Hat die Krankenkasse im Versorgungsverfahren die geschuldete fach- und sachgerechte Beratung verweigert, dann kann sie dem Begehren auf Erstattung der aufgewandten aus Sicht der fachunkundigen Versicherten zur Gewährleistung eines ausreichenden Hörvermögens erforderlichen Mehrkosten der Hörgeräteversorgung nicht entgegenhalten, dass weitergehende Maßnahmen zur Abklärung der Notwendigkeit einer aufpreispflichtigen Versorgung in Betracht gekommen wären.
Auf die Berufung der Klägerin werden das Urteil des Sozialgerichts Lüneburg vom 19. Mai 2022 geändert und der Bescheid der Beklagten vom 3. Januar 2018 in der Fassung des Widerspruchsbescheides vom 19. März 2018 aufgehoben.
Die Beigeladene wird verpflichtet, der Klägerin den von ihr verauslagten Eigenanteil in Höhe von 1.752 € zu erstatten.
Die Beigeladene trägt die notwendigen außergerichtlichen Kosten der Klägerin aus beiden Rechtszügen; im Übrigen sind Kosten nicht zu erstatten.
Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand
Die 1974 geborene Klägerin begehrt die Erstattung der Kosten einer 2017 mit Hörgeräten vom Typ OPN 3 erfolgten Versorgung, soweit diese über den von Seiten der beigeladenen Krankenkasse getragenen Festbetrag hinausgehen.
Beruflich ist die Klägerin bei einem IT-Dienstleister tätig. Ihre Arbeitgeberin ist als Tochterunternehmen für den IT-Bereich einer großer Wirtschaftsprüfungs- und Beratungsgesellschaft zuständig. Die Klägerin ist insbesondere für die Beratung und Schulung von Mitarbeitern, Materialbestellungen, die Abwicklung von Reparaturaufträgen sowie für die Herstellung von Telefon- und Netzwerkverbindungen zuständig (vgl. wegen der weiteren Einzelheiten auch den Auszug aus dem Zwischenzeugnis, vor Blatt 1 der med. Verwaltungsvorgänge der Beklagten).
Die Klägerin war zunächst im Februar 2014 durch den Hörgeräteakustikunternehmen Kind mit Hörgeräten vom Typ Harmony HS versorgt worden. Etwa drei Jahre später, also etwa Anfang 2017, stellte sie nach eigenen Angaben (vgl. die Darstellung der Klägerin im Erörterungstermin am 19. Juni 2023) fest, dass sie mit diesen Hörgeräten auch nach Überprüfung der in Betracht kommenden Einstellmöglichkeiten nicht mehr ausreichend hören konnte.
Daraufhin suchte die Klägerin die HNO-Ärztin Dr. J. auf, welche am 3. Juli 2017 (vgl. Verordnung, Bl. 278 GA und Bl. 10 der med. VV der Beklagten) neue Hörgeräte verordnete.
Nach der entsprechenden Verordnung (so der Vortrag der Klägerin im Erörterungstermin) wandte sie sich zunächst an die Firma Hörgeräte K.. Dort konnte sie aber nicht sofort bei der ersten Vorsprache einen Beratungstermin bekommen. Sie wurde vielmehr gebeten, telefonisch einen solchen Termin zu vereinbaren. Die für die Terminvergabe anzurufende Servicenummer der Firma K. wurde der Klägerin bei ihrer Vorsprache überreicht; die Klägerin sah jedoch von der Vereinbarung eines Beratungstermins bei der Firma K. ab. Entsprechend verlief ihre Vorsprache bei einem weiteren großen Hörgeräteakustikunternehmen. Ausweislich ihrer Darstellung im Schriftsatz vom 9. November 2022 schätzte die Klägerin jedoch die Bitte um telefonische Vereinbarung eines entsprechenden Beratungstermins als „nicht kundenorientiert“ ein.
Die Klägerin suchte vielmehr Anfang Juli 2017 das Hörgeräteakustikunternehmen L. auf.
Dort testete die Klägerin nach Aktenlage drei Hörgerätetypen. Im Erörterungstermin hat sie dazu vorgetragen: Bei der Firma L. habe sie zunächst die Geräte Oticon OPN-3 getestet. Anschließend habe ich die Geräte Phonak Tao getestet, dabei habe es sich um sog. In-Ear-Geräte gehandelt. Mit diesen Geräten sei sie schon im Ausgangspunkt nicht zurechtgekommen, weil sie bauartbedingt insbesondere auch die Kiefergeräusche übertragen haben. Das habe sie als sehr störend empfunden. Schließlich habe sie dann noch die Geräte Oticon GET getestet, dabei habe es sich um Kassenmodelle gehandelt, welche nicht programmierbar gewesen seien.
Mit Schriftsatz vom 12. Juli 2023 hat die Klägerin diesen Vortrag dahingehend geändert und konkretisiert, dass sie vom 11. bis 17. Juli 2017 die Hörgeräte Oticon Get, vom 17. Juli bis 8. August 2017 die Hörgeräte Oticon OPN 3 und vom 8. bis 15. August 2017 die Hörgeräte Phonak Tao getestet habe.
Die zu den Verwaltungsvorgängen gereichten Prüfbögen bezüglich der Geräte Oticon OPN 3 und Phonak Tao weisen folgende Daten auf:
Bezogen auf das Hörgerät Phonak Tao ist als Anpasszeitraum wohl der Zeitraum 17. Juni bis 18. August 2017 ausgewiesen worden (wobei die handschriftliche Eintragung des Anfangsdatums nicht sicher zu entziffern ist, Bl. 6 der med. VV der Beklagten = Bl. 283 GA); den Fragebogen bezüglich der Bewertung dieses Gerätes hat die Klägerin am 8. August 2015 unterzeichnet (Bl. 7 der med. VV der Beklagten).
Bezogen auf das Hörgerät Oticon OPN 3 ist als Anpassungszeitraum 18. bis 31. August 2017 ausgewiesen worden (Bl. 8 der med. VV der Beklagten); allerdings hat die Klägerin den Fragebogen bezüglich der Bewertung dieses Geräts bereits unter dem Datum vom 17. Juli 2017 unterzeichnet (Bl. 9 der med. VV der Beklagten).
Abgesehen von der gesetzlichen Zuzahlung von 20 € hätte die Firma Zöllner die Klägerin mit den Hörgeräten Phonak Tao und Oticon Get ohne Eigenbeteiligung versorgt, es handelte sich nach dem Angebot dieses Hörgeräteakustikers um sog. Festbetragsgeräte. Lediglich die für die Hörgeräte Phonak Tao, welche als sog. CIC-Geräte tief im Gehörgang zu tragen sind, benötigte sog. CIC-Schale hätte die Klägerin ihren Angaben zufolge mit einem Kostenbetrag von 242 € selbst finanzieren müssen. Demgegenüber erforderten die Hörgeräte Oticon OPN 3 einen zusätzlichen Eigenanteil der Klägerin in Höhe von 1.752 €.
Mit Email vom 11. August 2017 (vgl. wegen der weiteren Einzelheiten Bl. 7 VV der Beklagten = Bl. 290 GA) wandte sich die Klägerin an die beigeladene Krankenkasse und teilte mit, dass sie aufgrund einer Verschlechterung ihres Hörvermögens neue Hörgeräte verordnet bekommen habe. Sie habe „jetzt“ verschiedene Geräte getestet und sich für ein Gerät entschieden, welches als einziges „ausreichend für ihre Arbeit im Büro in Gesprächen mit Kollegen und Telefonie“ sei. Dieses Gerät helfe ihr enorm im Alltag; sie sei abends nicht mehr so müde, weil sie sich nicht mehr habe anstrengen müssen, Gesprächen zu folgen und richtig zu verstehen.
Dieses Gerät „regele die ganze Zeit alle Außengeräusche ab“, so dass sie sich auch dann ganz auf das jeweilige Gespräch konzentrieren könne, wenn – wie dies mehrfach täglich der Fall sei – noch weitere Person in ihrem Büro zugegen seien. Deshalb habe sie sich für dieses Gerät entschieden, auch wenn sie eine Eigenbeteiligung von rund 900 € je Gerät aufbringen müsse. Sie bitte die Krankenkasse um Prüfung, ob diese „über den Regelsatz hinaus was dazu bezahlen“ könne.
Die Beigeladene teilte der Klägerin daraufhin umgehend mit, dass eine über die Festbeträge hinausgehende Kostenbeteiligung von Ihrer Seite ausgeschlossen sei. Da die Klägerin jedoch darauf hingewiesen habe, dass sie sich für die aufzahlungspflichtigen Hörgeräte aufgrund der Anforderungen am Arbeitsplatz entschieden habe, könne man ggfs. auch noch einen Zuschuss über den Rentenversicherungsträger beantragen (Bl. 288 GA).
Unter dem Datum vom 31. August 2017 (Bl. 4 VV der Beklagten) unterzeichnete die Klägerin das Formular einer „Patientenerklärung zur Versorgung mit Mehrkosten“, ausweislich derer sie aufzahlungsfreie Hörsysteme in „alltagsrelevanten Hörsituationen“ ausprobiert habe, mit denen sie „gut zurechtkam“. Dennoch habe sie sich für ein Hörsystem mit Aufzahlung entschieden, weil sie „besondere Ausstattungsmerkmale“ wünsche, welche „nicht mit dem reinen Hörverstehen im Alltag zu tun haben“.
Im weiteren Verlauf dieses Formulars sind bezogen auf die Frage, welche „Ausstattungsmerkmale“ für die Auswahlentscheidung maßgeblich gewesen seien, festgehalten worden: „Berufliche Gebrauchsvorteile (Anschreiben)“. In dem dieser Patientenerklärung beigefügten Beiblatt (Bl. 5 VV der Beklagten) war dabei zur „Arbeitssituation“ insbesondere Folgendes erläutert worden: „Vor meinem Büro ist Durchgangsverkehr, so dass es teilweise zu Nebengeräuschen kommt, wo ich mein Gegenüber nicht verstehe. Teilweise sind mehrere Kollegen in meinem Büro, die sich untereinander unterhalten, wo ich dann auch meinen Gegenüber nicht verstehen kann. Ich habe auch sehr zurückhaltende Kollegen, die sehr leise sprechen, sodass ich sie nicht verstehe…“
Mit Schreiben vom 14. November 2017 (Bl. 2 VV der Beklagten) wandte sich die Firma Hörgeräte L. an die Beigeladene und bat um Bestätigung der Kostenübernahme. Sie führte aus, dass die Mehrkosten der Hörgeräteversorgung sich zum „zum einen auf die Kosmetik“ bezögen, da die Geräte Oticon OPN 3 kleiner seien. „Zum anderen“ verfügten diese Geräte über technologische Vorteile, aufgrund derer „man u.a. mehr in einer lärmerfüllten Umgebung“ verstehe, man habe „ein räumliches Klangbild“.
Ausweislich des Anpassberichts des der Firma L. (Bl. 281 f. GA) erzielte die Klägerin im Rahmen des sog. Freiburger Sprachtests mit allen drei erprobten Hörgeräten bei einem Nutzschall von 65 dB ein Hörvermögen von 95 % (wohingegen sie ohne Hörgerät nur 50 % erreichte). Bei einem Störschall von 60 DB reduzierte sich das Hörvermögen auf 70 % bei der Geräten Oticon Get und Phonak Tao sowie auf 75 % bei den Geräten Oticon OPN 3.
Die Beigeladene sagte die Festbeträge zu und leitete den Versorgungsantrag im Übrigen mit Schreiben vom 20. November 2017 an den beklagten Rentenversicherungsträger weiter. Die Beklagte ihrerseits lehnte den Antrag auf Übernahme der die Festbeträge übersteigenden Kosten mit Bescheid vom 3. Januar 2018 in der Fassung des Widerspruchsbescheides vom 19. März 2018 mit der Begründung ab, dass keine berufsspezifischen besonderen Anforderungen an das Hörvermögen festzustellen seien.
Daraufhin stellte die Firma Hörgeräte L. der Klägerin am 4. April 2018 für die durchgeführte Versorgung mit den beiden Hörgeräten Oticon OPN-3 den Eigenanteil von 1752 € (und zudem die gesetzliche Zuzahlung von 20 €) in Rechnung (Bl. 52 GA); die Klägerin überwies den Rechnungsbetrag von insgesamt 1.772 € am Folgetag (Bl. 178 GA).
Mit der am 12. April 2018 erhobenen Klage hat die Klägerin geltend gemacht, dass die „im Rahmen der Grundversorgung gestellten Geräte“ kein ausreichendes Hören am Arbeitsplatz ermöglichen würden. Sie sei dort „ständig“ Nebengeräuschen als Störfaktor ausgesetzt, welche ihr ein Arbeiten „ohne geeignete Hörhilfe“ unmöglich machen würden (vgl. S. 2 des Schriftsatzes vom 26. Juni 2018 = Bl. 41 GA). Erforderlich seien präzise einstellbare Hörgeräte; ein „bloßes Lauterstellen der Standardgeräte“ trage nicht zum besseren Hörverständnis bei.
Bei der Anhörung durch das Sozialgericht im Januar 2022 hat die Klägerin erläutert, dass „diese Geräte“ (also ausweislich des Sachzusammenhanges: die Hörgeräte Oticon OPN-3) aus ihrer Sicht insbesondere den Vorteil einer größeren Flexibilität hätten. Sie habe mehr Möglichkeiten, diese durch entsprechende Einstellungen und die Auswahl unter mehreren Hörprogrammen auf die Besonderheiten der jeweiligen Hörsituation anzupassen. Demgegenüber habe sie mit den getesteten aufzahlungsfreien Geräten in einigen Situationen ihre Gesprächspartner nicht verstanden. Entsprechende Schwierigkeiten seien situationsabhängig gewesen und insbesondere bei Nebengeräuschen aufgetreten.
Mit Urteil vom 19. Mai 2022, der Klägerin zugestellt am 12. August 2022, hat das Sozialgericht Lüneburg die Klage abgewiesen. Die Klägerin habe gegenüber der beigeladenen Krankenkasse keinen Anspruch auf eine „Versorgung über den Festbetrag hinaus“. Dies werde durch die Ergebnisse des von dem Hörgeräteakustiker durchgeführten Freiburger Sprachtests belegt. Danach hätten die von der Klägerin erworbenen Hörgeräte nur einen „leichten Gebrauchsvorteil“ gegenüber den anderen getesteten Geräten aufgewiesen, ohne dass sich daraus ein Rückschluss auf einen „wesentlichen Gebrauchsvorteil“ ziehen lasse. Die von der Klägerin beschriebene Smartphonefähigkeit betreffe nicht die „Gebrauchsfähigkeit der Geräte an sich“; dieses im Alltag „praktische Feature“ stelle „letztendlich nur eine Komfortverbesserung“ dar. Ein besonderer beruflicher Bedarf sei nicht festzustellen.
Mit ihrer am 8. September 2022 eingelegten Berufung macht die Klägerin geltend, dass unter den getesteten Geräten allein die von ihr im Ergebnis erworbenen Geräte Oticon OPN-3 insbesondere auch unter Berücksichtigung der verbesserten Einstellmöglichkeiten ein verlässliches Hören auch in schwierigen Hörsituationen ermöglicht hätten. Auch die Ergebnisse des Freiburger Sprachtests würden die relevanten Gebrauchsvorteile bestätigen.
Aus ihrer Sicht sei das „absolut Ausschlaggebende“ gewesen, dass die Geräte Oticon OPN-3 über Bluetooth mit dem Handy bzw. der von ihrer Arbeitgeberin am Arbeitsplatz bereitgestellten Telefonanlage verbunden werden konnten. Auf diesem Wege habe sie über den Lautsprecher ihres Notebooks bei Bedarf die erforderlichen Telefonate führen können. Bei einem herkömmlichen Telefonat, bei dem sie die Telefonanlage am Arbeitsplatz mit Hilfe eines von der Arbeitgeberin zur Verfügung gestellten Headsets nutze, empfinde sie als Brillenträgerin nach 20 bis 30 Minuten nicht mehr erträgliche Druckgefühle am Ohr und Kopf.
Auch bei Familienfeiern, im Restaurant oder auch bei Zugfahrten könne sie mit den erweiterten Einstell- und Programmiermöglichkeiten der Hörgeräte Oticon OPN-3 besser hören.
Die Klägerin beantragt,
- das Urteil des Sozialgerichts Lüneburg vom 19. Mai 2022 zu ändern und den Bescheid der Beklagten vom 3. Januar 2018 in der Fassung des Widerspruchsbescheides vom 19. März 2018 aufzuheben und
- die Beklagte, hilfsweise die Beigeladene, zur Erstattung des von ihr verauslagten Eigenanteils in Höhe von 1.752 € zu verpflichten.
Die Beklagte und die Beigeladene beantragen jeweils,
die Berufung zurückzuweisen.
Die Beklagte weist darauf hin, dass sich die Klägerin ausweislich ihrer Email an die Beigeladene vom 11. August 2017 bereits zum damaligen Zeitpunkt und damit jedenfalls teilweise vor einer gründlichen Testung der anderen Hörgeräte für die dann erworbenen Geräte Oticon OPN-3 entschieden habe.
Die Beigeladene weist darauf hin, dass nach ihrem Verständnis ein Hörvorteil von lediglich 5 % sich innerhalb der Messtoleranz bewege und daher nicht geeignet sei, einen wesentlichen Gebrauchsvorteil zu begründen. Auch die aufzahlungsfrei angebotenen Hörgeräte Oticon Get seien, wie die Bedienungsanleitung belege, programmierbar gewesen; das Gerät ermögliche eine Belegung mit bis zu vier Programmen.
Der Senat hat die Klägerin durch seinen Vorsitzenden im Erörterungstermin informatorisch gehört; wegen der Einzelheiten wird auf das Protokoll dieses Termins verwiesen.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den Inhalt der Gerichtsakte und auf den Inhalt der beigezogenen Verwaltungsvorgänge der Beklagten Bezug genommen.
Entscheidungsgründe
Die zulässige Berufung ist mit der Maßgabe begründet, dass die beigeladene Krankenkasse zur Erstattung des von der Klägerin in Höhe von 1.752 € verauslagten Eigenanteils für die im Ende 2017 erfolgte Versorgung mit Hörgeräten Oticon OPN-3 zu verpflichten ist.
1. Die Verpflichtung der Beigeladenen folgt aus der durch § 75 Abs. 5 SGG eröffneten Befugnis, anstelle des verklagten Versicherungs- oder Leistungsträgers nach Beiladung den tatsächlich leistungsverpflichteten, aber nicht verklagten Träger zu verurteilen. Diese prozessual vorgesehene Möglichkeit der Verurteilung auf Beiladung dient vor allem der Prozessökonomie, einer Klageänderung (§ 99 SGG) bedarf es dabei nicht (vgl. BSG, Urteil vom 24. Januar 2013, B 3 KR 5/12 R, juris, Rdnr. 11 = SozR 4-3250 § 14 Nr. 19, LSG Baden-Württemberg, Urteil vom 20. August 2013, L 13 R 2607/10, juris, Rdnr. 33). Hierzu bedarf es insbesondere keines weiteren abgeschlossenen Vorverfahrens im Sinne des § 83 SGG (BSG, Urteil vom 24. Januar 2013 – B 3 KR 5/12 R –, BSGE 113, 40-60, SozR 4-3250 § 14 Nr. 19, Rn. 13 m.w.N.).
2. Werden Leistungen zur Teilhabe beantragt, stellt der Rehabilitationsträger gemäß § 14 Abs. 1 Satz 2 SGB IX (im Jahr 2017 noch in der Fassung des seinerzeit maßgeblichen SGB IX 2001) innerhalb von zwei Wochen nach Eingang des Antrages bei ihm fest, ob er nach dem für ihn geltenden Leistungsgesetz für die Leistung zuständig ist. Erkennt er bei der Prüfung, dass er für die Leistung nicht zuständig ist, leitet er den Antrag unverzüglich dem nach seiner Auffassung zuständigen Rehabilitationsträger zu. Muss für eine solche Feststellung die Ursache der Behinderung geklärt werden und ist diese Klärung in der Frist nach Satz 1 nicht möglich, wird der Antrag unverzüglich dem Rehabilitationsträger zugeleitet, der die Leistung ohne Rücksicht auf die Ursache erbringt… Wird der Antrag nicht weitergeleitet, stellt der Rehabilitationsträger den Rehabilitationsbedarf gemäß Abs. 2 Satz 1 unverzüglich fest.
Nach § 14 Abs. 2 S 1 SGB IX verliert sogar ein materiell-rechtlich - eigentlich - zuständiger Rehabilitationsträger (§ 6 SGB IX) im Außenverhältnis zum Versicherten oder Leistungsempfänger seine Zuständigkeit für eine Teilhabeleistung, sobald der zuerst angegangene Rehabilitationsträger eine i. S. von § 14 Abs. 1 SGB IX fristgerechte Zuständigkeitsklärung versäumt hat und demzufolge die Zuständigkeit nach allen in Betracht kommenden rehabilitationsrechtlichen Rechtsgrundlagen auf ihn übergegangen ist (siehe hierzu und im Folgenden: BSG, Urteil vom 24. Januar 2013 – B 3 KR 5/12 R –, BSGE 113, 40-60, SozR 4-3250 § 14 Nr 19, SozR 4-2500 § 33 Nr 41, SozR 4-3250 § 31 Nr 8, Rn. 16 - 17).
Die Zuständigkeit der Beigeladenen ist bereits mit Übergabe der Hörgeräteverordnung an den Hörgeräteakustiker L. Anfang Juli 2017 begründet worden (vgl. dazu im Einzelnen Landessozialgericht Niedersachsen-Bremen, Urteil vom 20. Februar 2023 – L 2 R 263/22 –, Rn. 28 ff., juris). Versicherte, die – wie im vorliegenden Fall die Klägerin – mit einem Leistungserbringer gerade als Vertragspartner ihrer Krankenkasse in Kontakt treten, stellen damit grundsätzlich gleichzeitig den Antrag nach § 19 S 1 SGB IV, den anders anzubringen ihnen durch das Verhalten ihrer Kasse faktisch gerade verwehrt ist. Aus der Sicht des Versicherten besteht ein der Krankenkasse zurechenbarer Rechtsschein der Empfangszuständigkeit des Hörgeräteakustikers für Leistungsanträge im Sinne einer geduldeten passiven Stellvertretung (vgl. BSG, U.v. 30. Oktober 2014 – B 5 R 8/14 R –, BSGE 117, 192, Rn. 42).
Mit der entsprechenden Antragstellung Anfang Juli 2017 ist zugleich die Zuständigkeit der Beigeladenen als erstangegangene Rehabilitationsträgerin gemäß § 14 Abs. 1 SGB IX begründet worden; eine Weiterleitung dieses Antrages innerhalb der dort normierten Zweiwochenfrist ist nicht erfolgt. Bezeichnenderweise hat die Beigeladene aufgrund dieses Antrages der Klägerin auch den sog. Festbetrag zugesprochen.
Das Begehren der Klägerin war entsprechend der Auslegungsregel des § 2 Abs 2 SGB I auf eine umfassende, nach Maßgabe des Leistungsrechts des Sozialgesetzbuches (hier: des Leistungsrechts der GKV nach dem SGB V sowie des Leistungsrechts der gesetzlichen Rentenversicherung nach dem SGB VI) bestmögliche Versorgung mit einem neuen Hörgerät gerichtet. Eine solche Auslegung des Leistungsbegehrens schließt die Aufspaltung des klägerischen Begehrens in zwei separate Leistungsanträge, nämlich in einem Antrag auf Bewilligung eines Festbetrages ("Normalversorgung", § 12 Abs 2 SGB V) und einen weiteren Antrag auf Bewilligung einer über den Festbetrag hinausgehenden, technisch anspruchsvolleren und teureren Versorgung ("Premiumversorgung"), von vornherein aus. Es ist also von einem einheitlichen Anfang Juli 2017 bei der Beigeladenen gestellten Leistungsantrag auszugehen (vgl. zum Vorstehenden: BSG, U.v. 24. Januar 2013 – B 3 KR 5/12 R –, BSGE 113, 40, Rn. 21)
Erneut angegangen im Sinne der erläuterten Vorgaben des § 14 SGB IX wurde die Beigeladene nachfolgend durch die E-Mail der Klägerin vom 11. August 2017. Auch hierauf bezogen fehlt es an fristgerechten Weiterleitung des Rehabilitationsbegehrens durch die Beigeladene an die Beklagte innerhalb der erläuterten Zweiwochenfrist. Eine entsprechende Weiterleitung hat die Beigeladene vielmehr erstmals Monate später mit Schreiben vom 20. November 2017 veranlassen wollen. Angesichts der Fristversäumnis vermochte die (deutlich) verspätete Weiterleitung die einmal im Außenverhältnis zur Klägerin begründete (und im vorliegenden Fall überdies mit ihrer originären sachlichen Zuständigkeit korrespondierende) Zuständigkeit der Beigeladenen nicht mehr zu berühren. Mangels einer eigenen Zuständigkeit im Außenverhältnis zur Klägerin war die Beklagte schon nicht zur Bescheidung des Begehrens der Klägerin zuständig, so dass ihre ablehnenden Bescheide aufzuheben sind.
3. Der Anspruch der Klägerin auf Erstattung des von ihr (neben der gesetzlichen Zuzahlung in Höhe von 20 € für die beiden Hörgeräte) verauslagten Eigenanteils in Höhe von 1.752 € ergibt sich aus § 13 Abs. 3 Satz 1 SGB V. Nach dieser Vorschrift sind von der Krankenkasse dem Versicherten die Kosten für die selbstbeschaffte Leistung in der entstandenen Höhe zu erstatten, soweit die Krankenkasse eine unaufschiebbare Leistung nicht rechtzeitig erbringen konnte oder sie eine Leistung zu Unrecht abgelehnt hat und sind dadurch dem Versicherten für die selbstbeschaffte notwendige Leistung Kosten entstanden sind.
Im vorliegenden Fall hat die Beigeladene über den Festbetrag hinausgehende Leistungsansprüche aufgrund der seinerzeit erforderlichen Neuversorgung mit Hörgeräten bereits mit Email vom 11. August 2017 abgelehnt. Sie hat in ihrer Email die Klägerin explizit darauf hingewiesen, dass sie „immer nur“ den vorgegebenen Festbetrag genehmigen könne.
Diese Ablehnung erfolgte zu Unrecht, weil die Klägerin in der damaligen Versorgungssituation von der Beigeladenen eine Versorgung mit den (von ihr unter Einsatz der von ihr in Höhe von 1.752 € aufgebrachten Eigenbeteiligung erworbenen) Hörgeräten Oticon OPN-3 beanspruchen konnte.
Versicherte haben gemäß § 33 Abs. 1 Satz 1 SGB V Anspruch auf Versorgung mit Hörhilfen, Körperersatzstücken, orthopädischen und anderen Hilfsmitteln, die im Einzelfall erforderlich sind, um den Erfolg der Krankenbehandlung zu sichern, einer drohenden Behinderung vorzubeugen oder eine Behinderung auszugleichen, soweit die Hilfsmittel nicht als allgemeine Gebrauchsgegenstände des täglichen Lebens anzusehen oder nach § 34 Abs. 4 SGB V ausgeschlossen sind.
Der Spitzenverband Bund der Krankenkassen bestimmt gemäß § 36 Abs. 1 SGB V Hilfsmittel, für die Festbeträge festgesetzt werden. Für die Versorgung mit diesen Hilfsmitteln setzt er gemäß Abs. 2 einheitliche Festbeträge fest.
Diese Regelungen lassen allerdings im Verhältnis zum Versicherten den Sachleistungsanspruch auf Versorgung mit den benötigten Hilfsmitteln nach § 27 Abs. 1 Satz 2 Nr. 3 SGB V unberührt (vgl. bereits BVerfG, Urteil vom 17. Dezember 2002 – 1 BvL 28/95 –, BVerfGE 106, 275, Rn. 139). Soweit der Festbetrag für den Behinderungsausgleich objektiv nicht ausreicht, bleibt es bei der Verpflichtung der Krankenkasse zur - von den gesetzlich vorgesehenen Zuzahlungen in Höhe von zehn Euro je Hörgerät abgesehen - kostenfreien Versorgung der Versicherten (BSG, U.v. 17. Dezember 2009 – B 3 KR 20/08 R –, BSGE 105, 170, Rn. 29).
Ein Festbetrag darf leistungsbegrenzende Wirkung nur entfalten, wenn er im Zeitpunkt der beanspruchten Versorgung den gesetzlichen Anforderungen genügt. Insoweit liegt das Risiko der ausreichenden Festbetragsbemessung bei den Krankenkassen, nicht aber bei den Versicherten (BSG, aaO, Rn. 30).
Gewährleistet ist die erforderliche Versorgung zum Festbetrag, wenn sich ein Betroffener die ihm zustehende Leistung mit einem Mindestmaß an Wahlmöglichkeit zumutbar beschaffen kann. Insoweit gilt für seinen Anspruch zunächst das allgemeine Leistungsrecht des SGB V. Deshalb hat der Festbetrag im medizinisch vertretbaren Rahmen regelmäßig Raum für eine hinreichende Auswahl unter verschiedenen Versorgungsmöglichkeiten zu belassen. Zudem sind Zumutbarkeitsgesichtspunkte zu beachten; es reicht nicht aus, dass überhaupt ein Leistungserbringer die notwendige Leistung bereithält. Erforderlich ist vielmehr, dass dieser angemessen erreichbar und seine Inanspruchnahme auch ansonsten zumutbar ist (BSG, aaO, Rn. 35).
Die Festbetragsregelung enthebt die Krankenkassen mithin nicht von ihrer Pflicht, ihrerseits im Rahmen der Sachleistungsverantwortung (§ 2 Abs. 1 Satz 1 SGB V) für die ausreichende Versorgung der Versicherten Sorge zu tragen. Hieraus können gesteigerte Obhuts- und Informationspflichten erwachsen, wenn vor allem bei anpassungsbedürftigen Hilfsmitteln der notwendige Überblick über die Marktlage und geeignete Angebote auch bei zumutbarer Anstrengung für Versicherte schwierig zu erlangen ist. Das Festbetragsregime setzt nicht die Verantwortung der Krankenkassen für die Leistungsverschaffung im Rahmen des Sachleistungsprinzips außer Kraft, sondern modifiziert nur das Entscheidungsverfahren zur Bestimmung der angemessenen Leistungsvergütung. Insoweit kann die Verpflichtung, Versicherten bei einem unübersichtlichen Leistungsangebot einen konkreten Weg zu den gesetzlich möglichen Leistungen aufzuzeigen, gerade auch hier gelten (BSG, aaO, Rn. 36 mwN).
4. Im Bereich des unmittelbaren Behinderungsausgleichs – und damit auch bei einer Hörgeräteversorgung – ist die Hilfsmittelversorgung grundsätzlich von dem Ziel eines vollständigen funktionellen Ausgleichs geleitet. Für diesen unmittelbaren Behinderungsausgleich gilt das Gebot eines möglichst weitgehenden Ausgleichs des Funktionsdefizits, und zwar unter Berücksichtigung des aktuellen Stands des medizinischen und technischen Fortschritts. Dies dient in aller Regel ohne gesonderte weitere Prüfung der Befriedigung eines Grundbedürfnisses des täglichen Lebens im Sinne von § 47 Abs. 1 Nr. 3 SGB IX (entsprechend § 31 Abs. 1 Nr. 3 SGB IX 2001), weil die Erhaltung bzw. Wiederherstellung einer Körperfunktion als solche schon ein Grundbedürfnis in diesem Sinne ist. Deshalb kann auch die Versorgung mit einem fortschrittlichen, technisch weiterentwickelten Hilfsmittel nicht mit der Begründung abgelehnt werden, der bisher erreichte Versorgungsstandard sei ausreichend, solange ein Ausgleich der Behinderung nicht vollständig im Sinne des Gleichziehens mit einem gesunden Menschen erreicht ist (BSG aaO, Rn. 15 mwN).
Maßgebliches Ziel einer Versorgung mit Hörgeräten muss nach den erläuterten gesetzlichen Vorgaben die Angleichung an das Hörvermögen hörgesunder Menschen darstellen. Versicherte der gesetzlichen Krankenkassen haben Anspruch auf diejenige Hörgeräteversorgung, die die nach dem Stand der Medizintechnik bestmögliche Angleichung an das Hörvermögen Gesunder erlaubt, soweit dies im Alltagsleben einen erheblichen Gebrauchsvorteil bietet (BSG, B.v. 28. September 2017 – B 3 KR 7/17 B –, SozR 4-1720 § 186 Nr 1, Rn. 15).
Solange dieser Ausgleich im Sinne eines Gleichziehens mit deren Hörvermögen nicht vollständig erreicht ist, kann die Versorgung mit einem fortschrittlichen Hörgerät nach der Rechtsprechung des BSG gerade nicht mit der Begründung abgelehnt werden, dass der Träger der gesetzlichen Krankenversicherung nur für die Aufrechterhaltung eines - wie auch immer zu bestimmenden - Basishörvermögens aufzukommen habe. Teil des von den Krankenkassen nach § 33 Abs. 1 Satz 1 SGB V geschuldeten - möglichst vollständigen - Behinderungsausgleichs ist es vielmehr, hörbehinderten Menschen im Rahmen des Möglichen auch das Hören und Verstehen in größeren Räumen und bei störenden Umgebungsgeräuschen zu eröffnen und ihnen die dazu nach dem Stand der Hörgerätetechnik (§ 2 Abs. 1 Satz 3 SGB V) jeweils erforderlichen Geräte zur Verfügung zu stellen (BSG, Urteil vom 17. Dezember 2009, aaO, Rn. 20 mwN).
Die Ergebnisse eines Hörens unter Störschalleinwirkungen, wie sie auch im täglichen Leben sehr häufig anzutreffen sind, hängt neben der konkreten Ausgestaltung des persönlichen Hörvermögens und seiner individuellen Beeinträchtigungen maßgeblich von in ganz unterschiedlichen Ausprägungen, Stärken und Wechselwirkungen in Betracht zu ziehenden Störschalleinwirkungen und natürlich auch von der Qualität der Primärschallquelle ab, deren Wahrnehmung auch unter Störschall angestrebt wird. Unterschiedliche Anforderungen können sich überdies auch hinsichtlich der im jeweiligen Lebenszusammenhang erforderlichen Qualität der Hörwahrnehmung ergeben (vgl. dazu bereits Senatsurteil vom 20. Februar 2023 – L 2 R 263/22 –, Rn. 52, juris).
Angesichts der vielfältigen Ausgestaltungen entsprechender Störschallbeeinträchtigungen und der vielfältigen Unterschiede im individuellen (beeinträchtigten) Hörvermögen ermöglichen die unter Testbedingungen auf der Basis einer einzelnen übersichtlichen Störschallausgestaltung mit lediglich einer wahrzunehmenden Primärschallquelle punktuell ermittelten Ergebnisse im Rahmen der sog. Freiburger Sprachtests keine verlässlichen Rückschlüsse darauf, mit welcher Qualität der Betroffene mit den jeweiligen Hörgeräten (und ggfs. mit welchen Einstellungen und Programmierungen dieser Geräte) unter den ganz unterschiedlich ausgeprägten Störschallsituationen im Alltag Höreindrücke verstehen kann. Sowohl im beruflichen wie im privaten Alltag müssen die Versicherten möglichst verlässliche Höreindrücke auch bei qualitativ sehr unterschiedlich ausgeprägten und sich nicht selten auch überlagernden Primärschallquellen erzielen können. Dabei wird die Wahrnehmung sowohl im beruflichen wie auch im privaten Bereich vielfach durch das Zusammenwirken sich überlagernder unterschiedlicher Störschalleinwirkungen erschwert.
Die Verfolgung von Gesprächen im Rahmen einer lebhaften Geburtstagsfeier beschreibt nur beispielhaft eine von vielen in Betracht kommenden Auswirkungen schwieriger Hörsituationen. Die gebotene bestmögliche Angleichung an das Hörvermögen Gesunder gebietet im Rahmen des technisch Machbaren eine Versorgung, welche grundsätzlich auch in solchen problematischen Hörumgebungen ein verlässliches Hören in dem auch bei einem gesunden Menschen zu erwartenden Rahmen gewährleistet.
5. Begrenzt ist der so umrissene Anspruch allerdings durch das Wirtschaftlichkeitsgebot des § 12 Abs. 1 SGB V. Die Leistungen müssen danach "ausreichend, zweckmäßig und wirtschaftlich sein" und dürfen "das Maß des Notwendigen nicht überschreiten"; Leistungen, die nicht notwendig oder unwirtschaftlich sind, können Versicherte nicht beanspruchen, dürfen die Leistungserbringer nicht bewirken und die Krankenkassen nicht bewilligen. Demzufolge verpflichtet auch § 33 Abs. 1 Satz 1 SGB V nicht dazu, den Versicherten jede gewünschte, von ihnen für optimal gehaltene Versorgung zur Verfügung zu stellen. Ausgeschlossen sind danach Ansprüche auf teure Hilfsmittel, wenn eine kostengünstigere Versorgung für den angestrebten Nachteilsausgleich funktionell ebenfalls geeignet ist; Mehrkosten sind andernfalls selbst zu tragen (BSG, aaO, Rn. 21).
Eingeschlossen in den Versorgungsauftrag der GKV ist eine kostenaufwendige – und damit erforderlichenfalls auch eine mit erheblichen Mehrkosten verbundene – Versorgung dagegen dann, wenn durch sie eine Verbesserung bedingt ist, die einen wesentlichen Gebrauchsvorteil gegenüber einer kostengünstigeren Alternative bietet. Das gilt bei Hilfsmitteln zum unmittelbaren Behinderungsausgleich für grundsätzlich jede Innovation, die dem Versicherten in seinem Alltagsleben deutliche Gebrauchsvorteile bietet. Keine Leistungspflicht besteht dagegen für solche Innovationen, die nicht die Funktionalität betreffen, sondern in erster Linie die Bequemlichkeit und den Komfort bei der Nutzung des Hilfsmittels. Dasselbe gilt für lediglich ästhetische Vorteile. Desgleichen kann eine Leistungsbegrenzung zu erwägen sein, wenn die funktionalen Vorteile eines Hilfsmittels ausschließlich in bestimmten Lebensbereichen zum Tragen kommen. Weitere Grenzen der Leistungspflicht können schließlich berührt sein, wenn einer nur geringfügigen Verbesserung des Gebrauchsnutzens ein als unverhältnismäßig einzuschätzender Mehraufwand gegenübersteht (vgl. zum Vorstehenden: BSG, aaO, Rn. 21).
In diesem Rahmen ist bei der Auswahl der Hörgeräte die bestmögliche Angleichung an das Hörvermögen Gesunder anzustreben, soweit damit im allgemeinen Alltagsleben im Vergleich zu anderen in Betracht kommenden Hörhilfen erhebliche Gebrauchsvorteile einhergehen (BSG, U.v. 17. Dezember 2009, aaO, Rn. 19). Die Beurteilung, ob im Einzelfall eine entsprechende Erheblichkeit von Gebrauchsvorteilen festzustellen ist, hat sich an den gesetzlichen Vorgaben des SGB IX auszurichten, welche zugleich der Realisierung der verfassungsrechtlichen Wertvorgaben aus Art. 1 Abs. 1 und Art. 3 Abs. 3 Satz 2 GG zu dienen bestimmt sind.
Anzustreben ist gemäß § 1 SGB IX die volle, wirksame und gleichberechtigte Teilhabe der Menschen mit Behinderungen am Leben in der Gesellschaft. Ihre persönliche Entwicklung ist ganzheitlich zu fördern und die Teilhabe am Leben in der Gesellschaft sowie eine möglichst selbständige und selbstbestimmte Lebensführung zu ermöglichen oder zu erleichtern (§ 4 Abs. 1 Nr. 4 SGB IX). Benachteiligungen sind zu vermeiden, ihnen ist entgegenzuwirken (§ 1 SGB IX).
Dabei umfasst die auf Krankenkassenkosten im Interesse der rechtlich gebotenen Angleichung an das Hörvermögen Gesunder zu gewährleistende Funktionalität des Hilfsmittels auch dessen effektive und anstrengungsarme Einsetzbarkeit im Alltag. Insbesondere muss auch der Hörbeeinträchtigte an Gesprächen (im Rahmen des Möglichen) ohne besondere Anstrengungen wie ein Gesunder effektiv teilnehmen können, ohne daran etwa durch wiederholt erforderlich werdende aufwendige Einstellvorgänge spürbar gehindert werden. Die Funktionalität der Hörgeräte in ihrer tatsächlichen Anwendung ist beeinträchtigt, wenn der Betroffene aufgrund ihrer unzureichenden Gebrauchstüchtigkeit sich nicht wie ein Gesunder mit voller Aufmerksamkeit dem Inhalt des maßgeblichen Gesprächs widmen, sondern deutliche Teile seiner Aufmerksam der Bedienung der Hörhilfen zuwenden muss.
Die Verhältnismäßigkeit eines finanziellen Mehraufwandes in Relation zum verbesserten Gebrauchsnutzen kann bei Hörgeräten entsprechend der angestrebten langfristigen Versorgung nur auf der Basis eines hinreichend langen Beurteilungszeitraums sachgerecht beurteilt werden. Hörgeräte sind typischerweise langjährig einsetzbar. Bezeichnenderweise sehen die Krankenkassen auch eine Zahlung weiterer Service- und Reparaturpauschalen für den Einsatz im 7. bis 9. Versorgungsjahr vor (vgl. etwa https://www.tk.de/techniker/leistungen-und-mitgliedschaft/informationen-versicherte/leistungen/weitere-leistungen/hilfsmittel/hoergeraete-erwachsene-kinder/wann-kann-ich-ein-neues-hoergeraet-bekommen--2143254). Auch von Seiten von Hörgeräteakustikern wird auf die Möglichkeit einer langjährigen Nutzung hingewiesen (vgl. etwa unter https://www.mysecondear.de/blogs/wissen/krankenkasse : Bislang war eine Nutzungsdauer von sechs Jahren bei Hörgeräten vorgesehen. Durch den technischen Fortschritt halten Hörgeräte aber auch deutlich länger, sodass nach Ablauf dieser sechs Jahre vielleicht nur eine Instandsetzung erforderlich wird und keine Versorgung mit neuen Modellen zu Lasten der gesetzlichen Krankenkassen).
Solange im Rahmen der prognostisch allein möglichen Durchschnittsbetrachtung etwa eine siebenjährige Nutzungsdauer zugrunde gelegt wird, verteilen sich beispielsweise die im vorliegenden Fall geltend gemachten Mehrkosten von 1.752 € auf ca. 2.550 Nutzungstage. Dementsprechend ist die Frag zu klären, ob die Mehrkosten von ca. 69 Cent je Nutzungstag in Relation zu den täglich erlebten Gebrauchsvorteilen eventuell als unverhältnismäßig zu beurteilen sein könnte. Solange die aufpreispflichtige Hörgeräteversorgung – wie auch im vorliegenden Zusammenhang – mit gewichtigen regelmäßig erfahrbaren Nutzungsvorteilen verbunden ist, wird für eine entsprechende Annahme einer Unverhältnismäßigkeit regelmäßig kein Raum sein. Auch im vorliegenden Fall sind angesichts der damit verbundenen erheblichen Vorteile beim Hören keine Bedenken hinsichtlich der Angemessenheit und Verhältnismäßigkeit der Mehraufwendungen für die erfolgte aufpreispflichtige Hörgeräteversorgung erkennbar.
Dementsprechend ist nur ergänzend darauf hinzuweisen, dass Menschen mit Behinderungen oder von Behinderung bedrohte Menschen Leistungen nach den für die Rehabilitationsträger geltenden Leistungsgesetzen mit der Zielrichtung erhalten sollen, ihre Selbstbestimmung und ihre volle, wirksame und gleichberechtigte Teilhabe am Leben in der Gesellschaft zu fördern, Benachteiligungen zu vermeiden oder ihnen entgegenzuwirken. Ein Aspekt dieser umfassend ausgestalteten gesetzlichen Zielvorgabe ist das Gebot, die Teilhabe der Betroffenen am Arbeitsleben entsprechend den Neigungen und Fähigkeiten dauerhaft zu sichern (§ 4 Abs. 1 Nr. 3 SGB IX). Bei entsprechenden Verhältnismäßigkeitserwägungen ist im Rahmen der gebotenen Gesamtbeurteilung bei im Erwerbsleben stehenden Menschen auch die besondere Bedeutung eines guten Hörvermögens für die möglichst langfristig und dauerhaft auszurichtende Sicherung ihrer künftigen Teilhabe am Arbeitsleben angemessen zu berücksichtigen. Dabei kommt schon diesem Teilaspekt regelmäßig eine große, und zwar insbesondere auch wirtschaftliche, Bedeutung zu. Schon das (zunächst vorläufig zu ermittelnde) rentenrechtliche Durchschnittsentgelt im Sinne des § 69 Abs. 2 SGB VI beläuft sich inzwischen auf 38.901 € im Jahr, mithin bezogen auf einen Siebenjahreszeitraum auf rund 270.000 € (zuzüglich der bei wirtschaftlicher Betracht im Ergebnis ebenfalls vom Arbeitnehmer durch seine Arbeitsleistungen zu erarbeitenden Arbeitgeberbeiträge zur Sozialversicherung).
6. Nach Maßgabe der vorstehend erläuterten gesetzlichen Vorgaben war die Versorgung der Klägerin mit Hörgeräten Oticon OPN-3 erforderlich im Sinne von § 13 Abs. 3 Satz 1 SGB V. Für die Klägerin war insbesondere auch angesichts des die gesetzlichen Vorgaben nachhaltig missachtenden Beratungsversagens der Beigeladenen kein kostengünstigerer Weg erkennbar, mit dem sie ihren Anspruch auf eine bestmögliche Angleichung an das Hörvermögen Gesunder realisieren konnte.
a) Die Beigeladene hat ihre der Klägerin gesetzlich nach Maßgabe des § 14 SGB geschuldeten Beratungspflichten bereits bedingt durch strukturelle Defizite gröblich verletzt.
(1) Die Beratungspflicht dient der möglichst weitgehenden Verwirklichung der individuellen Sozialleistungsansprüche; die Versicherten sollen die ihnen gesetzlich eingeräumten Ansprüche „bestmöglich“ nutzen können (BSG, U.v. 17. Juni 2021, aaO, Rn. 17).
Ein individuelles Beratungsersuchen muss nur sinngemäß zum Ausdruck gebracht werden. Entsprechend allgemeinen Grundsätzen obliegt es den Sozialleistungsträgern und damit auch den Krankenkassen bei Eingaben der Versicherten, unter Heranziehung von § 133 BGB den darin zum Ausdruck gebrachten Willen zu erforschen. Zugrunde zu legen sind insoweit der Wortlaut des Begehrens, aber auch die sonstigen erkennbaren Umstände des Falles. Im Zweifel ist davon auszugehen, dass nach Maßgabe des Meistbegünstigungsprinzips alles begehrt wird, was dem Betroffenen aufgrund des Sachverhalts rechtlich zusteht (BSG, Beschluss vom 22. September 2020 – B 5 RS 6/20 B –, Rn. 10, juris). Dementsprechend bringt ein Leistungsbegehren regelmäßig auch den Willen der Versicherten zum Ausdruck, über die Voraussetzungen und Möglichkeiten zur Realisierung der angestrebten Leistung fachgerecht beraten zu werden, soweit diesbezüglich nach dem Gesamtzusammenhang nicht bereits mit einer hinreichenden Vertrautheit des Versicherten ausgegangen werden kann. Dies gilt in besonderem Maße, wenn schon die sachgerechte Auswahl der Leistung wie namentlich bei Hörgeräten mit besonderen Anforderungen verbunden ist.
Auch unabhängig von einem Beratungsbegehren des Bürgers sind die Sozialleistungsträger darüber hinaus verpflichtet, bei Vorliegen eines konkreten Anlasses im Rahmen einer sog. „Spontanberatung“ auf klar zu Tage tretende Gestaltungsmöglichkeiten hinzuweisen (BSG, U.v. 10. Dezember 2003 – B 9 VJ 2/02 R –, BSGE 92, 34, Rn. 31). Die Beratung darf sich nicht auf verlässlich zu erwartende Verlaufsentwicklungen beschränken, vielmehr hat sie sich insbesondere auch auf „nicht fernliegende“ Komplikationen erstrecken, auf die die Betroffenen vorbereitet sein sollten (BSG, U.v. 17. Juni 2021 – B 3 P 5/19 R –, BSGE 132, 216, Rn. 15).
Versicherte, denen aufgrund entsprechender Beeinträchtigungen vom behandelnden HNO-Arzt Hörgeräte verordnet worden sind, sind im Regelfall mit dem Umfang ihrer daraus gegenüber den Krankenkassen resultierenden Versorgungsansprüche und den Möglichkeiten ihrer effektiven Durchsetzung nicht oder allenfalls nur sehr unzulänglich vertraut.
Mithin haben die Krankenkassen auch unter dem Gesichtspunkt der ihnen obliegenden Spontanberatung dafür Sorge zu tragen, dass die Versicherten zeitnah nach einer entsprechenden Verordnung von Hörgeräten mit der Zielrichtung beraten werden, dass ihre Versorgungsansprüche im Sinne der gesetzlichen Vorgaben des § 17 Abs. 1 Nr. 1 SGB I „umfassend und zügig“ effektiv erfüllt werden. Insbesondere müssen die Krankenkassen die Versicherten dahingehend klar und unmissverständlich beraten, dass sie (im erläuterten Rahmen) Anspruch auf eine bestmögliche Angleichung an das Hörvermögen Gesunder auf Kosten der Krankenkasse auch dann haben, wenn sich dieses Ziel nur mit den Festbetrag übersteigenden finanziellen Mehraufwendungen erreichen lässt. Auch das BSG hebt in diesem Zusammenhang die den Krankenkassen erwachsenen gesteigerten Obhuts- und Informationspflichten hervor (U.v. 17. Dezember 2009 – B 3 KR 20/08 R –, BSGE 105, 170, Rn. 36).
Im Bereich der Hörgeräteversorgung ist allerdings in der Verwaltungspraxis der gesetzlichen Krankenkasse der gesamte Vorgang der Leistungserbringung von der Vorlage der ärztlichen Verordnung über die Anpassung und Auswahl der Hörgeräte bis zur Abrechnung mit dem Versicherten und seiner Kasse in der Form externalisiert, dass grundsätzlich jeder Kontakt des Versicherten mit seiner Kasse und damit der Aufwand eines Verwaltungsverfahrens vermieden wird. Dass eine Befassung der Kasse erst nach durchgeführter Versorgung erfolgt, ist notwendige tatsächliche Konsequenz einer derartigen – nach Einschätzung des BSG evident an Gesichtspunkten einer betriebsorganisatorischen Optimierung und Zielen des "lean management" orientierten – Handhabung nach dem Vorbild Privater. Dieser Ansatz vermag allerdings schon im Ausgangspunkt die gesetzlichen Krankenkassen nicht von ihren Bindungen an die gesetzlichen Vorgaben zu lösen. Als Träger öffentlicher Verwaltung (§ 29 Abs. 1 SGB IV) sind diese in keiner Weise ermächtigt, sich ihrer verfassungsmäßigen Rechts- und Gesetzesbindung (Art. 20 Abs. 3 GG) zu entledigen. Vielmehr müssen sie sich (jedenfalls bei einer entsprechenden Willensbetätigung durch den Versicherten) grundsätzlich bereits mit der Vorlage einer vertragsärztlichen Verordnung bei ihrem Vertragspartner so behandeln lassen, als wäre unmittelbar bei ihnen ein Leistungsantrag gestellt worden. Sie sähen sich andernfalls zur Abbedingung zwingenden öffentlichen Rechts im eigenen Interesse ermächtigt (vgl. zum Vorstehenden: BSG, U.v. 30. Oktober 2014 – B 5 R 8/14 R –, BSGE 117, 192, Rn. 39), was der rechtsstaatlichen Grundordnung (Art. 20 Abs. 3 GG) völlig fremd ist.
Dementsprechend haben die Krankenkassen auch bereits ab dem Zeitpunkt der Vorlage einer entsprechenden vertragsärztlichen Hörgeräteverordnung bei dem von ihnen im Rahmen der Versorgungsverträge (vgl. namentlich den von der Beigeladenen mit Schriftsatz vom 10. Februar 2022 vorgelegten Vertrag über die bundesweite Versorgung von Versicherten der Betriebskrankenkassen mit Hörsystemen) herangezogenen Hörgeräteakustiker für eine effektive Beratung der Versicherten Sorge zu tragen. Insbesondere müssen auch alle Vereinbarungen mit den im Zuge der Externalisierung eingesetzten Dienstleistern (bzw. mit deren Verbänden) auf eine nachdrückliche und effektive Umsetzung der angesprochenen gesetzlichen Zielvorgaben ausgerichtet sein.
(2) Dabei reichen nach den Vorgaben der höchstrichterlichen Rechtsprechung lediglich verbale Hinweise nicht aus. Vielmehr muss den betroffenen Versicherten ein Gerät, welches tatsächlich im individuellen Einzelfall eine bestmögliche Angleichung an das Hörvermögen Gesunder gewährleistet, konkret zum Austesten angeboten und vorgestellt werden (BSG, B.v. 28. September 2017 – B 3 KR 7/17 B –, SozR 4-1720 § 186 Nr 1, Rn. 15). Soweit bereits damit der anzustrebende Erfolg einer bestmöglichen Angleichung an das Hörvermögen Gesunder erreicht werden kann, haben sich entsprechende Beratungen und Testangebote auf zum Festbetrag erhältliche Geräte zu beziehen. Sollte dieses Ziel nach den Versorgungserfordernissen des konkreten Einzelfalls und nach Maßgabe der Leistungen der zu Festbeträgen auf dem (jedenfalls im Ausgangspunkt wettbewerbsgeprägten) Hörgerätemarkt erhältlichen Geräte nicht zu Festbetragskonditionen zu realisieren sein, haben sich die Beratungen und Testangebote im Interesse des gesetzlich gebotenen Versorgungserfolges auch auf höherpreisige Geräte zu erstrecken. Dabei ist dem betroffenen Versicherten deutlich zu machen, dass die Krankenkasse daraus resultierende Mehrkosten zu tragen hat, soweit diese zur Erreichung des beschriebenen Ziels einer regelmäßig bestmöglichen Angleichung an das Hörvermögen Gesunder erforderlich sind.
(3) Die erläuterten rechtlichen Vorgaben sind im vorliegenden Fall augenscheinlich nicht erfüllt worden. Die Klägerin hat im Versorgungsverfahren anschaulich und überzeugend, und zwar insbesondere auch in der Anlage zu dem von den Krankenkassen geforderten (vgl. § 3 Abs. 5a des Vertrages über die bundesweite Versorgung von Versicherten der Betriebskrankenkassen mit Hörsystemen, Anlage 1 zum Schriftsatz der Beigeladenen vom 10. Februar 2022; im Folgenden: Versorgungsvertrag) Vordruck „Patientenerklärung zur Versorgung mit Mehrkosten“, dargelegt, dass sie mit den von ihr erworbenen Hörgeräten vom Typ OPN 3 sehr viel besser hören konnte. Diese durchgreifenden Hörvorteile zeigten sich sowohl im Vergleich mit den zuvor von ihr eingesetzten Hörgeräten als auch im Vergleich mit den mit den beiden weiteren ihr im Zuge der Neuversorgung zum Austesten angebotenen kostengünstigeren Hörgerätetypen.
In dem gesamten Neuversorgungsverfahren ist die Klägerin jedoch überhaupt nicht darüber aufgeklärt worden, dass ihr im Grundsatz auf Kosten der Krankenkasse eine Hörgeräteversorgung zustand, welche eine bestmögliche Angleichung an das Hörvermögen Gesunder gewährleistete. Der tatsächliche Versorgungsablauf war vielmehr geradezu strukturell darauf ausgerichtet, die Klägerin diesbezüglich im Unklaren zu lassen und die erläuterten gesetzlichen Vorgaben an eine sachgerechte Versorgung und Beratung nach Maßgabe der erläuterten Vorschriften der §§ 14, 17 SGB I zu hintertreiben.
(4) Nach Einschätzung des Bundessozialgerichts mutet es bereits im rechtlichen Ausgangspunkt „abenteuerlich“ an, dass die Rehabilitationsträger die Versorgung mit bestimmten Hilfsmitteln - hier: Hörgeräte - praktisch nicht mehr selbst vornehmen, sondern in die Hände der Leistungserbringer 'outgesourced' haben (BSG, U.v. 30. Oktober 2014 – B 5 R 8/14 R –, BSGE 117, 192, Rn. 35). Im vorliegenden Zusammenhang hat der Senat nicht abschließend die Zulässigkeit entsprechender Outsourcingstrukturen zu hinterfragen und die damit verbundenen Rechtsfolgen im Einzelnen zu prüfen. Beispielsweise ist nicht abschließend zu klären, ob die mit dem Outsourcing verbundene Tätigkeit der Hörgeräteakustiker für die Krankenkassen als Behörden im Rahmen der Ausführung von Aufgaben der öffentlichen Verwaltung zur Folge hat, dass die eingesetzten Akustiker entsprechend den Vorgaben des § 1 Verpflichtungsgesetz auf die gewissenhafte Erfüllung ihrer Obliegenheiten zu verpflichten sind.
Die Entscheidung im vorliegenden Rechtsstreit hängt auch nicht von der Frage ab, ob ein Einsatz des betroffenen Hörgeräteakustikers mit den in das Verwaltungsverfahren eingebetteten Beratungsaufgaben in dem (mit der Überreichung der Hörgeräteverordnung gegenüber der Krankenkasse, wie dargelegt, eingeleiteten) Verfahren auf Bewilligung einer Hörgeräteversorgung bereits nach den bindenden Vorgaben des § 16 Abs. 1 Satz 2 SGB X ausgeschlossen ist. Diese Frage stellt sich nachdrücklich im Hinblick darauf, dass der/die betroffene Hörgeräteakustiker/in in dem konkreten Versorgungsverfahren einen unmittelbaren Vorteil für das vertretene Hörgeräteakustikunternehmen in Form der Zuerkennung und Auszahlung der Festbeträge durch die Krankenkasse anstrebt.
Festzuhalten ist jedenfalls, dass mit entsprechenden nicht zuletzt auch unter betriebswirtschaftlichen Gesichtspunkten ausgerichteten Organisationsentscheidungen kein Freibrief für die Krankenkassen einhergehen kann, sich über bindende gesetzliche Vorgaben hinwegzusetzen. Insbesondere entbindet eine Outsourcingentscheidung schon im Ausgangspunkt die Krankenkassen nicht von der Verpflichtung, eine effektive und zielführende Beratung der betroffenen Versicherten nach Maßgabe der gesetzlichen Zielvorgaben der §§ 14, 17 SGB I zu gewährleisten.
(5) Gesetzliche geboten ist eine Ausgestaltung der Beratung mit der Zielrichtung, dass die Versicherten die ihnen gesetzlich eingeräumten Ansprüche „umfassend“ und „möglichst weitgehend“ (§§ 2 Abs. 2, 17 Abs. 1 Nr. 1 SGB I) nutzen können. Dies bedingt eine sachgerechte an den Zielvorgaben ausgerichtete Organisation des Beratungs- und Versorgungsverfahrens. Es ist eine möglichst gute Beratungs- und Versorgungsqualität anzustreben. Insbesondere ist (in dem beschriebenen Rahmen) namentlich bestmöglich das Ziel einer weitestmöglichen Angleichung des Hörvermögens der betroffenen beeinträchtigten Versicherten an das Hörvermögen Gesunder zu realisieren.
Bei der Umsetzung dieser gesetzlichen Vorgaben dürfen die Krankenkassen schon im Ausgangspunkt nicht den grundlegenden Gegensatz zwischen den eigenen Interessen des Hörgeräteakustikers und den Interessen der Versicherten ignorieren. Während die Versicherten regelmäßig das Ziel bestmöglicher Hörerfolge bei Vermeidung persönlich zu tragender Zusatzkosten verfolgen, ist das Hörgeräteakustikunternehmer auf der Basis einer wirtschaftlichen Betrachtung an der Maximierung des eigenen Gewinns interessiert. Diese Gewinnerwartung des Hörgeräteakustikers wird insbesondere dadurch nachhaltig beeinflusst, ob der Versicherte sich für aufpreispflichtige Geräte dazu entscheidet, bei denen er aus eigenen Mitteln die den sog. Festbetrag überschreitende Kosten zu tragen hat. Damit sind für den Akustiker zusätzlich Gewinnerwartungen in erheblicher, nicht selten sogar vierstelliger Höhe schon im Einzelfall verbunden. Die Vielzahl der im Laufe beispielsweise eines Jahres durch einen Hörgeräteakustiker jeweils zu versorgenden Versicherten weist diesen Interesse noch eine viel größere wirtschaftliche Relevanz zu.
Die Chancen auf entsprechende Zusatzgewinne steigen für den Hörgeräteakustiker nachdrücklich, wenn bei den Versicherten der Eindruck entsteht, dass diese mit aufpreispflichtigen Hörgeräten bessere Hörergebnisse erreichen können. Demgegenüber werden sie geschmälert, wenn die Versicherten klar vor Augen steht, dass sie (im erläuterten Rahmen) schon auf Krankenkassenkosten eine bestmögliche Angleichung an das Hörvermögen Gesunder beanspruchen können.
Der erläuterte Interessenkonflikt begründet für die Krankenkasse auch die Verpflichtung, die Beratungen so auszugestalten, dass Konflikte zwischen den Interessen der Versicherten und den Interessen der im Versorgungsverfahren einzusetzenden Berater möglichst vermieden werden. Dies umfasst insbesondere auch das Gebot, aus diesem Konflikt Gefahren für die Beratungsqualität durch geeignete Schutzmaßnahmen mit objektivierbarer Effektivität weitestmöglich zu reduzieren.
Dies ist schon im Interesse sowohl der betroffenen Versicherten als auch der Allgemeinheit an der Erreichung der gesetzlichen Zielvorgaben (§ 1 SGB IX) einer möglichst vollumfänglichen, wirksamen und gleichberechtigten Teilhabe der Menschen mit Behinderungen am Leben in der Gesellschaft unerlässlich.
Die Realisierung dieses Ziels liegt zugleich im wohlverstandenen eigenen Interesse der Krankenkassen. Auch ihre eigenen finanziellen Interessen werden dadurch gefördert. Eine gute Versorgungsqualität erhöht bei im Erwerbsleben stehenden Menschen mit Hörbeeinträchtigungen die Chancen auf deren langfristige weitere Teilnahme am Arbeitsleben mit den damit eingehergehenden Beitragseinnahmen für die Sozialleistungsträger vielfach nachhaltig. Zugleich werden damit die Risiken namentlich psychischen Folgeerkrankungen (mit daran vielfach anknüpfenden finanziellen Mehraufwendungen für die Krankenkassen und die ihnen zugeordneten Pflegekassen) reduziert, welche bei nur unzureichend ausgeglichenen Hördefiziten drohen.
(6) Eine effektiv wirksame Zurückdrängung der Risiken für die Versorgungs- und Beratungsqualität aufgrund des beschriebenen Konfliktes zwischen den eigenen wirtschaftlichen Interessen des Hörgeräteakustikers und den Interessen der Versicherten ist umso mehr gefordert, als dieser Interessenkonflikt in der Sache zugleich auch Korruptionsrisiken im Sinne eines drohenden Missbrauchs staatlicherseits anvertrauter Machtstellungen und Einflussmöglichkeiten zum privaten Vorteil zum Ausdruckt bringt.
Entsprechend dem allgemeinen öffentlichen und rechtsstaatlichen Interesse an einer umfassenden und wirksamen Bekämpfung von Korruptionsgefahren sind auch im vorliegenden Zusammenhang Korruptionsgefahren umfassend und nachhaltig zu reduzieren.
Dabei sind namentlich auch die inhaltlichen Vorgaben hinsichtlich des zumindest erforderlichen Schutzniveaus in den der der Korruptionsbekämpfung dienenden Allgemeine Verwaltungsvorschrift zum Einsatz von außerhalb des öffentlichen Dienstes Beschäftigten (externen Personen) in der Bundesverwaltung vom 17. Juli 2008 (vgl. etwa auch den Jahresbericht 2021 des Bundesminsteriums des Innern und für Heimat zur Integrität in der Bundesverwaltung) zu berücksichtigen. Diese binden zwar Stellen außerhalb der Bundesverwaltung nicht unmittelbar, sie bringen aber inhaltlich zugleich ein gesichertes Erfahrungswissen hinsichtlich des Umfanges der zumindest gebotenen Schutzvorkehrungen zum Ausdruck. Einem solchen Erfahrungswissen dürfen sich auch außerhalb der Bundesverwaltung stehende Behörden jedenfalls nicht ohne dringende und hinreichend verlässlich objektivierbare Gründe entziehen.
Nach diesen Richtlinien ist insbesondere ein Einsatz externer Personen im Rahmen der Verwaltung grundsätzlich untersagt, soweit diese Funktionen wahrnehmen sollen, deren Ausübung die konkreten Geschäftsinteressen der entsendenden Stelle unmittelbar berührt (vgl. Ziffer 2.5); zudem bedarf es schon im Hinblick auf nur mögliche Interessenkollisionen stets einer konkreten Risikoabschätzung (Ziffer 3.1;).
Vergleichbare Interessenkollisionen und damit zugleich auch strukturell ähnliche Korruptionsrisiken drohen, wenn Verwaltungsaufgaben von Seiten der Behörden an private Unternehmen externalisiert werden, obwohl diese höchst eigene wirtschaftliche Interessen an einer bestimmten Ausgestaltung der Erledigung der übertragenen Aufgaben haben. Die fachliche Qualifikation und demokratische Zuverlässigkeit des öffentlichen Dienstes sind ein überragend wichtiges Gemeinschaftsgut (BVerfG, B.v. 21. Februar 1995 – 1 BvR 1397/93 –, BVerfGE 92, 140-157, Rn. 49). Das herausragende öffentliche Interesse an einer effektiven Durchsetzung dieser verfassungsrechtlichen Vorgaben beschränkt sich nicht auf Bedienstete im unmittelbaren Staatsdienst, sondern erstreckt sich auch auf den Einsatz von Dienstleistern, welche von Behörden an Stelle eigener Bediensteter mit der Erledigung öffentlicher Aufgaben betraut werden.
Eine sachgerechte Ausgestaltung des Organisationsermessens, soweit dieses überhaupt entsprechende Outsourcingentscheidungen gestatten sollte, verlangt schon im ersten Schritt als Minimum jedenfalls eine sachgerechte Implantierung von wirksamen Schutzmaßnahmen, welche die Gefahr einer sachwidrigen Beeinflussung der Erledigung der übertragenen öffentlichen Aufgaben durch eigene wirtschaftliche Interessen des Beauftragten möglichst nachhaltig reduziert. Es bedarf geeigneter strukturelle Maßnahmen, um auch nur dem "böse Schein" mangelnder Objektivität des im Zuge der Externalisierung eingesetzten Unternehmens wirksam entgegenzutreten (vgl. zu einem entsprechenden Ansatz BGH, U.v. 12. Oktober 2021 – EnZR 43/20 –, DVBl 2022, 415, Rn. 35).
(7) Auf Seiten der Krankenkassen und damit auch auf Seiten der Beigeladenen ist jedoch bezogen auf den angesprochenen Zusammenhang überhaupt kein ernsthaftes Bemühen zur Ergreifung von geeigneten wirksamen Schutzmaßnahmen und damit zur verlässlichen Umsetzung der gesetzlichen Vorgaben zu erkennen. Sie tragen nicht einmal dafür Sorge, dass die Versicherten im Zuge der Verordnung von Hörgeräten alsbald und verlässlich wie namentlich auch mit geeigneten Informationsschriften über ihre Rechte im Hörgeräteversorgungsprozess informiert werden. Die Krankenkassen bemühen sich erst gar nicht, die Versicherten über den grundsätzlichen Anspruch auf eine zuzahlungsfreie Versorgung im Sinne der bestmöglichen Angleichung an das Hörvermögen Gesunder in Kenntnis zu setzen.
Ebenso wenig werden die Versicherten über (effektiv nutzbare) Möglichkeiten zur tatsächlichen Durchsetzung ihrer entsprechenden Ansprüche informiert. Schon als Minimum müssten die Krankenkassen unmissverständlich aufzeigen (und dafür natürlich auch die entsprechenden Beratungs- und Unterstützungskapazitäten bereithalten), dass und wie sich die Versicherten an ihre Krankenkasse wenden können, falls sich im Versorgungsalltag Schwierigkeiten bei der effektiven Durchsetzung des (Sachleistungs-)Anspruchs auf eine zuzahlungsfreie Hörgeräteversorgung mit bestmöglicher Angleichung an das Hörvermögen Gesunder ergeben sollten.
(8) Die strukturellen Defizite werden auch dadurch verdeutlich, dass die Krankenkassen die Hörgeräteakustiker in § 5a des genannten Versorgungsvertrages dazu verpflichten, von Seiten der betroffenen Versicherten die dem Vertrag beigefügte Mehrkostenerklärung unterzeichnen zu lassen. Mit diesem von Seiten der Krankenkasse geforderten in wesentlichen Teilen vordruckten Formular wird der Versicherten insbesondere eine Erklärung abverlangt, wonach diese mit anderen ihr zuzahlungsfrei angebotenen Geräten „gut zurechtgekommen“ sei und wonach die Entscheidung für die aufpreispflichtigen Hörgerät aus Gründen erfolgt sei, welche „nicht mit dem reinen Hörverstehen im Alltag zu tun haben“ (vgl. Bl. 4 der VV der Beklagten).
Die gesetzlich geschuldete Pflicht zur Aufklärung des Sachverhalts von Amts wegen entsprechend § 20 SGB X hätte hingegen eine ergebnisoffene Befragung der Versicherten verlangt. Darauf muss ein im Zuge einer entsprechenden Befragung eingesetzter Vordruck im Interesse sowohl der Verlässlichkeit der Aufklärungsbemühungen als auch der anzustrebenden bestmöglichen Erfüllung der gesetzlichen Versorgungsvorgaben (und zudem auch nach Maßgabe des Rechtsgedankens des § 309 Ziff. 12b BGB) ausgerichtet sein.
Bezeichnenderweise hat die Klägerin allerdings im vorliegenden im Ergebnis die erläuterten vorgedruckten Erklärungen in der Mehrkostenerklärung durch die beigefügten Zusätze und Anlagen ausdrücklich negiert. Auch die darin im Ergebnis deutlich zum Ausdruck kommende Missachtung der gesetzlichen Versorgungsvorgaben hat die Beigeladene aber sehenden Auges hingenommen.
b) Im vorliegenden Fall wurden die aufgezeigten schon strukturell verfestigten allgemeinen Defizite bei der gesetzlich geschuldeten Beratung der auf eine Hörgeräteversorgung angewiesenen Versicherten noch durch die Missachtung eines persönlichen Beratungsersuchens der Klägerin verstärkt. Obwohl sich die Klägerin eigens mit einem individuellen Beratungsersuchen an ihre beigeladene Krankenkasse gewandt hat, hat diese gleichwohl von einer sachgerechten Beratung im Ergebnis gänzlich abgesehen. Die Krankenkasse hat die Klägerin überdies an Stelle der geschuldeten sachgerechten Beratung über die Reichweite ihrer Leistungsansprüche getäuscht und belogen. Auch unabhängig von den vorstehend erläuterten strukturellen Beratungsdefiziten ergibt sich daraus eine gröbliche Verletzung der der Klägerin gesetzlich nach Maßgabe des § 14 SGB geschuldeten Beratungspflichten.
Es war in jeder Hinsicht sachgerecht, dass sich die Klägerin ihrerseits zeitnah (und damit deutlich vor der nachfolgenden Selbstbeschaffung der Hörgeräte) am 11. August 2017 per Email an die Beigeladene gewandt hatte, nachdem sie seinerzeit im Anpassungsprozess bei dem Hörgeräteakustiker den Eindruck gewonnen hatte, dass nur mit aufpreispflichtigen Hörgeräten eine ausreichende Versorgungsqualität zu erzielen war. Diese E-Mail brachte bei verständiger Würdigung klar und deutlich ihr verständiges Anliegen zum Ausdruck, ohne oder allenfalls mit einer möglichst geringen Eigenbeteiligung eine qualitativ hochwertige ihre entsprechenden schweren Beeinträchtigungen gut ausgleichende Hörgeräteversorgung zu erhalten. Damit hat die Klägerin aus der Sicht eines verständigen Empfängers zugleich ein Beratungs- und Auskunftsersuchen im Sinne der § 14, 15 SGB I zum Ausdruck gebracht.
Dabei entsprach es den von den Krankenkassen und damit auch von der Beigeladenen den Versicherten zur Verfügung gestellten Versorgungsstrukturen, dass sich die Klägerin zuvor an einen Hörgeräteakustiker gewandt hat, um entsprechend der vertragsärztlichen Verordnung die erforderliche Neuversorgung mit Hörgeräten zu erlangen. Anderweitige Beratungsstellen werden den Versicherten von den Krankenkassen bislang gar nicht konkret angeboten. Selbst nachdem sich die Klägerin hilfesuchend direkt an die Beigeladene gewandt hatte, erfolgte nicht einmal ansatzweise eine sachgerechte Beratung.
Bei der Bearbeitung dieses Ersuchens hatte die Beigeladene von Rechts wegen, wie bereits erläutert, die Vorgaben des § 17 SGB I umzusetzen. Insbesondere hatte sie darauf hinzuwirken, dass die Klägerin die ihr zustehenden Sozialleistungen in zeitgemäßer Weise, umfassend und zügig erhielt. Bezogen auf den vorliegenden Zusammenhang ergab sich damit nach Maßgabe der vorstehend erläuterten höchstrichterlichen Rechtsprechung für die Beigeladene die Verpflichtung, auf die o.g. Email der Klägerin so zu reagieren, dass damit alle erforderlichen Maßnahmen in die Wege geleitet wurden, um entsprechend den gesetzlichen Vorgaben eine Versorgung mit der Zielrichtung einer „bestmöglichen“ Angleichung des Hörvermögens der Klägerin an das Hörvermögen Gesunder „umfassend und zügig“ zu bewirken.
Dieser Verpflichtung hat sich jedoch die Beigeladene sehenden Auges entzogen. Sie hat der Klägerin in ihrer Antwortmail sachlich unzutreffend mitgeteilt, dass eine über die Festbeträge hinausgehende Kostenübernahme durch die Krankenkasse „nicht möglich“ sei. Sie könne „maximal“ diese Festbeträge übernehmen. Diese Auskunft war eindeutig falsch, nachdem schon viele Jahre zuvor in der bereits erläuterten höchstrichterlichen Rechtsprechung geklärt worden war, dass eine Verpflichtung zur Übernahme weitergehender Versorgungskosten besteht, soweit dies zur Erreichung der erläuterten gesetzlichen Zielvorgaben erforderlich ist.
Diese Vorgaben der höchstrichterlichen Rechtsprechung sind natürlich auch den Krankenkassen bekannt. Bezeichnenderweise sieht auch der von der Beigeladenen vorgelegte Vertrag über die bundesweite Versorgung von Versicherten der Betriebskrankenkassen mit Hörsystemen im Ausgangspunkt durchaus eine Umsetzung dieser Rechtsprechung vor. Nach § 3 Abs. 5 des Vertrages ist den Versicherten eine aufzahlungsfreie Hörgeräteversorgung anzubieten, welche einen „möglichst weitgehenden Ausgleich“ des Schwerhörigkeitsgrades sicherstellt und, soweit möglich, ein Sprachverstehen auch bei Umgebungsgeräuschen und in größeren Personengruppen gewährleistet.
Dieser Ansatz wird allerdings im weiteren Verlauf des Versorgungsvertrages – insoweit unter Missachtung der Vorgaben der höchstrichterlichen Rechtsprechung – dahingehend eingeschränkt (vgl. § 3 Abs. 5a), dass „Maßstab“ für einen solchen möglichst weitgehenden Ausgleich des Hörverlustes das „Ergebnis der vergleichenden Anpassung“ im Sinne des § 3 Abs. 5a bis 5b sein soll. Dies soll im Ergebnis nach Maßgabe der – sprachlich wenig klar gefassten – Vereinbarungen in § 3 Abs. 5b des Versorgungsvertrages darauf hinauslaufen, dass der Hörgeräteakustiker nur Geräte anbieten muss, welche „bei einer Toleranz von maximal 10 Prozentpunkten“ nach Maßgabe der Messergebnisse im Rahmen eines Freiburger Sprachtests eine sog. „Gleichwertigkeit der Hörsystemversorgung“ herbeiführen.
Der Freiburger Sprachtest bietet aber, wie ausgeführt, schon im Ausgangspunkt keine verlässliche Grundlage, um die Qualität einer Hörgeräteversorgung unter den vielfältigen Anforderungen des Höralltags verlässlich beurteilen zu können. Vertragliche Absprachen in dem Versorgungsvertrag den Krankenkassen und der Bundesinnung der Hörgeräteakustiker können überdies schon im rechtlichen Ausgangspunkt keine Verkürzung der gesetzlichen Versorgungsansprüche der Versicherten bewirken. Für den vorliegend zu beurteilenden Rechtsstreit ist damit lediglich festzuhalten, dass auch die erläuterten die Vorgaben der höchstrichterlichen Rechtsprechung nur unzureichend umsetzenden Regelungen im Versorgungsvertrag Ausdruck der strukturellen Defizite im Bereich der Krankenkasse sind, aufgrund derer im Ergebnis durchgreifende Defizite hinsichtlich der gesetzlich gebotenen sachgerechten Beratung und Versorgung von Hörbeeinträchtigten mit Hörgeräten zu konstatieren sind.
Auch auf Hinweis des Senates hat die Beigeladene nichts dafür nachvollziehbar aufzuzeigen vermocht, was eine andere Wertung zulassen könnte, als dass von ihrer Seite die Klägerin in der Antwortmail wissentlich darüber getäuscht worden ist, dass eine über die Festbeträge hinausgehende Kostenübernahme durch die Krankenkasse rechtlich durchaus möglich und sogar geboten war, soweit nur dadurch die anzustrebende bestmögliche Angleichung an das Hörvermögen Gesunder gewährleistet werden konnte.
c) Bezeichnenderweise hat die Beigeladene das Auskunftsersuchen der Klägerin auch im Übrigen nicht ernsthaft bearbeitet. Gerade angesichts der ausdrücklichen Hinweise der Klägerin in ihrer Anfrage, wonach sie die Hörgeräte benötige, um anstrengungsfrei hören und eine vorzeitige Ermüdung im Tagesablauf zu vermeiden, hätte die Beigeladene in ihrer Antwort zunächst in rechtlicher Hinsicht klarstellen müssen, dass es gerade ihr als der zuständigen Krankenkasse oblag, für eine Versorgung der Klägerin mit Hörgeräten Sorge zu tragen, welche (im Rahmen des Möglichen) ein gutes und zugleich anstrengungsarmes, vorzeitige Ermüdungen vermeidendes Hören gewährleisten. Es liegt auf der Hand, dass ein Hören, dass nur mit besonderen zur vorzeitigen Ermüdung führenden Anstrengungen noch ermöglicht wird, mit ganz erheblichen Gebrauchsnachteilen im Tagesablauf schon im Alltag der Versicherten verbunden ist und weit von dem anzustrebenden Zustand einer bestmöglichen Angleichung an das Hörvermögen hörgesunder Menschen entfernt ist.
Dabei hätte die Beigeladene es nicht nur bei verbalen Hinweisen auf ihre Zuständigkeit und ihre Leistungspflicht bewenden lassen dürfen. Die ihr gesetzlich in § 17 Abs. 1 SGB I auferlegte Hinwirkungspflicht umfasst vielmehr auch die Verpflichtung, aktiv alle erforderlichen Maßnahmen zu ergreifen, um der Klägerin den Zugang zu zumutbaren und effektiv nutzbaren Versorgungsmöglichkeiten sicherzustellen. Die Beigeladene hatte zu gewährleisten, dass die Klägerin ihren Anspruch auf eine den gesetzlichen Vorgaben entsprechende fachgerechte Versorgung mit bestmöglicher Angleichung an das Hörvermögen Gesunder „umfassend und zügig“ realisieren konnte.
Von diesen gesetzlich gebotenen Maßnahmen hat die Beigeladene Abstand genommen. Sie hat im Ergebnis bei der Klägerin sehenden Auges entgegen den erläuterten rechtlichen Vorgaben den Eindruck erweckt, es sei schicksalhaft und gehe im Ergebnis zu ihren Lasten, wenn sie mit den vom aufgesuchten Akustiker angebotenen Festbetragsgeräten kein ausreichendes Hörvermögen erziele.
Bezeichnenderweise hat die Beigeladene auch nach Hinweis des Senates auf die durchgreifenden Beratungsfehler noch in der mündlichen Verhandlung versucht, die darin zum Ausdruck kommende Missachtung der gesetzlichen Vorgaben zu verharmlosen. In diesem Rahmen hat sie – rechtskundig vertreten – sogar vorgetragen, dass die Annahme eines Beratungsfehlers im vorliegenden Fall aus ihrer Sicht als „sportlich“ zu werten sei.
d) Soweit die Beigeladene in ihrer Antwortmail ergänzend darauf hingewiesen hat, dass „man“ einen „Zuschuss über die Rentenversicherung“ beantragen könne, weil sich die Klägerin für die kostenaufwendige Versorgung vor dem Hintergrund entschieden habe, dass sie diese als „für die Arbeit erforderlich“ einschätze, hat sie im Ergebnis die ihr anzulastenden Defizite bei der Beratung, Aufklärung und Versorgung der Klägerin noch weiter vertieft.
Für Leistungen der medizinischen Rehabilitation und demgemäß nach § 42 Abs. 2 Nr. 6 SGB IX auch für die Versorgung mit Hilfsmitteln sind die Krankenkassen nicht allein zuständig, sondern ebenso Rehabilitationsträger wie namentlich die Träger der gesetzlichen Rentenversicherung (vgl. §§ 9 Abs. 1 S 1, 15 Abs 1 S 1 SGB VI iVm §§ 5 Nr. 1, 6 Abs. 1 Nr. 4 SGB IX). Dies rechtfertigt die Leistungsbegrenzung in der GKV auf solche Hilfsmittel, mit denen die Auswirkungen der Behinderung im gesamten täglichen Leben beseitigt oder gemildert werden können und die damit ein Grundbedürfnis des täglichen Lebens betreffen. Ausschließlich berufliche und arbeitsplatzspezifische Gebrauchsvorteile sind demgemäß für die Hilfsmittelversorgung nach dem SGB V grundsätzlich unbeachtlich. Ist ein Versicherter für die Anforderungen des allgemeinen Alltagslebens ausreichend versorgt, kommt es auf etwaige zusätzliche Nutzungsvorteile im Erwerbsleben ohnehin nicht an. Umgekehrt kann ein Hilfsmittelanspruch gegen die GKV nicht auf ausschließlich berufliche Nutzungsvorteile gestützt werden, wenn das Hilfsmittel ansonsten keine allgemeinen Grundbedürfnisse betrifft und seine Nutzung die Auswirkungen der Behinderung nicht im gesamten täglichen Leben beseitigt oder mildert (BSG, U.v. 24. Januar 2013 – B 3 KR 5/12 R –, BSGE 113, 40, Rn. 33).
Eigene und primäre Aufgabe der gesetzlichen Krankenversicherung ist hingegen die medizinische Rehabilitation (vgl. § 1 SGB V sowie § 6 Abs. 1 Nr. 1 iVm § 5 Nr. 1 SGB IX), also die möglichst weitgehende Wiederherstellung der Gesundheit und der Organfunktionen einschließlich der Sicherung des Behandlungserfolges, um ein selbstständiges Leben führen und die Anforderungen des Alltags meistern zu können. Nur eine darüber hinausgehende berufliche oder soziale Rehabilitation ist Aufgabe anderer Sozialleistungssysteme (BSG, U.v. 17. Dezember 2009 – B 3 KR 20/08 R –, BSGE 105, 170, Rn. 16).
Im vorliegenden Fall betrafen die Defizite beim Einsatz der ihn angebotenen zuzahlungsfreien Hörsysteme aber die allgemeinen Bedürfnisse der Klägerin. Sie vermochte mit diesen insbesondere bei Störschall nur sehr unzureichend zu hören. Ein entsprechendes Hören unter Störschalleinfluss prägt auch vielfältige Hörsituationen im privaten Leben; ihre Bewältigung zählt zu den Grundbedürfnissen des täglichen Lebens. Schon für die Bewältigung der Anforderungen des Alltags ist regelmäßig insbesondere auch ein Hörvermögen erforderlich, bei dem das Hören im Vergleich zu einem hörgesunden Menschen (im Rahmen des Möglichen) nicht mit erheblichen zusätzlichen zur vorzeitigen Ermüdung führenden Anstrengungen verbunden ist.
Allein der Umstand, dass (wie bei nahezu allen im Erwerbsleben stehenden Hörbeeinträchtigten) Hörgeräte – auch – für die berufliche Tätigkeit einer Versicherten erforderlich sind, begründet noch keine Zuständigkeit des Rentenversicherungsträgers. Ebenso wenig kommt es darauf an, ob dem betroffenen Versicherten Defizite einer Hörgeräteversorgung am Arbeitsplatz besonders auffallen, weil diese dort mit schwerer wiegenden Nachteilen wie namentlich in Form der fehlerhaften Erfassung und Erfüllung von Arbeitsaufträgen verbunden sind als wenn etwa bei einer privaten Zusammenkunft Gesprächsbeiträge nur unzureichend akustisch verstanden werden.
Die Zuständigkeit der Krankenkassen wird bereits dadurch begründet, dass die maßgebliche Hördefizite – wie auch im vorliegenden Fall – gleichermaßen auch das Hörvermögen im privaten Alltag nachdrücklich beeinträchtigen. Darüber hinausgehende besondere berufliche Anforderungen an das Hörvermögen (wie etwa sehr außergewöhnliche Störschalleinwirkungen am Arbeitsplatz, vgl. dazu etwa Landessozialgericht Niedersachsen-Bremen, U.v. 20. Februar 2023 – L 2 R 263/22 – juris) sind im vorliegenden Fall gar nicht erkennbar. Auch die beigeladene Krankenkasse hat dafür nichts nachvollziehbar aufzuzeigen vermocht.
e) Im vorliegenden Fall war schon von vornherein kein Raum für die Annahme einer dem Kostenerstattungsanspruch entgegenstehenden Vorfestlegung auf Seiten der Klägerin. Eine solche käme nur in Betracht, wenn eine Versicherte von vornherein jede sinnvolle, d.h. auf eine ausreichende Versorgung gerichtete Beratung durch Leistungserbringer ablehnt, weil sie bereits so fest auf ein bestimmtes Leistungsbegehren fixiert ist, dass eine offene Prüfung und Beratung insgesamt obsolet erscheint (BSG, B.v. 28. September 2017 – B 3 KR 7/17 B –, SozR 4-1720 § 186 Nr 1, Rn. 14). Die Klägerin hat aber gerade um eine Beratung bei der Beigeladenen nachgesucht. Selbstverständlich kann es nicht zulasten der Klägerin gehen, dass die Beigeladene ihrerseits die erbetene sachgerechte Beratung im Ergebnis verweigert und hintertrieben hat.
7. Die Klägerin durfte im Zeitpunkt der Selbstbeschaffung der Hörgeräte Oticon OPN-3 (welche frühestens mit der Unterzeichnung der sog. Patientenerklärung am 30. August 2017 angesichts der darin gegenüber dem Hörgeräteakustiker zum Ausdruck gebrachten Bereitschaft zur Tragung der Eigenbeteiligung erfolgt ist) der Auffassung sein, dass diese Versorgung im Sinne von § 13 Abs. 3 SGB V erforderlich war. Die Klägerin hatte sich, wie bereits ausgeführt, zuvor an die Beigeladene gewandt und um deren Unterstützung und Beratung gebeten. Die Beigeladene hatte aber – unter Missachtung ihrer gesetzlichen Beratungs- und Versorgungspflichten – gerade davon Abstand genommen, der Klägerin zumutbare und effektiv nutzbare Möglichkeiten aufzuzeigen, wie sie kostengünstiger an eine Hörgeräteversorgung gelangen könnte, welche im erläuterten Sinne eine bestmögliche Angleichung an das Hörvermögen Gesunder zu bewirken vermochte.
Von Seiten des aufgesuchten von den Krankenkassen und damit auch von Seiten der Beigeladenen beauftragten Hörgeräteakustikunternehmens Zöllner ist der Klägerin eine Erprobung der aufpreispflichtigen Hörgeräte Oticon OPN-3 empfohlen worden. Diese Erprobung hat aus der damaligen (und heutigen) Sicht der Klägerin eindrucksvoll bestätigt, dass sie mit diesen Hörgeräten viel besser als zuvor hören konnte. Aus ihrer Sicht konnte sie mit diesen Geräten gleichermaßen im privaten wie im beruflichen Alltag viel besser an der sprachlichen Kommunikation teilhaben; die Geräte waren für sie mit sehr gewichtigen Gebrauchsvorteilen verbunden. Sie erreichte mit diesen Geräten ein qualitativ nachhaltig besseres und zugleich deutlich anstrengungsärmeres Hören.
Entsprechend gewichtige Gebrauchsvorteile zeigten sich auch im Vergleich zu den ihr von dem Hörgeräteakustiker im Juli/August 2017 vorgestellten kostengünstigeren Versorgungsmöglichkeiten. In der gebotenen Gesamtwürdigung lässt sich ungeachtet einzelner Gedächtnisschwächen der Klägerin – wie sie ohnehin nach inzwischen rund sechs Jahren schon nach der Lebenserfahrung vielfach zu erwarten sind – hinreichend verlässlich feststellen, dass die Klägerin mit den anderen ihr zur Erprobung vorgestellten Hörgeräten sehr deutlich schlechter hören konnte als mit den dann erworbenen Geräten Oticon OPN-3. Insbesondere im Alltag bei schwierigen Hörsituationen vermittelten ihr die Geräte Phonak Tao und Oticon Get keine brauchbaren Höreindrücke. Dies ist seinerzeit von der Klägerin auch bereits in ihrer Email an die Beklagte und in der sog. „Patientenerklärung zur Versorgung mit Mehrkosten“ im Ergebnis klar zum Ausdruck gebracht worden sind.
Andere Geräte, die ein vergleichbar gutes Hörvermögen im Sinne der gebotenen weitestmöglichen Angleichung an das Hörvermögen Gesunder wie die dann erworbenen Geräte Oticon OPN-3 ermöglicht hätten, sind der Klägerin im Zuge des damaligen Anpassungsprozesses unter Missachtung der erläuterten rechtlichen Vorgaben erst gar nicht angeboten worden.
Nachdem sich die Beigeladene als zuständige Fachbehörde seinerzeit, wie dargelegt, sehenden Auges ihren entsprechenden Pflichten entzogen hat, kann sie sich im Nachhinein im vorliegenden Verfahren nicht darauf berufen, dass die sach- und rechtsunkundige Klägerin weitergehende Maßnahmen zur Abklärung eventuell in Betracht kommender kostengünstigerer Versorgungsmöglichkeiten hätte ergreifen können. Mit einem solchen Verhalten verstößt die Beigeladene (in Form eines sog. venire contra factum proprium) gegen das Gebot von Treu und Glauben im Sinne der auch im Sozialrecht zu berücksichtigenden Grundsätze des § 242 BGB (vgl. allgemein zum Gesichtspunkt des widersprüchlichen Verhaltens unter Berücksichtigung des § 242 BGB auch BSG, U.v. 19. Oktober 2000 - B 10 LW 21/99 R - SozR 3-5868 § 21 Nr 2). Dies gilt umso mehr, als auch das im Auftrag der Beigeladenen tätig gewordene Hörgeräteakustikunternehmen die Klägerin in dem Irrtum bestärkt hat, dass die gewünschte Angleichung an das Hörvermögen Gesunder sich nur erreichen ließ, wenn sie sich zur Aufbringung der Eigenbeteiligung verpflichtete.
Die Kostenentscheidung folgt aus § 193 SGG.
Gründe, die Revision zuzulassen (§ 160 Abs. 2 SGG), sind nicht gegeben.