Die Berufung der Beklagten wird mit der Maßgabe zurückgewiesen, dass der Tenor des Urteils des Sozialgerichts Berlin vom 29. März 2022 wie folgt klargestellt wird:
„Der Bescheid der Beklagten vom 18. März 2020 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 5. November 2020 wird aufgehoben, soweit der Rentenbescheid vom 8. Juli 1997 für die Zeit vom 1. Februar 2002 bis 30. April 2020 hinsichtlich der Rentenhöhe aufgehoben und die Klägerin zur Erstattung eines überzahlten Betrags in Höhe von 31.287,05 € aufgefordert wird.
Die Beklagte hat die außergerichtlichen Kosten der Klägerin zu erstatten“
Die Beklagte hat auch die außergerichtlichen Kosten der Klägerin im Berufungsverfahren zu erstatten.
Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand
Die 1939 geborene und seit über 50 Jahren in der Schweiz lebende Klägerin ist die Witwe des am 12. Februar 1997 verstorbenen E F. Sie bezog von der Beamtenversicherungskasse des Kantons Z ab 1. März 1997 eine Ehegattenrente in Höhe von 2.063,35 CHF monatlich und von der Ausgleichskasse des Kantons Z eine Witwenrente in Höhe von 1.122,- CHF monatlich.
Die Klägerin beantragte bei der Beklagten am 25. Februar 1997 eine Hinterbliebenenrente. Im Rahmen dieses Antragsverfahrens teilte die Beklagte der Klägerin unter dem 3. Juni 1997 mit, dass für die Bearbeitung des Rentenantrags auch eine Versicherungsnummer der Klägerin benötigt werde. Weiter hieß es: „Die gesetzlich vorgeschriebene Prüfung Ihres Einkommens und gegebenenfalls auch dessen Anrechnung erfordern eine Verbindung Ihres eigenen Kontos mit dem des verstorbenen Versicherten. Hierfür ist die Versicherungsnummer erforderlich." Aufgrund der Angaben der Klägerin vergab die Beklagte daraufhin am 7. Juli 1997 eine Versicherungsnummer für sie.
Mit Bescheid vom 8. Juli 1997 gewährte die Beklagte der Klägerin vom 12. Februar 1997 an eine große Witwenrente, die ab 1. Juni 1997 244,56 DM betrug. Hierin enthalten war eine Zusatzleistung aus der Höherversicherung in Höhe von 6,30 DM. Unter der Überschrift „Mitteilungspflichten" wurde ausgeführt: „Erwerbseinkommen und Erwerbsersatzeinkommen können Einfluss auf die Rentenhöhe haben. Daher besteht die gesetzliche Verpflichtung, das Hinzutreten oder die Veränderung von Erwerbseinkommen... oder von Erwerbsersatzeinkommen unverzüglich mitzuteilen." Unter „Erwerbsersatzeinkommen" sind u. a. Versichertenrente aus der gesetzlichen Rentenversicherung und vorstehende Leistungen, wenn sie von einem Träger im Ausland erbracht werden, aufgeführt. Weiter hieß es: Die Meldung von Veränderungen erübrigt sich .... bei Renten aus der deutschen gesetzlichen Rentenversicherung.
Die Klägerin bezog seit Februar 2002 von der Ausgleichskasse des Kantons Z anstelle der Witwenrente von zuletzt 1161,- CHF eine Altersrente, die zunächst 1.467,- CHF monatlich betrug. Dies teilte die Schweizerische Ausgleichskasse der Beklagten mit Schreiben vom 3. Mai 2004 (Eingang bei der Beklagten am 11. Mai 2004) mit. Dieses Schreiben nahm die Beklagte zu der die Versichertenrente der Klägerin betreffenden Akte. Darüber hinaus bezog die Klägerin aufgrund ihres Antrags vom 13. November 2000 seit Juni 2002 von der Beklagten eine Altersrente in Höhe von zunächst 238,55 €.
Am 24. September 2019 erhielt die Beklagte einen maschinellen Hinweis auf einen unplausiblen Datensatz und forderte eine Auskunft der Schweizerischen Ausgleichskasse an, die der Beklagten am 13. Januar 2020 Rentenbeträge mitteilte, die sich zum 1. Januar zunächst jährlich, ab Januar 2005 alle zwei Jahre erhöht hatten.
Mit Bescheid vom 18. März 2020 berechnete die Beklagte die große Witwenrente der Klägerin neu. Der monatliche Zahlbetrag ab 1. Mai 2020 betrage 3,22 €. Für die Zeit vom 1. Februar 2002 bis zum 30. April 2020 ergebe sich eine Überzahlung von 31.287,05 €. Die Rente werde neu berechnet, weil sich das mit der Rente zusammentreffende Einkommen geändert habe. Der Rentenbescheid vom 8. Juli 1997 werde hinsichtlich der Rentenhöhe mit Wirkung ab dem 1. Februar 2002 nach § 48 Sozialgerichtsgesetz – Sozialverwaltungsverfahren und Sozialdatenschutz – (SGB X) aufgehoben. Der überzahlte Betrag sei zu erstatten. Die Klägerin beziehe seit dem 1. Februar 2002 eine eigene Altersrente aus der Schweiz und ab dem 1. Juni 2002 eine eigene Altersrente aus Deutschland. Es handele sich hierbei um anrechenbare Einkünfte gemäß § 97 Sozialgesetzbuch – Gesetzliche Rentenversicherung – (SGB VI). Dies führe zur Minderung der Rente ab 1. Februar 2002. Damit sei eine wesentliche Änderung der Verhältnisse eingetreten. Der Bescheid solle für die Vergangenheit nach § 48 Abs. 1 Satz 2 Nr. 3 SGB X aufgehoben werden, wenn nach Erlass des Bescheides Einkommen erzielt worden sei, das zur Minderung der Rentenhöhe führe. Diese Voraussetzungen seien erfüllt.
Mit ihrem Widerspruch machte die Klägerin geltend, bei der Antragstellung der Witwenrente alle erforderlichen Angaben gemacht zu haben. Im Jahr 2002 sei keine neue Rente hinzugekommen, sondern es sei eine Veränderung und Erhöhung der Rente erfolgt. Die Beklagte holte die Anhörung nach § 24 SGB X mit Schreiben vom 10. Juni 2020 nach. Die Voraussetzungen für die beabsichtigte Aufhebung seien erfüllt, weil die Klägerin ihrer gesetzlichen Mitteilungspflicht nicht nachgekommen sei und weil sie aufgrund der gegebenen Informationen den Wegfall, das Ruhen bzw. die Kürzung des Rentenanspruchs gekannt habe bzw. habe erkennen müssen. Die Klägerin gab an, der Umstand, dass die in der Schweiz erfolgte „automatische Umschreibung“ der Rente nach deutschem Recht andere rechtliche Voraussetzungen schaffe, habe einem sorgfältigen und redlichen Leistungsempfänger nicht zwingend auffallen müssen. Zudem werde um Auskunft gebeten, ob nicht viel früher eine Nachfrage hätte erfolgen müssen. Sie verwies darauf, dass seit der Umschreibung der Rente bereits 18 Jahre verstrichen seien.
Mit Widerspruchsbescheid vom 5. November 2020 wies die Beklagte den Widerspruch zurück. Die Klägerin sei im Bescheid vom 8. Juli 1997 auf ihre Mitteilungspflichten und darauf hingewiesen worden, dass das Hinzutreten oder die Veränderung von Erwerbseinkommen oder Erwerbsersatzeinkommen unverzüglich mitzuteilen sei und um welche Einkünfte es sich dabei handele. Ausländische Einkommen seien dabei ausdrücklich erwähnt. Hinsichtlich einer eventuellen Rentengewährung eines anderen oder auch desselben deutschen Rentenversicherungsträgers erfolge eine Aktenkennzeichnung mit einem Gegenseitigkeitsvermerk nur dann, wenn an dieselbe rentenberechtigte Person zwei Rentenleistungen gezahlt werden, weil grundsätzlich auch nur dann eine von Amts wegen zu beachtende gegenseitige Beeinflussung von Rentenansprüchen möglich sei. Der für die Hinterbliebenenrentenberechnung erforderliche Datenaustausch erfolge dann allerdings vollmaschinell. So hätten bei den Akten für die Witwenrente keinerlei Hinweise bestanden, die die hierfür zuständige Sachbearbeitung zwingend hätten veranlassen müssen, hinsichtlich eventueller weiterer Einkünfte zu ermitteln. Es hätte der Klägerin oblegen, unter der Versicherungsnummer des verstorbenen Ehemannes konkret auf die deutsche und schweizerische Rentenzahlung hinzuweisen. Eine derartige Mitteilung sei jedoch niemals aktenkundig erfolgt. Aus den eigenen Rentenakten sei erkennbar, dass die Klägerin Witwe sei und schweizerische Rentenleistungen beziehe. Diese Tatsache verpflichte jedoch nicht dazu, dass eine Mitteilung zur Akte des verstorbenen Ehemannes hätte erfolgen müssen. Weder habe die Klägerin hierzu aufgefordert, noch sei die Verwaltung durch den Gesetzgeber zu einer Weitergabe dieser Informationen verpflichtet. Entsprechend der Rechtsprechung des Bundessozialgerichtes (BSG) entfielen die Mitteilungspflichten grundsätzlich nicht bereits dadurch, dass die zuständige Behörde auch selbst die fraglichen Sachverhalte hätte erkennen können. Deswegen könne von einer Bescheidaufhebung für die Vergangenheit auch nicht Abstand genommen werden. Bei der Beantragung der eigenen Altersrente aus der deutschen gesetzlichen Rentenversicherung habe die Klägerin keine Angaben über den Bezug der Witwenrente gemacht. Damit sei sie ihren gesetzlichen Mitteilungspflichten nicht nachgekommen. Die rückwirkende Aufhebung sei auch innerhalb eines Jahres seit Kenntnis der Tatsachen geschehen, welche die Rücknahme rechtfertigen (§ 48 Abs. 4 in Verbindung mit § 45 Abs. 4 Satz 2 SGB X). Am 24. September 2019 habe die Sachbearbeitung des Witwenrentenvorganges Kenntnis von der Zahlung der Altersrenten erhalten. Auch im Wege der Ermessensprüfung könne von der Bescheidaufhebung und Rückforderung der überzahlten Beträge nicht abgesehen werden bzw. eine Minderung vorgenommen werden, weil die Beklagte keinerlei Mitschuld am Eintreten der Überzahlung trage. Sonstige Gründe für eine atypische Fallgestaltung seien nicht erkennbar. Allein die Angst der Klägerin vor einer Verschlechterung der wirtschaftlichen Verhältnisse begründe keinen atypischen Fall. Ob die Klägerin tatsächlich in der Lage sei die Forderung zu begleichen, sei für die Beurteilung der Rechtmäßigkeit des angefochtenen Bescheides nicht von Bedeutung. Schwierige wirtschaftliche Verhältnisse seien erst bei der Durchsetzung des Erstattungsanspruches zu berücksichtigen.
Im Klageverfahren hat die Klägerin sich sinngemäß (nur) gegen die Aufhebung der Rentenbewilligung für die Vergangenheit nebst Rückforderung des überzahlten Betrags gewandt und geltend gemacht: Sie habe keine Veranlassung gehabt, zu prüfen, ob der Bezug der Altersrente nach ein paar Jahren andere rechtliche Verhältnisse geschaffen habe. Es erscheine rechtsmissbräuchlich, sich nach 23 Jahren darauf zu berufen, dass man vor 18 Jahren eine Mitteilungspflicht verletzt habe. Sie genieße Vertrauensschutz im Sinne des § 45 Abs. 2 Satz 2 SGB X. Der Bescheid sei nicht hinreichend bestimmt, weil der Inhalt der Anlagen des Bescheides nicht nachvollziehbar sei.
Das Sozialgericht (SG) hat mit Urteil vom 29. März 2022 den Bescheid der Beklagten vom 18. März 2020 in der Fassung des Widerspruchsbescheides vom 5. November 2020 aufgehoben. Zur Begründung ist ausgeführt: Die Klage sei zulässig und begründet. Der angegriffene Bescheid sei rechtswidrig und verletze die Klägerin in ihren Rechten. Der Bescheid sei zwar hinreichend bestimmt. Zu Recht verweise die Beklagte insoweit darauf, dass der Überzahlungsbetrag bereits auf der ersten Seite des Bescheides benannt sei und für die Grundlage der Überzahlung auf Seite 3 des Bescheides auf die Anlage „Berechnung der Rente" verwiesen werde. Die Darstellung sei zwar aufgrund des Zeitablaufes umfänglich, aber in den einzelnen Rechenschritten nachvollziehbar. Die Voraussetzungen für eine Aufhebung des Witwenrentenbescheides seien jedoch wegen der besonderen Anforderungen an eine derartige Aufhebung nach mehr als zehn Jahren nicht erfüllt. Nach § 48 Abs. 1 Satz 1 SGB X sei ein Verwaltungsakt mit Dauerwirkung, soweit in den tatsächlichen oder rechtlichen Verhältnissen, die bei seinem Erlass vorgelegen haben, eine wesentliche Änderung eintrete, mit Wirkung für die Zukunft aufzuheben. Der Verwaltungsakt solle mit Wirkung vom Zeitpunkt der Änderung der Verhältnisse aufgehoben werden, soweit der Betroffene einer durch Rechtsvorschrift vorgeschriebenen Pflicht zur Mitteilung wesentlicher für ihn nachteiliger Änderungen der Verhältnisse vorsätzlich oder grob fahrlässig nicht nachgekommen sei (§ 48 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 SGB X), nach Antragstellung oder Erlass des Verwaltungsaktes Einkommen oder Vermögen erzielt worden sei, das zum Wegfall oder zur Minderung des Anspruchs geführt haben würde (§ 48 Abs. 1 Satz 2 Nr. 3) oder soweit der Betroffene gewusst oder nicht gewusst habe, weil er die erforderliche Sorgfalt in besonders schwerem Maße verletzt hatte, dass der sich aus dem Verwaltungsakt ergebende Anspruch kraft Gesetzes zum Ruhen gekommen oder ganz oder teilweise weggefallen gewesen war (§ 48 Abs. 1 Satz 2 Nr. 4). Der zeitliche Rahmen, bis zu dem eine Aufhebung für die Vergangenheit erfolgen soll, werde durch die gemäß § 48 Abs. 4 Satz 1 SGB X entsprechende Übertragung der Regelung des § 45 Abs. 3 Satz 3 und 4 SGB X begrenzt. Danach könne ein rechtswidriger Verwaltungsakt über eine laufende Geldleistung auch nach Ablauf der Frist von 10 Jahren zurückgenommen werden, wenn die Voraussetzungen des § 45 Abs. 2 Satz 3 Nr. 2 oder Nr. 3 vorlägen. Lägen diese Voraussetzungen nicht vor, verbleibe es bei der Zehnjahresfrist für die rückwirkende Aufhebung zu Lasten des rechtswidrig Begünstigten. Die Erzielung von Einkommen, auf die die Beklagte in dem angefochtenen Bescheid abgestellt habe, reiche dann nicht aus. Eine grob fahrlässige Verletzung der Mitteilungspflichten habe sich die Klägerin nicht zuschulden kommen lassen. Die Pflicht zur Mitteilung von Änderungen, die für die Leistung erheblich sein können, sei in dem Bescheid vom 8. Juli 1997 ausführlich geregelt gewesen. Für die Entscheidung, wann grobe Fahrlässigkeit im Sinne von § 48 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 SGB X vorliegt, verweise die Rechtsprechung auf die Definition in § 45 Abs. 2 Satz 3 Nr. 3 SGB X. Grobe Fahrlässigkeit sei danach gegeben, wenn der Begünstigte die erforderliche Sorgfalt in besonders schwerem Maße verletzt habe. Dies sei in Bezug auf die Unterlassung der Mitteilung der Veränderung dann der Fall, wenn der betroffenen Person hier einfachste, ganz naheliegende Überlegungen nicht angestellt habe und deshalb nicht beachtet habe, was im gegebenen Falle jedem einleuchten müsse. Es sei auf die persönliche Urteils- und Kritikfähigkeit, das Einsichtsvermögen und Verhalten der betroffenen Person sowie die besonderen Umstände des Falls abzustellen. Dass der Bezug einer Altersrente anzeigepflichtig sei, dränge sich im Regelfall auf, zumal im Bescheid vom 8. Juli 1997 ausdrücklich auf den Bezug einer Versichertenrente aus der gesetzlichen Rentenversicherung hingewiesen worden sei. Allerdings hätten vorliegend für die Rente aus der schweizerischen Versicherung und die deutsche Altersrente jeweils Besonderheiten bestanden, die die Feststellung einer grob fahrlässigen Verletzung der Mitteilungspflicht ausschlössen. Erforderlich sei nach dem im sozialgerichtlichen Verfahren geltenden Grundsatz der objektiven Beweislast, dass die anspruchsbegründenden Tatsachen erwiesen seien, d. h. bei vernünftiger Abwägung des Gesamtergebnisses des Verfahrens müsse der volle Beweis für das Vorliegen der genannten Tatsachen als erbracht angesehen werden können. Sei ein solcher Nachweis nicht möglich, geht dies zu Lasten des Beteiligten, der aus diesem Sachverhalt Rechte herleite, hier also der Beklagten. Die schweizerische Altersrente sei anstelle der Witwenrente gezahlt worden und sei also an die Stelle der Rente, deren Bezug die Klägerin angegeben hatte und die, da sie weder Erwerbs- noch Erwerbsersatzeinkommen war, gerade anrechnungsfrei gewesen sei, getreten. Dass dieser Wechsel der Rentenart dazu geführt habe, dass diese Rente auf einmal nicht mehr privilegiert gewesen sei, also eine Mitteilungspflicht ausgelöst habe, erschließe sich nicht anhand ganz naheliegender Überlegungen. Denn es sei nicht etwa ein neues Einkommen hinzugetreten, sondern es sei eine geringe Erhöhung und eine andere Bezeichnung einer bereits bezogenen Leistung eingetreten. Hinsichtlich der von der Beklagten gezahlten Altersrente habe sich eine Pflicht zur Mitteilung ebenfalls nicht aufgedrängt. Zum einen sei der Hinweis im Rentenbescheid missverständlich: Die Meldung von Veränderungen erübrigt sich .... bei Renten aus der deutschen gesetzlichen Rentenversicherung. Eine genaue Analyse des gesamten Hinweises ergebe zwar, dass lediglich „Veränderungen" in diesem Fall nicht mitzuteilen seien, weil einleitend zwischen „Hinzutreten" und „Veränderung" von Erwerbseinkommen unterschieden werde. Dies zu bemerken, stelle aber keine einfachste, ganz naheliegende Überlegung dar, aufgrund derer ein grob fahrlässiges Verhalten anzunehmen wäre. Außerdem habe die Besonderheit bestanden, dass die Beklagte in einem Anschreiben an die Klägerin im Zusammenhang mit dem Witwenrentenantrag gerade ausgeführt hatte: „Die gesetzlich vorgeschriebene Prüfung Ihres Einkommens und gegebenenfalls auch dessen Anrechnung erfordern eine Verbindung Ihres eigenen Kontos mit dem des verstorbenen Versicherten. Hierfür ist die Versicherungsnummer erforderlich. " Aufgrund dieses Hinweises habe die Klägerin davon ausgehen dürfen, dass der Bezug der Altersrente der Beklagten bekannt gewesen war. Eine grob fahrlässige Verletzung der Mitteilungspflichten könne deshalb nicht festgestellt werden. Das Gericht habe auch nicht feststellen können, dass die Klägerin wusste oder nicht wusste, weil sie die erforderliche Sorgfalt in besonders schwerem Maße verletzt hatte, dass die Witwenrente bis auf den aus der Höherversicherung berechneten Betrag weggefallen war, § 48 Abs. 1 Satz 2 Nr. 4 SGB X. Denn der Witwenrentenbescheid habe keinerlei Hinweis auf Art und Umfang der Anrechnung von anderen Einkünften enthalten. Angesichts der Tatsache, dass die Beklagte bei der Bearbeitung des Witwenrentenantrags der Klägerin gerade den Sinn der Vergabe einer eigenen Versicherungsnummer mit dem automatisch erfolgenden Abgleich der Einkünfte erläutert hatte, habe es nahegelegen, dass die Klägerin darauf vertraut habe, dass die Beklagte den Bezug der Altersrente aus der deutschen Rentenversicherung kannte und dies keine Auswirkungen auf die Höhe ihrer Witwenrente gehabt habe. Abgesehen von dieser rechtlichen Einordnung liege jedenfalls ein atypischer Fall vor, der eine Ermessensentscheidung erfordert habe, die die Beklagte nicht vorgenommen hätte. Denn die Schweizerische Ausgleichskasse habe der Beklagten die Umwandlung der dortigen Witwenrente in eine Altersrente mit den entsprechenden Zahlbeträgen am 3. Mai 2004 mitgeteilt. Dieses Schreiben habe die Beklagte zu der die Versichertenrente der Klägerin betreffenden Akte genommen. Auch wenn dieser Umstand keine Kenntnis der Sachbearbeitung des Dezernates der Witwenrente vom Altersrentenbezug vermittelte, der für den Fristbeginn der Jahresfrist des § 48 Abs. 4 in Verbindung mit § 45 Abs. 4 Satz 2 SGB X maßgeblich gewesen sei, wäre der Umstand bei der Prüfung, ob ein atypischer Fall vorliege, zu beachten gewesen. Darüber hinaus sei dem Dezernat für die Altersrente von Anfang an der Bezug der Witwenrente bekannt gewesen, weil in diesem Antragsverfahren erst die Versicherungsnummer vergeben worden war, die den Beginn der Akte zur Altersrente bilde. In der Zusammenschau liege jedenfalls eine ungewöhnliche Fallgestaltung vor, die einen atypischen Fall begründe. Bei ordnungsgemäßer Weiterleitung des Schreibens des schweizerischen Versicherungsträgers wäre nämlich die Rückforderung erheblich geringer ausgefallen. Aufgrund der Rechtswidrigkeit der rückwirkenden Aufhebungsentscheidung sei der Bescheid auch aufzuheben, soweit die Erstattung des überzahlten Betrages nach § 50 Abs. 1 Satz 1 SGB X gefordert werde.
Mit ihrer Berufung wendet sich die Beklagte gegen das angegriffene Urteil und trägt vor: Bei der schweizerischen Altersrente handele es sich um eine gänzlich andere Rente als bei der schweizerischen Hinterbliebenenrente. Die Altersrente sei um ca. 25 % höher gewesen als weggefallene Hinterbliebenenrente, sodass auch nicht eine „geringe Erhöhung“ vorliege. Im Hinblick auf die unmissverständlichen Hinweise im Bescheid vom 8. Juli 1997 hätte es sich der Klägerin aufdrängen müssen, dass das Hinzutreten mitzuteilen gewesen sei. Wenn sie gleichwohl und entgegen des Wortlauts angenommen habe, die Altersrente sei wegen der bisherigen Anrechnungsfreiheit der Witwenrente nicht mitzuteilen, so begründe gerade dieser Umstand grobe Fahrlässigkeit. Ein Rechtsirrtum könne die Klägerin nicht entschuldigen. Der Hinweis auf die Mitteilungspflicht sei auch unmissverständlich gewesen. Die vom SG in Bezug genommene Ausnahme habe sich klar erkennbar auf die „Veränderung“ von Einkommen und nicht auf das „Hinzutreten“ von Einkommen bezogen. Hinsichtlich der Art des mitzuteilenden Einkommens habe der Hinweis auf die Mitteilungspflicht keine Einschränkung enthalten, sodass es sich der Klägerin habe aufdrängen müssen, dass die Bewilligung von Altersrente der Stelle mitzuteilen gewesen sei, welche die Witwenrente zahle. Etwas Anderes ergebe sich auch nicht aus dem Schreiben vom 3. Juni 1997. Maßgeblich sei das „zuletzt Gesagte“, also der Rentenbewilligungsbescheid vom 8. Juli 1997. Die Voraussetzungen des § 48 Abs. 1 Satz 2 Nr. 4 SGB X seien ebenfalls erfüllt. Der Klägerin sei mitgeteilt worden, dass beim Zusammentreffen von Hinterbliebenenrente mit Einkommen dieses in Höhe von 40 % des Betrags anzurechnen sei. Aufgrund dieses einfach zu verstehenden Hinweises habe die Klägerin wissen müssen, dass zwischen der Höhe der Witwenrente und dem Bezug von Versichertenrente ein unmittelbarer Zusammenhang bestehe. Sie habe wissen müssen, dass die Versichertenrenten nicht auf die Witwenrente angerechnet werden, denn sie habe nach Bewilligung der Versichertenrenten keinen Bescheid über die Neuberechnung ihrer Witwenrente bekommen. Es sei schlechterdings nicht nachvollziehbar, aufgrund welcher Erwägungen die Klägerin zu der Annahme gelangt sein könnte, dass ihr eine ungekürzte Witwenrente zustehe, obwohl aufgrund des Bezuges einer Altersrente aus eigener Versicherung der klar und verständlich beschriebene Anrechnungsfall vorgelegen habe. Im Übrigen komme es für die Frage einer grob fahrlässigen Verletzung der Mitteilungspflicht nicht darauf an, ob die Klägerin die sich aus der Umwandlung ergebende Folge der Anrechnung der ausländischen Versichertenrente erkannt hatte. Ein atypischer Fall (im Sinne des § 48 Abs. 1 Satz 2 SGB X) könne nicht damit begründet werden, dass sie - die Beklagte - das Schreiben vom 3. Mai 2004 nicht an die für die Hinterbliebenenrente zuständige Stelle weitergeleitet habe. Eine Verpflichtung der Beklagten zu einem Datenabgleich gebe es nicht. Es habe auch keine Verknüpfung zwischen dem Versicherungskonto der Klägerin und dem Versicherungskonto des Verstorbenen bestanden. Die Klägerin habe überdies die regelmäßigen Erhöhungen der schweizerischen Altersrente verschwiegen. Ergänzend sei schließlich im Hinblick auf die Rechtsprechung des erkennenden Senats darauf hinzuweisen, dass der angegriffene Rücknahme- und Erstattungsbescheid auch hinreichend bestimmt sei.
Die Beklagte beantragt,
das Urteil des Sozialgerichts Berlin vom 29. März 2022 aufzuheben und die Klage abzuweisen.
Die Klägerin beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Sie verteidigt das angegriffene Urteil und trägt ergänzend vor: Eine ausdrückliche Mitteilung über die „Umschreibung“ der Witwenrente in eine Altersrente habe sie nicht erhalten. Sie hätte nicht wissen müssen, dass sich durch die bloße Umschreibung nach deutschem Recht eine andere Bewertung ergebe. Das vorausgesetzte Verschulden in § 48 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 SGB X müsse sich sowohl auf das Bestehen der Mitteilungspflicht als auch auf das sie auslösende Ereignis beziehen. Jedenfalls hinsichtlich der Umschreibung der Rente fehle es an einem Verschulden ihrerseits.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts und des Vorbringens der Beteiligten wird auf die gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen verwiesen.
Die Gerichtsakten (2 Bände) und die (Witwen-)Rentenakten der Beklagten haben vorgelegen und sind Gegenstand der Entscheidungsfindung gewesen.
Die Beteiligten haben ihr Einverständnis mit einer Entscheidung ohne mündliche Verhandlung gemäß §§ 124 Abs. 2 Sozialgerichtsgesetz (SGG) erklärt.
Entscheidungsgründe
Die zulässige Berufung der Beklagten ist unbegründet.
Das SG hat auf die Anfechtungsklage zu Recht den angegriffenen Bescheid der Beklagten vom 18. März 2020 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 5. November 2020 aufgehoben, soweit mit diesem Bescheid die Bewilligung der Witwenrente der Klägerin für die Zeit vom 1. Februar 2002 bis 30. April 2020 aufgehoben und die Klägerin zur Erstattung eines überzahlten Betrags in Höhe von 31.287,05 € aufgefordert worden war. In diesem Umfang erweist sich der angegriffene Bescheid als rechtswidrig und verletzt die Klägerin in ihren Rechten. Soweit mit dem Tenor des angegriffenen Urteils entgegen dem bei verständiger Würdigung des Klagebegehrens erkennbaren und vom SG auch im Übrigen so verstandenen beschränkten Aufhebungsbegehren der angegriffene Bescheid in Gänze aufgehoben worden ist, war die Urteilsformel wie geschehen klarzustellen.
Die Klage ist begründet. Wegen der Einzelheiten der Begründung verweist der Senat zunächst gemäß § 153 Abs. 2 SGG auf die zutreffenden Entscheidungsgründe (S. 5 Abs. 5 – S. 7) in dem angefochtenen Urteil, denen er sich anschließt. Ergänzend und vertiefend ist lediglich auszuführen: Zutreffend ist das SG davon ausgegangen, dass der Klägerin eine grob fahrlässige Verletzung ihrer Mitteilungspflichten nicht nachgewiesen werden kann. Es trifft zwar zu, dass es sich bei der schweizerischen Altersrente um eine Rente handelt, die als Erwerbsersatzeinkommen auf die von der Klägerin bezogene Witwenrente anzurechnen war und ist. Möglicherweise hätte die Klägerin bei gehöriger Anspannung ihrer Willenskräfte und unter sorgfältiger Auslegung des Hinweises im Rentenbescheid vom 8. Juli 1997 auf die Obliegenheit, das „Hinzutreten“ oder die Veränderung von Erwerbsersatzeinkommen (zB Versichertenrente) mitzuteilen, feststellen können, dass die schweizerische Altersrente zur schweizerischen Witwenrente „hinzugetreten“ war. Fraglich war und ist insoweit aber bereits, ob nach allgemeinem Sprachgebrauch ein „Hinzutreten“ auch dann vorliegen kann, wenn nicht zu einer weitergezahlten Rente eine weitere Rente „hinzutritt“, sondern vielmehr – wie vorliegend - eine Rente (hier: Witwenrente) durch eine andere Rente (hier: Altersrente) zwar nicht rechtlich, aber faktisch dadurch „ersetzt“ wird, dass nur die höhere Rente gezahlt wird. Mit Schriftsatz vom 10. November 2022 hat die Beklagte - im Ansatz zutreffend - darauf hingewiesen, dass der „Hinzutritt“ einer ausländischen Versicherung mitzuteilen gewesen sei, den hier maßgeblichen Vorgang dann aber als „Umwandlung“ (einer bereits vorhandenen Rente) bezeichnet. Dies deckt sich mit dem von der Klägerin dargelegten laienhaften Verständnis, dass es sich bei Festsetzung der schweizerischen Altersrente lediglich um eine „Umschreibung" der Witwenrente gehandelt habe. Die Beklagte hat auch nicht substantiiert dargelegt, dass der Klägerin aufgrund von Mitteilungen schweizerischer Versicherungsträger erkennen musste, dass ihr seit 2002 neben den bereits bezogenen beiden Renten noch eine weitere Rente zuerkannt worden war. Nach alledem bedurfte es eben nicht nur einfachster, ganz naheliegender Überlegungen der Klägerin, um zu erkennen, dass ein „Hinzutreten“ vorgelegen hatte. Soweit die Beklagte darauf hinweist, dass die nach dem Bescheid vom 8. Juli 1997 auch zur Mitteilung von „Veränderungen“ angehaltene Klägerin die Rentenanpassungen der schweizerischen Altersrente zum 1. Januar 2003 und zum 1. Januar 2014 nicht mitgeteilt habe, kann ihr ebenfalls nicht mit Erfolg eine grob fahrlässige Verletzung ihrer Mitteilungspflichten vorgehalten werden. Nachdem es sich ihr nicht aufgrund einfachster Überlegungen aufdrängen musste, den Hinzutritt einer weiteren Rente mitzuteilen, kann es auch nicht als grob fahrlässig bewertet werden, dass sie in der nicht zu widerlegenden Annahme, sie beziehe weiter eine anrechnungsfreie und mithin nicht anzeigebedürftige Rente, die Erhöhungen dieser Rente – wie schon vor 2002 und insofern korrekt – der Beklagten nicht mitgeteilt hat.
Soweit die Beklagte schließlich mit der Berufungsbegründung vorträgt, die Klägerin sei auch hinsichtlich der Bewilligung der deutschen Altersrente ihrer Mitteilungspflicht nicht nachgekommen, kann offenbleiben, ob der entsprechende - zwischen „Hinzutritt“ und „Veränderung differenzierende - Hinweis im Bescheid vom 8. Juli 1997 vor dem Hintergrund des kurz zuvor stattgehabten Schriftwechsels mit der Beklagten (vgl. Schreiben vom 3. Juni 1997) zur Vergabe einer Versicherungsnummer hinreichend klar und unmissverständlich war. Zu Recht hat das SG indes festgestellt, dass die Klägerin sich jedenfalls nicht grob fahrlässig verhalten hat, als sie ungeachtet der Hinweise im Bescheid der Beklagten vom 8. Juli 1997 den Bezug der von dieser gewährten Altersrente nicht mitteilte. Das Maß der Fahrlässigkeit ist insbesondere nach der persönlichen Urteils- und Kritikfähigkeit sowie dem Einsichtsvermögen des Beteiligten zu beurteilen (BSGE 35, 108, 112; 44, 264, 273). Ob ein dementsprechender Verschuldensvorwurf gerechtfertigt ist, richtet sich nach seiner persönlichen Urteils- und Kritikfähigkeit, seinem Einsichtsvermögen und Verhalten sowie nach den besonderen Umständen des Einzelfalls. Grobe Fahrlässigkeit liegt nur im Falle einer Sorgfaltspflichtverletzung ungewöhnlich hohen Ausmaßes vor, d.h. es muss sich um eine besonders grobe und auch subjektiv schlechthin unentschuldbare Pflichtverletzung handeln. Unter Berücksichtigung des im Witwenrentenbewilligungsverfahren aufgrund des Schreibens vom 3. Juni 1997 nachvollziehbar entstandenen Eindrucks der Klägerin, dass die Beklagte künftige Veränderungen ihrer Einkommenssituation – zB durch die Bewilligung einer Altersrente - aufgrund der angekündigten Verbindung des Versicherungskontos der Klägerin mit dem Konto des verstorbenen Versicherten selbst „unter Kontrolle“ haben werde, lässt dies die Nichtbeachtung des Hinweises im Bescheid vom 8. Juli 1997 noch nicht als eine besonders grobe und schlechthin unentschuldbare Pflichtverletzung erscheinen.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.
Gründe für die Zulassung der Revision bestehen nicht (§ 160 Abs. 2 SGG).