L 20 AS 1199/19

Land
Berlin-Brandenburg
Sozialgericht
LSG Berlin-Brandenburg
Sachgebiet
Grundsicherung für Arbeitsuchende
Abteilung
20
1. Instanz
SG Cottbus (BRB)
Aktenzeichen
S 2 AS 2773/15
Datum
2. Instanz
LSG Berlin-Brandenburg
Aktenzeichen
L 20 AS 1199/19
Datum
3. Instanz
-
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Leitsätze

Die Entscheidung des Sozialgerichts über Verschuldungskosten gegen den (früheren) Verfahrensbevollmächtigten nach § 192 Abs. 1 S. 1 Nr. 1 SGG kann al Teil der Kostenentscheidung nur angefochten werden, wenn das Rechtsmittel in der Hauptsache (hier: Berufung) zulässig ist.

Die Berufung wird als unzulässig verworfen.

 

Kosten sind auch für das Berufungsverfahren nicht zu erstatten.

 

Die Revision wird nicht zugelassen.

 

 

 

Tatbestand

 

Die Kläger wenden sich gegen die Höhe der ihnen für den Zeitraum von November 2014 bis April 2015 gewährten Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhaltes im Zugunstenverfahren.

 

Die Klägerin zu 1. Ist die Mutter der 1997, 2000 und 1998 geborenen Kläger zu 2. bis 4. Deren Vater ist der 1945 geborene H-J U, der seit 1. Januar 2013 eine Altersrente bezog. Deren Zahlbetrag war seit dem 1. Juli 2014 735,72 EUR. Sie bewohnten im hier streitgegenständlichen Zeitraum von November 2014 bis April 2015 gemeinsam eine Mietwohnung. Deren Gesamtmiete betrug ab dem 1. August 2014 550,- EUR (Kaltmiete: 358,00 EUR, Betriebskosten Vorauszahlung 63,00 EUR; Vorauszahlung Heizung / Warmwasser 129,00 EUR, ab dem 1. November 2014 außerdem 10,00 EUR Kosten für das Kabelfernsehen). Außerdem zahlten sie einen Abschlag für Wasser und Abwasser i. H. v. monatlich 64,00 EUR, ab Januar 2015 i. H. v. 72,00 EUR. Für die Kfz-Haftpflichtversicherung ihres Autos bezahlten sie im Vierteljahr ab dem 1. April 2014 56,48 EUR. Der Kläger zu 2. erhielt aufgrund des Bescheids der Bundesagentur für Arbeit vom 18. Juli 2014 für den Zeitraum vom 15. August 2014 bis zum 14. Juli 2015 Ausbildungsgeld i. H. v. 216,00 EUR und Fahrtkosten (Pendelfahrkosten) i. H. v. 61,00 EUR monatlich.

 

Unter dem 21. Oktober 2014 beantragte die Klägerin zu 1. die Fortzahlung der ihnen gewährten Leistungen. Dabei gab sie an, dass die Kläger zu 2. bis 4. 579,75 EUR Kindergeld erhielten.

 

Mit Bescheid vom 23. Oktober 2014 bewilligte der Beklagte der Klägerin zu 1. Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhaltes i. H. v. 257,25 EUR sowie den Klägerinnen zu 3. und 4. jeweils Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhaltes i. H. v. 57,14 EUR. Außerdem bewilligte der Beklagte den Klägerinnen zu 1., 3. und 4 Leistungen der Unterkunft und Heizung i. H. v. 124,80 EUR und dem Kläger zu 2. i. H. v. 92,07 EUR für November und Dezember 2014. Für Januar 2015 bewilligte der Beklagte der Klägerin zu 1. Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhaltes i. H. v. 241,01 EUR sowie den Klägerinnen zu 3. und 4. jeweils Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhaltes i. H. v. 51,04 EUR. Außerdem bewilligte der Beklagte den Klägerinnen zu 1., 3. und 4 Leistungen der Unterkunft und Heizung i. H. v. 112,00 EUR und dem Kläger zu 2. i. H. v. 79,80 EUR. Für Februar bis April 2015 bewilligte der Beklagte der Klägerin zu 1. Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhaltes i. H. v. 246,37 EUR, den Klägerinnen zu 3. und 4. 53,51 EUR und dem Kläger zu 2. i. H. v. 7,69 EUR sowie den Klägern zu 1. bis 4. Leistungen der Unterkunft und Heizung i. H. v. jeweils 112,00 EUR. Zur Begründung der ab Januar 2015 niedrigeren Leistungen verwies der Beklagte darauf, dass noch nicht die Turnusabrechnung der Stadtwerke und die Rechnung der Kfz-Haftpflichtversicherung vorliege. Sobald diese eingereicht seien, würden die Leistungen neu berechnet. Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf den Verwaltungsvorgang des Beklagten verwiesen.

 

Mit Änderungsbescheid vom 22. November 2014 bewilligte der Beklagte den Klägern Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhaltes für den Zeitraum von Januar bis April 2015 unter Berücksichtigung der ab dem 1. Januar 2015 erhöhten Regelbedarfe. Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf den Verwaltungsvorgang des Beklagten verwiesen.

 

Später reichten die Kläger die Turnusrechnung der Stadtwerke F vom 9. Dezember 2014 für den Abrechnungszeitraum vom 7. November 2013 bis zum 24. November 2014 ein. Hieraus ergab sich eine Nachzahlung für Wasser i. H. v. 41,39 EUR und für Abwasser i. H. v. 70,41 EUR. Für Strom ergab sich ein Guthaben i. H. v. 23,46 EUR.

 

Mit Bescheid vom 12. Dezember 2014 bewilligte der Beklagte den Klägern einen Betrag i. H. v. 89,44 EUR für die Nachzahlung für Wasser und Abwasser.

 

Mit Bescheid vom 12. Dezember 2014 bewilligte der Beklagte der Klägerin zu 1. Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhaltes i. H. v. 267,43 EUR sowie den Klägerinnen zu 3. und 4. jeweils Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhaltes i. H. v. 62,00 EUR für Dezember 2014. Außerdem bewilligte der Beklagte den Klägerinnen zu 1., 3. und 4 Leistungen der Unterkunft und Heizung i. H. v. 124,80 EUR und dem Kläger zu 2. i. H. v. 94,53 EUR für Dezember 2014. Für Januar 2015 bewilligte der Beklagte der Klägerin zu 1. Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhaltes i. H. v. 269,65 EUR sowie den Klägerinnen zu 3. und 4. jeweils Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhaltes i. H. v. 65,06 EUR. Außerdem bewilligte der Beklagte den Klägerinnen zu 1., 3. und 4 Leistungen der Unterkunft und Heizung i. H. v. 126,40 EUR und dem Kläger zu 2. i. H. v. 103,94 EUR für Januar 2015. Für Februar bis April 2015 bewilligte der Beklagte der Klägerin zu 1. Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhaltes i. H. v. 273,74 EUR, den Klägerinnen zu 3. und 4. i. H. v. 67,04 EUR und dem Kläger zu 2. i. H. v. 20,98 EUR für Februar bis April 2015. Allen Klägern bewilligte der Beklagte für diesen Zeitraum Leistungen der Unterkunft und Heizung i. H. v. 126,40 EUR. Mit den Änderungen würden ab Januar 2015 die Abschläge i. H. v. 72,00 EUR monatlich für Wasser und Abwasser berücksichtigt. Wegen der weiteren Einzelheiten, insbesondere der Berechnung des Überschusses aus der Altersrente von H-J U wird auf den Verwaltungsvorgang des Beklagten verwiesen.

 

Mit einem weiteren Änderungsbescheid vom 20. Januar 2015 bewilligte der Beklagte für den Zeitraum von Februar bis April 2015 monatlich der Klägerin zu 1. Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhaltes i. H. v. 280,96 EUR, den Klägerinnen zu 3. und 4. jeweils i. H. v. 70,54 EUR und der Klägerin zu 2. i. H. v. 110,74 EUR sowie allen Klägern Leistungen der Unterkunft und Heizung i. H. v. jeweils 126,40 EUR. Zur Begründung wird darauf verwiesen, dass der Kläger zu 2. ab dem 1. Februar 2015 keine Berufsausbildungsbeihilfe erhalte, da die rehaspezifische Berufsvorbereitung beendet sei.

 

Bereits mit Schreiben vom 17. Dezember 2014 hatte der vormalige Prozessbevollmächtigte der Kläger die Überprüfung des Bescheids vom 23. Oktober 2014 „und der dazu bereits ergangenen Änderungsbescheide“ beantragt. Sollte es sich um einen vorläufigen Bewilligungsbescheid handeln, sollten auch die zwischenzeitig ergangenen endgültigen Bescheide in die Überprüfung einbezogen werden. Für den Fall, dass noch kein endgültige Leistungsfestsetzung vorliege, beantrage er den Erlass eines endgültigen Leistungsbescheides. Der Überprüfungsantrag werde auf eine fehlerhafte Rechtsanwendung gestützt.

 

Mit Bescheid vom 15. April 2015 lehnte der Beklagte den Antrag ab. Die Überprüfung der benannten Bescheide könne nicht zu einer Rücknahme der Bewilligung für den Leistungszeitraum von November 2014 bis April 2015 führen, da bei deren Erlass weder das Recht falsch angewandt noch von einem unrichtigen Sachverhalt ausgegangen worden sei.

 

Mit Schreiben vom 17. Mai 2015 erhob der vormalige Prozessbevollmächtigte der Kläger Widerspruch. Der Beklagte habe schon allein deshalb die Kosten der Unterkunft und Heizung falsch berechnet, „weil die Stromkosten für den Betrieb der Heizungsanlage nicht berücksichtigt worden“ seien.

 

Mit Widerspruchsbescheid vom 6. Juli 2015 , ausweislich des Eingangsstempels des vormaligen Prozessbevollmächtigten diesem am 8. Juli 2015 als Einschreiben zugegangen, wies der Beklagte den Widerspruch des Klägers als unbegründet zurück. Der Widerspruch sei bereits unzulässig. Es sei eine eigenhändige Unterschrift des Prozessbevollmächtigen in der per Computerfax / Telefax übermittelten Widerspruchsschrift vom 17. Mai 2015 nicht erkennbar. Der Namenszug sei zweifelsfrei nicht durch eigenhändige Unterschrift erfolgt, sondern elektronisch eingefügt. Da nicht bekannt sei, welches die tatsächliche Unterschrift des Rechtsanwalts T L sei, könne nicht festgestellt werden, wer den Widerspruch unterschrieben habe. Bei dem Beklagten seien allein fünf verschiedene Unterschriften bekannt.

 

Der Klägervertreter hat mit Klageschrift vom 10. August 2015 Klage „gegen den anliegenden Bescheid in der Gestalt des ebenfalls anliegenden Widerspruchsbescheide, “ erhoben. Ausweislich des Transfervermerks ist die Nachricht am Dienstag, den 11. August 2015, um 00:18:20 Uhr auf dem Server des Gerichts eingegangen. Die Klageschrift erhielt einen Eingangsstempel „Sozialgericht Cottbus EGVP – ohne Signatur – 11. Aug. 2015“. Mit Schreiben vom 28. August 2015 hat das Sozialgericht dem Prozessbevollmächtigten der Kläger bestätigt, dass die „Klage vom 10. August 2015 … hier am 10. August 2015 eingangen“ ist.

 

Der Klägervertreter hat im erstinstanzlichen Verfahren vorgetragen, dass er im Widerspruchsverfahren keine Vollmacht habe vorlegen müssen, da der Beklagte eine solche nicht angefordert habe. Ebenso seien die Ausführungen zur Begründungspflicht eines Überprüfungsantrages falsch. Der Widerspruch sei zulässig gewesen, die Beklagte ginge selber davon aus, dass das Schriftformerfordernis auch mit einem Fax gewahrt werde. Eine Pflicht zur Wahrung der Schriftform i. S. v. § 126 BGB bestehe nicht, eine solche könne die Beklagte aus nicht aus angeblichen Zweifeln an der Echtheit der Unterschrift herleiten. In der Sache sei der Rentenüberhang des Hans-Joachim Ulrich fehlerhaft berücksichtigt, da der Beklagte den gleichen Bedarf wie im Jahr 2014 zugrunde gelegt habe, obgleich der Regelbedarf zum 1. Januar 2015 gestiegen sei. Zudem habe der Beklagte den Bedarf der Unterkunft und Heizung falsch ermittelt. Er berücksichtige monatliche Kosten i. H. v. 448,00 EUR im Jahr 2014 und i. H. v. 505,60 EUR im Jahr 2015, tatsächlich beliefen sich aber die Kosten auf 491,20 EUR im Jahr 2014 und 497,60 EUR im Jahr 2015 (4/5 von 614,00 bzw. 622,00 EUR). Außerdem habe der Beklagte das Einkommen des Klägers zu 2. fehlerhaft berechnet. Dieser habe im Januar 2015 sein 18. Lebensjahr vollendet. Von seinem Einkommen aus Ausbildungsgeld sei daher die Versicherungspauschale abzuziehen.

 

Die Kläger haben keinen bestimmten Antrag gestellt.

 

Das Sozialgericht hat den vormaligen Prozessbevollmächtigten Rechtsanwalt T L im vorliegenden Verfahren mit Schreiben vom 5. März 2019 zur mündlichen Verhandlung am 1. April 2019 geladen. Ausweislich des Protokolls ist der Prozessbevollmächtigte der Kläger zur mündlichen Verhandlung am 1. April 2019 nicht erschienen. In dem Protokoll heißt es: „Es wird festgestellt, dass der Prozessbevollmächtigte der Klägerseite das Empfangsbekenntnis nicht zurückgeschickt hat“. Die mündliche Verhandlung ist daraufhin in der Sitzung auf den 25. April 2019 vertagt worden. Ausweislich des Eingangsstempels ist das mit dem Datum „08.03.2019“ und einer Paraphe versehene Empfangsbekenntnis des vormaligen Prozessbevollmächtigten für die Ladung zur mündlichen Verhandlung am 4. April 2019 beim Sozialgericht Cottbus eingegangen.

 

Mit Schriftsatz vom 11. April 2019 hat der Klägervertreter beantragt, den Termin zur mündlichen Verhandlung zu verlegen, da er an diesem Tage „einen, bereits seit längerer Zeit anberaumten Termin“ vor dem Landessozialgericht Niedersachsen-Bremen wahrzunehmen habe. Mit Beschluss vom 24. April 2019, dem Klägervertreter am selben Tag per Fax übermittelt, hat das Sozialgericht die Verlegung der mündlichen Verhandlung abgelehnt. Nach dem Protokoll der mündlichen Verhandlung vom 25. April 2019 ist der Klägervertreter wiederum nicht erschienen.

 

Das Sozialgericht hat dem Vortrag des Klägervertreters den sinngemäßen Antrag entnommen,

die Beklagte unter Aufhebung des Bescheids vom 15. April 2015 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids W 799/15 vom 6. Juli 2015 zu verurteilen, den Bescheid vom 23. Oktober 2014 inklusive aller Änderungsbescheide abzuändern und von November 2014 bis April 2015 höhere Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhaltes nach dem SGB II zu gewähren.

 

Der Beklagte hat erstinstanzlich beantragt,

die Klage abzuweisen.

 

Der Beklagte hat zur Begründung auf die streitgegenständlichen Bescheide verwiesen.

 

Mit Urteil vom 25. April 2019 hat das Sozialgericht die Klage abgewiesen und dem Prozessbevollmächtigen Kosten nach § 192 SGG i. H. v. 150,00 EUR auferlegt. Die Klage sei bereits unzulässig. Sie sei zu spät erhoben. Die Klagefrist für den am 6. Juli 2015 zur Post aufgegebenen und am 8. Juli 2015 beim Prozessbevollmächtigen eingegangenen Widerspruchsbescheid sei mit dem 10. August 2015 geendet. Die Klage sei aber erst am 11. August 2015 erhoben. Die Klage wäre im Übrigen auch unbegründet. Das Gericht verweise insoweit auf den Widerspruchsbescheid. Die Kostenentscheidung folge aus § 193 SGG. Dem Prozessbevollmächtigen seien nach § 192 Abs. 1 S. 2 Nr. 1 SGG Kosten auferlegt worden. Da er das Empfangsbekenntnis erst nach dem Termin zurückgeschickt habe, habe der Termin zur mündlichen Verhandlung vertagt werden müssen. Die Sache sei am 1. April 2019 verhandlungsreif gewesen. Wenn ein Rechtsanwalt fast vier Wochen lang trotz Aufforderung des Gerichts ein Empfangsbekenntnis nicht zurücksende, liege darin eine Verletzung der im Prozess gebotenen Sorgfalt. Dies sei auch die Ursache für die Vertagung gewesen, da nicht verhandelt und entschieden werden dürfe, wenn nicht die ordnungsgemäße Ladung nachgewiesen ist. Die Kosten seien auch dem Prozessbevollmächtigen selbst aufzuerlegen, ihn treffe das Verschulden an der Vertagung. Die Höhe der dem Prozessbevollmächtigten auferlegten Kosten ergebe sich aus § 192 Abs. 1 S. 3 SGG.

 

Gegen das ihrem vormaligen Prozessbevollmächtigten am 27. Mai 2019 per Postzustellungsurkunde zugestellte Urteil hat dieser mit Schreiben vom 23. Juni 2019 Berufung erhoben. Die Klage sei zulässig. Es werde zunächst auf die Begründung im erstinstanzlichen Verfahren verwiesen. Ergänzend sei darauf hinzuweisen, dass die Beiträge zur Kfz-Haftpflichtversicherung bei Zeiträumen vor dem 1. August 2016 nach Fälligkeit zu berücksichtigen seien. Das Einkommen aus dem Rentenüberhang von H-JU sei daher in den Monaten Januar und April 2015 entsprechend geringer. Das Sozialgericht habe ferner das rechtliche Gehör der Kläger und das Willkürverbot verletzt, weil es dem Prozessbevollmächtigten ohne Anhörung Verschuldenskosten auferlegt und ihm dabei eine verspätete Rücksendung des Empfangsbekenntnisses unterstellt habe.

 

Mit Schreiben vom 5. Januar 2021 hat die Berufsbetreuerin K P mitgeteilt, dass sie für die Klägerin zu 3. als Betreuerin bestellt worden sei. Mit Schriftsatz vom 11. Februar 2021 hat die jetzige Prozessbevollmächtigte mitgeteilt, dass das Mandatsverhältnis mit dem vormaligen Bevollmächtigten beendet sei und sie nunmehr die Kläger vertrete.

 

Die Kläger beantragen (sinngemäß),

das Urteil des Sozialgerichts Cottbus vom 25. April 2019 aufzuheben und den Beklagten unter Aufhebung des Bescheides vom15. April 2015 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides W 799/15 vom 6. Juli 2015 zu verpflichten, den Bescheid vom 23. Oktober 2014 in der Fassung der Änderungsbescheide vom 22. November 2014, vom 12. Dezember 2014 und vom 20. Januar 2015 abzuändern und ihnen von November 2014 bis April 2015 höhere Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhaltes nach dem SGB II zu gewähren.

 

Der Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

 

Sie verweist zur Begründung auf die streitgegenständlichen Bescheide.

 

Die Verwaltungsvorgänge des Beklagten haben vorgelegen und sind Gegenstand der Entscheidungsfindung gewesen. Auf diese sowie die zwischen den Beteiligten gewechselten Schriftsätze wird ergänzend verwiesen.

 

 

 

Entscheidungsgründe

 

Der Senat durfte gemäß § 124 Abs. 2 Sozialgerichtsgesetz (SGG) ohne mündliche Verhandlung entscheiden, da sich die Kläger mit Schriftsatz vom 13. Oktober 2023 und der Beklagte mit Schriftsatz vom 11. Oktober 2023 hiermit einverstanden erklärt haben.

 

Die Berufung ist nach § 158 Sozialgerichtsgesetz (SGG) als unzulässig zu verwerfen, da die Berufung nicht statthaft ist. Die Voraussetzungen nach § 144 Abs. 1 Sozialgerichtsgesetz (SGG) liegen nicht vor. Der Wert des Beschwerdegegenstandes i. S. v. § 144 Abs. 1 S. 1 SGG übersteigt nicht den Betrag von 750,- EUR und die Berufung betrifft keine wiederkehrenden oder laufenden Leistungen für mehr als ein Jahr. Das Sozialgericht hat die Berufung auch nicht gemäß § 144 Abs. 2 SGG zugelassen.

 

Der Wert des Beschwerdegegenstands i. S. v. § 144 Abs. 1 S. 1 Nr. 1 SGG richtet sich danach, was das Sozialgericht dem Rechtsmittelkläger versagt hat und was er davon mit seinen Berufungsanträgen weiterverfolgt. Bei einer Geldleistung ist daher der Wert des Beschwerdegegenstands für das Berufungsverfahren nach dem Geldbetrag zu berechnen, um den unmittelbar gestritten wird. Bei einem unbezifferten Antrag kann auf eine überschlägige Berechnung zurückgegriffen werden. Maßgebender Zeitpunkt für die Bestimmung des Werts des Beschwerdegegenstands ist derjenige der Einlegung der Berufung (vgl. dazu nur mit weiteren Nachweisen Bundessozialgericht, Beschl. v. 19. Mai 2021 – B 14 AS 389/20 B, juris Rn. 8 ff.).

 

Vorliegend hat der vormalige Prozessbevollmächtigte in der Klageschrift vom 10. August 2015 lediglich mitgeteilt, dass die Klage „Grundsicherung nach dem SGB II“ betreffe und sich gegen den anliegenden Bescheid in der Gestalt des ebenfalls anliegenden Widerspruchsbescheids 799/15 (vom 6. Juli 2015) richte. Der Widerspruchsbescheid hat die Überprüfung der Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhaltes im Zeitraum von November 2014 bis zum April 2015 durch den Bescheid vom 23. Oktober 2014 zum Gegenstand.

 

Einen auf Leistungen in einer bestimmten Höhe gerichteten Antrag hat der vormalige Prozessbevollmächtigte in der ersten Instanz nicht gestellt. Die Höhe der Beschwer ist daher aus seinem Vortrag herzuleiten. Mit Schriftsatz vom 11. Januar 2016 hat der er gerügt, dass der Beklagte bei der Berechnung des Überschusses aus der Rente des H-J U ab dem 1. Januar 2015 lediglich 353,00 EUR und nicht die angepasste Regelleistung i. H. v. 360,00 EUR berücksichtigt habe. Da sich bei einem geringeren anzurechnenden Einkommen aus der Altersrente die Leistungen der Kläger entsprechend erhöhen, beträgt die (maximal mögliche) Beschwer insoweit 28,00 EUR (= 4 x 7,00 EUR)

 

Ferner rügt der vormalige Prozessbevollmächtigte, dass der Beklagte die Kosten der Unterkunft und Heizung falsch ermittelt habe. Der Beklagte habe nur anteilige Kosten der Unterkunft und Heizung i. H. v. 448,00 EUR im Jahr 2014 und 505,60 EUR im Jahr 2015 berücksichtigt. Tatsächlich hätten die anteiligen Kosten 491,20 EUR (= 614,00 EUR / 5 x 4) bzw. 497,60 EUR (= 622,00 EUR / 5 x 4) betragen. Insoweit ergibt sich eine Beschwer von 86,40 EUR (=2 x 43,20 EUR) für die Monate November und Dezember 2014. Für die übrigen Monate ergibt sich keine Beschwer, da die vom Klägervertreter geltend gemachten Kosten niedriger als die tatsächlich ab dem Änderungsbescheid vom 12. Dezember 2014 berücksichtigten Kosten i. H. v. 505,60 EUR (= 4 x 126,40 EUR) sind.

 

Soweit der Klägervertreter außerdem rügt, der Beklagte habe nicht berücksichtigt, dass der Kläger zu 2. im Januar 2018 sein 18. Lebensjahr vollendet habe und ab diesem Zeitpunkt sein Einkommen aus Ausbildungsgeld um die Versicherungspauschale hätte bereinigt werden müssen, ergibt sich eine Beschwer von maximal 30,- EUR für vier Monate, also 120,- EUR. Dahinstehen soll dabei, dass der Beklagte in dem Bescheid vom 20. Januar 2015 beim Kläger zu 2. im Zeitraum von Februar bis April 2015 ausschließlich Kindergeld als Einkommen anrechnete und dieses um die Versicherungspauschale von 30,- EUR bereinigte. Dementsprechend beträgt die gesamte mögliche Beschwer im vorliegenden Verfahren 234,40 EUR.

 

Das Sozialgericht hat auch nicht die Berufung entsprechend § 144 Abs. 2 SGG zugelassen. Die Berufung muss zwar nicht notwendigerweise im Tenor des Urteils zugelassen werden, es genügt, dass die Zulassung in den Entscheidungsgründen ausgesprochen wird (vgl. nur Bundessozialgericht, Urt. v. 14. Dezember 2021 – B 14 AS 73/20 R, Rn. 11). Dort muss sie aber eindeutig ausgesprochen werden, was vorliegend nicht geschehen ist. Allein die Verwendung einer Rechtsmittelbelehrung, welche fälschlich auf das Rechtsmittel der Berufung verweist, genügt keinesfalls für die Zulassung der Berufung (vgl. nur Bundessozialgericht, Beschl. v. 3. Dezember 2020 – B 12 KR 10/20 BH, juris Rn. 7; Keller in: Meyer-Ladewig / Keller / Schmidt, Sozialgerichtsgesetz, 14. Aufl. 2023, § 144 SGG Rn. 45 f., jeweils mit weiteren Nachweisen).

 

Statthaftes Rechtsmittel wäre daher die Nichtzulassungsbeschwerde gemäß § 145 Abs. 1 S. 1 SGG, die jedoch nicht erhoben worden ist. Der vormalige Prozessbevollmächtigte hat vielmehr in dem Schriftsatz vom 23. Juni 2019 ausdrücklich Berufung erhoben. Nach der Rechtsprechung kann eine erhobene unzulässige Berufung grundsätzlich nicht in das zulässige Rechtsmittel der Nichtzulassungsbeschwerde nach § 145 Abs. 1 SGG umgedeutet werden (vgl. nur statt vieler Bundessozialgericht, Urt. v. 20.05.2003 – B 1 KR 25/01 R, juris Rn. 21 ff.).

 

Vor der Frage der Umdeutung ist zu prüfen, ob die Erklärungen des Klägervertreters als ein anderes Rechtsmittel ausgelegt werden können, was hier jedoch nicht der Fall ist. Umstände, die ausnahmsweise eine Auslegung dahingehend erlauben, dass der Prozessbevollmächtigte vorliegend tatsächlich eine Nichtzulassungsbeschwerde erheben wollte, sind nicht gegeben. Vielmehr hat der vormalige Prozessbevollmächtigte und Rechtsanwalt im Schriftsatz vom 23. Juni 2019 ausdrücklich Berufung erhoben. Auch die gesamte Begründung lässt nicht erkennen, dass er eine Nichtzulassungsbeschwerde erheben wollte. Eine Umdeutung des unzulässigen Rechtsmittels der Berufung in das zulässige Rechtsmittel der Berufung kommt auch nicht deshalb in Betracht, weil vorliegend das erstinstanzliche Urteil in seiner Rechtsmittelbelehrung fälschlich auf die Berufung als zulässiges Rechtsmittel verweist. Die insoweit entstehenden Risiken für die Kläger bzw. deren Prozessbevollmächtigten werden ausreichend über § 66 Abs. 1 SGG aufgefangen (vgl. dazu nur Bundessozialgericht, Urt. v. 20.05.2003 – B 1 KR 25/01 R, juris Rn. 22).

 

Da die vom Prozessbevollmächtigten im Namen der Kläger erhobene Berufung gegen das Urteil des Sozialgerichts unzulässig ist, kann keine gesonderte Entscheidung über die Verhängung von Verschuldenskosten gegenüber dem vormaligen Prozessbevollmächtigten nach § 192 Abs. 1 S. 1 Nr. 1 SGG ergehen (Bundessozialgericht, Beschl. v. 5. August 2008 – B 13 R 153/08 B, juris Rn. 13; Stotz in: Schlegel/Voelzke, jurisPK-SGG, 2. Aufl. 2022, Stand: 15. Juni 2022, § 192 SGG Rn. 84 f.). Die Entscheidung über so genannte Verschuldens- oder Missbrauchskosten nach § 192 Abs. 1 bzw. 2 SGG kann nicht gesondert mit der Berufung angefochten werden, sie ist grundsätzlich Teil der einheitlichen Kostenentscheidung und nicht abtrennbar (vgl. dazu nur Bundessozialgericht, Beschl. v. 19.10.2017 – B 3 KR 4/17 B, juris Rn. 11; Stotz a. a. O.; Groth in: Krasney / Udsching / Groth / Meßling, Handbuch des sozialgerichtlichen Verfahrens, 8. Aufl., XII. Kapitel Kosten Rn. 39). Ob die Kläger, welche inzwischen nicht mehr von ihrem vormaligen Prozessbevollmächtigten vertreten werden, insoweit überhaupt beschwert sind und im – hier nicht gegebenen - Falle einer zulässigen Berufung eine Abänderung verlangen könnten, kann insoweit dahinstehen.

 

Eine Berufung des vormaligen Prozessbevollmächtigten (auch) in eigenem Namen isoliert gegen die Auferlegung der Verschuldenskosten liegt jedenfalls nicht vor. Es ist vorliegend nicht zu erkennen, dass dieser die Berufung nicht nur im Namen der Kläger, sondern auch – soweit er durch die Entscheidung über die Verschuldenskosten selbst betroffen ist – in eigenem Namen hat erheben wollen. Zwar teilt er in seinem Schriftsatz vom 23. Juni 2019 mit: „In Sachen Ulrich, Astrid u. a. ./. Jobcenter EE, S 2 AS 2773/15 lege ich gegen das Urteil vom 25.04.2019 Berufung ein“. Allein die Verwendung der ersten Person lässt aber nicht den Rückschluss darauf zu, dass er (auch) in eigenem Namen hat Berufung erheben wollen, da er gleichzeitig mit dem Kurzrubrum auf die Kläger verwiesen hat, die er damals noch vertreten hat. Auch seine Berufungsbegründung vom 1. Oktober 2019 lässt nicht erkennen, dass der vormalige Prozessbevollmächtigte die Berufung in eigenem Namen hat erheben wollen. Im Gegenteil rügt er auf S. 1 dritter Absatz ausdrücklich, dass das Sozialgericht „das rechtliche Gehör der Kläger“ verletzt habe, weil die Verschuldenskosten ohne vorherige Anhörung auferlegt worden seien.

 

Ob die Entscheidung, dem Prozessbevollmächtigten Kosten nach § 192 Abs. 1 S. 1 Nr. 1 SGG aufzuerlegen, von diesem auch dann mit der Beschwerde angefochten werden kann, wenn sie im Rahmen eines Urteils getroffen wurde (bejahend etwa LSG Niedersachsen-Bremen, Beschl. v. 3. Februar 2023 – L 7 AS 229/21 B, juris Rn. 3 f.; Landessozialgericht Baden-Württemberg, Beschl. v. 30. November 2017 – L 4 P 4479/17 B, juris Rn. 16 f.; dazu auch Verfassungsgericht des Landes Brandenburg, Beschl. v. 20. November 2020 – VfGBbg 50/19, Rn. 13; Jungeblut in BeckOK Sozialrecht, 69. Edition, Stand: 1 Juni 2023, § 192 Rn. 25a, J. Krauß in: BeckOGK, Stand: 1. Augst 2023, § 192 Rn. 68.1), kann vorliegend dahinstehen. Denn der vormalige Prozessbevollmächtigte und Rechtsanwalt hat keine Beschwerde erhoben. Über diese wäre im Übrigen in einem gesonderten Verfahren zu entscheiden.

 

Die Entscheidung über die Kosten folgt aus § 193 SGG. Gründe für die Zulassung der Revision nach § 160 Abs. 2 SGG liegen nicht vor.

Rechtskraft
Aus
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