsparteien eine Ausschlussfrist vereinbaren wollen, wäre dies zudem angesichts der zahlreichen Fristenregelungen des GV 1983 i.V.m. der jeweiligen Anlage 1 (vgl. § 23 Abs. 2, 6, 12, § 25 Abs. 3 GV 1983; Ziff. 6.3 der Anlage 1 für 2006, Ziff. 7.3 der Anlage 1 für 2007) ausdrücklich zu erwarten gewesen.
c) Entgegen der Auffassung der Beklagten und des SG ist der Klageanspruch zudem durchsetzbar. Weder kann sich die Beklagte erfolgreich gemäß §§ 214 Abs. 1, 217 BGB auf die Einrede der Verjährung berufen ˂aa)˃, noch ist der Klageanspruch verwirkt ˂bb)˃.
aa) Der Anspruch ist nicht verjährt.
(1) Der Anspruch auf Zahlung der Gesamtvergütung verjährt grundsätzlich entsprechend § 45 Abs. 1 SGB I vier Jahre nach Ende des Kalenderjahres, in dem er entstanden ist (BSG, Urteil vom 15. Juni 2016 – B 6 KA 22/15 R – SozR 4-2500 § 140d Nr. 3, Rn. 38; BSG, Urteil vom 11. September 2019 – B 6 KA 13/18 R – SozR 4-7610 § 812 Nr. 9; Rn. 24; BSG, Urteil vom 10. Mai 1995 – 6 RKa 17/94 – BSGE 76, 117 ff., Rn. 15; BSG, Beschluss vom 29. November 2017 – B 6 KA 51/17 B – juris). Nach § 45 Abs. 2 SGB I bzw. § 61 Satz 2 SGB X gelten damit für die Hemmung, die Ablaufhemmung, den Neubeginn und die Wirkung der Verjährung die Vorschriften des BGB sinngemäß.
„Entstanden“ im Sinne von § 45 Abs. 1 SGB I ist der Anspruch mit Eintritt der Fälligkeit (BSG, Urteil vom 16. Mai 2018 - B 6 KA 45/16 R – SozR 4-2500 § 120 Nr. 6, Rn. 27; Urteil vom 11. September 2019 – B 6 KA 13/18 R - SozR 4-7610 § 812 Nr. 9, Rn. 25; Groth in: jurisPK-SGB I, 3. Auflage, § 45 Rn. 23 m.w.N. zum Streitstand; zur entsprechenden zivilrechtlichen Vorschrift des § 199 Abs. 1 Nr. 1 BGB: BGH, Urteil vom 22. Oktober 1986 – VIII ZR 242/85 – BB 1987, 508).
(2) Zur Fälligkeit haben die Vertragsparteien in § 25 Abs. 1 Satz 1 GV 1983 i.V.m. Ziff. 7.1 der Anlage 1 (2006) und Ziff. 8.1 der Anlage 1 (2007) eine Fälligkeitsvereinbarung bezüglich der quartalsweisen Abrechnung getroffen. Danach wird die Gesamtvergütung vierteljährlich, und zwar jeweils zehn Tage nach Eingang des gültigen Datensatzes im xml-Format inkl. KT-Viewer fällig. Hierbei handelt es sich um die rechnungsbegründenden Unterlagen, Ziff. 7.3 Anlage 1 (2006) und Ziff. 8.3 Anlage 1 (2007). Vor diesem Zeitpunkt sind lediglich monatliche Abschlagszahlungen zu leisten und zu den in § 25 Abs. 1 Satz 2 und 3 GV 1983 i.V.m. Ziff. 7.2. der Anlage 1 (2006) bzw. Ziff. 8.2 Anlage 1 (2007) geregelten Daten fällig.
Soweit Ziff. 7.6 der Anlage 1 (2007) von einem „vorläufige KT-Viewer“ und einem „vorläufigen Formblatt 3“ spricht, ohne in Ziff. 7 der Anlage 1 (2006) bzw. Ziff. 8 der Anlage 1 (2007) eine entsprechende Regelung zur Zahlungspflicht bzw. -fälligkeit auszusprechen, ist damit keine ausdrückliche Zahlungspflicht infolge einer vorläufigen Rechnungsstellung verbunden. Selbst wenn – hiervon abweichend - eine solche Zahlungspflicht angenommen werden sollte, wäre eine solche nur für die Fälligkeit der vorläufig in Rechnung gestellten Summe relevant, aber nicht für die davon zu unterscheidende (hier streitige) endgültige Abrechnung.
(a) Klauseln, die – wie die vorliegende – ein Zahlungsziel einräumen, sind dabei als eine Leistungszeitbestimmung im Sinne von § 271 Abs. 2 BGB anzusehen und nicht lediglich als ein Verzicht auf die Durchsetzung eines schon früher fälligen Anspruchs oder als die Bestimmung des Verzugsbeginns (BGH, Urteil vom 1. Februar 2007 – III ZR 159/06 – BGHZ 171, 33 ff., Rn. 17). Die Vertragsparteien haben hier vielmehr eine konstitutive Fälligkeitsregelung getroffen und zudem die Art der dafür erforderlichen Abrechnung festgelegt (vgl. Senat, Urteil vom 21. Oktober 2020 – L 11 KA 18/19 – juris, Rn. 144; zur Zulässigkeit solcher Vereinbarungen nachgehend BSG, Beschluss vom 4. November 2021 - B 6 KA 8/21 B – juris, Rn. 13 f.). Zwar ist eine Rechnungserteilung, die zum entsprechenden Zeitpunkt noch bzgl. des Differenzbetrages fehlt, regelmäßig keine Fälligkeitsvoraussetzung, denn sonst hätte es der Gläubiger in der Hand, den Beginn der Verjährung durch den Zeitpunkt der Rechnungserteilung zu beeinflussen (Kerwer in: jurisPK-BGB, 10. Auflage 2023, § 271 Rn. 23). Das gilt indes vorliegend nicht, da der Eingang der sog. rechnungsbegründenden Unterlagen (Ziff. 7.3 und 8.3) ausdrücklich in Ziff. 7.1 und 8.1 der Anlagen 1 (2006 und 2007) zur Voraussetzung des Fälligkeitseintritts gemacht worden sind (vgl. unter Bezug auf die BGH-Rspr. Senat, Urteil vom 21. Oktober 2020 – L 11 KA 18/19 – a.a.O., Rn. 144; hierzu nachgehend BSG, Beschluss vom 4. November 2021 - B 6 KA 8/21 B – a.a.O., Rn. 14).
Wenn eine Rechnungserteilung – wie hier – als Fälligkeitsvoraussetzung vorgeschrieben ist, beginnt der Lauf der Verjährungsfrist nicht vor dem Zugang einer prüfbaren Rechnung (KG, Urteil vom 16. März 2007 – 6 U 48/06; BGH, Urteil vom 22. Oktober 1986 – VIII ZR 242/85, jeweils juris). Die Erteilung der Rechnung selbst markiert den Verjährungsbeginn, nicht etwa der Zeitpunkt in dem sie hätte erteilt werden können oder gar müssen (BGH Rechtsentscheid vom 19.12.1990 - VIII ARZ 5/90 - BGHZ 113, 188, 195 f, juris-Rn. 19). Den Umstand, dass der Verjährungsbeginn durch das Verhalten des Gläubigers hinausgeschoben werden kann, nimmt das Gesetz hin (vgl. Senat, Urteil vom 21. Oktober 2020 – L 11 KA 18/19 – a.a.O., Rn. 144; nachgehend BSG, Beschluss vom 4. November 2021 - B 6 KA 8/21 B – a.a.O., Rn. 15). So sieht auch das Gesetz sog. konstitutive Rechnungen z.B. in § 16 Abs. 3 Nr. 1 VOB/B, § 15 Abs. 1 HOAI, § 10 Abs. 1 Satz 1 RVG und § 12 Abs. 1 GOÄ vor. Dort wird die Forderung gleichfalls erst fällig, wenn eine prüfbare Rechnung erteilt worden ist, da der Schuldner die Forderungshöhe ohne Rechnung gar nicht selbst ermitteln kann (Kerwer a.a.O. § 271 Rn. 23). Dieser Gedanke trägt auch hier, da maßgebliche Teile der Budgetberechnung – vertraglich gewünscht – in der Hand der Klägerin lagen (vgl. Senat, Urteil vom 21. Oktober 2020 – L 11 KA 18/19 – a.a.O., Rn. 144).
(b) Die genannten konstitutiven Fälligkeitsregelungen sind dahingehend auszulegen, dass es – außer den zu leistenden Abschlagszahlungen – jeweils nur einen Fälligkeitszeitpunkt für die endgültige Zahlung der Gesamtvergütung gibt, der jeweils quartalsweise zehn Tage nach Eingang der rechnungsbegründenden Unterlagen liegt. Die Fälligkeit vorläufiger Quartalsabrechnungen ist nicht geregelt. Vorläufige Quartalsabrechnungen können daher die Fälligkeit der endgültigen Abrechnung nicht begründen. Erst recht ist es ausgeschlossen, dass die Fälligkeit bereits mit dem jeweiligen jährlichen Abschluss der Anlage 1 eintritt.
(c) Ob sich eine etwaige, davon abweichende Vertragspraxis zwischen den Beteiligten etabliert hat, ist indes unerheblich. Eine Änderung des Gesamtvertrages und seiner Anlagen scheitert bereits an dem Schriftformerfordernis des § 56 SGB X i.V.m. § 69 Abs. 1 Satz 3 SGB V und § 125 BGB (zur Anwendbarkeit des § 56 SGB X auf Gesamtverträge vgl. nur Freudenberg in jurisPK-SGB V, 4. Auflage 2020, § 82 Rn. 67 i.V.m. Rn. 43).
(3) Nach diesen Grundsätzen konnte die Beklagte – ausgehend vom maßgeblichen objektiven Empfängerhorizont (§ 133 BGB entsprechend) – die vorläufigen Quartalsabrechnungen nicht als Abrechnung nach § 25 Abs. 1 Satz 1 GV 1983 i.V.m. Ziff. 7.1 der Anlage 1 (2006) und Ziff. 8.1 der Anlage 1 (2007) ansehen. Stattdessen war für sie erkennbar, dass die Klägerin die entsprechenden Abrechnungen erst mit Schreiben vom 31. August 2015 vorgenommen hat.
Wie bereits ausgeführt, ist der strittige Anspruch gemäß § 25 Abs. 1 Satz 1 GV 1983 i.V.m. Ziff. 7.1 der Anlage 1 (2006) und Ziff. 8.1 der Anlage 1 (2007) i.V.m. §§ 188 Abs. 1, 193 BGB am 17. September 2015 betreffend die Quartale aus 2006-2007 fällig geworden. Die Klägerin hat mit Schreiben vom 31. August 2015, eingegangen bei der Beklagten am 2. September 2015, die Jahre 2006 bis 2008 quartalsweise abgerechnet. Als Abrechnungsunterlagen wurden der Beklagten die Budgetberechnungen inkl. der zugehörigen Anlagen, die KT-Viewer sowie eine Übersicht mit den Differenzen pro Quartal zum Download auf dem klägerischen FTP-Server bereitgestellt, worauf die Beklagte mit o.g. Schreiben hingewiesen worden ist.
Dabei hat die Klägerin ihre vorläufigen Abrechnungen eindeutig als solche gekennzeichnet, wie sich aus den im Berufungsverfahren vorgelegten Unterlagen ergibt. Zunächst war der vertraglich vorgesehene Anhang 1 zur Anlage 1 (2006 und 2007) dahingehend verändert, dass statt der Überschrift des Gesamt-Budgetblatts „Budget endgültig ANHANG 1“ die Klägerin im Rahmen ihrer vorläufigen Abrechnung je Quartal Gesamt-Budgetblätter mit der Überschrift „Budget vorläufig ANHANG 1“ versandte. Auf diese vorläufigen Abrechnungen hat die Beklagte die entsprechend angeforderten Zahlungen geleistet. Dass nicht nur die Klägerin, sondern z.B. auch die KV Nordrhein sich des Zwischenschrittes einer vorläufigen Abrechnung bewusst war, zeigt ein Rundschreiben des Beigeladenen vom 28. August 2012, worin er sich mit der endgültigen Abrechnung der KV Nordrhein für das Quartal I/2006 befasst hat. In einem Rundschreiben vom 4. Dezember 2013 hat er sich zudem u.a. zur Frage der Verjährung im Hinblick auf die klägerische endgültige Abrechnung für das Jahr 2005 verhalten. Angesichts dessen sind keine objektiven Anhaltspunkte dafür gegeben, dass es in der Vergangenheit nicht regelhaft, sondern nur zeitweilig zu korrigierenden Nachforderungen im Rahmen einer „vorläufigen“ Abrechnung gekommen ist.
Eingedenk dessen kommt es auch nicht darauf an, ob die vorläufigen quartalsweisen Abrechnungen von einem Schreiben der Klägerin begleitet wurden, in dem jeweils auf die Vorläufigkeit dieser Abrechnungen ausdrücklich verwiesen wurde. Es ist daher unerheblich, dass die Beklagte den Zugang dieser Schreiben mit Nichtwissen bestreitet. Denn die Hinweise in den Gesamt-Budgetblättern weisen bereits hinreichend deutlich auf den vorläufigen Charakter der Abrechnung hin.
(4) Der Klageanspruch ist bezüglich des Jahres 2006 am 17. September 2015 fällig geworden. Folglich begann die Verjährungsfrist entsprechend § 199 Abs. 1 BGB mit Ablauf des 31. Dezember 2015 (Ansprüche auf Gesamtvergütung aus 2006-2007) und endete zum 31. Dezember 2019. Zu diesem Zeitpunkt ist bereits seit dem 24. August 2016 die Klage beim SG anhängig gewesen, die nach § 45 Abs. 2 SGB I i.V.m. § 204 Abs. 1 Nr. 1 BGB den weiteren Lauf der Verjährung gehemmt hat.
bb) Der Anspruch der Klägerin ist auch nicht etwa deshalb verwirkt, weil sie eine zeitnahe – endgültige – Abrechnung unterlassen hat.
(1) Das im bürgerlichen Recht als Ausprägung des Grundsatzes von Treu und Glauben (§ 242 BGB) entwickelte Rechtsinstitut der Verwirkung ist grundsätzlich auch im Sozialrecht anerkannt. Danach entfällt eine Leistungspflicht, wenn der Berechtigte die Ausübung seines Rechts während eines längeren Zeitraums unterlassen hat und weitere besondere Umstände hinzutreten, die nach den Besonderheiten des Einzelfalles und des in Betracht kommenden Rechtsgebietes die verspätete Geltendmachung des Rechts nach Treu und Glauben dem Verpflichteten gegenüber als illoyal erscheinen lassen. Solche die Verwirkung auslösenden Umstände liegen vor, wenn der Verpflichtete infolge eines bestimmten Verhaltens des Berechtigten (Verwirkungsverhalten) darauf vertrauen durfte, dass dieser das Recht nicht mehr geltend machen werde (Vertrauensgrundlage), der Verpflichtete tatsächlich darauf vertraut hat, dass das Recht nicht mehr ausgeübt wird (Vertrauenstatbestand) und sich infolgedessen in seinen Vorkehrungen und Maßnahmen so eingerichtet hat (Vertrauensverhalten), dass ihm durch die verspätete Durchsetzung des Rechts ein unzumutbarer Nachteil entstehen würde (BSG, Urteil vom 10. Mai 2017 – B 6 KA 10/16 R – SozR 4-2500 § 120 Nr. 5; BSG, Urteil vom 13. November 2012 – B 1 KR 24/11 R – BSGE 112, 141 ff.; BSG, Urteil vom 11. September 2019 – B 6 KA 13/18 R – SozR 4-7610 § 812 Nr. 9).
(2) Der Senat kann dahinstehen lassen, ob der GV 1983 i.V.m. den jährlichen Anlagen 1 dahingehend ausgelegt werden kann, dass die Klägerin grundsätzlich zu einer zeitnahen Abrechnung verpflichtet oder zumindest gehalten ist. Gleichfalls kann offenbleiben, ob die Klägerin angesichts der vorgetragenen vielfältigen Schwierigkeiten, die u.a. in dem verspäteten Abschluss der jährlichen Anlagen 1 sowie in der Umstellung des Abrechnungsmodus und den darauf resultierenden EDV-technischen Problemen gelegen haben mögen, gegen eine etwaig bestehende Verpflichtung bzw. Obliegenheit verstoßen hat.
(a) Im vorliegenden Fall haben die Vertragsparteien einerseits vereinbart, dass die Erteilung der Schlussrechnung konstitutiv für die Fälligkeit der Forderung sein soll. Sie haben andererseits aber darauf verzichtet, eine Frist für die Schlussrechnung zu vereinbaren. In einem solchen Fall hat es der Gläubiger zwar in der Hand, durch den Zeitpunkt der Erteilung der Schlussrechnung auch den Ablauf der Verjährungsfrist zu steuern. Andererseits kann er zuvor aber auch nicht die Bezahlung der endgültigen Forderung verlangen. Mithin bewegt sich bei einer solchen Vertragsgestaltung der Gläubiger, hier die Klägerin, mit der Wahl des Zeitpunkts der endgültigen Abrechnung gerade innerhalb des ihm von den Vertragsparteien eingeräumten Spielraums. Daher kann auch allein in einer Rechnungsstellung, die später erfolgt als üblich oder vom Schuldner, hier der Beklagten, erwartet wird, kein Verwirkungsverhalten liegen, das geeignet ist, ein Vertrauen dahingehend zu begründen, es werde keine Abrechnung mehr erfolgen (vgl. Senat, Urteil vom 21. Oktober 2020 – L 11 KA 18/19 – a.a.O, Rn. 157; nachgehend BSG, Beschluss vom 4. November 2021 - B 6 KA 8/21 B, Rn. 17 ff.). Anders läge es nur dann, wenn weitere Umstände hinzutreten, die geeignet sind, ein solches Vertrauen zu erzeugen. Dafür ist hier aber nichts ersichtlich oder vorgetragen.
(b) Darüber hinaus ist ein entsprechender Vertrauenstatbestand auf Seiten der Beklagten aber auch nicht entstanden. Wie bereits ausgeführt, war für sie der durch die Klägerin eingeführte, vertraglich nicht vorgesehene „Zwischenschritt“ einer „vorläufigen“ quartalsweisen Abschlagszahlung offensichtlich erkennbar. Ferner fehlt es auch an einem substantiierten Vortrag der Beklagten, welche Dispositionen sie im Vertrauen auf die vermeintlich nicht mehr erfolgenden Abrechnungen getroffen hat, die sie ansonsten nicht bzw. in anderer Art und Weise durchgeführt hätte (Vertrauensverhalten) und durch die ihr nunmehr ein unzumutbarer Nachteil entstanden ist.
(c) Nichts anderes folgt aus der Rechtsprechung des 1. Senats des BSG aus dem Bereich der Krankenhausvergütungsstreitigkeiten (vgl. z.B. BSG, Urteil vom 19. November 2019 – B 1 KR 10/19 R – SozR 4-2500 § 109 Nr. 80; BSG, Urteil vom 23. Mai 2017 – B 1 KR 27/16 R – SozR 4-2500 § 109 Nr. 62, Rn. 10f.; BSG, Urteil vom 10. Mai 2017 – B 6 KA 10/16 R – SozR 4-2500 § 120 Nr. 5, Rn. 33). Auch der 1. Senat betont, dass das Rechtsinstitut der Verwirkung als ergänzende Regelung innerhalb der kurzen vierjährigen Verjährungsfrist nur in besonderen, engen Ausnahmekonstellationen Anwendung findet (BSG, Urteil vom 19. November 2019 – a.a.O.). Dies berücksichtigend wertet er als Verwirkungsverhalten regelmäßig die vorbehaltlose Erteilung einer nicht offensichtlich unschlüssigen Schlussrechnung eines Krankenhauses. Eine Vertrauensgrundlage entstehe in der Regel im Anschluss hieran, wenn das Krankenhaus eine Nachforderung weder im gerade laufenden noch nachfolgenden vollen Haushaltsjahr der KK geltend mache. Der Vertrauenstatbestand erwachse daraus, dass die KK regelhaft darauf vertraue, dass das Krankenhaus insoweit keine weiteren Nachforderungen erhebe. Hieran richte sie ihr Verhalten aus, indem sie davon Abstand nehme, die Abrechnung als zweifelhaft zu behandeln und – im Kontext sonstiger streitiger Forderungen – dafür haushaltsrechtlich relevante Vorkehrungen zu treffen (BSG, Urteil vom 19. November 2019 – a.a.O. mit Verweis auf BSG, SozR 4-2500 § 109 Nr. 58, Rn. 20f.; BSG, SozR 4-2500 § 109 Nr. 62, Rn. 10). Vorliegend fehlt es indes gerade an einer Schlussrechnung, weil die Klägerin – für die Beklagte aus den bereits dargelegten Gründen erkennbar – keine (endgültige) nach § 25 Abs. 1 Satz 1 GV 1983 i.V.m. Ziff. 7.1 der Anlage 1 (2006) und Ziff. 8.1 der Anlage 1 (2007) vorgesehene Abrechnung erteilt, sondern eine weitere – vertraglich nicht vorgesehene – Abschlagszahlung eingefordert hat.
3. Der Anspruch auf Prozesszinsen ab dem auf die Rechtshängigkeit – hier am 24. August 2016 – folgenden Tag folgt aus entsprechender Anwendung der §§ 291 Satz 2, 288 Abs. 1 Satz 2 BGB i.V.m. § 61 Abs. 2 SGB X (BSG, Urteil vom 28. September 2005 – a.a.O., Rn. 38ff.; BSG, Urteil vom 8. Februar 2012 - B 6 KA 12/11 R - SozR 4-2500 § 43b Nr. 1 Rn. 52; BSG, Urteil vom 23. März 2016 - B 6 KA 14/15 R - SozR 4-5555 § 17 Nr. 1 -Rn. 32).
W. Die Berufung der Beklagten ist zulässig (I.), aber unbegründet (II.).
I. Die am 12. März 2019 eingelegte Berufung der Beklagten gegen das ihr am 12. Februar 2019 zugestellte Urteil des SG Dortmund vom 3. September 2018 ist zulässig, insbesondere ohne gerichtliche Zulassung – als selbständige Berufung (in Abgrenzung zur Anschlussberufung, vgl. hierzu MKLS/Keller, 13. Aufl. 2020, SGG § 143 Rn. 5b) - statthaft (§§ 143, 144 SGG) sowie form- und fristgerecht eingelegt worden (§ 151 Abs. 1, Abs. 3, § 64 Abs. 1, Abs. 2, § 63 SGG).
II. Die Berufung der Beklagten ist unbegründet.
Die zugrundeliegende Klage ist zulässig (1.), aber unbegründet (2.).
1. Die von der Klägerin erhobene (echte) Leistungsklage ist in dem hier zwischen den Beteiligten bestehenden Gleichordnungsverhältnis statthaft; eine Regelung durch Verwaltungsakt kam vorliegend nicht in Betracht, ein Vorverfahren war nicht durchzuführen und eine Klagefrist nicht zu beachten. Die Ausführungen unter A.II.1. (Zulässigkeit der Klage der Klägerin) gelten entsprechend.
2. Die Klage ist unbegründet. Die Beklagte hat gegen die Klägerin keinen Anspruch auf Erstattung überzahlter Gesamtvergütung für die Quartale in 2006 bis 2008 in Höhe von 11.161,24 € nebst Zinsen i.H.v. 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit 30. Dezember 2016. Ihr dahingehender Erstattungsanspruch ist durch Aufrechnung gemäß § 69 Abs. 1 Satz. 3 SGB V i.V.m. §§ 387 ff BGB untergegangen.
Die Vorschriften des BGB über die Aufrechnung finden auch im Vertragsarztrecht Anwendung (BSG, Urteil vom 23. März 2011 - B 6 KA 14/10 R – BSGE 108, 56 ff.; juris-Rn. 13). Schulden zwei Personen einander Leistungen, die ihrem Gegenstand nach gleichartig sind, so kann jeder Teil seine Forderung gegen die Forderung des anderen Teils aufrechnen, sobald er die ihm gebührende Leistung fordern und die ihm obliegende Leistung bewirken kann (§ 387 BGB). Die Aufrechnung erfolgt nach § 388 Satz 1 BGB durch Erklärung gegenüber dem anderen Teil. Die Erklärung muss sowohl die Hauptforderung als auch die Gegenforderung hinreichend konkret in einer Weise bezeichnen, dass der Aufrechnungswille zumindest durch Auslegung klar erkennbar ist (vgl. BSG Urteil vom 25. Oktober 2016 - B 1 KR 9/16 R - SozR 4-5562 § 11 Nr. 2, Rn. 29 m.w.N.). Nach § 389 BGB bewirkt die Aufrechnung, dass Forderungen, soweit sie sich decken, als in dem Zeitpunkt erloschen gelten, in welchem sie zur Aufrechnung geeignet einander gegenübergetreten sind.
Nach dieser Maßgabe gilt:
Der Beklagten stand gegen die Klägerin die in der Aufrechnungserklärung bezeichnete Forderung als gleichartige, voll wirksame, fällige und nicht einredebehaftete (Geld-)Forderung dem Grunde und der Höhe nach zu. Die Forderung der Klägerin auf Zahlung rückständiger Gesamtvergütung und der Anspruch der Beklagten auf Erstattung überzahlter Gesamtvergütung aus den Quartalen 2006-2008 sind gleichartig und decken sich, weil die Höhe der Forderung der Klägerin die Höhe der Forderung der Beklagten übersteigt. Dies ist zwischen den Beteiligten unumstritten.
Durch die im Schreiben der Klägerin vom 31. August 2015 i.V.m. der im Rahmen der Klageschrift vorgenommenen Saldierung ihrer Ansprüche auf Zahlung rückständiger Gesamtvergütung und der Ansprüche der Beklagten auf Erstattung überzahlter Gesamtvergütung hat die Klägerin konkludent gemäß § 388 Satz 1 BGB die Aufrechnung mit ihren Ansprüchen gegenüber denjenigen der Beklagten erklärt.
Ein Aufrechnungsverbot ist nicht ersichtlich. Im Gegenteil sieht Ziff. 7.4 der Anlage I (2006), Ziff. 8.4 der Anlage I (2007/2008) jedenfalls im Verhältnis von Abschlagszahlung und endgültiger Abrechnung eine „Verrechnung“ ausdrücklich vor.
W. Die Kostenentscheidung beruht auf § 197a Abs. 1 Satz 1 SGG i.V.m. § 155 Abs. 1 Verwaltungsgerichtsordnung (VwGO). Da der Beigeladene keinen Sachantrag gestellt hat, entspricht es nach der ständigen Rechtsprechung des Senats der Billigkeit, seine Kosten für nicht erstattungsfähig zu erachten (§ 162 Abs. 3 VwGO).
D. Eingedenk der Ausführungen des BSG im Beschluss vom 4. November 2021, Az. B 6 KA 8/21 B liegen keine Gründe für die Zulassung der Revision nach § 160 Abs. 2 Nr. 1 und 2 SGG vor.
E. Die Festsetzung des Streitwerts beruht auf § 197a Abs. 1 Satz SGG iVm § 52 Abs. 1 und 3 sowie § 47 Abs. 1 GKG. Die Streitwerte von Klage (47.258,03 €) und Widerklage (11.161,24 €) sind vorliegend zu addieren (d.h. insgesamt 58.419,27 €), da wirtschaftlich nicht die gleiche Forderung im Streit steht.
Rechtsmittelbelehrung:
Dieses Urteil kann nur dann mit der Revision angefochten werden, wenn sie nachträglich vom Bundessozialgericht zugelassen wird. Zu diesem Zweck kann die Nichtzulassung der Revision durch das Landessozialgericht mit der Beschwerde angefochten werden.
Die Beschwerde ist von einem bei dem Bundessozialgericht zugelassenen Prozessbevollmächtigten innerhalb eines Monats nach Zustellung des Urteils schriftlich oder in elektronischer Form beim
Bundessozialgericht, Postfach 41 02 20, 34114 KasseloderBundessozialgericht, Graf-Bernadotte-Platz 5, 34119 Kassel
einzulegen.
Die Beschwerdeschrift muss bis zum Ablauf der Monatsfrist bei dem Bundessozialgericht eingegangen sein.
Die elektronische Form wird durch Übermittlung eines elektronischen Dokuments gewahrt, das für die Bearbeitung durch das Gericht geeignet ist und
- von der verantwortenden Person qualifiziert elektronisch signiert ist und über das Elektronische Gerichts- und Verwaltungspostfach (EGVP) eingereicht wird oder
- von der verantwortenden Person signiert und auf einem sicheren Übermittlungsweg gem. § 65a Abs. 4 Sozialgerichtsgesetz (SGG) eingereicht wird.
Weitere Voraussetzungen, insbesondere zu den zugelassenen Dateiformaten und zur qualifizierten elektronischen Signatur, ergeben sich aus der Verordnung über die technischen Rahmenbedingungen des elektronischen Rechtsverkehrs und über das besondere elektronische Behördenpostfach (Elektronischer-Rechtsverkehr-Verordnung -ERVV) in der jeweils gültigen Fassung. Weitergehende Informationen zum elektronischen Rechtsverkehr können über das Internetportal des Bundessozialgerichts (www.bsg.bund.de) abgerufen werden.
Als Prozessbevollmächtigte sind nur zugelassen
- jeder Rechtsanwalt,
- Rechtslehrer an einer staatlichen oder staatlich anerkannten Hochschule eines Mitgliedsstaates der Europäischen Union, eines anderen Vertragsstaates des Abkommens über den Europäischen Wirtschaftsraum oder der Schweiz, die die Befähigung zum Richteramt besitzen,
- selbständige Vereinigungen von Arbeitnehmern mit sozial- oder berufspolitischer Zwecksetzung für ihre Mitglieder,
- berufsständische Vereinigungen der Landwirtschaft für ihre Mitglieder,
- Gewerkschaften und Vereinigungen von Arbeitgebern sowie Zusammenschlüsse solcher Verbände für ihre Mitglieder oder für andere Verbände oder Zusammenschlüsse mit vergleichbarer Ausrichtung und deren Mitglieder,
- Vereinigungen, deren satzungsgemäße Aufgaben die gemeinschaftliche Interessenvertretung, die Beratung und Vertretung der Leistungsempfänger nach dem sozialen Entschädigungsrecht oder der behinderten Menschen wesentlich umfassen und die unter Berücksichtigung von Art und Umfang ihrer Tätigkeit sowie ihres Mitgliederkreises die Gewähr für eine sachkundige Prozessvertretung bieten, für ihre Mitglieder,
- juristische Personen, deren Anteile sämtlich im wirtschaftlichen Eigentum einer der vorgenannten Organisationen stehen, wenn die juristische Person ausschließlich die Rechtsberatung und Prozessvertretung dieser Organisation und ihrer Mitglieder oder anderer Verbände oder Zusammenschlüsse mit vergleichbarer Ausrichtung und deren Mitglieder entsprechend deren Satzung durchführt, und wenn die Organisation für die Tätigkeit der Bevollmächtigten haftet.
Die vorgenannten Vereinigungen, Gewerkschaften und juristischen Personen müssen durch Personen mit Befähigung zum Richteramt handeln. Behörden und juristische Personen des öffentlichen Rechts einschließlich der von ihnen zur Erfüllung ihrer öffentlichen Aufgaben gebildeten Zusammenschlüsse sowie private Pflegeversicherungsunternehmen können sich durch eigene Beschäftigte mit Befähigung zum Richteramt oder durch Beschäftigte mit Befähigung zum Richteramt anderer Behörden oder juristischer Personen des öffentlichen Rechts einschließlich der von ihnen zur Erfüllung ihrer öffentlichen Aufgaben gebildeten Zusammenschlüsse vertreten lassen.
Ein Beteiligter, der zur Vertretung berechtigt ist, kann sich selbst vertreten. Handelt es sich dabei um eine der vorgenannten Vereinigungen, Gewerkschaften oder juristischen Personen, muss diese durch Personen mit Befähigung zum Richteramt handeln.
Die Beschwerde ist innerhalb von zwei Monaten nach Zustellung des Urteils von einem zugelassenen Bevollmächtigten schriftlich oder in elektronischer Form zu begründen.
In der Begründung muss die grundsätzliche Bedeutung der Rechtssache dargelegt oder die Entscheidung des Bundessozialgerichts, des Gemeinsamen Senats der obersten Gerichtshöfe des Bundes oder des Bundesverfassungsgerichts, von der das Urteil abweicht, oder ein Verfahrensmangel, auf dem die angefochtene Entscheidung beruhen kann, bezeichnet werden. Als Verfahrensmangel kann eine Verletzung der §§ 109 und 128 Abs. 1 Satz 1 Sozialgerichtsgesetz nicht und eine Verletzung des § 103 Sozialgerichtsgesetz nur gerügt werden, soweit das Landessozialgericht einem Beweisantrag ohne hinreichende Begründung nicht gefolgt ist.
Für die Beschwerde gegen die Nichtzulassung der Revision kann ein Beteiligter, der nicht schon durch die oben genannten Vereinigungen, Gewerkschaften oder juristischen Personen vertreten ist, Prozesskostenhilfe zum Zwecke der Beiordnung eines Rechtsanwalts beantragen.
Der Beteiligte kann die Prozesskostenhilfe selbst beantragen. Der Antrag ist beim Bundessozialgericht entweder schriftlich oder in elektronischer Form einzureichen oder mündlich vor dessen Geschäftsstelle zu Protokoll zu erklären.
Dem Antrag sind eine Erklärung des Beteiligten über seine persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse (Familienverhältnisse, Beruf, Vermögen, Einkommen und Lasten) sowie entsprechende Belege beizufügen. Hierzu ist der für die Abgabe der Erklärung vorgeschriebene Vordruck zu benutzen. Der Vordruck kann von allen Gerichten oder durch den Schreibwarenhandel bezogen werden.
Wird Prozesskostenhilfe bereits für die Einlegung der Beschwerde begehrt, so müssen der Antrag und die Erklärung über die persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse - gegebenenfalls nebst entsprechenden Belegen - bis zum Ablauf der Frist für die Einlegung der Beschwerde (ein Monat nach Zustellung des Urteils) beim Bundessozialgericht eingegangen sein.
Mit dem Antrag auf Prozesskostenhilfe kann ein zur Vertretung bereiter Rechtsanwalt benannt werden.
Ist dem Beteiligten Prozesskostenhilfe bewilligt worden und macht er von seinem Recht, einen Anwalt zu wählen, keinen Gebrauch, wird auf seinen Antrag der beizuordnende Rechtsanwalt vom Bundessozialgericht ausgewählt.
Der Beschwerdeschrift und allen folgenden Schriftsätzen sollen Abschriften für die übrigen Beteiligten beigefügt werden.
Das Bundessozialgericht bittet darüber hinaus um je zwei weitere Abschriften.
Schriftlich einzureichende Anträge und Erklärungen, die durch einen Rechtsanwalt, durch eine Behörde oder durch eine juristische Person des öffentlichen Rechts einschließlich der von ihr zur Erfüllung ihrer öffentlichen Aufgaben gebildeten Zusammenschlüsse eingereicht werden, sind als elektronisches Dokument zu übermitteln. Ist dies aus technischen Gründen vorübergehend nicht möglich, bleibt die Übermittlung nach den allgemeinen Vorschriften zulässig. Die vorübergehende Unmöglichkeit ist bei der Ersatzeinreichung oder unverzüg
lich danach glaubhaft zu machen; auf Anforderung ist ein elektronisches _ Dokument nachzureichen. Gleiches gilt für die nach dem Sozialgerichtsgesetz vertretungsberechtigten Personen, für die ein sicherer Übermittlungsweg nach § 65a Abs. 4 Nr. 2 SGG zur Verfügung steht (§ 65d SGG).