Auf die Klage der Klägerin wird der Bescheid der Beklagten vom 26. Januar 2023 aufgehoben und der Bescheid vom 9. März 2023 dahingehend abgeändert, dass die darin ausgesprochene Aufhebung des Bescheids vom 29. Juni 2022 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 30. September 2022 aufgehoben wird. Im Übrigen wird die Berufung der Klägerin zurückgewiesen sowie die Klage abgewiesen.
Die Beklagte trägt ein Viertel der außergerichtlichen Kosten der Klägerin in zweiter Instanz. Im Übrigen sind außergerichtliche Kosten nicht zu erstatten.
Tatbestand
Die Klägerin begehrt die Gewährung höherer Leistungen nach dem Zwölften Buch Sozialgesetzbuch (SGB XII) für die Zeit vom 1. Juli 2022 bis zum 30. Juni 2023 unter Berücksichtigung der tatsächlichen Kosten der Unterkunft inklusive Stromkosten und Kabelfernsehgebühren zuzüglich der gesetzlichen Zinsen sowie die Verurteilung der Beklagten zu Schadensersatz.
Die 1955 geborene alleinstehende Klägerin durchlief ihren Angaben zufolge (nach einer dreijährigen Ausbildung für den mittleren Justizdienst und fünfjähriger Tätigkeit an einem Notariat) von April 1980 bis Dezember 1985 an der Universität H1 ein Studium der Rechtswissenschaften und anschließend den juristischen Vorbereitungsdienst, bevor sie, unterbrochen durch Zeiten ohne Beschäftigung, an wechselnden Arbeitsstellen bis März 1995 u.a. als Juristin tätig war. Seitdem war die Klägerin arbeitslos und bezog bis Ende 2004 Arbeitslosenhilfe. Ab Januar 2005 stand sie im Bezug von Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nach dem Zweiten Buch Sozialgesetzbuch (SGB II).
Die Klägerin bewohnt eine von ihr ab Januar 1991 angemietete Dachgeschosswohnung in P1 (Mietvertrag vom 18. November 1990) mit einer Wohnfläche von 48 m² (zwei Zimmer, Küchenteil, Bad mit Toilette), für die sie seit 1. August 2014 eine monatliche Gesamtmiete von 408,00 Euro (Kaltmiete 286,00 Euro, Betriebs-/Nebenkosten 32,00 Euro, Heizkosten inkl. Warmwasseraufbereitung 90,00 Euro) aufzubringen hatte; für das Jahr 2023 erhöhte die Vermieterin die monatlichen Betriebs- bzw. Nebenkostenvorauszahlungen (Schreiben vom 31. Dezember 2022) auf 52,00 Euro und forderte die Nachzahlung eines Betrages von 268,67 Euro für das Jahr 2021. Seit September 2020 mindert die Klägerin ihre Miete wegen Lärmbelästigungen, dies (auch) für den Zeitraum seit Juli 2022 um monatlich 72,00 Euro (Bl. 61 Bd. I Verw.-Akte, Bl. 103 Senatsakte). Die Klägerin zahlte an die Vermieterin mithin zuletzt 2023 356,00 EUR monatlich. Ausweislich des von der Klägerin vorgelegten Abfallgebührenbescheides vom 29. Januar 2021 hatte sie ferner im Jahr 2021 am 28. Februar 2021 einen Abschlag in Höhe von 18,44 Euro sowie am 15. März 2021, 15. Juni 2021, 15. September 2021 und am 15. Dezember 2021 jeweils einen Abschlag in Höhe von 43,29 Euro an die Abfallwirtschaft der Stadt P1 zu zahlen. Für das Jahr 2022 fiel ausweislich des Abfallgebührenbescheides vom 28. Januar 2022 bei einer Gutschrift im Januar 2022 ein Abschlag für Abfallgebühren in Höhe von 38,91 Euro am 15. März 2022, 15. Juni 2022, 15. September 2022 und 15. Dezember 2022 an und nach dem Abfallgebührenbescheid für das Jahr 2023 vom 27. Januar 2023 eine Nachzahlung von 4,22 Euro am 26. Februar 2023 und eine Abschlagszahlung von 39,97 Euro am 15. März 2023, am 15. Juni 2023 wird eine Abschlagszahlung ebenfalls in Höhe von 39,97 Euro fällig. Für den Kabelanschluss entrichtete die Klägerin jedenfalls bis in das Jahr 2022 monatlich einen Betrag in Höhe von 20,99 Euro (Schreiben U1 vom 5. Januar 2016). Für Strom hatte die Klägerin ab Januar 2022 einen monatlichen Abschlag von 47,00 Euro zu erbringen (wovon die Klägerin, soweit ersichtlich, 40,00 Euro bezahlte; Bl. 291 ff. Bd. I Verw.-Akte), im Jahr 2023 eine Nachzahlung von 148,73 Euro am 13. Januar 2023 sowie eine Abschlagszahlung von 70,00 Euro im Januar 2023 (Bl. 77 ff. Bd. III Verw.-Akte) und von monatlich 63,00 Euro ab Februar 2023 (Bl. 203 Bd. III Verw.-Akte; hierzu gab sie jedenfalls für den Januar 2023 an, die Abschlagszahlung auf 50,00 Euro gemindert zu haben, Bl. 3 Senatsakte, Bl. 73 Bd. III Verw.-Akte).
Die Klägerin bezieht seit Juli 2021 eine Regelaltersrente von der Deutschen Rentenversicherung Bund, seit Juli 2022 in Höhe von 610,21 Euro (Bl. 635 Bd. II Verw.-Akte). Darüber hinaus verfügt die Klägerin über Vermögen in Gestalt einer Rentenversicherung bei der L1 AG (Rentenversicherungsnr. XXX), welche nach Auszahlung eines Teilbetrages in Höhe von 3.000,00 Euro zum 1. Oktober 2021 einen Rückkaufswert von 29.934,99 Euro hatte (Bl. 173 ff. Bd. I Verw.-Akte) und aus welcher sich die Klägerin zum 1. März 2023 einen weiteren Teilbetrag von 3.000 Euro auszahlen ließ (Bl. 153 ff. Senatsakte). An Vermögenswerten verfügt die Klägerin weiterhin über ein Girokonto bei der V1bank P1 bzw. laut Schreiben der Klägerin vom 17. Oktober 2022 aufgrund eines Bankenzusammenschlusses nunmehr bei der V1bank pur eG (Kontonummer XXX bzw. nun XXX), welches am 20. Februar 2023 einen Kontostand von 337,71 Euro aufwies (Kontoauszug vom 20. Februar 2023). Auf dem ebenfalls bei der V1bank P1/pur geführten Tagesgeldkonto (XXX bzw. nunmehr XXX) befand sich zum 30. Dezember 2022 ein Betrag in Höhe von 1.026,67 Euro (vgl. Kontoauszug vom 30. Dezember 2022). Die Klägerin verfügt darüber hinaus über ein Sparbuch bei der V1bank P1/pur XXX, nunmehr XXX), bei welchem der Kapitalsaldo zum 30. Dezember 2022 2.310,18 Euro betrug (Kontoauszug vom 30. Dezember 2022) sowie über Schmuck und Goldbarren, die nach ihren Angaben einen Wert von ca. 4.000,00 Euro aufweisen. Schließlich ist die Klägerin im Besitz eines Pkw, für welchen die Beklagte einen Wert von 4.500,00 Euro errechnet hat.
Die Klägerin verfügt über eine Haftpflichtversicherung bei der V1 AG, für die ausweislich der Rechnung vom 16. März 2021 am 1. April 2021 ein Jahresbeitrag in Höhe von 82,92 Euro fällig wurde. Weiter besteht für die Klägerin bei der D1 Krankenversicherungsverein a.G. eine Unfallversicherung, für die sie einen monatlichen Betrag in Höhe von 10,83 Euro zu zahlen hat (Bl. 129 ff. Bd. I Verw.-Akte). Darüber hinaus verfügte die Klägerin über eine Brillenversicherung bei der H2, (Bl. 133 Bd. I Verw.-Akte), für die ein Jahresbeitrag von 50,00 Euro zu leisten ist. Die Kündigung der Brillenversicherung teilte sie mit Schreiben vom 13. Dezember 2022 mit.
Auf den Antrag der Klägerin vom 20. Juli 2021 bewilligte die Beklagte der Klägerin mit Bescheid vom 9. September 2021 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 7. Februar 2022 Leistungen der Grundsicherung im Alter und bei Erwerbsminderung nach dem Vierten Kapitel des SGB XII für die Zeit vom 1. Juli 2021 bis zum 31. Dezember 2021 und auf den Weitergewährungsantrag vom 2. Dezember 2021 mit Bescheid vom 22. Dezember 2021 in der Fassung des Änderungsbescheides vom 4. Februar 2022 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 7. Februar 2022 für die Zeit vom 1. Januar 2022 bis zum 30. Juni 2022. Die gegen diese Entscheidungen zunächst als Untätigkeitsklage geführte Klage der Klägerin, mit der sie insbesondere die Berücksichtigung von Stromkosten und Kabelfernsehgebühren sowie hilfsweise die Verurteilung der Beklagten zu Schadenersatz geltend machte, wies das Sozialgericht Karlsruhe (SG) mit Gerichtsbescheid vom 9. Mai 2022 ab (S 10 SO 246/22). Die hiergegen eingelegte Berufung der Klägerin wies das Landessozialgericht (LSG) Baden-Württemberg mit Urteil vom 17. November 2022 zurück (L 7 SO 1468/22).
Mit Schreiben vom 19. Mai 2022 beantragte die Klägerin die Weiterbewilligung von Leistungen der Grundsicherung im Alter und bei Erwerbsminderung und teilte mit weiterem Schreiben vom 13. Juni 2022 mit, dass sich ihre Daten – bis auf ihre Festnetznummer und den nunmehr günstigeren Kabelfernsehtarif – nicht geändert hätten.
Die Beklagte bewilligte der Klägerin darauf mit Bescheid vom 29. Juni 2022 Leistungen der Grundsicherung im Alter und bei Erwerbsminderung für die Zeit vom 1. Juli 2022 bis zum 30. Juni 2023 mit einer monatlichen Höhe von 192,53 Euro jeweils für Juli und August 2022 und – unter Berücksichtigung des Abfallgebührenabschlags – von 231,44 Euro für den September 2022. Dieser Bescheid enthielt den Hinweis, dass die Klägerin vor Inanspruchnahme von Sozialleistungen vorrangig ihr Vermögen einzusetzen habe. Hiervon seien kleinere Barbeträge und sonstige Geldwerte ausgenommen, u.a. für jede in § 41 SGB XII genannte volljährige Person 5.000,00 Euro.
Hiergegen legte die Klägerin am 12. Juli 2022 Widerspruch ein (Bl. 624 ff. Bd. II Verw.-Akte) und bezog sich auf ihren gegen den Bescheid vom 9. September 2021 eingelegten Widerspruch, mit welchem sie insbesondere vortrug, die Verletzung ihrer gesamten Grundrechte zu rügen. Die Festsetzung der Kosten der Unterkunft im Bescheid sei rechtswidrig, da gemäß § 35 SGB XII die tatsächlichen Kosten zu übernehmen seien. Insbesondere die Kosten für Strom und Kabelgebühren seien zu berücksichtigen.
Mit Widerspruchsbescheid vom 30. September 2022 wies die Beklagte den Widerspruch zurück, worauf die Klägerin am 20. Oktober 2022 Klage beim SG erhoben und die Gewährung höherer Leistungen unter Berücksichtigung von Stromkosten und Kabelfernsehgebühren als Kosten der Unterkunft und Heizung zuzüglich Zinsen, hilfsweise die Verurteilung der Beklagten zu Schadensersatz beantragt hat.
Nach Anhörung der Beteiligten hat das SG die Klage mit Gerichtsbescheid vom 16. Januar 2023 abgewiesen. Ausgehend von den Verhältnissen bis zum Abschluss des Vorverfahrens habe die Beklagte jedenfalls nicht zu wenig Leistungen der Grundsicherung im Alter nach dem Vierten Kapitel des SGB XII bewilligt. Entgegen der Meinung der Klägerin gehörten die Aufwendungen für Haushaltsstrom und den TV-Kabelanschluss bei ihr nicht zum Bedarf für Unterkunft und Heizung; vielmehr seien sie dem Regelbedarf zuzuordnen. Vom Einkommen könnten Beiträge zu privaten Versicherungen abgesetzt werden, soweit diese Beiträge gesetzlich vorgeschrieben oder nach Grund und Höhe angemessen seien. Dies treffe auf eine allgemeine Haftpflichtversicherung zu, nicht hingegen auf eine Unfallversicherung. Angesichts dessen blieben die Kosten der Klägerin für ihre Unfallversicherung bei der D1 von vorneherein außer Betracht. Hingegen könnten ihre Beiträge für die Haftpflichtversicherung bei der R1 prinzipiell Berücksichtigung finden – allerdings nur im jeweiligen Monat der Beitragszahlung. Die Klägerin habe nicht nachgewiesen, dass und wann sie im streitigen Zeitraum für diese Versicherung Beiträge gezahlt habe. Für den hilfsweise gestellten Antrag auf Schadensersatz sei das Sozialgericht nicht zuständig.
Gegen diese Entscheidung hat die Klägerin am 25. Januar 2023 Berufung beim LSG Baden-Württemberg eingelegt. Zur Begründung führt sie insbesondere aus, ihr Anspruch auf rechtliches Gehör und ihre Grundrechte seien verletzt worden, auch seien Gesetze, insbesondere im Rahmen der Ermittlung der korrekten Regelleistung und der Kosten der Unterkunft und Heizung missachtet worden. Auch halte sie die Beteiligung ihrer Vermieterin für eine notwendige. Sie rüge eine entsprechende Untätigkeit des Gerichts im Hinblick auf die Beiladungsvorschrift des § 75 Sozialgerichtsgesetz (SGG). Abschließend rüge sie die fehlerhafte Behandlung ihres Hilfsantrages.
Mit Bescheid vom 26. Januar 2023 hat die Beklagte den Bescheid vom 29. Juni 2022 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 30. September 2022 mit Wirkung zum 31. Januar 2023 gemäß § 48 Zehntes Buch Sozialgesetzbuch (SGB X) aufgehoben. Ein Anspruch auf Leistungen der Grundsicherung bestehe nicht mehr, da die Klägerin ihren Lebensunterhalt aus ihrer R1 mit einem Rückkaufswert von über 29.000 Euro beschaffen könne.
Mit weiterem Bescheid vom 9. März 2023 hat die Beklagte erklärt, den Bescheid vom 29. Juni 2022 „nach Änderung rechtserheblicher Verhältnisse gemäß § 48 SGB X in Verbindung mit § 44 SGB X“ für die Zeit ab 1. März 2023 aufzuheben, gleichzeitig hat die Beklagte der Klägerin Leistungen für die Zeit vom 1. März 2023 bis zum 30. Juni 2023 bewilligt – für den März 2023 in Höhe von 578,39 Euro, für den April und den Mai 2023 jeweils in Höhe von 265,53 Euro und für den Juni 2023 in Höhe von 305,50 Euro – unter Hinweis auf den nunmehrigen Vermögensfreibetrag von 10.000 Euro.
Die Klägerin beantragt, sachgerecht gefasst,
den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Karlsruhe vom 16. Januar 2023 aufzuheben und die Beklagte unter Abänderung des Bescheides vom 29. Juni 2022 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 30. September 2022 in der Fassung des Bescheides vom 9. März 2023 und unter Aufhebung des Bescheides vom 26. Januar 2023 zu verurteilen, ihr für die Zeit vom 1. Juli 2022 bis zum 30. Juni 2023 höhere Leistungen der Grundsicherung im Alter und bei Erwerbsminderung, insbesondere unter Berücksichtigung der tatsächlichen Kosten der Unterkunft inklusive Stromkosten und Kabelfernsehgebühren zuzüglich der gesetzlichen Zinsen zu gewähren,
hilfsweise die Beklagte zu verurteilen, ihr Schadensersatz, inklusive immateriellem, in vom Gericht festzulegender Höhe, mindestens in Höhe der fehlenden im Voraus zu bezahlenden und fälligen tatsächlichen Leistungen der Grundsicherung im Alter nach dem SGB XII zu bezahlen.
Die Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen und die Klage abzuweisen.
Sie erachtet die erstinstanzliche Entscheidung für zutreffend und verweist auf das Urteil des Senats vom 17. November 2022. Der Klägerin seien Leistungen der Grundsicherung im Alter für den Zeitraum vom 1. Juli 2021 bis 31. Dezember 2021 auf Grundlage des § 141 SGB XII ohne Berücksichtigung von Vermögen bewilligt worden. Auch mit Bescheid vom 22. Dezember 2021 sei die Bewilligung der Leistungen für den Zeitraum vom 1. Januar 2022 bis zum 30. Juni 2022 auf dieser Grundlage ohne Berücksichtigung von Vermögen verlängert worden. Auf den Weitergewährungsantrag vom 19. Mai 2022 seien die Leistungen aufgrund eines internen Mitarbeiterwechsels versehentlich erneut ohne Vermögensprüfung bewilligt worden. Bei einer internen Überprüfung im Januar 2023 sei dieses Versehen festgestellt und daraufhin die Leistungen eingestellt worden, da bei der Klägerin übersteigendes Vermögen vorliege. Der Aufhebungsbescheid sei jedoch rechtmäßig. Nach § 45 Abs. 1 SGB X dürfe ein rechtswidriger Verwaltungsakt, auch nachdem er unanfechtbar geworden sei, unter den Einschränkungen der § 45 Abs. 2 bis 4 SGB X ganz oder teilweise mit Wirkung für die Zukunft oder für die Vergangenheit zurückgenommen werden. Der Klägerin stehe kein Anspruch auf Leistungen der Grundsicherung im Alter zu. Sie verfüge schon allein unter Berücksichtigung des Rückkaufswerts ihrer Rentenversicherung über einen den Freibetrag deutlich übersteigendes Vermögen. Eine besondere Notlage sei nicht erkennbar und insofern auch nicht geltend gemacht worden. Die Verwertung der Versicherung bedeute für die Klägerin auch keine Härte im Sinne des § 90 Abs. 3 SGB XII. Bei ihr habe kein schutzwürdiges Vertrauen entstehen können, dass sie über den gesetzlichen Geltungszeitraum der Sonderregelung hinaus Leistungen erhalten würde. Auf die Gewährung der Leistungen ohne Vermögensprüfung auf Grundlage des § 141 SGB XII sei in den Bewilligungsbescheiden vom 9. September 2021 sowie 22. Dezember 2021 ausdrücklich hingewiesen worden. Jedenfalls eine Rücknahme des Bewilligungsbescheids und damit eine Einstellung der Leistungen für die Zukunft sei nach pflichtgemäßem Ermessen durch die Beklagte vorzunehmen gewesen.
Die Beteiligten haben mit Schreiben vom 23. und 24. März 2023 ihr Einverständnis mit einer Entscheidung ohne mündliche Verhandlung erklärt.
Hinsichtlich der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts und des weiteren Vorbringens der Beteiligten wird auf die Prozessakten beider Instanzen sowie des Verfahrens L 7 SO 1468/22 und die beigezogenen Verfahrensakten der Beklagten Bezug genommen.
Entscheidungsgründe
Die gemäß § 151 Abs. 1 Sozialgerichtsgesetz (SGG) form- und fristgerecht eingelegte Berufung der Klägerin, über die der Senat im Einverständnis der Beteiligten ohne mündliche Verhandlung entscheidet (§ 124 Abs. 2 SGG), ist zulässig, insbesondere statthaft (§ 144 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 SGG).
Gegenstand des Berufungsverfahrens ist neben der erstinstanzlichen Entscheidung zunächst der Bescheid vom 29. Juni 2022 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 30. September 2022 (§ 95 SGG), mit dem die Beklagte der Klägerin Leistungen der Grundsicherung im Alter und bei Erwerbsminderung nach dem Vierten Kapitel des SGB XII für den Zeitraum vom 1. Juli 2022 bis zum 30. Juni 2023 bewilligt hat. Weiter ist der Bescheid vom 26. Januar 2023 gemäß § 96 Abs. 1 SGG Gegenstand des Verfahrens geworden, mit welchem die Beklagte im Berufungsverfahren – damit nach Klageerhebung – die Leistungsgewährung für die Zeit ab dem 1. Februar 2023 aufgehoben und den Bescheid vom 29. Juni 2022 damit abgeändert hat. Ebenfalls gemäß § 96 SGG ist der Bescheid vom 9. März 2023 Gegenstand des vorliegenden Verfahrens geworden, mit welchem die Beklagte – in sich widersprüchlich – einerseits den insoweit bereits aufgehobenen Bescheid vom 29. Juni 2022 für die Zeit vom 1. März 2023 an (nochmals) aufgehoben und gleichzeitig die Leistungsgewährung für die Monate März bis Juni 2023 in gegenüber dem Bescheid vom 29. Juni 2022 abweichender Höhe erneut ausgesprochen hat. Über diese Bescheide, deren Einbeziehung in das Verfahren aufgrund Gesetzes und unabhängig vom Willen der Beteiligten erfolgt (vgl. B. Schmidt in Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer/Schmidt, SGG, 13. Aufl. 2020, § 96 Rdnr. 1a), ist vorliegend nicht „auf Berufung“, sondern erstinstanzlich „auf Klage“ zu entscheiden. Dies folgt schon daraus, dass jede Berufung bereits begrifflich eine erstinstanzliche Entscheidung voraussetzt (vgl. Klein in: Schlegel/Voelzke, jurisPK-SGG, 2. Aufl. Stand: 7. März 2023, § 96 SGG Rdnr. 95 f.).
Die Berufung der Klägerin ist im verbliebenen Umfang unbegründet, denn das SG hat die zulässige, als kombinierte Anfechtungs- und Leistungsklage (§ 54 Abs. 1 und 4 SGG) einzustufende Klage gegen den Bescheid der Beklagten vom 29. Juni 2022 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 30. September 2022 zurecht als unbegründet abgewiesen. Die zulässigen – über § 96 Abs. 1 SGG gesetzlich fingierten (vgl. Klein a.a.O.) – Klagen gegen die Bescheide vom 26. Januar 2023 und vom 9. März 2023 sind teilweise begründet.
Die kombinierten Anfechtungs- und Leistungsklagen gegen die Bescheide vom 26. Januar 2023 und vom 9. März 2023 sind in ihrem Anfechtungsteil insoweit begründet, als die Beklagte die mit dem Bescheid vom 29. Juni 2022 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 30. September 2022 ausgesprochene Leistungsbewilligung für die Zeit ab dem 1. Februar 2023 bzw. ab dem 1. März 2023 gemäß § 48 SGB X aufgehoben hat. Denn die Voraussetzungen für eine derartige Aufhebungsentscheidung liegen nicht vor. Nach § 48 Abs. 1 Satz 1 SGB X ist, soweit in den tatsächlichen oder rechtlichen Verhältnissen, die beim Erlass eines Verwaltungsaktes mit Dauerwirkung vorgelegen haben, eine wesentliche Änderung eintritt, der Verwaltungsakt mit Wirkung für die Zukunft aufzuheben. Unter den weiteren Bedingungen des § 48 Abs. 1 Satz 2 SGB X soll auch eine Aufhebung mit Wirkung zum Zeitpunkt der Änderung der Verhältnisse erfolgen. In der vorliegenden Sache fehlt es jedoch bereits an einer Änderung der dem Bescheid vom 29. Juni 2022 zugrundeliegenden Verhältnisse. Die Beklagte hat hierzu im Bescheid vom 26. Januar 2023 darauf verwiesen, dass ein Anspruch auf Leistungen der Grundsicherung nicht mehr bestehe, da die Klägerin ihren Lebensunterhalt aus ihrer R1 mit einem Rückkaufswert von über 29.000 Euro beschaffen könne; im Bescheid vom 9. März 2023 hat die Beklagte lediglich die Änderung „rechtserheblicher Verhältnisse“ angeführt. Die Klägerin hat jedoch bereits vor Beginn des hier streitigen Bewilligungszeitraums über die vorgenannte Lebensversicherung – und weitere zu berücksichtigende Vermögenswerte – verfügt, so dass hierin keine Änderung der (tatsächlichen) Verhältnisse zu erblicken ist. Eine Änderung der (rechtlichen) Verhältnisse ist auch nicht durch das Auslaufen der Sonderregelung des § 141 SGB XII mit dem 31. Dezember 2022 eingetreten, da diese bereits vor Beginn des hiesigen Bewilligungszeitraums am 1. Juli 2022 nicht mehr zugunsten der Klägerin anzuwenden gewesen ist, wie der Senat schon in seinem Urteil vom 17. November 2022 im Verfahren L 7 SO 1468/22 hinsichtlich des vorangegangenen Bewilligungszeitraums vom 1. Januar 2022 bis zum 30. Juni 2022 ausgeführt hat:
„Nach § 141 Abs. 1 SGB XII in der Fassung vom 25. Juni 2021 werden Leistungen nach dem Dritten und Vierten Kapitel für Bewilligungszeiträume, die in der Zeit vom 1. März 2020 bis 31. Dezember 2021 (durch § 1 der Verordnung zur Verlängerung des Zeitraums für das vereinfachte Verfahren für den Zugang zu den Grundsicherungssystemen und für den Mehrbedarf für die gemeinschaftliche Mittagsverpflegung für Menschen mit Behinderungen aus Anlass der COVID-19-Pandemie [VZVV] in der Fassung vom 10. März 2022 verlängert für Zeiträume bis 31. Dezember 2022) beginnen, nach Maßgabe der Abs. 2 bis 4 erbracht. Gemäß § 141 Abs. 2 Satz 1 SGB XII wird abweichend von § 2 Abs. 1, § 19 Abs. 1, 2 und 5, § 27 Abs. 1 und 2, § 39, § 41 Abs. 1, § 43 Abs. 1, § 43a Abs. 2 und § 90 SGB XII Vermögen für die Dauer von sechs Monaten nicht berücksichtigt. Satz 1 gilt gemäß § 141 Abs. 2 Satz 2 SGB XII nicht, wenn das Vermögen erheblich ist; es wird vermutet, dass kein erhebliches Vermögen vorhanden ist, wenn die leistungsnachsuchenden Personen dies im Antrag erklären.
Die Vorschrift in § 141 Abs. 2 SGB XII ist jedenfalls für die Zeit ab 1. Januar 2022 nicht anwendbar, weil die Nichtberücksichtigung von Vermögen (nur) für die Dauer von sechs Monaten gilt, beginnend mit dem ersten Bewilligungszeitraum, hier also dem Zeitraum vom 1. Juli 2021 bis 31. Dezember 2021 (so auch LSG Nordrhein-Westfalen, Beschluss vom 28. Juni 2022 – L 9 SO 140/22 B ER – juris Rdnr. 8; Kirchhoff in Hauck/Noftz, SGB XII, Stand August 2022, § 141 Rdnr. 14; Groth in jurisPK-SGB XII, 3. Auflage 2020 [Stand 30. Mai 2022], § 141 Rdnrn. 18 f.). Wenn dieser Zeitraum abgelaufen ist, kommt der erweiterte Vermögensschutz nicht mehr zum Tragen. Wenn die leistungsberechtigte Person nach Ablauf der sechs Monate weiterhin Leistungen nach dem Dritten oder Vierten Kapitel des SGB XII benötigt, ist das Vermögen für diesen anschließenden Zeitraum wieder vorrangig vor der Sozialhilfe zur Bedarfsdeckung einzusetzen. Diese Auslegung entspricht auch dem Willen des Gesetzgebers, der in der Gesetzesbegründung ausgeführt hat (BT-Drucks 19/18107, S 28): „Insoweit findet der sozialhilferechtliche Nachranggrundsatz für einen begrenzten Zeitraum nur eingeschränkt Anwendung. Während die Einkommensprüfung weiterhin erfolgt, sollen für einen Zeitraum von sechs Monaten, die Leistungen unabhängig vom Einsatz des Vermögens erbracht werden (…). Nach Ablauf von sechs Monaten, gerechnet ab dem ersten Tag des maßgeblichen Bewilligungszeitraums nach Absatz 1, werden die existenzsichernden Leistungen unter Berücksichtigung von Vermögen nach den üblichen Vorschriften erbracht. Dies gilt auch dann, wenn der ab 1. März 2020 beginnende Bewilligungszeitraum über den 30. Juni 2020 andauert.“ Zwar sind die Regelungen zwischenzeitlich mehrfach verlängert worden, aktuell bis zum 31. Dezember 2022, es gibt jedoch keine Anhaltspunkte dafür, dass der Gesetzgeber dadurch von seinem ursprünglichen Plan abweichen wollte, den erweiterten Vermögensschutz nur für einen Zeitraum von sechs Monaten einzuräumen (vgl. zum Ganzen LSG Nordrhein-Westfalen, Beschluss vom 28. Juni 2022 – L 9 SO 140/22 B ER – juris).“
Eine Änderung in den Verhältnissen ist im Bewilligungszeitraum vielmehr nur insoweit ersichtlich - wie auch die Beklagte mit dem Bescheid vom 9. März 2023 berücksichtigt hat -, als weitere Bedarfe für den Zeitraum März bis Juni 2023 Nebenkosten- und Abfallgebührennachzahlungen, Abfallgebühren und die erhöhten Nebenkostenvorauszahlungen entstanden sind, nicht jedoch hinsichtlich der Leistungsgewährung als solcher.
Eine Beendigung der Leistungsgewährung zum 1. Februar 2023 bzw. zum 1. März 2023 hätte mangels Vorliegen einer Änderung der Verhältnisse i.S.d. § 48 Abs. 1 Satz 1 SGB X in der hiesigen Sache nur gemäß § 45 SGB X erfolgen können, auf welchen die Beklagte denn auch in ihrer Berufungs- bzw. Klageerwiderung vom 22. Februar 2022 abgestellt hat. Eine Auswechslung der Rechtsgrundlage der die Leistungsgewährung beendenden Entscheidungen in den Bescheiden vom 26. Januar 2023 und 9. März 2023 von § 48 SGB X hin zu § 45 SGB X scheidet vorliegend jedoch aus. Zwar ist das so genannte „Nachschieben von Gründen“ (richtigerweise: Stützen der Entscheidung auf eine andere Rechtsgrundlage) zulässig, soweit der Verwaltungsakt dadurch nicht in seinem Regelungsumfang oder seinem Wesensgehalt verändert oder die Rechtsverteidigung des Betroffenen in nicht zulässiger Weise beeinträchtigt oder erschwert wird (Bundessozialgericht [BSG], Urteil vom 29. Juni 2000 – B 11 AL 85/99 R –, BSGE 87, 8-14, SozR 3-4100 § 152 Nr. 9, SozR 3-1300 § 43 Nr. 4, SozR 3-1300 § 45 Nr. 41, juris Rdnr. 21 ff.; BSG, Urteil vom 25. April 2002 – B 11 AL 69/01 R – juris Rdnr. 16 f.; BSG, Urteil vom 16. Dezember 2008 – B 4 AS 48/07 R – juris Rdnr. 17). Weil die §§ 45, 48 SGB X auf dasselbe Ziel, nämlich die Aufhebung eines Verwaltungsaktes, gerichtet sind, ist das Auswechseln dieser Rechtsgrundlagen grundsätzlich zulässig (BSG, Urteil vom 25. April 2002, a.a.O.).
In der hiesigen Sache kommt eine solche Auswechslung jedoch nicht in Betracht. Gemäß § 45 Abs. 1 SGB X darf ein Verwaltungsakt, der ein Recht oder einen rechtlich erheblichen Vorteil begründet oder bestätigt hat (begünstigender Verwaltungsakt), soweit er rechtswidrig ist, auch nachdem er unanfechtbar geworden ist, nur unter den Einschränkungen der Absätze 2 bis 4 ganz oder teilweise mit Wirkung für die Zukunft oder für die Vergangenheit zurückgenommen werden. Nach § 45 Abs. 2 Satz 1 SGB X darf ein rechtswidriger begünstigender Verwaltungsakt nicht zurückgenommen werden, soweit der Begünstigte auf den Bestand des Verwaltungsaktes vertraut hat und sein Vertrauen unter Abwägung mit dem öffentlichen Interesse an einer Rücknahme schutzwürdig ist. Die Rücknahme eines Bescheides nach § 45 SGB X setzt damit – anders als § 48 Abs. 1 SGB X – grundsätzlich die Ausübung behördlichen Ermessens (§ 45 Abs. 1 SGB X) und die Vornahme einer Interessenabwägung zwischen dem Interesse des durch den fraglichen Bescheid Begünstigten und dem der Allgemeinheit (§ 45 Abs. 2 SGB X) voraus (vgl. Padé in Schlegel/Voelzke, jurisPK-SGB X, 2. Aufl., § 45 SGB X – Stand: 17. April 2023 – Rdnrn. 68 ff., 125 ff.). Eine Ermessensausübung ist in den Bescheiden vom 26. Januar 2023 und vom 9. März 2023 jedoch – ausgehend von einer Aufhebung nach § 48 SGB X folgerichtig – nicht erfolgt. Die Ermessensausübung kann im vorliegenden Klageverfahren auch nicht mehr gemäß § 41 Abs. 2 SGB X wirksam nachgeholt werden (vgl. etwa LSG Baden-Württemberg, Urteil vom 5. April 2011 – L 11 KR 965/09 – juris Rdnr. 41 m.w.N.). Es kann daher dahinstehen, ob die Ausführungen der Beklagten in der hiesigen Berufungs- bzw. Klageerwiderung für sich genommen die Voraussetzungen einer ausreichenden Ermessensbetätigung erfüllen würden.
Da der rechtliche Maßstab für die Aufhebungsentscheidung, wie dargestellt, hier § 45 SGB X ist, kann der eingetretene Ermessensausfall nur dann unbeachtlich sein, wenn es ausnahmsweise einer Ermessensentscheidung nicht bedurfte (BSG, Urteil vom 16. Dezember 2008, a.a.O. Rdnr. 18). Im Recht der Sozialhilfe nach dem SGB XII fehlt es jedoch an einer etwa dem § 330 Abs. 2 Drittes Buch Sozialgesetzbuch (SGB III) bzw. § 40 Abs. 1 Nr. 1 SGB II i.V.m. § 330 Abs. 2 SGB III entsprechenden Regelung, welche die zwingende und nicht ermessensabhängige Rücknahme eines rechtswidrigen begünstigenden Verwaltungsaktes im Falle des Vorliegens der Voraussetzungen des § 45 Abs. 2 Satz 3 SGB X anordnet. Der seltene Ausnahmefall einer Ermessensschrumpfung auf Null liegt ebenfalls nicht vor. Dieser setzt voraus, dass es nach dem festgestellten Sachverhalt ausgeschlossen ist, dass Umstände vorliegen, die eine anderweitige – den Betroffenen ganz oder teilweise begünstigende – Entscheidungsfindung rechtsfehlerfrei zuließen Dies ist in aller Regel nicht der Fall und kann etwa bei einer Bösgläubigkeit des Begünstigten im Sinne betrügerischen Verhaltens angenommen werden (BSG, Urteil vom 11. April 2002 – B 3 P 8/01 R – juris Rdnr. 26 m.w.N.). Eine derartige oder vergleichbare Sachlage ist hier schon deswegen nicht gegeben, weil die Klägerin die Beklagte über die von der Beklagten als Grund der Leistungsbeendigung herangezogenen Vermögensverhältnisse informiert hat und die Weitergewährung seitens der Beklagten nach deren eigenen Angaben aufgrund eines internen Behördenversehens erfolgt ist.
Die Klägerin hat jedoch keinen Anspruch auf die Gewährung höherer Leistungen der Grundsicherung im Alter und bei Erwerbsminderung nach § 19 Abs. 2, §§ 41 ff. SGB XII im Zeitraum vom 1. Juli 2022 bis zum 30. Juni 2023, als ihr mit dem Bescheid vom 29. Juni 2022 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 30. September 2022 und – hinsichtlich der Monate März bis Juni 2023 – in der Fassung des Bescheides vom 9. März 2023 bewilligt worden sind. Ihre diesbezügliche kombinierte Anfechtungs- und Leistungsklage ist zwar zulässig, aber unbegründet. Denn die 1955 geborene Klägerin hat zwar die Altersgrenze nach § 41 Abs. 2 SGB XII erreicht und ihren gewöhnlichen Aufenthalt im Inland, sie kann jedoch ihren notwendigen Lebensunterhalt ausreichend aus eigenem Einkommen und – hier entscheidend – Vermögen nach § 43 SGB XII bestreiten und ist mithin nicht hilfebedürftig. Das vorhandene Vermögen ist auch nicht gemäß § 141 SGB XII unberücksichtigt zu lassen, da, wie gezeigt, diese Sondervorschrift auf den hiesigen Bewilligungszeitraum für die Klägerin keine Anwendung mehr findet.
Der Senat hat hierzu im Urteil vom 17. November 2023 ausgeführt:
„Nach §§ 43 Abs. 1, 90 Abs. 1 SGB XII ist das gesamte verwertbare Vermögen einzusetzen. Vermögen sind dabei alle beweglichen und unbeweglichen Güter und Rechte in Geld oder Geldeswert; umfasst werden auch Forderungen bzw. Ansprüche gegen Dritte, soweit sie nicht normativ dem Einkommen zuzurechnen sind (BSG, Urteil vom 18. März 2008 – B 8/9b SO 9/06 R – juris Rdnr. 15; BSG, Urteil vom 25. August 2011 – B 8 SO 19/10 R – juris Rdnr. 13; BSG, Urteil vom 9. Dezember 2016 – B 8 SO 15/15 R – juris Rdnr. 22).
Ausweislich der von der Klägerin vorgelegten Unterlagen verfügt sie über Vermögen in Gestalt einer Rentenversicherung bei der L1 AG (Rentenversicherungsnr. 70 7350468XX), die nach Auszahlung eines Teilbetrages in Höhe von 3.000,00 Euro zum 1. Oktober 2021 einen Rückkaufswert von 29.934,99 Euro hat, eines Girokontos bei der V1bank P1 (Kontonummer XXX), welches am 13. August 2021 einen Kontostand von 1.406,31 Euro aufwies (Kontoauszug vom 13. August 2021), eines ebenfalls bei der V1bank P1 geführten Tagesgeldkontos (XXX), auf welchem sich zum 6. Juli 2021 ein Betrag i.H.v. 1.226,67 Euro befand (vgl. Kontoauszug vom 6. Juli 2021) und eines Sparbuchs bei der V1bank P1 (Kontonr. XXX), bei welchem der Kapitalsaldo zum 13. August 2021 3.329,60 Euro betrug (Kontoauszug vom 13. August 2021).
Das auf den Konten befindliche Vermögen der Klägerin ist dabei auch ohne weiteres verwertbar. Gleiches gilt für die bei der L1 AG geführte Rentenversicherung.
Bei einer privaten Rentenversicherung handelt es sich regelmäßig um durch Auflösung verwertbares Vermögen (vgl. zum Ganzen Senatsurteil vom 21. Februar 2019 – L 7 AS 2404/18 – n.v.; BSG, Urteil vom 20. Februar 2014 – B 14 AS 10/13 R – juris Rdnr. 38 ff.), wobei der Rückkaufswert (abzüglich der Verwertungskosten) den maßgeblichen Verkehrswert darstellt. An der Verwertbarkeit der Rentenversicherung bei der L1 AG bestehen keine Zweifel. Vermögen ist verwertbar, wenn seine Gegenstände verbraucht, übertragen oder belastet werden können; der Begriff der Verwertbarkeit ist ein rein wirtschaftlicher und beurteilt sich sowohl nach den tatsächlichen als auch den rechtlichen Verhältnissen (ständige Rechtsprechung; vgl. etwa BSG, Urteil vom 20. Februar 2014 – B 14 AS 10/13 – juris Rdnr. 22). Tatsächliche und rechtliche Verfügungsbeschränkungen sind vorliegend nicht ersichtlich. Die private Rentenversicherung bei der L1 AG wäre für die Klägerin innerhalb kürzester Zeit verwertbar gewesen, wie der Senat bereits mit Urteil vom 21. Februar 2019 – L 7 AS 2404/18 festgestellt hat. Das sich hieran etwas geändert haben könnte, ist weder vorgetragen noch sonst ersichtlich.“
Die Möglichkeit der Klägerin, ihren Bedarf durch ihre eigenen Vermögenswerte zu decken bestand und besteht auch weiterhin hinsichtlich des Bewilligungszeitraums vom 1. Juli 2022 bis zum 30. Juni 2023, da ihr nach dem gegebenen Sachstand immer noch ausreichendes Vermögen zur Verfügung steht. Dabei berücksichtigt der Senat einerseits, dass sich die Kontostände der verschiedenen Konten der Klägerin zwischenzeitlich verringert haben (Kontostand Girokonto am 20. Februar 2023: 337,71 Euro, Kontostand Tagesgeldkonto am 30. Dezember 2022 1.026,67 Euro Kontostand Sparkonto am 30. Dezember 2022: 2.310,18 Euro) und die Klägerin sich zum März 2023 einen weiteren Teilbetrag von 3.000 Euro aus ihrer Rentenversicherung hat auszahlen lassen – was zunächst lediglich eine interne Vermögensumschichtung darstellt und daneben die Verfügbarkeit dieser Rentenversicherung zur Bedarfsdeckung demonstriert – sowie andererseits, dass sich die von der Verwertung gemäß § 90 Abs. 2 Nr. 9 SGB XII freigestellten kleineren Barbeträge oder sonstigen Geldwerte (sog. Vermögensfreibetrag) zum 1. Januar 2023 auf 10.000 Euro erhöht haben (vgl. § 1 Satz 1 Nr. 1 Verordnung zur Durchführung des § 90 Abs. 2 Nr. 9 des SGB XII, zuletzt geändert durch Artikel 9 des Gesetzes vom 16. Dezember 2022, BGBl. 2328). Anhaltspunkte für eine besondere Notlage i.S.d. § 90 Abs. 2 Nr. 9 Halbsatz 2 SGB XII bestehen nicht.
Der Vermögensverwertung insbesondere der R1 der Klägerin stehen auch Vertrauensschutzgesichtspunkte nicht entgegen. Dies folgt schon daraus, dass die Beklagte mit dem Bescheid vom 29. Juni 2022 und auch mit dem Bescheid vom 9. März 2023 auf die Verpflichtung zum Einsatz des verwertbaren Vermögens vor Inanspruchnahme von Sozialleistungen und die jeweiligen Vermögensfreibeträge hingewiesen hat. Ein Vertrauen auf die Leistungsgewährung ungeachtet des Vermögens konnte daher für den streitigen Bewilligungszeitraum von vorneherein nicht entstehen. Auch tragfähige Anhaltspunkte für die Annahme einer Härte im Sinne des § 90 Abs. 3 SGB X im Übrigen sind von der Klägerin nicht dargelegt worden und auch nicht ersichtlich.
Da die Klägerin somit materiell im Zeitraum vom 1. Juli 2022 bis zum 30. Juni 2023 keinen Anspruch auf Leistungen der Grundsicherung im Alter und bei Erwerbsminderung gegen die Beklagte gehabt hat, steht ihr erst recht kein Anspruch auf noch höhere Leistungen als die ihr dennoch bewilligten zu.
Der von der Klägerin schließlich noch gestellte Schadensersatzantrag ist bereits unzulässig, da insoweit der Sozialrechtsweg nicht gegeben ist. Auch hierzu ist auf die Gründe des Senatsurteils vom 17. November 2022 zu verweisen:
„Für Schadensersatzansprüche in Geld auf der Grundlage der §§ 823 ff., 839 Bürgerliches Gesetzbuch (BGB) i.V.m. Art. 34 Grundgesetz (GG) sind nicht die Gerichte der Sozialgerichtsbarkeit, sondern gemäß Art. 34 Satz 3 GG, § 17 Abs. 2 Satz 2 Gerichtsverfassungsgesetz (GVG) ausschließlich die Zivilgerichte zuständig (BSGE 47, 194, 200 = SozR 2200 § 1399 Nr. 11; BSGE 50, 25, 29 = SozR 2200 § 172 Nr. 14). Eine Bindung des Senats nach § 17a Abs. 5 GVG liegt nicht vor; denn das SG hat im Gerichtsbescheid vom 9. Mai 2022 eine „Entscheidung in der Hauptsache“ im Sinne der genannten Vorschrift über einen Amtshaftungsanspruch wegen fehlender Rechtswegzuständigkeit gerade nicht getroffen (vgl. dazu BSG SozR 4-1500 § 153 Nr. 11 <Rdnrn. 28 f.>; BSG, Beschluss vom 31. Oktober 2012 - B 13 R 437/11 B - juris Rdnr. 13>). Der von der Klägerin beschrittene Rechtsweg zu den Sozialgerichten ist mithin hinsichtlich der von ihr geltend gemachten Amtshaftungstatbestände nicht zulässig. Ein Gericht der Sozialgerichtsbarkeit darf im Übrigen eine Teilverweisung eines eventuellen Amtshaftungsanspruchs an das Zivilgericht nicht vornehmen, weil das GVG eine Teilverweisung nicht kennt (vgl. BSG, Beschluss vom 31. Oktober 2012 – B 13 R 437/11 B – juris Rdnr. 10; BSG, Beschluss vom 30. Juli 2014 – B 14 AS 8/14 B – juris Rdnr. 5).“
Auch vorliegend ist eine Bindung des Senats gemäß § 17a Abs. 5 GVG nicht eingetreten, da das SG mit dem Gerichtsbescheid vom 16. Januar 2023 hinsichtlich des Schadensersatzanspruchs – und nur um diesen geht es insoweit – keine Entscheidung in der Hauptsache getroffen, sondern unter Verweis auf die vorstehenden Ausführungen aus dem Senatsurteil vom 17. November 2022 wegen fehlender (Rechtsweg-)Zuständigkeit als unzulässig abgewiesen hat.
Soweit das Schadensersatzbegehren der Klägerin vor dem Hintergrund ihres Verweises auf § 93 Abs. 4 SGB XII i.V.m. den §§ 115 ff. SGB X und ihrer Einordnung auch der – von ihrer Vermieterin offenbar akzeptierten – Mietminderung als „Schadensersatz“ dahingehend zu verstehen sein sollte, dass die Klägerin den Übergang ihrer Mietminderung auf die Beklagte begehrt, wäre die Klage auch insoweit unzulässig, da die Klägerin kein Rechtsschutzbedürfnis hinsichtlich des Ausgleichs erbrachter Sozialleistungen – denn nur soweit reichen die Überleitungsregelungen der §§ 115 ff. SGB X – durch einen Dritten zugunsten der Beklagten hat. Lediglich klarstellend ist auszuführen, dass es sich im Übrigen bei einer Mietminderung nach § 536 Bürgerliches Gesetzbuch (BGB) nicht um einen Schadensersatzanspruch handelt, wie schon aus der Regelung des § 536a BGB deutlich wird, der klarstellt, dass die Minderungsrechte aus § 536 BGB ein Schadenersatzverlangen nicht ausschließen. Bei der Mietminderung nach § 536 BGB handelt es sich insgesamt nicht um einen Anspruch, sondern eine dem Anspruch auf Mietzahlung des Vermieters entgegensetzbare Einwendung (vgl. Münch in: Herberger/Martinek/Rüßmann/Weth/Würdinger, jurisPK-BGB, 10. Aufl., § 536 BGB – Stand: 9. Februar 2023 – Rdnr. 16). Ein Übergang auf einen Sozialleistungsträger scheidet schon daher von vorneherein aus.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG und berücksichtigt das Obsiegen und Unterliegen der Beteiligten sowie unter Veranlassungsgesichtspunkten den Umstand, dass der Bescheid vom 29. Juni 2022 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 30. September 2022 nicht zuungunsten der Klägerin rechtswidrig gewesen ist und damit zunächst weder ein Anlass zur Klageerhebung noch im Weiteren zur Berufungseinlegung gegen den die vorgenannte Entscheidung der Beklagten bestätigenden Gerichtsbescheid vom 16. Januar 2023 bestanden hat.
Gründe für die Zulassung der Revision (§ 160 Abs. 2 Nrn. 1 und 2 SGG) liegen nicht vor.
Land
Baden-Württemberg
Sozialgericht
LSG Baden-Württemberg
Sachgebiet
Sozialhilfe
Abteilung
7.
1. Instanz
SG Karlsruhe (BWB)
Aktenzeichen
S 5 SO 2641/22
Datum
2. Instanz
LSG Baden-Württemberg
Aktenzeichen
L 7 SO 296/23
Datum
3. Instanz
-
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Rechtskraft
Aus
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